Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegen einen Rentenversicherungsträger wegen während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation weitergezahlter "aufstockender" Grundsicherungsleistungen bei Anspruch des Versicherten auf Übergangsgeld. Rechtslage bis 17.2.2021
Leitsatz (amtlich)
Der zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtete Rentenversicherungsträger hat auch ergänzendes Arbeitslosengeld II, das vom SGB II-Leistungsträger während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Versicherten für Zeiträume bis zum 17.2.2021 als Vorschuss geleistet wurde, zu erstatten (Anschluss an und Weiterführung von BSG vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R = SozR 4-4200 § 25 Nr 2).
Normenkette
SGB 2 § 25 S. 1 Fassung: 2011-05-13, S. 3 Fassung: 2011-05-13, § 40 Abs. 2 Nr. 5; SGB III § 335 Abs. 2, 5; SGB VI § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 20 Nr. 3 Buchst. b Fassung: 2006-04-24, § 21 Abs. 4 S. 1 Fassung: 2021-02-11, S. 1 Fassung: 2005-03-21, S. 2 Buchst. e Fassung: 2021-02-11, S. 2 Fassung: 2005-03-21; SGB X § 102; DigRentÜG Art. 3 Nr. 5 Buchst. b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. März 2021 sowie des Sozialgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2018 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 756,53 Euro zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Tatbestand
Im Streit steht die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, das während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom Jobcenter aufstockend gezahlte Arbeitslosengeld II (Alg II) sowie die dafür entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.
Die Versicherte G war zunächst als Servicekraft in einem Hotel rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Sie bezog seit dem 25.3.2014 Krankengeld und ab dem 5.10.2014 Arbeitslosengeld (Alg). Auf ihren Antrag vom 1.7.2014 bewilligte der beklagte Rentenversicherungsträger eine Maßnahme der stationären medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen. Er gewährte ihr für die vom 24.2. bis zum 14.4.2015 durchgeführte Maßnahme auch Übergangsgeld (Übg) in Höhe des zuvor bezogenen Alg von kalendertäglich 13,51 Euro (insgesamt: 689,10 Euro). In dieser Zeit zahlte das klagende Jobcenter das der Versicherten seit dem 1.11.2014 zusätzlich zum Alg aufstockend bewilligte Alg II weiter. Mit Schreiben vom 17.4.2015 verlangte das Jobcenter von der Beklagten die Erstattung seiner Leistungen (Regelbedarf 427,03 Euro, Bedarf für Unterkunft und Heizung 70,31 Euro, Beitrag zur Krankenversicherung 70,31 Euro und zur Pflegeversicherung 13,05 Euro, insgesamt 756,53 Euro). Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Versicherte kein Übg in Höhe des gezahlten Alg II habe beanspruchen können.
Das SG hat die am 25.6.2015 erhobene Klage auf Zahlung von 756,53 Euro abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 5.7.2018). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 3.3.2021). Dieser könne keine Erstattung des von ihm gezahlten Alg II verlangen, weil die Vorschrift des § 25 SGB II bei lediglich aufstockend gewährten SGB II-Leistungen zu keiner Änderung der Leistungszuständigkeit des Jobcenters führe. Das habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit Änderungen von § 25 SGB II sowie von § 21 Abs 4 Satz 2 SGB VI klargestellt. Der Entscheidung des BSG vom 12.4.2017 (B 13 R 14/16 R) sei daher nicht zu folgen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung insbesondere von § 25 Satz 3 SGB II, § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI aF und § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI. Das ergebe sich bereits aus dem BSG-Urteil vom 12.4.2017. Die am 18.2.2021 in Kraft getretenen Fassungen der genannten Vorschriften seien hier noch nicht maßgeblich. Sein Anspruch auf Erstattung auch der für das gezahlte Alg II abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruhe auf § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 335 Abs 2 und 5 SGB III.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. März 2021 sowie des Sozialgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 756,53 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Die Entwicklung des mit dem Leistungsrecht verzahnten Beitragsrechts und insbesondere die anlässlich von Änderungen des § 3 Satz 1 Nr 3a SGB VI bzw des § 11 SGB VI angeführten Begründungen sprächen dafür, dass die vom BSG im Urteil vom 12.4.2017 vorgenommene Auslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Dieser habe für versicherungspflichtige Bezieher von Alg II eine Bestandswahrung vornehmen wollen. Bei Empfängern von ergänzendem Alg II bestehe der vom Gesetzgeber angenommene Schutzbedarf nicht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Dieser hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des von ihm während der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme an die Versicherte aufstockend gezahlten Alg II sowie der hierfür abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die ablehnenden vorinstanzlichen Entscheidungen waren deshalb aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 756,53 Euro an den Kläger zu verurteilen (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
1. Einer Sachentscheidung entgegenstehende, im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Der Kläger hat den von ihm geforderten Erstattungsbetrag gegenüber der Beklagten zulässigerweise mit einer echten Leistungsklage geltend gemacht (§ 54 Abs 5 SGG); er hatte keine Befugnis, ihr gegenüber einen Verwaltungsakt zu erlassen (vgl BSG Urteil vom 17.1.1996 - 3 RK 26/94 - BSGE 77, 194, 197 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1 S 3; BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 27/15 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 23 RdNr 7). Einer Beiladung der Versicherten zu dem Erstattungsstreit gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG bedurfte es nicht (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 12 mwN). Die Berufung war trotz eines streitbefangenen Betrags, der die Bagatellgrenze von 10 000 Euro für Erstattungsstreitigkeiten (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG) deutlich unterschreitet, aufgrund der im Urteil des SG ausgesprochenen Zulassung statthaft. Diese Entscheidung ist nicht nur für das LSG (vgl § 144 Abs 3 SGG), sondern im weiteren Rechtsmittelzug auch für das BSG bindend (vgl BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 13/99 R - SozR 3-5533 Nr 100 Nr 1 S 3 = juris RdNr 15).
2. Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung des während der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation an die Versicherte aufstockend gezahlten Alg II verlangen.
a) Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren ist § 25 Satz 1 und 3 SGB II iVm § 102 SGB X. Maßgeblich ist hier noch die Fassung, die § 25 SGB II ab dem 1.1.2011 durch Art 2 Nr 31 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (vom 24.3.2011, BGBl I 453) erhalten hat (textidentisch die Fassung der Neubekanntmachung des SGB II vom 13.5.2011, BGBl I 850). Danach erbringen die Träger der Leistungen nach dem SGB II die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter, sofern die Leistungsberechtigten dem Grunde nach Anspruch auf Übg bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung haben (Satz 1 aaO). Die Anordnung der entsprechenden Geltung des § 102 SGB X in § 25 Satz 3 SGB II bewirkt, dass der SGB II-Leistungsträger die hiernach von ihm als Vorschuss erbrachten Leistungen in dem Umfang von dem eigentlich leistungsverpflichteten Rentenversicherungsträger erstattet verlangen kann, wie er sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften - hier: dem SGB II - zu Recht erbracht hat (§ 102 Abs 2 SGB X - vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 15). Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass für den SGB II-Leistungsberechtigten während der - typischerweise auf wenige Wochen beschränkten - Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation kein Trägerwechsel eintritt. Die bei einem Trägerwechsel möglicherweise drohenden Lücken bei der Gewährung existenzsichernder Leistungen sollen auf diese Weise vermieden werden (vgl bereits BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 13; ebenso BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - aaO RdNr 16; s nunmehr auch BT-Drucks 19/23550 S 103 - zu Art 3 Nr 5). Soweit im materiellen Recht die Finanzierungszuständigkeit für die Zahlung des Übg abweichend geregelt ist, führt das nach der Konzeption des § 25 SGB II lediglich im Verhältnis zwischen den Trägern zu einem Erstattungsanspruch.
b) Nach dem im Jahr 2015 geltenden materiellen Sozialrecht hatte die Versicherte als Leistungsberechtigte nach dem SGB II während ihrer Teilnahme an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 24.2. bis zum 14.4.2015 gegenüber dem die Maßnahme bewilligenden Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf Übg auch in Höhe des zuvor von ihr ergänzend ("aufstockend") bezogenen Alg II.
aa) Anspruchsgrundlage ist im hier relevanten Zeitraum § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI (in der vom 1.1.2007 bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926 ≪aF≫) iVm § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI (in der vom 1.1.2005 bis heute unverändert geltenden Fassung von Art 5 Nr 1a Buchst c des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, BGBl I 818). Nach § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI aF haben Versicherte, die von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, ua einen Anspruch auf Übg, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder vor Beginn der Leistungen Alg II bezogen haben und zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Dass die Vorinstanzen ihren Entscheidungen den erst ab dem 30.12.2016 geltenden "§ 20 Abs 1 Nr 3 Buchst b SGB VI" (idF von Art 7 Nr 4a des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016, BGBl I 3234) zugrunde gelegt haben, ist aufgrund der Textidentität dieser Regelung mit § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI aF hier ohne inhaltliche Relevanz. Zur Höhe des Übg bestimmt § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI für Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder vor Beginn der medizinischen Leistungen Alg II bezogen und zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, dass sie bei medizinischen Leistungen Übg in Höhe des Betrages des Alg II erhalten. Das gilt allerdings nicht, wenn einer der in § 21 Abs 4 Satz 2 Buchst a bis d SGB VI aufgelisteten Tatbestände erfüllt ist. Der dort normierte Katalog von Sachverhalten, die einen Anspruch auf Übg in Höhe des Alg II ausschließen, umfasste ursprünglich nur Sachverhalte eines darlehensweisen Bezugs von Alg II, von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten sowie für Bekleidung, orthopädische Schuhe und Miete von therapeutischen Geräten oÄ und zudem spezielle Sachverhalte in Abgrenzung zu Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Dieser detaillierte Katalog von Ausschlusstatbeständen wurde erst durch Art 3 Nr 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen (Gesetz Digitale Rentenübersicht vom 11.2.2021 - BGBl I 154) um einen Buchst e erweitert. Danach betrifft der Ausschluss nunmehr auch Leistungsempfänger, die Alg II "als ergänzende Leistungen zum Einkommen" erhalten.
bb) Die Versicherte erfüllte die nach den vorstehend genannten Vorschriften erforderlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Übg auch in Höhe des von ihr bezogenen Alg II. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) hatte sie bis unmittelbar vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ergänzend zum Alg auch Alg II bezogen. Auch hatte sie in ihrer Beschäftigung als Servicekraft in einem Hotel zuvor aus Arbeitsentgelt Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Der 13. Senat des BSG hat im Urteil vom 12.4.2017 das in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI aF bzw in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI normierte Erfordernis, dass "zuvor" Beiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bzw Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, unter Rückgriff auf die Regelung in § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI näher konkretisiert. Danach reicht es aus, wenn in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für zumindest sechs Kalendermonate (Pflicht-)Beiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zur Rentenversicherung entrichtet worden sind (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 22 ff, 28). Der hier erkennende Senat hat sich dem angeschlossen (vgl BSG Urteil vom 7.4.2022 - B 5 R 47/21 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Hierdurch wird gewährleistet, dass bei einem Bezug von Übg zu Lasten des Rentenversicherungsträgers noch eine hinreichende Verbindung zu einer Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Dass innerhalb des Zweijahreszeitraums für die Versicherte entsprechende Pflichtbeiträge gezahlt wurden, stellt auch die Beklagte nicht in Frage.
cc) Der 13. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 12.4.2017 ebenfalls entschieden, dass die Regelungen zum Übg in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI aF und § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI auch bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II anzuwenden sind, die Alg II lediglich ergänzend zu sonstigem Einkommen erhalten (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 32). Insoweit folgen die Vorinstanzen - ebenso wie die Beklagte - dieser Entscheidung nicht. Sie halten die Zahlung von Übg durch den Rentenversicherungsträger in solchen Fällen für systemwidrig. Dazu verweisen sie vor allem auf die bereits erwähnte Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 SGB VI durch das Gesetz Digitale Rentenübersicht vom 11.2.2021, die dies klargestellt habe. Der hier erkennende, seit dem 1.7.2021 für Streitigkeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung allein zuständige 5. Senat hält jedoch für Ansprüche auf Übg, die vor dem 18.2.2021 entstanden sind, an der Entscheidung des 13. Senats fest. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:
(1) Der Ausschluss von SGB II-Leistungsempfängern, die Alg II als ergänzende Leistung zum Einkommen erhalten haben, von einem Anspruch auf Übg (auch) in Höhe des Betrags des Alg II gemäß § 21 Abs 4 Satz 2 Buchst e SGB VI ist für Ansprüche, die vor dem 18.2.2021 entstanden sind, nicht anwendbar. Das ergibt sich aus der Regelung zum Inkrafttreten in Art 13 des Gesetzes Digitale Rentenübersicht. In Abs 5, 7 und 9 des Art 13 (aaO) ist für einzelne Bestimmungen ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 31.12.2020 oder zum 1.1.2021 bestimmt. Im Übrigen - und das betrifft sowohl die Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 SGB VI durch Art 3 Nr 5 (aaO) wie auch die Änderung des § 25 Satz 1 SGB II durch Art 4 (aaO) - ist in Art 13 Nr 1 (aaO) das Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes Digitale Rentenübersicht angeordnet, mithin am 18.2.2021. Nach diesen klaren und differenzierten Regelungen entfaltet sowohl die Erstreckung des Ausschlusses bestimmter SGB II-Leistungsempfänger von der Zahlung von Übg in Höhe der Alg II-Leistungen auf die aufstockend Alg II beziehenden Leistungsberechtigten als auch die entsprechende Begrenzung von Vorschussleistungen und Erstattungsansprüchen der SGB II-Leistungsträger keine Rückwirkung.
(2) Entgegen der Ansicht des LSG handelt es sich bei der Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 SGB VI und des § 25 Satz 1 SGB II zum 18.2.2021 nicht um eine Klarstellung dessen, was schon zuvor gelten sollte, sondern um eine originär neue Regelung. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz Digitale Rentenübersicht ist an mehreren Stellen ausgeführt, dass die Regelungen zum Übg "weiterentwickelt" werden sollen (vgl BT-Drucks 19/23550 S 2 - Abschn A letzter Satz, S 3 - Abschn B letzter Satz, S 62 - 3. Abs). An anderer Stelle ist davon die Rede, dass das Übg "neu geregelt" werden soll (aaO S 65). Lediglich im Rahmen dieser Neuregelung, dh "mit Einführung von Buchstabe e" (aaO S 103 - zu Nr 5), sollte die Abgrenzung des Anspruchs auf Übg zum Alg II bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe "klargestellt" werden (aaO S 65 bzw S 103). An keiner Stelle der Gesetzesbegründung wird hingegen auch nur ansatzweise verdeutlicht, dass diese Änderungen rückwirkend und unter Korrektur der Rechtsprechung des zuständigen obersten Gerichtshofs des Bundes (vgl Art 95 Abs 1 GG) vorgenommen werden sollen. Das für die Klärung der Rechtslage maßgebliche Urteil des 13. Senats vom 12.4.2017 (B 13 R 14/16 R) wird nicht einmal erwähnt. Da die Gesetzesbegründung und die weiteren Materialien auch sonst keine Hinweise darauf enthalten, dass die bisherige Rechtslage unklar oder verworren gewesen sein könnte, ist davon auszugehen, dass die erstrebte "Klarstellung" nur mit Wirkung für die Zukunft beabsichtigt war. Dem entspricht die bereits erwähnte Regelung zum Inkrafttreten in Art 13 Abs 1 des Gesetzes Digitale Rentenübersicht. Der Gesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Gewaltenteilung (vgl Art 20 Abs 2 GG) Rechnung getragen, dass es Aufgabe der Gerichte ist, das einmal in Kraft getretene Gesetzesrecht verbindlich auszulegen, und dass deren Entscheidungen für die Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 RdNr 45 ff, 52; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.4.2022 - 2 BvR 2194/21 - juris RdNr 69).
(3) Das Vorbringen der Beklagten und die Ausführungen des LSG rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des 13. Senats vom 12.4.2017 (B 13 R 14/16 R), mit der die Rechtslage nach der damals maßgeblichen Gesetzesfassung geklärt worden ist und die - wie ausgeführt - der Gesetzgeber nur mit Wirkung für die Zukunft (ab 18.2.2021) geändert hat, nunmehr für die Vergangenheit aufzugeben oder zu modifizieren. Zwar wäre eine solche Änderung der Rechtsprechung auch ohne den Nachweis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern sie hinreichend begründet wäre und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hielte (vgl dazu BVerfG Beschluss vom 26.6.1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, 227 f; BVerfG Beschluss vom 15.1.2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248, 277 f). Überzeugende Gründe für eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung sind für den Senat aber nicht ersichtlich.
Soweit das LSG in diesem Zusammenhang anführt, es ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI, dass eine Erhöhung des Anspruchs auf Übg durch aufstockend gezahltes Alg II nicht vorgesehen sei und dass § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI die Höhe des Übg nur für den Fall eines ausschließlichen Bezugs von Alg II regele, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Halbsatz 1 (aaO) enthält nähere Bestimmungen zur Höhe des Übg bei vorangegangenem Bezug von Alg - nicht von Alg II. Die dort fehlenden Aussagen zu einem möglicherweise ergänzend gezahlten Alg II erlauben keine validen Rückschlüsse darauf, ob solche Zahlungen bei der Bestimmung des Übg zu berücksichtigen sind oder nicht. Hingegen differenziert die spezielle Bestimmung zur Höhe des Übg bei vorangegangenem Bezug von Alg II in Halbsatz 2 (aaO) gerade nicht danach, ob die Leistung ausschließlich oder nur ergänzend bezogen wurde (s hierzu eingehend BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr 2 RdNr 32). Soweit das LSG Überlegungen anstellt, ob es überhaupt Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung sein könne, Zahlungen eines Fürsorgesystems auszugleichen, und das nur für den Fall eines ausschließlichen Bezugs von Alg II als "faktischer Lohnersatzleistung" für "durchaus akzeptabel und vernünftig" erachtet, führt das bei der Auslegung der differenzierten gesetzlichen Regelungen nicht weiter. An welche Leistungen das Übg anknüpft, das Versicherten mit Bezug von Alg II während einer vom Rentenversicherungsträger zu gewährenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zusteht, bestimmt der Gesetzgeber.
Demgegenüber trägt die Beklagte vor, dass ergänzend gezahltes Alg II nicht unter das Wort "zuvor" in § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI subsumiert werden könne. Sie beruft sich dafür auf die Gesetzesbegründung zu der beitragsrechtlichen Regelung in § 3 Satz 1 Nr 3a Halbsatz 2 Buchst e SGB VI (in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558 - gültig bis 31.12.2010 ≪aF≫), mit der die Rentenversicherungspflicht für aufstockend gezahltes Alg II ausgeschlossen wurde. Daraus leitet sie eine Systemwidrigkeit der Berücksichtigung von ergänzend gezahltem Alg II bei der Bestimmung der Höhe des Übg ab. Diese ergebe sich auch daraus, dass die Verlängerung des Zeitraums von zwei Jahren in § 11 Abs 2 Satz 3 SGB VI um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Alg II (Art 19 Nr 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9.12.2010 - BGBl I 1885) nur für die nach bisherigem Recht versicherungspflichtigen Bezieher von Alg II gelten sollte (vgl BT-Drucks 17/3030 S 51 - zu Nr 4), nicht jedoch für die nach § 3 Satz 1 Nr 3a Buchst e SGB VI aF nicht versicherungspflichtigen "Aufstocker". Aus den genannten Vorschriften zur Versicherungspflicht und zu der - hier nicht relevanten - Ausdehnung des Zeitraums von zwei Jahren, innerhalb dessen mindestens sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen müssen (dh einer Erleichterung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation dem Grunde nach), lassen sich jedoch keine zwingenden Argumente für die Auslegung der eigenständigen gesetzlichen Regelung zur Höhe des Anspruchs der Versicherten auf Übg in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI gewinnen.
Letztlich spricht aus Sicht des Senats die Zweckbestimmung des vom Träger der Rehabilitationsmaßnahme zu zahlenden Übg, während einer solchen Maßnahme diejenigen Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde lagen, für eine Berücksichtigung aller vom Versicherten zuvor bezogenen Leistungen, solange das Gesetz dies in speziellen Regelungen zur Höhe des Übg nicht ausdrücklich ausschließt. Das ist für ergänzend gezahltes Alg II erst mit Wirkung vom 18.2.2021 durch Einfügung des Buchst e in die Bestimmung des § 21 Abs 4 Satz 2 SGB VI geschehen. Erst von diesem Zeitpunkt an wurde auch in § 25 Satz 2 SGB II die Regelung zur Vorschusszahlung durch den SGB II-Träger (sowie zum damit verbundenen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger) nicht mehr nur von einem Anspruch des Versicherten auf Übg "dem Grunde nach", sondern von einem Anspruch "in Höhe des Betrages des Alg II" abhängig gemacht.
3. Der Kläger hat ebenso Anspruch auf eine Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das ergibt sich aus § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 335 Abs 2 und 5 SGB III.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Düring Körner Gasser
Fundstellen