Entscheidungsstichwort (Thema)
landwirtschaftliches Unternehmen. forstwirtschaftliches Lohnunternehmen. Holzrücken. Ehegatte. Arbeitnehmer. Jahresarbeitsverdienst. Durchschnittssatz. Unternehmer. Versicherungsschutz. Bäuerin. Gleichheitssatz. Ehe. Diskriminierung
Leitsatz (amtlich)
- Die Festsetzung von Durchschnittssätzen als Jahresarbeitsverdienst ist auch für forstwirtschaftliche Lohnunternehmen als landwirtschaftliche Unternehmen im weiteren Sinne (vgl § 776 Abs 1 S 1 Nr 2 RVO) zulässig (Bestätigung von BSG SozR 2200 § 780 Nr 3).
- Der Jahresarbeitsverdienst des Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers – auch im weiteren Sinne (vgl § 776 Abs 1 S 1 Nr 2 RVO) – berechnet sich bei einem Arbeitsunfall in dem landwirtschaftlichen Unternehmen nach den Durchschnittssätzen der §§ 780 ff RVO, auch wenn der Verletzte den Arbeitsunfall als Arbeitnehmer seines Ehegatten erlitten hat (Bestätigung und Fortführung von BSGE 40, 134 = SozR 2200 § 780 Nr 2).
Normenkette
RVO § 581 Abs. 1, § 776 Abs. 1 Nr. 2, § 777 Nr. 1, § 780 Abs. 1-3, §§ 781, 782 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 1993 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, nach welcher gesetzlichen Regelung der Jahresarbeitsverdienst (JAV) bestimmt werden muß, der für die Höhe der Verletztenrente des Klägers maßgebend ist.
Der Kläger, der mit seiner Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft lebte, erlitt am 25. April 1990 bei Holzrückearbeiten für den Forstbetrieb seiner Ehefrau eine offene Luxationsfraktur des rechten Sprunggelenkes.
Er begehrte, bei der Berechnung der ihm für die Folgen des Arbeitsunfalls zu gewährenden Verletztenrente wie bei allen anderen nach § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) Versicherten den JAV nach § 571 Abs 1 RVO zu berechnen. Er habe in dem Jahr vor dem Arbeitsunfall zunächst als Fernfahrer gearbeitet. Von Oktober bis Dezember 1989 habe er dann ein Holzrückeunternehmen als Ein-Mann-Betrieb aufgebaut und in eigenem Namen geführt. Danach sei das Unternehmen auf seine Ehefrau übertragen worden. Mit ihr habe er zum 1. März 1990 einen Arbeitsvertrag geschlossen, der fortan die Grundlage für seine Arbeit in dem Unternehmen gewesen sei. Mit Vereinbarung vom 27. Februar 1990 hätten seine Ehefrau und er sich dahin geeinigt, daß seine Tätigkeit für das Unternehmen “zunächst durch die Zahlung eines monatlichen Bruttogehaltes in Höhe von 1.250,00 DM abgegolten” sei. Darüber hinaus sei “eine rückwirkende prozentuale Gewinnbeteiligung von 1/3 des erzielten Reingewinns” vereinbart worden, die “nach Ermittlung zum Ende jeden Jahres fällig” werde. Ohne den Unfall wäre im Zeitraum von März bis Dezember 1990 mit einem Gewinn des Unternehmens in Höhe von 55.935,00 DM zu rechnen gewesen; hiervon hätten ihm ein Drittel (und damit 18.645,00 DM) zugestanden.
Die Beklagte gewährte dem Kläger wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente als Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH und dem gemäß § 780 Abs 1 RVO für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten zur Zeit des Arbeitsunfalls als JAV festgesetzten Durchschnittssatz von 15.984,00 DM (angefochtener Bescheid vom 14. November 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1992).
Vor dem Sozialgericht (SG) Koblenz hat der Kläger geltend gemacht, er sei der eigentliche Kopf des Unternehmens gewesen. Er habe im Schnitt vierzehn Stunden im Wald und zwei Stunden zu Hause gearbeitet.
Klage und Berufung haben keinen Erfolg gehabt (Urteile des SG vom 11. März 1993 und des Landessozialgericht ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 1993). Das LSG hat zur Bestätigung der Entscheidung des SG ausgeführt, dem Kläger stehe nicht deshalb eine höhere Verletztenrente zu, weil der nach § 581 Abs 1 RVO maßgebende JAV gemäß den §§ 571 ff RVO zu berechnen sei. Vielmehr habe die Beklagte zu Recht als JAV den nach den §§ 780 ff RVO festgesetzten Durchschnittssatz zugrunde gelegt. Der Kläger habe seinen Arbeitsunfall als Ehemann einer landwirtschaftlichen Unternehmerin erlitten, denn zu den landwirtschaftlichen Unternehmen zählten gemäß § 776 Abs 1 Nr 2 RVO auch die Unternehmer forstwirtschaftlicher Lohnunternehmen. Nach § 780 Abs 1 RVO gälten für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten als JAV die nach den §§ 781 ff RVO festgesetzten Durchschnittssätze. Im Geltungsbereich des § 780 RVO seien die allgemeinen Regelungen für den JAV nach den §§ 571 ff RVO nicht anwendbar. Das treffe auch zu, wenn der im Unternehmen mitarbeitende Ehegatte der landwirtschaftlichen Unternehmerin nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versichert sei, denn dieser gelte iS des § 780 Abs 2 RVO nicht zu den Familienangehörigen der Unternehmerin, wie aus § 780 Abs 3 RVO folge. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG). Für die Sonderregelung gebe es hinreichende Gründe, wie sie bereits vom Bundessozialgericht (BSG) in BSGE 40, 134 angeführt worden seien. Landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten mit einem höheren Einkommen hätten zudem die Möglichkeit, höhere Beiträge im Wege der Zusatzversicherung (§ 632 RVO) zu entrichten, die die Beklagte in ihrer Satzung zugelassen habe, und sich dadurch einen leistungsstärkeren Unfallversicherungsschutz zu verschaffen. Der Gesetzgeber habe sich damit nicht zu Lasten verheirateter landwirtschaftlicher Unternehmerinnen und ihrer Ehegatten einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung gegenüber nicht ehelich mit einer landwirtschaftlichen Unternehmerin zusammenlebenden Partnern schuldig gemacht. Denn in bezug auf die Ausgestaltung des Sozialversicherungsschutzes der Gruppe der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten im Vergleich zu der entsprechenden Gruppe nicht ehelich zusammenlebender Personen, wobei nicht auf den Einzelfall abgestellt werden dürfe, sei die erste Gruppe sogar besser gestellt als die zweite.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Die Voraussetzungen des § 780 RVO seien nicht erfüllt, da seine Ehefrau keine landwirtschaftliche Unternehmerin gewesen sei. Das sei sie auch nicht iS des § 776 Abs 1 Nr 2 RVO gewesen, da ihr Unternehmen keine primär landwirtschaftliche Zielsetzung gehabt habe. Sie habe keine forstwirtschaftlichen Flächen bearbeitet, sondern nach Weisung forstwirtschaftlicher Unternehmer ihr übertragene Arbeiten im Rahmen eines reinen auf Gewinn ausgerichteten Gewerbebetriebes ausgeführt.
Zu Unrecht habe das LSG angenommen, daß § 780 RVO gegenüber den §§ 571 ff RVO lex spezialis sei; das treffe jedenfalls nicht in den Fällen zu, in denen die Eheleute ihre Tätigkeit in dem Unternehmen durch Arbeitsvertrag geregelt hätten. Andernfalls hätte das im Gesetz ausdrücklich erwähnt werden müssen. Der Umstand, daß in § 780 Abs 2 RVO die Einschränkung “soweit sie nicht nach § 539 Abs 1 Nr 1” enthalten sei und in Abs 1 aaO nicht, zwinge nicht zu einer anderen Auslegung. Der Gesetzgeber habe nicht den Grundsatz der Vertragsfreiheit einschränken, sondern lediglich Hilfestellung für den durchschnittlichen Fall einer fehlenden vertraglichen Regelung leisten wollen. Andernfalls hätte er rechtspolitisch verfehlt gehandelt und gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verstoßen (Art 2 Abs 1 GG).
Eine Sonderbehandlung von Eheleuten im vorliegenden Fall verstieße auch gegen Art 3 Abs 1 und 6 Abs 1 GG. Es käme einer Diskriminierung der Ehe gleich, wollte man dem nicht ehelich verbundenen Lebenspartner Verletztenrente nach seinem wirklichen JAV zubilligen, dagegen den Ehemann auf den durchschnittlichen JAV verweisen. Damit würde ein Anreiz geschaffen, unverheiratet zusammenzuleben.
Der Hinweis auf die Möglichkeit einer freiwilligen Zusatzversicherung sei verfehlt, weil das Gesetz den Arbeitnehmern auf andere Weise einen vollkommenen Unfallversicherungsschutz gewährleiste.
Seine Gewinnbeteiligung ändere in diesem Zusammenhang nichts. Nicht er sei der Kopf, sondern seine Ehefrau sei auch der wirtschaftlichen Stellung nach Alleineigentümerin des Unternehmens gewesen. Er habe als Arbeitnehmer seiner Ehefrau nur die technische Leitung innegehabt und sich insofern als “Kopf” bezeichnet.
Sollte der Senat allerdings zu der Auffassung gelangen, § 780 RVO sei doch anzuwenden, müsse seinem Hilfsantrag stattgegeben werden, weil die Beklagte den durchschnittlichen JAV nicht richtig festgesetzt habe. Die Richtigkeit des zugrunde gelegten durchschnittlichen JAV habe er substantiiert mit Beweisantritt bestritten. Dem hätte das LSG nachgehen müssen, da dem LSG die Nachprüfung der Mindestverdienste im Zweifelsfall obliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 1993 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. November 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1992 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Verletztenrente nach den allgemeinen Vorschriften für den JAV nach den §§ 571 ff RVO zu berechnen, hilfsweise – das angefochtene Urteil des LSG Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 1993 zurückzuweisen.
Zu Recht und mit zutreffenden Gründen habe das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das forstwirtschaftliche Lohnunternehmen der Ehefrau des Klägers iS des § 776 Abs 1 Nr 2 RVO sei ein landwirtschaftliches Unternehmen, weil es der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterstellt worden sei. Damit sei die Ehefrau des Klägers ihr, der Beklagten, Mitglied. Die gesetzliche Anspruchsgrundlage, nach der hier Versicherungsschutz und demgemäß Anspruch auf Leistungen bestehe, sei § 539 Abs 1 Nr 5 RVO. Danach seien Unternehmer, solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) seien, und ihre mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall versichert. Dementsprechend sei zur Berechnung der Verletztenrente des Klägers der JAV nach § 780 Abs 1 RVO zugrunde zu legen.
Sinn und Zweck der Durchschnittssätze sei es, klare Vorgaben für die Berechnung der Geldleistungen zu schaffen. Daran fehle es in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sehr oft, insbesondere auch dann, wenn zwischen Ehegatten Vereinbarungen getroffen worden seien. Das treffe auch im vorliegenden Falle zu. Mit dem vereinbarten Bruttolohn hätte der Kläger noch unterhalb des durchschnittlichen JAV gelegen. Gewinnbeteiligungen seien häufig von spekulativer Natur und schwierig nachvollziehbar. Daß diese Durchschnittssätze gegenwärtig relativ niedrig lägen, sei nicht system-, sondern situationsbedingt. Sie könnten deshalb zu anderen Zeiten auch wesentlich höher liegen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend haben SG und LSG entschieden, daß die Beklagte dem Kläger auch insoweit keine höhere Verletztenrente zu gewähren hat, wie sich die Höhe der Rente gemäß § 581 Abs 1 RVO nach dem JAV richtet. Zu Recht hat die Beklagte bei der Berechnung der Verletztenrente als maßgebenden JAV den gemäß den §§ 781 f RVO festgesetzten, von der Aufsichtsbehörde genehmigten und zur Zeit des Arbeitsunfalls geltenden durchschnittlichen JAV zugrunde gelegt. Der Kläger hat den Arbeitsunfall im forstwirtschaftlichen Unternehmen seiner Ehefrau erlitten, so daß für ihn, den Ehegatten einer landwirtschaftlichen Unternehmerin, unbeschadet der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Eheleuten als JAV die gemäß den §§ 780 ff RVO festgesetzten Durchschnittssätze gelten. Diese Gesetzesregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Nach § 780 Abs 1 RVO werden für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten als JAV Durchschnittssätze festgesetzt. Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall auf den Kläger zu.
Das Holzrückeunternehmen der Ehefrau des Klägers war entgegen der Meinung der Revision ein forstwirtschaftliches Lohnunternehmen iS des § 776 Abs 1 Nr 2 RVO, das von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfaßt wurde und insofern trotz mangelnder Bodenbewirtschaftung zu den landwirtschaftlichen Unternehmen im weiteren Sinne zählte (BSG SozR 2200 § 780 Nr 3); dessen Unternehmerin war dementsprechend landwirtschaftliche Unternehmerin und kraft Gesetzes Mitglied der örtlich zuständigen BG (§ 792 iVm § 658 RVO). Land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen sind Unternehmen, die aufgrund eines Werkvertrages oder eines Vertrages eigener Art für andere Personen land- oder fortwirtschaftliche Tätigkeiten gegen Zahlung einer vereinbarten Vergütung ausführen (s Boller, SozVers 1971, 39 ff, 40 mwN). Forstwirtschaftliche Lohnunternehmen verrichten gewerbsmäßig gegen Entgelt Tätigkeiten, die mit dem Anbau und Abschlag von Holz, der Aufarbeitung von Windbruch- oder Windwurfholz zusammenhängen. Dazu gehört auch das Holzrücken oder Holzschleifen aus dem Walde (Boller aaO S 41 mwN). Diese Voraussetzungen erfüllte das Unternehmen der Ehefrau des Klägers nach den gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil.
Das BSG hat bereits entschieden, daß die Festsetzungen von Durchschnittssätzen als JAV (§ 780 Abs 1 RVO) nicht nur für die in § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO bezeichneten landwirtschaftlichen Unternehmen im engeren Sinne, sondern für alle landwirtschaftlichen Unternehmen – im weiteren Sinne (vgl § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 RVO) – zulässig ist (BSG SozR 2200 § 780 Nr 3 mwN; dazu BVerfG SozR 2200 § 780 Nr 4). Der erkennende Senat bestätigt diese Rechtsprechung.
Die Regelung des Gesetzes, Vorschriften für die landwirtschaftliche Unfallversicherung des Unternehmers und seines mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten über die landwirtschaftlichen Unternehmen im engeren Sinne (§ 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO) hinaus zB auch auf land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen (landwirtschaftliche Unternehmen im weiteren Sinne gemäß § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 2 RVO) zu erstrecken, hat einen sachlichen Anknüpfungspunkt. Er liegt ersichtlich in der Tatsache, daß solche Unternehmen darauf ausgerichtet sind, sich auf Teilbereiche land- oder forstwirtschaftlicher Unternehmen im engeren Sinne zu spezialisieren und ihnen die entsprechende Arbeit gegen Entgelt abzunehmen. Dieser Sachzusammenhang hat dem Gesetzgeber ausreichenden Grund gegeben, zur Durchführung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung eine einheitliche Gruppe landwirtschaftlicher Unternehmen im weiteren Sinne zu bilden und den Bedürfnissen der Massenverwaltung entsprechend für diese Gruppe eine Vielzahl gemeinsamer Vorschriften zu schaffen. Dazu gehören auch die §§ 780 ff RVO. Den besonderen Umständen der einzelnen landwirtschaftlichen Unternehmenszweige wird gemäß § 782 Abs 1 RVO dadurch Rechnung getragen, daß die durchschnittlichen JAV nach Gruppen festgesetzt werden. Dabei kann ua auch “nach Art der Beschäftigung der Versicherten” und nach “der Art der Unternehmen” unterschieden werden. Ferner besteht auch nach der Satzung der Beklagten die Möglichkeit der freiwilligen Höherversicherung (BSG SozR 2200 § 780 Nr 3).
Das BSG hat weiter entschieden, daß die §§ 780 ff RVO Sondervorschriften für die landwirtschaftliche Unfallversicherung darstellen, die eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften über den JAV (§§ 571 ff RVO) ausschließen, wenn JAV-Durchschnittssätze festgesetzt worden sind (BSGE 36, 98, 101; 40, 134, 137 mwN), und daß diese Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstößt (BSGE 40, 134, 138). Auch dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.
Da der Kläger Ehegatte einer landwirtschaftlichen Unternehmerin ist und seinen Arbeitsunfall in deren landwirtschaftlichem Unternehmen erlitten hat, gelten für seine Unfallentschädigung als JAV gemäß § 780 Abs 1 RVO die nach den §§ 781 ff RVO festgesetzten durchschnittlichen JAV. Daß der Kläger seine Arbeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Ehefrau aufgrund eines Arbeitsvertrages zwischen den Eheleuten geleistet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Gesetz schließt in gleicher Weise wie für den landwirtschaftlichen Unternehmer auch für dessen Ehegatten die §§ 571 ff RVO aus, wenn beide in dem landwirtschaftlichen Unternehmen zusammenarbeiten. Auf die Rechtsgrundlage der Zusammenarbeit kommt es dabei nicht an. Dafür besteht im Hinblick auf den bezweckten Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch keine Notwendigkeit.
Das Gesetz behandelt alle landwirtschaftlichen Unternehmer, die als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen BG sind, und ihre mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten als eine einheitliche Sondergruppe, die es aus bestimmten Gründen ihrer gemeinsamen Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen als besonders schutzwürdig ansieht. Dabei wird der Begriff “landwirtschaftliches Unternehmen” als Typ gesehen, den es den Bedürfnissen der Massenverwaltung entsprechend zu regeln gilt. Prägend für diesen Unternehmenstyp ist es, daß die persönliche Arbeitsleistung des Unternehmers und seines Ehegatten nur sehr schwer bewertet werden kann. Das ist besonders bei den zahlreichen nicht buchführenden Landwirten augenfällig. In gleicher Weise schwierig ist es aber auch, die persönliche Arbeitsleistung desjenigen Ehegatten zu bewerten, der nicht nur im landwirtschaftlichen Unternehmen, sondern auch in der Haushaltung des Unternehmens arbeitet. Dem entspricht die Regelung des § 777 Nr 1 RVO für landwirtschaftliche Unternehmen im engeren Sinne (s KassKomm-Ricke, § 777 RVO RdNr 3), die davon ausgeht, daß auch typischerweise die Haushaltung des landwirtschaftlichen Unternehmers wesentlich dem Unternehmen dienen kann, und die deshalb insoweit auch diese Haushaltung als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens gelten läßt. Das Gesetz zieht daraus für die gesamte in § 776 Abs 1 Nrn 1, 2, 3 und Abs 2 RVO erfaßte Sondergruppe landwirtschaftlicher Unternehmen Konsequenzen sowohl hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes des Unternehmers und seines Ehegatten als auch hinsichtlich des zur Berechnung der Geldleistungen zugrunde zu legenden JAV.
Zum einen sind deshalb – als besondere Ausnahmen im Kreis der in der Regel nicht kraft Gesetzes unfallversicherten Unternehmer – sowohl der landwirtschaftliche Unternehmer als auch sein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatte gleichermaßen nach § 539 Abs 1 Nr 5 RVO unfallversichert, und zwar auch ohne daß es für den Ehegatten darauf ankommt, auf welcher Rechtsgrundlage er für das Unternehmen tätig wird. Für dessen kraft Gesetzes eingreifenden Unfallversicherungsschutz ist weder ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO vonnöten noch eine Rechtsposition als Mitunternehmer. Der Senat hat im übrigen entgegen der Meinung der Revision bereits entschieden, daß auch schon zur Zeit des Inkrafttretens des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (BGBl I 241) grundsätzlich zwischen Ehegatten ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO wirksam begründet werden konnte (BSGE 34, 207, 210; s dazu auch BSG Urteil vom 23. Juni 1994 – 12 RK 50/93 – mwN, zur Veröffentlichung bestimmt).
Zum anderen trägt das Gesetz diesen Sonderumständen versicherter Tätigkeit bei der Berechnung der Geldleistungen in § 780 Abs 1 RVO Rechnung. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, daß auch für die Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers als JAV ohne Ausnahme wie für den Unternehmer selbst Durchschnittssätze festgesetzt werden (KassKomm-Ricke § 780 RVO RdNr 5). Auch aus § 780 Abs 2 RVO folgt, daß nur bei Familienangehörigen iS des § 780 Abs 3 RVO, nicht aber bei Ehegatten, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum anderen Ehegatten stehen, etwas anderes gelten kann. Diese mitarbeitenden Familienangehörigen können zB nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO unfallversichert sein. In dem Falle gelten für sie gemäß § 780 Abs 2 RVO als JAV auch die festgesetzten Durchschnittssätze. Der Senat hat sogar dann, wenn ein mitarbeitender Familienangehöriger iS des § 780 Abs 2 RVO neben seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft hauptberuflich in einem Gewerbebetrieb beschäftigt war, bei einem Arbeitsunfall in dem landwirtschaftlichen Unternehmen den JAV nach Durchschnittssätzen bestimmt (BSG SozR Nr 1 zu § 780 RVO; vgl auch BSGE 40, 134).
Sinn und Zweck der Regelung des § 780 Abs 1 RVO ist es in Übereinstimmung mit den §§ 781 ff RVO, für den landwirtschaftlichen Unternehmer und seinen Ehegatten auch hinsichtlich der Höhe der Geldleistungen einen ausreichenden Mindestunfallversicherungsschutz zu schaffen. Der Versicherungsschutz soll den besonderen Umständen entsprechen, unter denen der landwirtschaftliche Unternehmer und sein Ehegatte in dem zugrunde gelegten Typ des landwirtschaftlichen Unternehmens versicherte Tätigkeiten verrichten. Da diese Arbeit bei beiden Eheleuten typischerweise davon geprägt ist, daß ihr nicht regelmäßig ein entsprechendes Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt zuzuordnen ist, hat der Gesetzgeber dies zum Anlaß genommen, den JAV ausnahmslos nicht nach den §§ 571 ff RVO zu berechnen, sondern als JAV Durchschnittssätze festsetzen zu lassen.
Diese Gesetzesregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (BSGE 40, 134, 138; Krasney/Noell/Zöllner, Das landwirtschaftliche Sozialrecht und Möglichkeiten seiner Fortentwicklung, 1982, S 79 ff). Die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes verlangt den Vergleich von Lebensverhältnissen, die einander nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleichen. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, welche von diesen Elementen er für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung als maßgebend ansieht (BVerfGE 85, 238, 244). Auch bei der Festlegung der Unfallentschädigung, zB bei der Bestimmung des JAV zur Berechnung der Verletztenrente, hat der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Von daher gesehen ist es vernünftig und nachvollziehbar, daß der Gesetzgeber die Tätigkeit, auf die ein Unternehmen ganz oder teilweise ausgerichtet ist, als Grund dafür nimmt, daraus eine Gruppe zu bilden, die er als landwirtschaftliche Unternehmen im weiteren Sinne zur Durchführung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in vielen Punkten gleich behandelt. Und ebenso vernünftig und nachvollziehbar ist es, daß der Gesetzgeber die besonderen tatsächlichen Umstände, unter denen Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers regelmäßig unfallversicherte Tätigkeiten verrichten, zum Grund nimmt, zum Schutz dieses Versichertenkreises den JAV gemäß den §§ 780 ff RVO festsetzen zu lassen und dem einzelnen zugleich die Möglichkeit einzuräumen, sich durch eine freiwillige Zusatzversicherung (§ 632 RVO, §§ 41 ff der Satzung der Beklagten; Krasney/Noell/Zöllner aaO S 87) im Versicherungsfall Entschädigungsleistungen zu sichern, die sogar höher sein können, als sie Arbeitnehmern zustehen. Dem entspricht auch die Einschätzung, die der Gesetzgeber des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) der Rolle des Ehegatten im bäuerlichen Familienbetrieb beigemessen hat: “Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft, die dem Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer eine immer verantwortungsvollere und tragendere Rolle im bäuerlichen Familienbetrieb zugewiesen haben, soll die Bäuerin in der Altershilfe nicht weiterhin ohne eigenen Sicherungsanspruch bleiben” (BT-Drucks 12/5700, S 62, Begründung, A.… Allgemeiner Teil Nr I 3).
Richtig ist, daß die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch im Rahmen des vorrangig zu prüfenden Art 3 Abs 1 GG durch die Norm des Art 6 Abs 1 GG beschränkt wird, welche die Ehe unter den Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Verheiratete dürfen jedenfalls nicht deswegen, weil sie verheiratet sind, benachteiligt werden (BVerfGE 75, 382, 393). Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und damit nicht als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein (BVerfGE 69, 188, 205/206). Das ist hier nicht der Fall. Zunächst bewirkt die Gesetzesregelung keine Diskriminierung, sondern eine Bevorzugung vor den nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherten, nämlich einen Mindestschutz für den Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers unabhängig von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen. Dieser Ehegatte hat es zudem nach der Satzung der Beklagten in der Hand, sich nach seinen eigenen Vorstellungen durch eine freiwillige Zusatzversicherung einen noch leistungsstärkeren Versicherungsschutz zu verschaffen. Darüber hinaus aber knüpft die Sonderregelung des § 780 Abs 1 RVO nicht nur vordergründig an der ehelichen Verbindung mit dem landwirtschaftlichen Unternehmer an und begnügt sich nicht allein mit diesem Unterschied zu anderen Versicherten. Sondern das Gesetz berücksichtigt, daß der Ehegatte des Unternehmers eines typischen landwirtschaftlichen Unternehmens (im engeren Sinne gemäß § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO) in dem Unternehmen eine Sonderstellung innehat, die ihn von anderen im Unternehmen mitarbeitenden Personen, seien es nicht eheliche Lebenspartner oder sonstige Familienangehörige, unterscheidet. Die Struktur des landwirtschaftlichen Unternehmens, ihr Wandel im Laufe der Zeit und der allgemeine Brauch weisen dem Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers eine Rolle der Mitarbeit in dem Unternehmen zu, die sich von denjenigen aller anderen Personen unterscheidet (vgl zB Michels, SdL 1979, 342 ff, 342 bis 344; Krasney/Noell/Zöllner aaO S 80 ff; Breuer, SdL 1987, 395 ff, 395 bis 396; Begründung zum ASRG 1995 aaO S 62). In rechtlicher Hinsicht ist es besonders die bestehende eheliche Verbindung, die dem Ehegatten anders als einem nicht ehelichen Lebenspartner oder einem anderen Familienangehörigen über arbeitsvertragliche Beziehungen hinaus auch (rechtliche) Vorteile verschafft (s § 539 Abs 1 Nr 5 RVO). Insofern reicht ein punktueller Vergleich zwischen Ehegatten und nichtehelichen Lebensgefährten nicht aus, einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu begründen. Vielmehr gibt es nach dem Vorstehenden ausreichende Anknüpfungspunkte, die in diesem Zusammenhang nicht nur die besondere Begründung des Versicherungsschutzes, sondern auch die besondere Ausgestaltung der Entschädigungsleistungen rechtfertigen können.
Die streitige Gesetzesregelung verstößt danach auch nicht gegen das Grundrecht nach Art 2 Abs 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Schließlich sind auch die Angriffe der Revision gegen die Bezifferung des von der Beklagten zugrunde gelegten JAV unbegründet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG im Tatbestand des angefochtenen Urteils betrug der iS des § 780 Abs 1 RVO festgesetzte durchschnittliche JAV für landwirtschaftliche Unternehmer und deren Ehegatten zur Zeit des vom Streit betroffenen Arbeitsunfalls 15.984,00 DM. Es handelt sich dabei um veröffentlichtes autonomes Recht. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht geeignet, die Festsetzung des betreffenden Durchschnittssatzes als inhaltlich rechtswidrig zu beurteilen. Das LSG ist dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zu den üblichen Mindestverdiensten in seinem, des Klägers, Erwerbszweig einzuholen, mit hinreichendem Grund nicht gefolgt. Wie im vorliegenden Falle werden die nach § 780 Abs 1 RVO als JAV vorgeschriebenen Durchschnittssätze gemäß § 781 Abs 1 RVO bei jeder landwirtschaftlichen BG von einem von den Gruppen der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte und der Arbeitgeber aus der Mitte der Vertreterversammlung gewählten Ausschuß festgesetzt. Die Durchschnittssätze müssen nach den in § 782 RVO vorgeschriebenen Merkmalen und nicht nach den üblichen Mindestverdiensten in einem bestimmten Gewerbezweig festgesetzt werden. Die Festsetzung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 781 Abs 2 RVO). Der Kläger hat die Richtigkeit des danach festgesetzten und von der Beklagten zugrunde gelegten durchschnittlichen JAV entgegen dem Vortrag der Revision nicht substantiiert und schlüssig bestritten. Seine allgemeine Bewertung des Durchschnittssatzes als unrealistisch und die Behauptung, die Mindestverdienste in dem Erwerbszweig, in dem er tätig gewesen sei, lägen mit Sicherheit über 30.000,00 DM, reichen dazu nicht aus. Das LSG mußte sich deshalb nicht gedrängt fühlen, dem nicht näher spezifizierten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 921720 |
BSGE, 193 |
BB 1995, 314 |
Breith. 1995, 401 |