Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflicht eines Alleingesellschafters einer GmbH - Treuhandverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Alleingesellschafter einer GmbH scheidet ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft dann nicht von vornherein aus, wenn er aufgrund eines besonders gestalteten Treuhandverhältnisses an der Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter gehindert ist.
Normenkette
BGB §§ 662, 675; AFG § 168 Abs. 1 S. 1, § 104 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 25.03.1994; Aktenzeichen L 3 Ar 1644/92) |
SG Konstanz (Entscheidung vom 10.06.1992; Aktenzeichen S 2 Ar 1231/90) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. November 1989.
Der Kläger war nach seinen Angaben von Januar 1986 bis Juni 1987 als Verkaufsleiter bei der Firma HMF in K beitragspflichtig beschäftigt und danach bis Dezember 1987 als Erfinder selbständig tätig. Ab März 1988 war er Geschäftsführer der von ihm gegründeten V G Verwaltungs-GmbH. Diese mit einem Stammkapital von 50.000,-- DM ausgestattete GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin der V G GmbH & Co KG, an der der Kläger als alleiniger Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 60.000,-- DM beteiligt war. Sowohl den Geschäftsanteil der GmbH als auch den Gesellschaftsanteil an der KG hielt der Kläger aufgrund eines am 23. Februar 1988 notariell beurkundeten Treuhandvertrags als Treuhänder im eigenen Namen, aber auf Gefahr und für Rechnung des Treugebers, K W (W).
Wie vom Landessozialgericht (LSG) festgestellt, sah der Treuhandvertrag ua vor, daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Treuhänder über seine Anteile an der GmbH und an der KG nur nach Maßgabe schriftlicher Weisungen des Treugebers verfügen und seine Rechte als Gesellschafter gegenüber den Gesellschaften oder Dritten nur nach Einholung vorheriger Weisung durch den Treugeber ausüben durfte. Ferner war er hinsichtlich sämtlicher Geschäftsführungsmaßnahmen den Weisungen des Treugebers unterworfen. Neben der Informations- und Berichterstattungspflicht hatte der Kläger als Treuhänder alle Zahlungen und sonstigen Leistungen, welche ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter zuflossen, unverzüglich an den Treugeber abzuführen. Außerdem bevollmächtigte der Kläger den Treugeber unwiderruflich zur Ausübung der Stimmrechte aus dem Geschäftsanteil und dem Gesellschaftsanteil und übertrug den Geschäftsanteil an der GmbH und den Kommanditanteil an der KG an den Treugeber mit Wirkung auf den Zeitpunkt, zu dem der Treuhandvertrag durch die dem Treugeber jederzeit mögliche Kündigung endete. Die Zustimmungen zu diesen unentgeltlichen Übertragungen erteilte der Kläger für die Gesellschafterversammlungen der GmbH und der KG schon bei Vertragsabschluß.
Wie vom LSG ferner festgestellt, wurde der Kläger von der GmbH mit einem von ihm für beide Seiten unterzeichneten Vertrag vom 20. Februar 1988 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer angestellt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Der Anstellungsvertrag sah ein monatliches Gehalt von 5.000,-- DM bei einer Arbeitszeit von nicht unter 40 Stunden in der Woche vor. Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers sollte der Vertrieb einer von ihm mitentwickelten Massagematratze sein.
Nachdem im Mai 1989 nach Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und dem Treugeber Gehaltszahlungen ausblieben, kündigte der Kläger den Anstellungsvertrag zum 31. Oktober 1989 und meldete sich an diesem Tage beim Arbeitsamt (ArbA) Konstanz arbeitslos. Das ArbA lehnte den Antrag auf Alg bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. November 1989 mit der Begründung ab, der Kläger sei in der Zeit vom 1. März 1988 bis 31. Oktober 1989 als Geschäftsführer der GmbH nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen und habe damit die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (Bescheid vom 22. Mai 1990, Widerspruchsbescheid vom 11. September 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 10. Juni 1992). Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 25. März 1994 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger erfülle die Anwartschaftszeit, da er in der dreijährigen Rahmenfrist, die hier die Zeit vom 1. November 1986 bis 31. Oktober 1989 umfasse, mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Vom 1. November 1986 bis 30. Juni 1987 sei er bei der Firma HMF in K als Verkaufsleiter 242 Tage beitragspflichtig beschäftigt gewesen und als Geschäftsführer der GmbH sei er in der Zeit vom 1. März 1988 bis 31. Oktober 1989 zumindest 118 Tage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Weder als Geschäftsführer noch als Gesellschafter habe er die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen können, da er aufgrund der Bindungen des Treuhandvertrags durch den Treugeber hieran gehindert worden sei. Außerdem habe er - was wesentlich sei - auch kein Unternehmerrisiko getragen. Zu Recht habe somit das SG festgestellt, daß der Kläger in der Zeit vom 1. März 1988 bis 31. Mai 1989 beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Erst in der Zeit ab Juni bis Oktober 1989 sei er nicht mehr nachweisbar mehr als kurzzeitig für die Gesellschaft tätig gewesen.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 104 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 168 Abs 1 Satz 1 AFG. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG sei der Kläger durch den abgeschlossenen Treuhandvertrag nicht gehindert gewesen, seine Rechtsmacht als Alleingeschäftsführer und -gesellschafter auszuüben. Denn seine Beziehungen zum Treugeber seien rein schuldrechtlicher Natur gewesen. In seiner Eigenschaft als Treuhänder sei er zwar verpflichtet gewesen, den Weisungen des Treugebers Folge zu leisten, diese Verpflichtung bestehe aber nicht aufgrund seines Gesellschafts- und Geschäftsführerverhältnisses zur GmbH, sondern aufgrund des besonderen, im Treuhandvertrag geregelten Auftragsverhältnisses. Nach außen habe er von seiner Rechtsmacht als Gesellschafter-Geschäftsführer vollen Gebrauch machen können, beispielsweise seine Geschäftsanteile auf Dritte übertragen können. Das Treuhandverhältnis könne sich zwar aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen auf die Rechtsstellung des Treuhänder-Gesellschafters auswirken; solche gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen lägen hier jedoch nicht vor. Auch die Stimmrechtsvollmacht begründe kein Beschäftigungsverhältnis zu der Gesellschaft, weil damit nicht zugleich ein genereller Stimmrechtsverzicht des Gesellschafters verbunden sei und gesellschaftsrechtlich auch nicht zulässig wäre. Aufgrund des Treuhandvertrags habe der Kläger als Treuhänder zwar zweifelsfrei in einem Abhängigkeitsverhältnis gestanden. Diese Abhängigkeit habe aber nicht zu den Gesellschaften, sondern zum Treugeber bestanden. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zum Treugeber sei allerdings ebenfalls zu verneinen, weil im Verhältnis zum Treugeber nicht eine Arbeitsleistung, sondern ein bestimmter Erfolg der Arbeit geschuldet und das Gehalt von der Gesellschaft gezahlt worden sei. Die Bindungen des Treuhänders hätten denjenigen eines selbständig Beauftragten entsprochen, der Geschäfte für einen anderen zu besorgen hatte (§§ 662, 675 BGB).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 1994
und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Juni 1992 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Es könne für die sozialrechtliche Beurteilung seiner Rechtsstellung nicht - wie die Beklagte vortrage - auf die Unterscheidung "Außenverhältnis/Innenverhältnis" ankommen. Entscheidend sei vielmehr, daß er als Geschäftsführer der GmbH wie ein Arbeitnehmer persönlich abhängig gewesen sei und die Gesellschaft nicht habe maßgeblich beeinflussen können.
Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um abschließend darüber entscheiden zu können, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg ab 1. November 1989 zusteht.
Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Das LSG hat die Anwartschaftszeit als erfüllt angesehen und dies ua damit begründet, der Kläger sei in der Zeit vom 1. März 1988 bis jedenfalls 31. Mai 1989 als Geschäftsführer der GmbH zumindest 118 Tage beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann dem indes nicht zugestimmt werden.
1. Nach § 104 Abs 1 Satz 1 AFG erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat.
a) Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Diese Legaldefinition wird ua durch § 173a AFG ergänzt, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) über die Beschäftigung (§ 7 SGB IV) verweist und die entsprechende Anwendung anordnet. Nach der genannten Vorschrift fällt unter den Begriff "Beschäftigung" die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht - vor allem bei Diensten höherer Art - erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN - st Rspr). In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (BSG aaO, S 8).
b) Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, dessen Organstellung allein eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bzw den Gesellschaftern nicht ausschließt (BSGE 13, 196, 200), eine abhängige und deshalb beitragspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist. Ist der Geschäftsführer am Kapital der Gesellschaft beteiligt, ist der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Denn wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann, kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluß auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN).
c) Nach den bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der (Komplementär-)GmbH und zugleich Alleinkommanditist der GmbH & Co KG. Dennoch hat das LSG eine abhängige Beschäftigung des Klägers bejaht, weil er aufgrund des mit dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung der GmbH abgeschlossenen Treuhandvertrags in seiner Gesellschafterstellung so weit gebunden gewesen sei, daß er tatsächlich die formale Rechtsmacht als Alleingeschäftsführer und -gesellschafter nicht habe ausüben können. Dieser Rechtsauffassung des LSG ist im Ansatz zuzustimmen. Für die Frage, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH abhängig beschäftigt und deshalb beitragspflichtig ist oder nicht, sind stets die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, wobei zu den tatsächlichen Verhältnissen auch die vorhandene Rechtsmacht gehört (BSGE 66, 69, 71 = SozR 4100 § 104 Nr 19). Demzufolge schließt zwar eine mehr als 50%ige Beteiligung am Stammkapital einer GmbH und erst recht der hier zu beurteilende Tatbestand einer 100%igen Beteiligung die Annahme einer abhängigen Beschäftigung grundsätzlich aus, weil eine solche Kapitalbeteiligung den Gesellschafter-Geschäftsführer auch regelmäßig in die Lage versetzt, maßgeblichen Einfluß auf die Willensbildung der GmbH zu nehmen. Dieser Schluß von der Höhe der Kapitalbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers auf das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft kann aber - wie bereits der erkennende Senat und der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in mehreren Entscheidungen ausgeführt haben - dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer an der Ausübung der ihm zustehenden Rechtsmacht aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen gehindert ist bzw war (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 14; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 9 f - beispielhaft wird hier das Strohmann-Geschäft erwähnt - und BSGE 70, 81, 83 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8).
d) Der hier zu beurteilende Sachverhalt weist die Besonderheit auf, daß die 100%ige Kapitalbeteiligung des Klägers nicht mit einem entsprechenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft einherging. Als Treuhänder für den hinter der Gesellschaftsgründung stehenden und wirtschaftlich für sie aufkommenden Treugeber W hatte der Kläger die Stellung als alleiniger Gesellschafter lediglich formalrechtlich inne, vermochte aber infolge der detailliert geregelten Weisungsbefugnisse des Treugebers in dem vor der Gesellschaftsgründung geschlossenen Treuhandvertrag seine gesellschaftsrechtliche Position als Alleingesellschafter nicht wirklich auszuüben. So waren ihm sämtliche Verfügungen über seinen Geschäftsanteil ohne Zustimmung bzw ohne schriftliche Weisung des Treugebers verboten. Seine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse im Innen- und Außenverhältnis der Gesellschaft durfte er - abgesehen vom Fall des Gefahrenverzugs - nur nach Maßgabe der Weisungen des Treugebers ausüben (Ziff 2 Abs 1 und 2 des Treuhandvertrags). Daß sich der Treugeber die Rechtsstellung eines "wirtschaftlichen Eigentümers" aller Geschäftsanteile erhalten wollte, zeigt insbesondere die Stimmrechtsregelung und die für den Fall der Beendigung des Treuhandvertrags vorweggenommene dingliche Übertragung der Geschäfts- und Gesellschaftsanteile. Durch diese vertragliche Gestaltung war gewährleistet, daß das Auseinanderklaffen von Mitgliedschaft und Stimmrecht durch die Kündigung des zugrundeliegenden Schuldverhältnisses, hier des Treuhandverhältnisses, jederzeit beseitigt werden konnte, so daß sich alle Mitgliedschaftsrechte und -pflichten wieder voll in einer Hand, nämlich hier der Person des Treugebers W, vereinigten (zur Zulässigkeit einer solchen Stimmrechtsregelung bei der GmbH vgl BGH DB 1976, 2295, 2297; Lutter-Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Komm, 13. Aufl, § 14 RdNr 8, § 47 RdNr 2).
Soweit die Beklagte einwendet, die Bindungen durch den Treuhandvertrag müßten für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses des Klägers zur GmbH unberücksichtigt bleiben und änderten nichts daran, daß er Alleingesellschafter mit allen Rechten und Pflichten geworden sei, vermag der Senat dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Denn der Treuhandvertrag erschöpft sich hier nicht in einer schuldrechtlichen Weisungsgebundenheit des Klägers und der Möglichkeit des Treugebers, durch Kündigung des Treuhandverhältnisses das Treugut wieder an sich zu ziehen. Vielmehr weist hier das Treuhandverhältnis eine besondere Gestaltung auf. Der Kläger war nach dem Inhalt des Treuhandvertrags nicht nur gehalten, die ihm formal zustehenden Gesellschafterrechte nur im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers W auszuüben, sondern aufgrund der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht war ihm ein wesentlicher Teil des Mitgliedschaftsrechts - nämlich das Stimmrecht - genommen. Er konnte zwar als Gesellschafter-Geschäftsführer im Außenverhältnis die Gesellschaft wirksam vertreten, aber auf die Gesellschaft keinen entscheidenden Einfluß nehmen, beispielsweise auch nicht Geschäftsanteile abtreten, da sich der Treugeber W die mit der Gesellschafterstellung verbundenen Rechte und wirtschaftlichen Vorteile einschließlich des Stimmrechts für sich selbst vorbehalten hatte. Der Treugeber W war somit - ungeachtet der mittels der Treuhandkonstruktion die wahren gesellschaftsinternen Verhältnisse verdeckenden Anteilsrechte - der wirtschaftlich maßgebende Hintermann und die Gesellschaft in jeder Beziehung beherrschende mittelbare Gesellschafter.
Wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Haftung bei Gesellschaftsgründungen durch Strohmann ausgeführt hat, kann es diese Stellung als mittelbarer Gesellschafter rechtfertigen, den Hintermann in die Verantwortung für die ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft einzubinden. Dabei geht es darum, in bezug auf ganz bestimmte Sachverhalte und Rechtsfolgen die Gesellschafterstellung nicht nach rein formalrechtlichen Kriterien, sondern nach - den gesellschaftsinternen Vorgängen angemessenen - wirtschaftlichen und funktionalen Kriterien zu bestimmen (BGHZ 118, 107, 114 = NJW 1992, 2023, 2024 f). Daß bei dieser Betrachtungsweise Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten können, hat der BGH ausdrücklich angesprochen, darin aber kein Argument gegen die Richtigkeit eines solchen Ansatzes gesehen (BGH aaO). Auch wenn diese zivilrechtliche Betrachtungsweise von einer anderen Interessenlage geprägt ist, läßt sich daraus für die hier zur Prüfung stehende Frage der Bejahung oder Verneinung einer beitragspflichtigen Beschäftigung bei treuhänderischer Bindung des Gesellschafter-Geschäftsführers entnehmen, daß nicht stets nur auf dessen Gesellschafterstellung abgehoben werden kann. Es ist zwar allgemein anerkannt, daß die Begründung eines Treuhandverhältnisses nicht etwa zur Unwirksamkeit der Gesellschaftsbeteiligung des "Strohmanns" führt, sondern dieser als mittelbarer Stellvertreter im Außenverhältnis die Gesellschafterstellung vollumfänglich erwirbt und demzufolge in der Regel auch einen entsprechenden Einfluß auf die Gesellschaft haben wird. Doch andererseits ist zu berücksichtigen, daß - wie der BGH bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hat (BGH DB 1976, 2295) - der Treuhandvertrag ganz unterschiedlich gestaltet sein kann. Jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Streitfall, in dem sich der Treugeber nicht mit einem schuldrechtlichen Weisungsrecht zufrieden gegeben hat, sondern sich die Ausübung des Stimmrechts persönlich vorbehalten hat, erscheint es dem Senat gerechtfertigt, die Gesellschafterstellung des Klägers nicht nach rein formalrechtlichen Kriterien zu bestimmen. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der bereits dargestellten, bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung der Beschäftigteneigenschaft eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH. Danach ist der Rückschluß von den gesellschaftsrechtlichen Anteilsrechten auf die Möglichkeit der Beherrschung der Gesellschaft nur dann gerechtfertigt, wenn diesen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechten - was in der Regel auch der Fall ist - die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten und insbesondere die Stimmverhältnisse in der Gesellschafterversammlung entsprechen (BSGE 66, 69, 73 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 14; SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 9; BSGE 70, 81, 83 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8).
2.a) Schließt demnach die Stellung des Klägers als Alleingesellschafter wegen der besonderen Gestaltung des Treuhandverhältnisses die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht von vornherein aus, so bleibt entscheidend, ob der Kläger als Geschäftsführer nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrags hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei war oder nicht. Maßgebend ist also die persönliche Abhängigkeit von der GmbH bzw dem mittelbaren Gesellschafter und nicht - wie dies bei den Rechtsausführungen des LSG anklingt - die wirtschaftliche Abhängigkeit (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 14; SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 10). Die persönliche Abhängigkeit zeigt sich nicht allein in der Weisungsgebundenheit, die im Einzelfall auch erheblich eingeschränkt sein und völlig entfallen kann (vgl grundlegend BSGE 16, 289, 293 f), sondern erfordert die Eingliederung in einen fremden Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers gerade in bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSGE 13, 196, 201 f; 45, 199, 200; SozR 3-4100 § 168 Nr 11 S 29). Aufgrund der Feststellungen des LSG läßt sich nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger die Tätigkeit eines Geschäftsführers der GmbH in abhängiger oder in selbständiger Tätigkeit ausgeübt hat.
b) Das LSG hat die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers mit der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Treugeber bei Ausübung seiner gesellschaftsrechtlichen Befugnisse und seiner Geschäftsführertätigkeit begründet und im übrigen das fehlende unternehmerische Risiko als wesentliches Merkmal für die persönliche Abhängigkeit gewertet. Ob und in welchem Umfang der Kläger sich beim Einsatz seiner Arbeitskraft einer fremdbestimmten Ordnung unterzuordnen hatte, insbesondere was Umfang, Zeit und Ort der Arbeitsleistung betrifft, hat es dagegen nicht festgestellt. So fehlen Feststellungen dazu, welche Arbeitsleistung der Kläger in welchem Umfang und mit welchen Vorgaben tatsächlich zu erbringen hatte. Allein die Feststellung, daß nach den Angaben des Klägers und dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Treuhandvertrag und der Anstellungsvertrag auch tatsächlich entsprechend den darin enthaltenen Regelungen gehandhabt worden seien und der Kläger bis in die kleinsten Einzelheiten an Anweisungen des Treugebers W gebunden gewesen sei, genügt dafür nicht. Feststellungen zu Art und Inhalt der Tätigkeit des Klägers erweisen sich hier um so mehr als notwendig, als der vom Kläger unter dem 20. Februar 1988 unterzeichnete Anstellungsvertrag nur eine Laufzeit ab 1. Januar 1988 bis 31. Mai 1988 haben sollte. Eine Verlängerung des Vertrags bedurfte danach einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung (§ 6 Abs 1 des Anstellungsvertrags). Es stellt sich daher die Frage, auf welcher Grundlage der Kläger in der Zeit ab 1. Juni 1988 tätig geworden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß laut Anstellungsvertrag nach Vertragsende der Kläger als reisender Angestellter oder als Handelsvertreter in die Dienste der GmbH treten sollte. Einen Rückschluß auf die weitere Entwicklung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers könnte auch die vom LSG nicht näher geprüfte Frage zulassen, wie lange der Kläger das im Anstellungsvertrag vereinbarte monatliche Gehalt in Höhe von 5.000,-- DM erhalten hat und wann und weshalb im Anschluß daran die Zahlungen auf Darlehensbasis an den Kläger erfolgten. Auch zum Umfang der Arbeitsleistung des Klägers hat das LSG keine eigenen Feststellungen getroffen, ob die im Anstellungsvertrag vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden wirklich einzuhalten war oder ob nicht der Kläger ebenso wie bei der Bestimmung seiner täglichen Arbeitszeit völlig freigestellt und weisungsungebunden war. Auch wenn er nach dem Anstellungsvertrag seine Arbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und die Urlaubnahme auf die Belange der Gesellschaft abzustellen hatte, reichen solche allgemeinen Klauseln im Anstellungsvertrag für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht aus (BSG USK 87170; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17). Soweit das LSG am Ende der Entscheidungsgründe festgestellt hat, daß der Kläger in der Zeit von Juni bis Oktober 1989 nicht mehr nachweisbar mehr als kurzzeitig für die Gesellschaft tätig gewesen sei, ersetzen diese Ausführungen nicht die erforderlichen Feststellungen zum Umfang seiner Arbeitsleistung in dem davorliegenden Zeitraum.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich die genannten Feststellungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Umfang der Tätigkeit des Klägers bei der GmbH auch dann nicht als entbehrlich erweisen, wenn - wovon das LSG bei seiner Entscheidung ausgegangen ist - der Kläger zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alg lediglich eine Zeit beitragspflichtiger Beschäftigung als Geschäftsführer der GmbH von 118 Tagen benötigt. Denn auch unter dieser Voraussetzung bedarf es einer zeitlichen Festlegung und näherer Feststellungen dazu, wie sich das Beschäftigungsverhältnis gestaltet hat. Dies gilt um so mehr als nach den bisherigen Feststellungen des LSG die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH in der Zeit vom 1. März 1988 bis 31. Oktober 1989 nicht kontinuierlich gleichgeblieben ist, sondern er jedenfalls in der Zeit ab Juni bis Oktober 1989 nur noch kurzzeitig für die GmbH tätig und demzufolge nicht mehr beitragspflichtig beschäftigt war.
c) Feststellungen dazu, ob die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer beitragspflichtig gewesen ist, sind auch nicht im Hinblick auf das Treuhandverhältnis des Klägers zum Treugeber W entbehrlich. Denn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu W aufgrund des Treuhandvertrags kommt nicht in Betracht. Insoweit ist den Rechtsausführungen der Beklagten in ihrer Revisionsbegründung zuzustimmen, wonach allein die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Treugeber W nicht geeignet ist, ein Beschäftigungsverhältnis zu diesem zu begründen. Der Treuhandvertrag wird in der Literatur und Rechtsprechung - je nach inhaltlicher Gestaltung - als entgeltliche oder unentgeltliche Geschäftsbesorgung qualifiziert (§§ 662, 675 BGB). In einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu W hätte der Kläger nur dann gestanden, wenn er in Wahrheit in einem Betrieb des W mit der Aufgabe eingegliedert worden wäre, für diesen die Matratze zu vertreiben. Dafür fehlt es indes an ausreichenden Anhaltspunkten.
3. Kann nach alledem aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger als Geschäftsführer der GmbH beitragspflichtig beschäftigt gewesen ist, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit, der auch nicht im Sinne einer Klagabweisung entscheidungsreif ist, schon deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Es kann daher offenbleiben, ob für die anderen Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG ausreichende Feststellungen vom LSG getroffen worden sind.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung besteht indes Anlaß für folgende Hinweise:
a) Das LSG scheint davon ausgegangen zu sein, daß - abgesehen von der Anwartschaftszeit - alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG am 1. November 1989 gegeben waren. Die vom LSG allein festgestellte Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 1. November 1989 lassen jedoch nicht den Schluß zu, daß der Kläger ab 1. November 1989 arbeitslos iS des § 101 Abs 1 AFG war und auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Im Hinblick darauf, daß der von der Beklagten hierfür ausgegebene Antragsvordruck zwar als Tag der Arbeitslosmeldung und Antragstellung den 31. Oktober 1989 ausweist, aber erst am 10. März 1990 vom Kläger unterschrieben und ausweislich des Vermerks des Antragnehmers auch erst zu diesem Zeitpunkt an das ArbA zur Bearbeitung übergeben worden ist, erscheint insbesondere die Verfügbarkeit zweifelhaft. Es wird deshalb zu prüfen sein, ob der Kläger tatsächlich ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, dh ab 1. November 1989, die sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt hat oder ob dies erst zu einem späteren Zeitpunkt der Fall war.
b) Hat der Kläger die sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt, lief die Rahmenfrist nicht, wie vom LSG angenommen, vom 1. November 1986 bis 31. Oktober 1989, sondern zeitversetzt später. Letzteres hätte zur Folge, daß der Kläger nicht, wie vom LSG angenommen, in der Rahmenfrist 242 Tage als Verkaufsleiter bei der Firma HMF aufweisen könnte. Auch wenn die Tätigkeit als Verkaufsleiter beitragspflichtig gewesen ist, genügen dann 118 Tage beitragspflichtiger Beschäftigung als Geschäftsführer der GmbH nicht, um die Anwartschaftszeitvoraussetzungen zu erfüllen.
Was die Tätigkeit als Verkaufsleiter bei der Firma HMF angeht, ist zu beachten, daß bislang nicht nachgewiesen ist, daß es sich dabei um eine beitragspflichtige Beschäftigung gehandelt hat. Schon im Widerspruchsbescheid ist ausgeführt worden, daß der Kläger diese Beschäftigung lediglich angegeben hat.
c) Schließlich wird das LSG zu berücksichtigen haben, daß ausweislich eines zu den Sozialgerichtsakten gelangten Schreibens der Stadt K vom 16. Mai 1991 der Kläger am 11. Mai 1990 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz beantragt hat, so daß im Falle des Bezugs von Sozialhilfeleistungen sein Anspruch
auf Alg ganz oder teilweise infolge des Erstattungsanspruchs des nachrangig verpflichteten Sozialhilfeträgers gemäß §§ 104, 107 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches als erfüllt gilt (BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 3 mwN).
Fundstellen
RegNr, 21844 (BSG-Intern) |
EWiR 1995, 625-626 |
ZIP 1995, 1179-1183 |
MDR 1995, 938-939 |
NZS 1995, 373-375 |
SozR 3-4100 § 168, Nr 18 |
GmbHR 1995, 584 |