Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.06.1996) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Erstattung des Arbeitgeberanteils an Beiträgen zur Rentenversicherung.
Die Klägerin, eine GmbH nach deutschem Recht, ist eine Vertriebsgesellschaft eines japanischen Unternehmens (im folgenden: Muttergesellschaft). Der japanische Staatsangehörige H. … I. … (im folgenden: Versicherter) war bei der Muttergesellschaft in Japan angestellt und später zur Klägerin versetzt worden. Bei dieser war er vom 1. April 1976 bis 31. Mai 1983 tätig. Über die Versetzung der bei der Muttergesellschaft beschäftigten japanischen Arbeitnehmer entscheidet die Exportabteilung dieser Gesellschaft. Innerhalb des Konzerns besteht für die japanischen Arbeitnehmer, die bei der Muttergesellschaft angestellt sind, ein Handbuch, das die Modalitäten der Tätigkeiten im Ausland regelt. Das Handbuch sieht vor, daß sich Arbeitszeit und Urlaubsdauer der versetzten Arbeitnehmer nach den Verhältnissen in den jeweiligen Tochtergesellschaften richten. Alle bei der Klägerin tätigen Arbeitnehmer – also auch die aus Japan kommenden – erhalten ihre Aufgaben von der Geschäftsführung der Klägerin zugewiesen. Die Geschäftsführung der Klägerin hat jedoch keinen Einfluß auf die Personalplanung. Personalangelegenheiten wie Beförderungen und insbesondere Versetzungen, aber auch die Höhe des Gehalts der versetzten japanischen Arbeitnehmer werden allein von der Muttergesellschaft bestimmt. Das Gehalt besteht aus einem Grundgehalt sowie Spesen und verschiedenen Zuschüssen. Im Regelfall werden ca 80 vH dieses Gehaltes von der Klägerin an die japanischen Arbeitnehmer ausgezahlt, die restlichen 20 vH zahlt die Muttergesellschaft in Japan aus. Für die zu ausländischen Tochtergesellschaften versetzten japanischen Arbeitnehmer werden in Japan weiter Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Die Klägerin verbucht die von ihr erbrachten Gehaltszahlungen als Personalkosten. Während der Tätigkeit des Versicherten bei der Klägerin wurden von dieser für den Versicherten Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt. Später wurden die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung auf Antrag erstattet (Bescheid vom 30. Mai 1986).
Im August 1988 beantragte die Klägerin die Erstattung der Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen nach § 26 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Sie machte geltend, der Versicherte habe nicht der Versicherungspflicht im Inland unterlegen, weil Einstrahlung vorgelegen habe. Die Beklagte lehnte den Erstattungsantrag ab (Bescheid vom 20. Oktober 1989). Den Widerspruch wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. August 1991).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. März 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1996). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile, denn die Beiträge seien zu Recht entrichtet worden. Der Versicherte habe eine unselbständige Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt. Die Voraussetzungen der Einstrahlung nach § 5 Abs 1 SGB IV lägen nicht vor. Die Entsendung des Versicherten von der Muttergesellschaft zur Klägerin sei weder infolge der Eigenart der Beschäftigung noch vertraglich im voraus zeitlich begrenzt gewesen. Der Versicherte sei auch nicht im Rahmen eines bei der Muttergesellschaft bestehenden Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin tätig gewesen oder im Rahmen eines Personalüberlassungsvertrages zwischen der Klägerin und der Muttergesellschaft tätig geworden. Vielmehr hätten die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten nicht zwischen Versichertem und Muttergesellschaft, sondern zwischen ihm und der Klägerin bestanden. Die Klägerin habe ihm durch ihre Geschäftsführung seine Aufgaben zugewiesen. Sie sei auch Schuldnerin des Arbeitsentgelts gewesen und habe dieses gezahlt. Ein Fortbestehen des Weisungsrechts der Muttergesellschaft und eine ihr gegenüber bestehende Weisungsgebundenheit ließen sich nicht feststellen. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung sei nicht notwendig gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt, daß die Beklagte nicht durch den Vorstand vertreten ist, sowie sinngemäß eine Verletzung des § 5 SGB IV und des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), des Art 103 Abs 1 und des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Das LSG habe das Merkmal der zeitlichen Begrenzung in § 5 SGB IV verkannt. Es habe den Sachverhalt weiter aufklären müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 28. Juni 1996 und das Urteil des SG vom 24. März 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die für den Mitarbeiter H. … I. … in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis 31. Mai 1983 entrichteten Arbeitgeberanteile zur Angestelltenversicherung zu erstatten,
hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf ihr Vorbringen im Berufungsverfahren.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Ein Mangel der Vertretung der Beklagten besteht nicht. Diese wird bei den laufenden Verwaltungsgeschäften auch gerichtlich durch die Geschäftsführung vertreten (§ 36 Abs 1 und Abs 4 SGB IV). Zu den laufenden Verwaltungsgeschäften gehört die Entscheidung über die Erstattung von Beiträgen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr getragenen Arbeitgeberanteile zu den Rentenversicherungsbeiträgen des Versicherten nach § 26 Abs 2 SGB IV, denn diese Beiträge sind nicht zu Unrecht, sondern zu Recht entrichtet worden. Der Versicherte war in der Zeit von April 1976 bis Mai 1983 bei der Klägerin beschäftigt und deshalb nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der Angestelltenversicherung auch in der Zeit versicherungspflichtig, für die hier die Erstattung von Beiträgen verlangt wird (Juli 1977 bis Mai 1983). Die Vorschriften über die Versicherungspflicht galten nach § 3 Nr 1 SGB IV für die Beschäftigung des Klägers, denn er war im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt. Die Geltung der Vorschriften über die Versicherungspflicht war nicht nach § 5 Abs 1 SGB IV ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind schon deshalb nicht erfüllt, weil während der Tätigkeit des Versicherten bei der inländischen Klägerin das Beschäftigungsverhältnis bei dieser bestand und nicht bei der ausländischen Muttergesellschaft.
Bei der Einstrahlung, dh der Entsendung vom Ausland ins Inland, und auch im umgekehrten Fall der Entsendung aus dem Inland ins Ausland (Ausstrahlung, § 4 SGB IV) besteht das Beschäftigungsverhältnis dort, wo „der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses … liegt” (vgl Begründung des Entwurfs zum SGB IV, BT-Drucks 7/4122 S 30 zu § 4). Zu der Frage, wann der Schwerpunkt in diesem Sinne im Inland liegt, hier ein Beschäftigungsverhältnis gegeben und deswegen die Einstrahlung ausgeschlossen ist, hat der Senat im Urteil vom 7. November 1996 (12 RK 79/94, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) in einem Verfahren entschieden, in welchem Angestellte einer koreanischen Muttergesellschaft für eine inländische Tochtergesellschaft im Inland tätig waren. Nach diesem Urteil liegt ein Beschäftigungsverhältnis im Inland jedenfalls dann vor, wenn die Tochtergesellschaft eine inländische juristische Person (dort eine GmbH) ist, der Angestellte in sie eingegliedert ist und er sein Arbeitsentgelt von der Tochtergesellschaft erhält. Demgegenüber ist es bei Konzernunternehmen nicht entscheidend, daß ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft besteht und Weisungen auch von ihr erteilt werden. Im einzelnen wird auf die Begründung dieses Urteils Bezug genommen.
Auf dieser Grundlage liegt ein Beschäftigungsverhältnis zur Tochtergesellschaft im Inland auch im vorliegenden Verfahren vor. Die Klägerin ist eine inländische juristische Person (GmbH). Der Versicherte war während seiner Tätigkeit im Inland in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, denn er war gegenüber der Klägerin zur Arbeitsleistung verpflichtet und hat seine Arbeitsleistung für die Klägerin erbracht. Die Klägerin war Schuldnerin des Arbeitsentgelts, hat dieses im wesentlichen gezahlt, als eigene Personalkosten angesehen und als Betriebsausgaben verbucht. Diese für die Entscheidung ausreichenden und maßgebenden Feststellungen sind vom LSG getroffen worden. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts war nicht notwendig. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Hierzu wird von einer Begründung abgesehen (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).
Soweit die Revision geltend macht, bei vergleichbaren Sachverhalten einer Entsendung aus Deutschland ins Ausland werde eine Ausstrahlung (§ 4 Abs 1 SGB IV) angenommen und deshalb der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verletzt, wenn hier eine Einstrahlung abgelehnt werde, ist dies eine Behauptung, die nicht begründet wird. Im übrigen ist der Senat in dem genannten Urteil vom 7. November 1996 (12 RK 79/94) bei Ausstrahlung und Einstrahlung von der Geltung gleicher Maßstäbe ausgegangen. In diesem Urteil ist auch dargelegt, daß der Fortbestand einer Sozialversicherung im vertragslosen Ausland der Annahme von Versicherungspflicht in Deutschland nicht entgegensteht.
Der Senat brauchte nicht mehr zu entscheiden, ob die Entsendung des Versicherten zur Klägerin iS des § 5 SGB IV zeitlich begrenzt war, wie die Revision geltend macht. Es kam auch nicht darauf an, ob die Beklagte sich mit Erfolg auf Verjährung berufen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen