Entscheidungsstichwort (Thema)

persönliche Entgeltpunkte (Ost). beitragspflichtiges Durchschnittseinkommen. Gesamtdurchschnittseinkommen. Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr für Renten aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung gemäß § 307a Abs 2 S 1 Buchst b SGB VI ist nicht das tatsächlich erzielte, sondern das in der FZR versicherte – ggf durch die Beitragsbemessungsgrenze beschränkte – Einkommen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB VI § 307a; FZRV §§ 8, 11, 20, 30

 

Verfahrensgang

Sächsisches LSG (Urteil vom 23.11.1994; Aktenzeichen L 4 Ar 5/93)

SG Dresden (Urteil vom 13.10.1993; Aktenzeichen S 6 Ar 18/93)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. November 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger höheres Altersruhegeld zusteht. Streitig ist insbesondere, ob bei der Berechnung der Altersrente des Klägers für die Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) das 600,00 M übersteigende tatsächliche Einkommen oder nur das diesen Betrag übersteigende in der FZR versicherte Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist.

Der 1924 geborene Kläger war in seinem Versicherungsleben ua als Buchhalter und kaufmännischer Leiter versicherungspflichtig beschäftigt; seit 1970 arbeitete er in einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) und nebenher stundenweise als selbständiger Buchhalter. Ab März 1971 entrichtete er Beiträge zur FZR nach einer Bemessungsgrundlage von in der Regel 600,00 M. Mit Bescheiden vom 31. März 1986 wurden ihm eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung sowie eine Zusatzrente aus der FZR bewilligt. Der Rente aus der Sozialpflichtversicherung lagen 45 Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit sowie vier Jahre Zurechnungszeiten zugrunde; die Rentenberechnung beruhte auf einem in 226 Monaten erzielten Gesamteinkommen von 135.995,00 M. Die Zusatzrente errechnete sich aus einem in 165 Monaten erzielten Gesamteinkommen von 99.115,00 M. Die zum 1. Juli 1991 auf DM umgestellte Rente wurde mit Bescheid der Beklagten vom 29. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 1993 umgewertet und der ab 1. Januar 1992 geltenden Rechtslage nach dem SGB VI angepaßt. Dabei legte die Beklagte der Rente 1,5018 Entgeltpunkte je Arbeitsjahr – errechnet aufgrund eines individuellen Einkommens des Klägers in Höhe von 252.600,00 DM und eines Gesamtdurchschnittseinkommens für den 1985 endenden 20-Jahres-Zeitraum in Höhe von 168.201,00 DM – zugrunde. Mit weiteren Bescheiden vom 7. März und 6. April 1994 stellte die Beklagte die dem Kläger zustehende Regelaltersrente neu fest.

Die auf die Anrechnung des tatsächlich erzielten anstelle des in der FZR versicherten Durchschnittseinkommens gerichtete Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 13. Oktober 1993; Urteil des LSG vom 23. November 1994). Soweit darüber hinaus die Anrechnung weiterer Versicherungszeiten – neben 45 Jahren versicherungspflichtiger Beschäftigung auch vier Jahre Zurechnungszeiten – im Streit war, hat die Beklagte diesen Anspruch im Bescheid vom 20. Juni 1995 anerkannt. Hinsichtlich der streitigen Berücksichtigung weiterer Arbeitsverdienste hat das LSG zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei im Unterschied zu § 307a Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB VI, der von einem “beitragspflichtigen” Durchschnittseinkommen spreche, in Buchst b derselben Vorschrift kein ausdrücklicher Hinweis darauf enthalten, daß nur dasjenige Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen sei, für das auch Beiträge zur FZR entrichtet worden seien. Das gesamte individuelle Einkommen, soweit es über 600,00 M hinausgehe, der Rentenberechnung zugrunde zu legen, würde jedoch dem Zweck der Regelung zuwiderlaufen.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 307a Abs 2 Satz 1 SGB VI, und trägt vor: Die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Einkommens auf die Beitragsbemessungsgrenze oder die Berücksichtigung nur des beitragspflichtigen Durchschnittseinkommens iS des § 307a Abs 2 Satz 1 SGB VI könne nie zur Berücksichtigung des individuellen Einkommens führen; sie würde die Individualität lediglich auf die Zeit der Zugehörigkeit zur FZR reduzieren. Ein Versicherter, der zusätzlich selbständig tätig gewesen sei, werde zudem schlechter gestellt. Denn seine zusätzliche selbständige Tätigkeit fände keine Berücksichtigung, obgleich Selbständige im Beitrittsgebiet für ihre Tätigkeiten mit einem Beitragssatz für die FZR von bis zu 20 % “bestraft” worden seien. Das nachgewiesene Einkommen betrage aber 347.072,68 DM; bei einer Gegenüberstellung des von der Beklagten angenommenen Gesamtdurchschnittseinkommens der Anlage 12 zum SGB VI in Höhe von 168.201,00 DM ergäben sich 2,0634 durchschnittliche Entgeltpunkte je Arbeitsjahr, so daß nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 307a Abs 1 SGB VI 1,8 Entgeltpunkte zum Tragen kämen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. November 1994 und des Sozialgerichts Dresden vom 13. Oktober 1993 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 1993 sowie die Bescheide vom 7. März 1994 und 6. April 1994 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, seine Regelaltersrente ab 1. Januar 1992 unter Zugrundelegung von 1,8 Entgeltpunkten (Ost) neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf höhere Rente unter Zugrundelegung seines gesamten individuellen Einkommens bei Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr hinsichtlich des Rententeils aus der FZR hat.

Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, daß die Bescheide der Beklagten vom 7. März und 6. April 1994 – entgegen ihrem Wortlaut – den angefochtenen Bescheid vom 29. November 1991 nicht ersetzt haben. Denn hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen oder -elemente enthalten die genannten Bescheide weder eine Änderung noch eine Ersetzung der ursprünglichen Regelung, so daß der Bescheid vom 29. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 1993 weiterhin Gegenstand des Verfahrens geblieben ist. Die Bescheide vom 7. März und 6. April 1994 sind gemäß § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Gemäß § 307a Abs 2 Satz 1 SGB VI ergeben sich die durchschnittlichen Entgeltpunkte (Ost) je Arbeitsjahr, wenn die Summe aus dem

  • für Renten der Sozialpflichtversicherung ermittelten 240fachen beitragspflichtigen Durchschnittseinkommen und
  • für Renten aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung ermittelten 600,00 M übersteigenden Durchschnittseinkommen, vervielfältigt mit der Anzahl der Monate der Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung,

durch das Gesamtdurchschnittseinkommen, das sich in Abhängigkeit vom Ende des der bisherigen Rentenberechnung zugrundeliegenden 20-Jahres-Zeitraums aus Anlage 12 ergibt, geteilt wird. Diesen Rechenvorgang hat die Beklagte – bezogen auf die hier streitigen durchschnittlichen Entgeltpunkte für Renten aus der FZR – zutreffend durchgeführt. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß die Beklagte nur das 600,00 M übersteigende in der FZR versicherte Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt hat, nicht aber das tatsächlich erzielte Gesamteinkommen.

Grundlage für die Berechnung der Zusatzalters- und Zusatzinvalidenrente war gemäß § 20 Abs 1 der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung – FZR-Verordnung – vom 17. November 1977 ≪GBl I S 395≫ (FZR-VO) neben der Gesamtzeit der Zugehörigkeit zur FZR das während der Zugehörigkeit zur FZR erzielte monatliche Durchschnittseinkommen über 600,00 M, für das Beiträge zur FZR entrichtet wurden (§ 20 Abs 1 Buchst b FZR-VO). Mithin war auch für die Berechnung von Renten aus der FZR das durch Beiträge versicherte Durchschnittseinkommen zu ermitteln. Hierfür war das Gesamteinkommen, für das Beiträge zur FZR gezahlt wurden, durch die Anzahl der Kalendermonate der Zugehörigkeit zur FZR zu teilen (vgl Polster in Kasseler Komm, RdNr 15 zu § 307a). Grundlage für die Rentenberechnung in der ehemaligen DDR waren also – ähnlich der nach bundesdeutschen Vorschriften berechneten Rente – neben der Gesamtzeit der Zugehörigkeit zu dem Rentensystem Anzahl und Höhe der entrichteten Beiträge, wobei die Höhe durch eine Bemessungsgrenze begrenzt war bzw sein konnte.

Dementsprechend ordnet § 307a Abs 2 Satz 1 Buchst b SGB VI den umgekehrten Weg an, um das FZR-Gesamteinkommen zu bestimmen, weil dem Rentenbestandsdatensatz nur der monatliche Durchschnittswert zu entnehmen ist. Die Umwertung von über vier Millionen Bestandsrenten konnte jedoch nur in einem maschinellen Verfahren auf der Grundlage der vorhandenen Daten erfolgen (vgl Gesetzesbegründung zu § 307a SGB VI, BT-Drucks 12/4810, S 26 zu Nr 22). Während der Gesetzgeber des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung – Renten-Überleitungsgesetz (RÜG), durch das der § 307a in das SGB VI eingefügt worden ist, davon ausging, daß Angaben über die Monate der Beitragszahlung zur FZR vorliegen, stellte sich erst während des Gesetzgebungsverfahrens des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung – Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG), durch das § 307a Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB VI geändert worden ist, heraus, daß die der Rentenumwertung zugrunde gelegten Zeiten auch Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR enthalten, in denen Beiträge nicht entrichtet worden sind. Da eine Unterscheidung dieser Zeiten von den tatsächlichen Beitragszeiten zur FZR nur unter Einschaltung der Sachbearbeitung möglich war, aufwendige Verwaltungsarbeiten jedoch zugunsten eines Zurückgreifens auf das vorhandene, maschinell verarbeitungsfähige Datenmaterial ausgeschlossen werden sollten, hat der Gesetzgeber nunmehr statt auf die “Beitragszahlung” auf die “Zugehörigkeit” zur FZR abgestellt. Dies führt jedoch nur zu einer Vereinfachung, was den Nachweis der Monate der tatsächlichen Beitragsentrichtung betrifft. Mit dieser Rechtsänderung hat der Gesetzgeber nicht ausgesagt, daß die Höhe der entrichteten Beiträge unerheblich sein soll.

In gleicher Weise, wie der Berechnung von Renten aus der FZR das durch Beiträge zur FZR versicherte Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen war, indem das Gesamteinkommen, für das Beiträge zur FZR gezahlt wurden, durch die Anzahl der Kalendermonate der Zugehörigkeit zur FZR zu teilen war, ist nunmehr das FZR-Gesamteinkommen zu bestimmen, indem das 600,00 M übersteigende Durchschnittseinkommen, vervielfältigt mit der Anzahl der Monate der Zugehörigkeit zur FZR, durch das Gesamtdurchschnittseinkommen geteilt wird. Nach dem Sinn der Vorschrift ist daher das Einkommen des Versicherten oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialpflichtversicherung von 600,00 M monatlich gemeint, für das Beiträge zur FZR gezahlt worden sind (vgl Hauck/Haines, SGB-Komm, Stand 1. September 1995, RdNrn 60, 61 zu § 307a).

Dabei konnten Arbeiter, Angestellte und Mitglieder sozialistischer Produktionsgenossenschaften wie der Kläger gemäß § 8 Abs 2 FZR-VO wählen, ob sie das tatsächliche Einkommen über 600,00 M monatlich oder nur das 600,00 M übersteigende Einkommen bis 1.200,00 M in der FZR versichern wollten. Der Beitrag betrug gemäß § 8 Abs 1 FZR-VO jeweils 10 vH des 600,00 M monatlich übersteigenden Einkommens. Für freiberuflich Tätige bestand diese Wahlmöglichkeit nicht. Sie mußten gemäß § 11 Abs 1 FZR-VO als Beitrag zur FZR 20 vH ihres Einkommens über 7.200,00 M bis 14.400,00 M jährlich entrichten, wobei das alleinige Tragen der Beitragslast durch den Selbständigen durchaus den Verhältnissen in der Bundesrepublik entsprach, ein “Strafcharakter” dieses Beitragssatzes also nicht erkannt werden kann.

Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte auch bei “Rückrechnung” der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) gemäß § 307a SGB VI aus der Zusatzrente anstelle des tatsächlich erzielten Einkommens nur das in der FZR versicherte Einkommen – bzw das Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze – zugrunde gelegt hat. Offenbleiben kann dabei, ob der Kläger als Werktätiger (Arbeiter, Angestellter bzw Mitglied einer Produktionsgenossenschaft) oder in seiner Eigenschaft als Selbständiger überhaupt Einkommen erzielte, das in der FZR nicht versichert war. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG leistete der Kläger Beiträge zur FZR nach einer Bemessungsgrundlage von “in der Regel 600,00 M monatlich”. Ob dies auf einer Beschränkung der Beitragszahlung nach § 8 Abs 2 Buchst b FZR-VO beruhte und in welcher Höhe ggf Beiträge als Selbständiger nach § 11 Abs 1 FZR-VO hinzuzurechnen waren, ist schriftsätzlich nicht vorgetragen worden und auch in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 1996 nicht zu klären gewesen. Dies hindert den Senat jedoch nicht an der grundsätzlichen Entscheidung, daß die Beklagte im Rahmen des § 307a SGB VI zu Recht nur das in der FZR versicherte Einkommen zugrunde gelegt hat.

Im Gegensatz zu Buchst a des § 307a Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI konnte in Buchst b der Vorschrift nur deshalb nicht von einem “beitragspflichtigen” Durchschnittseinkommen ausgegangen werden, weil die Versicherung in der FZR grundsätzlich freiwillig war. Derjenige, der der FZR beitrat, konnte nicht nur – wie oben ausgeführt – gemäß § 8 Abs 2 FZR-VO entscheiden, ob er für das Einkommen über 600,00 M bis 1.200,00 M monatlich oder für das gesamte tatsächliche Einkommen über 600,00 M monatlich Beiträge zahlen wollte. Gemäß § 30 Abs 2 Satz 1 FZR-VO konnte die Mitgliedschaft in der FZR auch durch Austrittserklärung beendet werden. Die bereits erworbenen Ansprüche auf Zusatzrente blieben dann grundsätzlich erhalten, § 30 Abs 4 1. Halbsatz FZR-VO. Auch dies verdeutlicht die Dispositionsmöglichkeit des Versicherten. Konnte er – der FZR einmal beigetreten – die Mitgliedschaft jederzeit beenden, bestand auch aufgrund des Beitritts keine “Verpflichtung”, bis zum Ende der Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung freiwillige Beiträge zu leisten. Schon aus diesem Grunde konnte in § 307a Abs 2 Satz 1 Buchst b SGB VI für die Versicherung in der FZR nicht von einem “beitragspflichtigen” Durchschnittseinkommen ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 955656

BSGE, 208

Breith. 1997, 881

SozSi 1997, 399

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