Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. April 1993 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, nach welcher gesetzlichen Regelung der für die Höhe der Verletztenrente des Klägers maßgebende Jahresarbeitsverdienst (JAV) zu bestimmen ist.
Die Ehefrau des Klägers betreibt ein Unternehmen, das sich hauptsächlich mit forstwirtschaftlichen Lohnarbeiten, Entastungen sowie Wipfelköpfungen von Bäumen und mit Baum-Chirurgie befaßt. Sie ist als selbständige Unternehmerin bei der Beklagten versichert.
Der im Jahre 1941 geborene Kläger war seit Anfang des Jahres 1979 in diesem Betrieb beschäftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 1978 hatte er sich verpflichtet, im Unternehmen seiner Ehefrau entgeltlich mitzuarbeiten; zu seinen Aufgaben gehörte neben der handwerklichen Mitarbeit vor allem die Leitung und Beaufsichtigung der übrigen Arbeitnehmer.
Am 16. September 1987 erlitt der Kläger bei Wipfelköpfungsarbeiten einen Arbeitsunfall, bei dem er sich schwere Verletzungen zuzog. Er bezieht seit dem 1. April 1990 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab 1. April 1990 eine Verletztenrente als Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH. Der Rentenberechnung legte sie den gemäß § 780 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für landwirtschaftliche Unternehmen und ihre Ehegatten zur Zeit des Arbeitsunfalls als JAV festgesetzten Durchschnittssatz von 15.984,00 DM und nicht den vom Unternehmen für das letzte Jahr vor dem Unfall mitgeteilten tatsächlichen JAV des Klägers in Höhe von 51.154,93 DM zugrunde (angefochtener Bescheid vom 26. November 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1991).
Klage und Berufung gegen diese Rentenberechnung sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts vom 7. Mai 1992 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 21. April 1993). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt,
der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß die Verletztenrente nach einem höheren JAV berechnet werde. Das Unternehmen der Ehefrau des Klägers sei ein landwirtschaftliches Unternehmen. Als Ehemann einer landwirtschaftlichen Unternehmerin sei auf den Kläger die Regelung des § 780 Abs 1 der RVO anzuwenden. Danach würden für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten als JAV Durchschnittssätze festgesetzt. Zu dem in § 780 Abs 2 RVO genannten Personenkreis der „mitarbeitenden Familienangehörigen”, die bei Abschluß eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrvertrags in den Genuß der Regelung des JAV nach § 571 RVO kämen, zähle der Kläger nicht. Wer als Familienangehöriger gelte, sei in § 780 Abs 3 RVO bestimmt. Durch die Aufzählung darin sei hinreichend klargestellt, daß der Ehegatte des landwirtschaftlichen Unternehmers nicht dem Personenkreis der Familienangehörigen iS von Abs 2 dieser Bestimmung zugeordnet werden solle. Es sei bereits durch Urteil des LSG NRW vom 7. Februar 1990 (L 17 U 6/89) entschieden, daß in der unterschiedlichen Behandlung der Ehefrau eines landwirtschaftlichen Unternehmers gegenüber den sonstigen Familienangehörigen gemäß § 780 Abs 3 RVO kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) zu sehen sei. Die Ausklammerung der Ehefrau in dieser Vorschrift beruhe auf der sachlichen Erwägung, daß sie gegenüber den Kindern eine besondere Rechtsstellung genieße. Im Unterschied zu sonstigen Familienangehörigen, insbesondere gegenüber den Kindern habe die Ehefrau durch die gemeinsame Lebensführung unmittelbar teil an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Diese Erwägungen träfen grundsätzlich auch im vorliegenden insoweit umgekehrten Fall zu. Im Vordergrund der Betrachtung stehe nach wie vor die besondere Struktur in der Landwirtschaft, in der Familienmitarbeit, insbesondere aber die Mitarbeit des Ehegatten, traditionsgemäß üblich und notwendig gewesen sei und noch sei. Die wirtschaftliche Lage, die gemeinsame Lebensführung beider Ehegatten, der gemeinsame Lebensstandard und das gemeinsam erzielte Einkommen seien dabei herausragende Gesichtspunkte. An dieser besonderen Struktur der Landwirtschaft habe sich nach dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 mit der Schaffung der Regelung des § 780 RVO nichts wesentliches geändert, so daß auch die vom Kläger geltend gemachte planwidrige Lücke nicht vorliege.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. § 780 Abs 1 RVO könne § 571 RVO nur dann als Sondervorschrift verdrängen, wenn eine solche Auslegung für den Fall zwingend sei und es sich dabei um eine gültige bindende Rechtsnorm handele. Das sei nur dann zu bejahen, wenn die Nichteinbeziehung des mitarbeitenden Ehemanns als Familienangehöriger iS des § 780 Abs 2 RVO verfassungsgemäß sei. Dies habe das LSG in Verkennung der Maßstäbe des Art 3 Abs 1 GG fehlerhaft verneint. Der Gesetzgeber habe die historische Entwicklung nicht erkannt. Er habe den Fall des „arbeitsvertraglich beschäftigten Ehegatten” im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes nicht gekannt und diesen Fall folglich auch nicht berücksichtigen können. Somit sei heute eine Regelungslücke entstanden. Die Anwendung des § 780 Abs 1 RVO auf den arbeitsvertraglich beschäftigten Ehegatten führe zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des UVNG sei auch noch die Zulässigkeit von Ehegatten-Arbeitsverträgen überaus umstritten gewesen. Erst mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Juni 1972 (BSGE 34, 207) sei klargestellt worden, daß die besonderen Vorschriften über die Einbeziehung der im Unternehmen tätigen Ehegatten in der Unfallversicherung der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegenstünden. Der Ehegattenarbeitnehmer werde durch den landwirtschaftlichen Grundbesitz generell nicht abgesichert; im Fall der Scheidung bleibe ihm allenfalls ein Zugewinnausgleich. Ebensowenig habe der Arbeitnehmerehegatte im Gegensatz zum landwirtschaftlichen Unternehmer keinen Einfluß auf eine Höherversicherung, da nur der Arbeitnehmerehegatte allein eine Höherversicherung abschließen könne.
§ 780 RVO mit dem vom LSG vertretenen Regelungsbereich verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, da sie den Ehegattenarbeitnehmer in ungerechtfertigter und unangemessener Weise benachteilige. Es bestünden keinerlei rechtliche Anhaltspunkte, die eine herausragende Stellung des Ehegatten gegenüber anderen Familienangehörigen aufgrund der besonderen Struktur in der Landwirtschaft rechtfertigten. Der Ehe- und Familienbereich in der Landwirtschaft werde ausschließlich aufgrund der einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen geregelt. Zwischen den sonstigen Familienangehörigen iS des § 780 Abs 2, 3 RVO und dem durch Arbeitsvertrag mitarbeitenden Ehegatten bestünden keinerlei Unterschiede, die von solcher Art und solchem Gewicht seien, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigten.
Außerdem beruhe das angefochtene Urteil auf Verfahrensmängeln. Das LSG habe erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 21. April 1993 auf Erkenntnisse aus vier kurz zuvor entschiedene Beitragsstreitigkeiten der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hingewiesen. Danach habe seine Prozeßbevollmächtigte zu Protokoll erklärt, daß ihr der Hinweis des Gerichts heute erstmals gegeben worden sei und sie dementsprechend keine Möglichkeit gehabt habe, den Inhalt zu überprüfen. Indem das LSG sich aber in den Entscheidungsgründen auf Tatsachen eines anderen Verfahrens stütze, verletze es § 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und somit den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Aufgrund dieser Rüge hätte das LSG auch entnehmen können, daß der mit Schriftsatz vom 4. April 1993 gestellte Beweisantrag auf Einholung einer Auskunft der Bundeslandwirtschaftskammer aufrechterhalten worden sei. Mit diesem Beweisantrag habe sich das LSG nicht auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 21. April 1993 und das Urteil des SG vom 7. Mai 1992 sowie den Bescheid vom 26. November 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Bemessung der Verletztenrente den JAV nach §§ 571 ff RVO zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Neue bislang in dem erstinstanzlichen Verfahren nicht bereits vorgetragene und vom LSG nicht berücksichtigte Argumente habe die Revision nicht vorgetragen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend haben SG und LSG entschieden, daß die Beklagte dem Kläger auch insoweit keine höhere Verletztenrente zu gewähren hat, wie sich die Höhe der Rente gemäß § 581 Abs 1 RVO nach dem JAV richtet. Zu Recht hat die Beklagte bei der Berechnung der Verletztenrente als maßgebenden JAV den gemäß den §§ 780 ff RVO festgesetzten, von der Aufsichtsbehörde genehmigten und zur Zeit des Arbeitsunfalls geltenden durchschnittlichen JAV zugrunde gelegt. Der Kläger hat den Arbeitsunfall im forstwirtschaftlichen Unternehmen seiner Ehefrau erlitten, so daß für ihn, den Ehegatten einer landwirtschaftlichen Unternehmerin, unbeschadet der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Eheleuten als JAV die gemäß den genannten Vorschriften festgesetzten Durchschnittssätze gelten. Bei dieser Gesetzesregelung handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision um eine zwingend die Berechnung des JAV nach § 571 RVO ausschließende Rechtsnorm, die nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
Nach § 780 Abs 1 RVO werden für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten als JAV Durchschnittssätze festgesetzt. Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall auf den Kläger zu.
Das Unternehmen der Ehefrau des Klägers war im Unfallzeitpunkt ein forstwirtschaftliches Lohnunternehmen iS des § 776 Abs 1 Nr 2 RVO, das von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfaßt wurde und insofern trotz fehlender Bodenbewirtschaftung zu den landwirtschaftlichen Unternehmen im weiteren Sinne zählte (BSG SozR 2200 § 780 Nr 3). Dessen Unternehmerin – die Ehefrau des Klägers – war dementsprechend landwirtschaftliche Unternehmerin und kraft Gesetzes Mitglied der Beklagten als der örtlich zuständigen Berufsgenossenschaft ≪BG≫ (§ 792 iVm § 658 RVO).
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, daß die Festsetzung von Durchschnittssätzen als JAV (§ 780 Abs 1 RVO) nicht nur für die in § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO bezeichneten landwirtschaftlichen Unternehmen im engeren Sinne, sondern auch für alle landwirtschaftlichen Unternehmen – im weiteren Sinne (vgl § 776 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 und 3 RVO) – zulässig ist (BSG SozR 2200 § 780 Nr 3 mwN; dazu auch BVerfG SozR 2200 § 780 Nr 4). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
Das BSG hat weiter entschieden, daß die §§ 780 ff RVO Sondervorschriften für die landwirtschaftliche Unfallversicherung darstellen, die eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften über den JAV (§§ 571 ff RVO) zwingend ausschließen, wenn JAV-Durchschnittssätze festgesetzt worden sind (BSGE 36, 98, 101; 40, 134, 137 mwN; zustimmend Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Auflage, § 780 RdNr 1; KassKomm-Ricke § 780 RVO RdNr 5; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, § 780 Anm 2; s auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S 611i), und daß diese Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstößt (BSGE 40, 134, 138). Auch dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach erneuter Prüfung insbesondere unter Berücksichtigung der von der Revision vorgebrachten rechtlichen Argumente an.
Da der Kläger Ehegatte einer landwirtschaftlichen Unternehmerin ist und seinen Arbeitsunfall in deren landwirtschaftlichem Unternehmen erlitten hat, gelten für seine Unfallentschädigung als JAV gemäß § 780 Abs 1 RVO die nach den §§ 781 ff RVO festgesetzten durchschnittlichen JAV. Daß der Kläger seine Arbeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Ehefrau aufgrund eines Ende Dezember 1978 geschlossenen Arbeitsvertrages zwischen den Eheleuten geleistet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Gesetz schließt in gleicher Weise wie für den landwirtschaftlichen Unternehmer auch für dessen Ehegatten die §§ 571 ff RVO aus, wenn beide in dem landwirtschaftlichen Unternehmen zusammenarbeiten. Auf die Rechtsgrundlage der Zusammenarbeit kommt es dabei nicht an. Dafür besteht im Hinblick auf den bezweckten Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch keine Notwendigkeit.
Das Gesetz behandelt alle landwirtschaftlichen Unternehmer, die als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen BG sind, und ihre mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten als eine einheitliche Sondergruppe, die es aus bestimmten Gründen ihrer gemeinsamen Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen als besonders schutzwürdig ansieht. Dabei wird der Begriff „landwirtschaftliches Unternehmen” als Typ angesehen, den es den Bedürfnissen der Massenverwaltung entsprechend zu regeln gilt. Prägend für diesen Unternehmenstyp ist es, daß die persönliche Arbeitsleistung des Unternehmers und seines Ehegatten nur sehr schwer bewertet werden kann. Das ist besonders bei den zahlreichen nicht buchführenden Landwirten augenfällig. In gleicher Weise schwierig ist es aber auch, die persönliche Arbeitsleistung des Ehegatten zu bewerten, der nicht nur im landwirtschaftlichen Unternehmen, sondern auch in der Haushaltung des Unternehmens arbeitet. Dem entspricht die Regelung des § 777 Nr 1 RVO für landwirtschaftliche Unternehmen im engeren Sinne (s KassKomm-Ricke § 777 RVO RdNr 3), die davon ausgeht, daß auch typischerweise die Haushaltung des landwirtschaftlichen Unternehmers wesentlich dem Unternehmen dienen kann, und die deshalb insoweit auch diese Haushaltung als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens gelten läßt. Das Gesetz zieht daraus für die gesamte in § 776 Abs 1 Nrn 1, 2, 3 und Abs 2 RVO erfaßte Sondergruppe landwirtschaftlicher Unternehmen Konsequenzen sowohl hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes des Unternehmers und seines Ehegatten als auch hinsichtlich des zur Berechnung der Geldleistungen zugrunde zu legenden JAV.
Zum einen sind deshalb – als besondere Ausnahmen im Kreis der in der Regel nicht kraft Gesetzes unfallversicherten Unternehmer (s Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens aaO § 539 RdNr 6.4.1) – sowohl der landwirtschaftliche Unternehmer als auch sein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatte gleichermaßen nach § 539 Abs 1 Nr 5 RVO unfallversichert, und zwar auch ohne daß es für den Ehegatten darauf ankommt, auf welcher Rechtsgrundlage er für das Unternehmen tätig wird. Für dessen kraft Gesetzes eingreifenden Unfallversicherungsschutz ist weder ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO vonnöten noch eine Rechtsposition etwa als Mitunternehmer.
Zum anderen trägt das Gesetz diesen Sonderumständen versicherter Tätigkeit bei der Berechnung der Geldleistungen in § 780 Abs 1 RVO Rechnung. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, daß auch für die Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers als JAV ohne Ausnahme – wie für den Unternehmer selbst – Durchschnittssätze festgesetzt werden (s KassKomm-Ricke § 780 RVO RdNr 5). Auch aus § 780 Abs 2 RVO folgt, daß nur bei Familienangehörigen iS des § 780 Abs 3 RVO, nicht aber bei Ehegatten, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum anderen Ehegatten stehen, etwas anderes gelten kann. Diese mitarbeitenden Familienangehörigen können zB nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO unfallversichert sein. In dem Falle gelten für sie gemäß § 780 Abs 2 RVO als JAV auch die festgesetzten Durchschnittssätze. Der Senat hat sogar dann, wenn ein mitarbeitender Familienangehöriger iS des § 780 Abs 2 RVO neben seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft hauptberuflich in einem Gewerbebetrieb beschäftigt war, bei einem Arbeitsunfall in dem landwirtschaftlichen Unternehmen den JAV nach Durchschnittssätzen bestimmt (BSG SozR Nr 1 zu § 780 RVO; vgl auch BSGE 40, 134).
Sinn und Zweck der Regelung des § 780 Abs 1 RVO ist es in Übereinstimmung mit den §§ 781 ff RVO, für den landwirtschaftlichen Unternehmer und seinen Ehegatten sowohl dem Grund nach als auch hinsichtlich der Höhe der Geldleistungen einen ausreichenden Mindestunfallversicherungsschutz zu schaffen. Der Versicherungsschutz soll den besonderen Umständen entsprechen, unter denen der landwirtschaftliche Unternehmer und sein Ehegatte in dem zugrunde gelegten Typ des landwirtschaftlichen Unternehmens versicherte Tätigkeiten verrichten. Diese Arbeit ist bei beiden Eheleuten typischerweise davon geprägt, daß ihr nicht regelmäßig ein entsprechendes Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt zuzuordnen ist. Dies hat der Gesetzgeber zum Anlaß genommen, den JAV ausnahmslos nicht nach den §§ 571 ff RVO zu berechnen, sondern als JAV Durchschnittssätze festsetzen zu lassen.
Dem Gesetzgeber war dabei nicht unbekannt, daß die Mitarbeit des Ehegatten nicht nur außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgen konnte. Entgegen der Meinung der Revision konnte vielmehr auch schon zur Zeit des Inkrafttretens des UVNG vom 30. April 1963 (BGBl I 241) grundsätzlich zwischen Ehegatten ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO wirksam begründet werden. Dies hat der Senat in seiner – auch von der Revision angeführten -Entscheidung vom 29. Juni 1972 (BSGE 34, 207, 210) entschieden und zu einem „Dienstvertrag” vom 15. Februar 1962 zwischen der damaligen Klägerin und ihrem Ehemann festgestellt, daß keine Gründe ersichtlich sind, die es für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung anders als in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung sowie im Arbeits- und Steuerrecht rechtfertigten, die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO nicht anzuerkennen. Allerdings ist wie auch im Steuer- und Arbeitsrecht jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eindeutige Grundlagen für die Annahme eines echten Arbeitsverhältnisses gegeben sind oder Tätigkeiten im Rahmen der familienhaften Mithilfe vorgenommen werden. Diese Entwicklung hat auch der 12. Senat in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1994 – 12 RK 50/93 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) eingehend dargestellt und insbesondere darauf hingewiesen, daß die vom Reichsversicherungsamt zu Beginn dieses Jahrhunderts vertretene Auffassung, die Lebensgemeinschaft der Ehe schließe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aus – vor dem Jahre 1963 –, überholt war. So hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Jahre 1959 zum Steuerrecht entschieden, daß sachgerechte Gründe, welche die Nichtanerkennung nachweislich abgeschlossener ernstgemeinter und vereinbarungsgemäß vollzogener Arbeitsverträge unter Ehegatten rechtfertigten, aus dem Wesen der Ehe nicht hergeleitet werden können (Beschluß des BVerfG vom 14. April 1959 – BVerfGE 9, 237, 244 sowie die weiteren Nachweise in BSG Urteil vom 23. Juni 1994 – aaO –). Eine Regelungslücke ist entgegen der Auffassung der Revision deshalb nicht entstanden.
Davon abgesehen kann, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, nicht davon ausgegangen werden, daß dem Gesetzgeber bei der Vielzahl der seit dem Jahre 1963 gerade auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts vorgenommenen Gesetzesänderungen, nicht zuletzt bei den Änderungen, die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des 1. Ehereformgesetzes zum 1. Juli 1977 (BGBl I 1976, 1421) erfolgt sind, eine seit dem Jahre 1963 etwa eingetretene wesentliche Änderung des dem § 780 RVO zugrundeliegenden Leitbildes verborgen geblieben sein sollte.
Die Regelung des § 780 Abs 1 RVO verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (BSGE 40, 134, 138; Krasney/Noell/Zöllner, Das landwirtschaftliche Sozialrecht und Möglichkeiten seiner Fortentwicklung, 1982, S 79 ff). Die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes verlangt den Vergleich von Lebensverhältnissen, die einander nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleichen. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, welche von diesen Elementen er für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung als maßgebend ansieht (BVerfGE 85, 238, 244). Auch bei der Festlegung der Unfallentschädigung, zB bei der Bestimmung des JAV zur Berechnung der Verletztenrente, hat der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Von daher gesehen ist es vernünftig und nachvollziehbar, daß der Gesetzgeber die Tätigkeit, auf die ein Unternehmen ganz oder teilweise ausgerichtet ist, als Grund dafür nimmt, daraus eine Gruppe zu bilden, die er als landwirtschaftliche Unternehmen im weiteren Sinne zur Durchführung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in vielen Punkten gleich behandelt. Und ebenso vernünftig und nachvollziehbar ist es, daß der Gesetzgeber die besonderen tatsächlichen Umstände, unter denen Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers regelmäßig unfallversicherte Tätigkeiten verrichten, zum Grund nimmt, zum Schutz dieses Versichertenkreises den JAV gemäß den §§ 780 ff RVO festsetzen zu lassen und dem einzelnen zugleich die Möglichkeit einzuräumen, sich durch eine freiwillige Zusatzversicherung (§ 632 RVO, §§ 47 ff der Satzung der Beklagten; Krasney/Noell/Zöllner aaO S 87) im Versicherungsfall Entschädigungsleistungen zu sichern, die sogar höher sein können, als sie Arbeitnehmern zustehen. Dem entspricht auch die Einschätzung, die der Gesetzgeber des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) der Rolle des Ehegatten im bäuerlichen Familienbetrieb beigemessen hat: „Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft,
die dem Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer eine immer verantwortungsvollere und tragendere Rolle im bäuerlichen Familienbetrieb zugewiesen haben, soll die Bäuerin in der Altershilfe nicht weiterhin ohne eigenen Sicherungsanspruch bleiben” (BT-Drucks 12/5700, S 62, Begründung, A. Allgemeiner Teil Nr I 3). Daß sich im Einzelfall aufgrund einer typisierenden Regelung zur Ordnung von Massenerscheinungen (s BVerfG in SozR 2200 § 780 Nr 4), wie sie § 780 Abs 1 RVO vorsieht, auch nachteilige Auswirkungen ergeben können, ist hinzunehmen und macht sie deshalb noch nicht verfassungswidrig (BVerfGE 17, 1, 23; 51, 115, 122).
Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird im Rahmen des vorrangig zu prüfenden Art 3 Abs 1 GG durch die Norm des Art 6 Abs 1 GG zwar beschränkt, welche die Ehe unter den Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Verheiratete dürfen jedenfalls nicht deswegen, weil sie verheiratet sind, benachteiligt werden (BVerfGE 75, 382, 393). Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und damit nicht als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein (BVerfGE 69, 188, 205/206). Das aber ist hier nicht der Fall. Zunächst bewirkt die Gesetzesregelung keine Diskriminierung; sie stellt vielmehr eine Bevorzugung vor den nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherten, nämlich einen Mindestschutz für den Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers unabhängig von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen, dar. Dieser Ehegatte hat es zudem nach der Satzung der Beklagten in der Hand, sich nach seinen eigenen Vorstellungen durch eine freiwillige Zusatzversicherung einen noch leistungsstärkeren Versicherungsschutz zu verschaffen. Darüber hinaus aber knüpft die Sonderregelung des § 780 Abs 1 RVO nicht nur vordergründig an der ehelichen Verbindung mit dem landwirtschaftlichen Unternehmer an und begnügt sich nicht allein mit diesem Unterschied zu anderen Versicherten. Das Gesetz berücksichtigt vielmehr, daß der Ehegatte des Unternehmers eines typischen landwirtschaftlichen Unternehmens (im engeren Sinne gemäß § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO) in dem Unternehmen eine Sonderstellung innehat, die ihn von anderen im Unternehmen mitarbeitenden Personen unterscheidet. Dabei treten für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die vom Kläger besonders betonten zivilrechtlichen Bestimmungen und Aspekte familienrechtlicher und erbrechtlicher Art in den Hintergrund.
Die Struktur des landwirtschaftlichen Unternehmens, ihr Wandel im Laufe der Zeit und der allgemeine Brauch weisen dem Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers eine Rolle der Mitarbeit in dem Unternehmen zu, die sich von derjenigen aller anderen Personen, auch der sonstigen Familienangehörigen, unterscheidet (vgl zB Michels, SdL 1979, 342 ff, 342 bis 344; Krasney/Noell/Zöllner aaO S 80 ff; Breuer, SdL 1987, 395 ff, 395 bis 396; Begründung zum ASRG 1995 aaO S 62). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, stand und steht im Vordergrund der Betrachtung die besondere Struktur in der Landwirtschaft, in der Familien-Mitarbeit, insbesondere aber die Mitarbeit des Ehegatten, traditionsgemäß üblich und notwendig war und ist. Die wirtschaftliche Lage, die gemeinsame Lebensführung beider Ehegatten, der gemeinsame Lebensstandard und das gemeinsam erzielte Einkommen sind dabei herausragende Gesichtspunkte. Hinzu kommt der vom LSG ebenfalls hervorgehobene Gedanke, daß in den Fällen der Mitarbeit des einen Ehegatten im Betrieb des anderen in der Regel beide gemeinsam das Unternehmen lenken und damit in gleicher Weise an dem Gewinn dieser Zusammenarbeit im Betrieb teilnehmen. Eine solche gemeinschaftliche Leitung des Betriebes hat nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall in der Zeit vor dem Unfall des Klägers auch stattgefunden. Dies hat das LSG der Formulierung im Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 1978 entnommen, wonach dem über besondere Sachkunde verfügenden Kläger neben der handwerklichen Mitarbeit vor allem die Leitung und Beaufsichtigung der übrigen Arbeitnehmer übertragen war.
Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Rüge, das LSG habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs in anderen Verfahren erworbene Kenntnisse verwertet, greift nicht durch. Das Recht auf Gehör ist nur dann verletzt, wenn der Betroffene das ihm Zumutbare getan hat, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen (s ua Beschluß des Senats vom 4. Oktober 1994 – 2 BU 166/94 -mwN). Das ist hier nicht geschehen. Aus der Sitzungsniederschrift ergibt sich zwar, daß die Bevollmächtigte des Klägers erklärt hat: „Der Hinweis des Gerichts ist mir heute erstmals gegeben worden. Ich hatte dementsprechend keine Möglichkeit, den Inhalt zu überprüfen”. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern der Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht ausreichend Möglichkeit gegeben worden ist, sich zu den Hinweisen des Gerichts zu äußern. Zumindest hat die Bevollmächtigte des Klägers als seine rechtskundige Vertreterin keinen Vertagungsantrag gestellt. Bei dieser Sachlage kann der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr geltend machen, ihm sei das rechtliche Gehör vor dem LSG nicht ausreichend gewährt worden.
Die auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützte Rüge greift ebenfalls nicht durch. Es ist zwar richtig, daß der Kläger mit Schriftsatz vom 4. April 1993 beantragt hat, eine Auskunft der Bundeslandwirtschaftskammer einzuholen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß dieser Beweisantrag des Klägers auch berücksichtigungsfähig geblieben ist. Denn es obliegt jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten, in der für die Entscheidung maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl zu § 160 Abs 2 Nr 3 SGG Beschluß des Senats vom 17. Oktober 1994 – 2 BU 179/94 – mwN und Beschluß des BVerfG vom 19. Februar 1992 – 1 BvR 1935/91). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Dies gilt hier um so mehr, als das LSG in anderen Verfahren erworbene Erkenntnisse in dieser mündlichen Verhandlung eingebracht hat. Der Kläger hätte deshalb in dem Termin am 21. April 1993 den Beweisantrag zumindest hilfsweise zu seinem Sachantrag stellen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Da nach alledem § 780 Abs 1 RVO in der hier vorgenommenen Auslegung nicht verfassungswidrig ist, kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht – wie von der Revision angeregt – nicht in Betracht und die Revision ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen