Beteiligte
Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Pflegegeldes wegen Berücksichtigung des Kaufkraftunterschiedes zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien streitig.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger erlitt am 20. Februar 1990 bei einem Arbeitsunfall Walzenquetschverletzungen beider Unterarme und Hände. Wegen der sich daraus ergebenden Gebrauchsunfähigkeit beider Hände, was praktisch dem Verlust beider Arme im Unterarm gleichzusetzen ist, gewährt die Beklagte die Verletztenrente in Höhe der Vollrente.
Entsprechend den für Ohnhänder geltenden Richtlinien bewilligte die Beklagte dem Kläger ferner Pflegegeld auf Dauer in Höhe von 60 % des Höchstbetrages (Bescheid vom 15. Oktober 1991). Im Juni 1994 entsprach dies aufgrund der jährlichen Anpassungen der Geldleistungen einem monatlichen Pflegegeld von 1.222,60 DM. Ab dem 1. Juli 1994 hätte sich das Pflegegeld durch die jährliche Aktualisierung der Geldleistung um 1,0305 % auf 1.259,90 DM erhöht, wenn der Kläger seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten hätte. Wegen der zwischenzeitlich erfolgten Rückkehr des Klägers in sein Heimatland Spanien gewährte die Beklagte ab Juli 1994 statt dessen lediglich 1.104,00 DM, entsprechend 90.995 spanische Peseten (Bescheid vom 9./14. Juni 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1995): Im Rahmen der Anpassung der Leistungen zum 1. Juli 1994 sei das Pflegegeld, wie bei den Unfallversicherungsträgern üblich, zugleich dem Lebenshaltungskostenindex in Spanien angeglichen worden. Das Pflegegeld werde als Ersatz für die Sachleistung Pflege angesehen. Sachleistungen würden üblicherweise von den Trägern des Aufenthaltslandes erbracht. Um die Leistung Pflegegeld überhaupt ins Ausland erbringen zu können, werde in einem seit Mitte der siebziger Jahre eingeführten Verfahren das Pflegegeld im Auslandsbezug als Quasi-Geldleistung deklariert. Der Bezug zur Sachleistung Pflege sei aber dadurch gewahrt worden, daß über eine Umrechnungsformel, die auch die Verbrauchergeldparität und damit das Niveau der Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsstaat berücksichtige, im Regelfall eine Reduzierung des Pflegegeldbetrages vorgenommen worden sei.
Dementsprechend rechnete die Beklagte – unter Heranziehung einer vom Statistischen Bundesamt bezogen auf Spanien für den Monat Januar 1994 ermittelten Differenz zwischen der Verbrauchergeldparität (nach deutschem Schema) und dem Devisenkurs um 14,1 % – den sich bei einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet im Inland ergebenden Zahlbetrag von 1.259,88 DM um und ermittelte so den tatsächlich gewährten Betrag von 1.104,00 DM. Entsprechend errechnete die Beklagte die Zahlbeträge der jeweils zum 1. Juli der folgenden Jahre vorzunehmenden Anpassungen des Pflegegeldes (Bescheide vom 8. Juni 1995, 8. Juni 1996 und 8. Juni 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. August 1997). Gemäß § 558 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) könne statt der Sachleistung Pflege ein Pflegegeld gewährt werden, wobei die Entscheidung über Grund und Höhe dieser Leistung im Ermessen des Unfallversicherungsträgers liege. Dem Umstand, daß die in Spanien anfallenden Pflegekosten niedriger seien, könne nach nationalem Recht Rechnung getragen werden, so daß auch ein Verstoß gegen Art 52 Buchst b VO (EWG) Nr 1408/71 nicht vorliege. Vielmehr sei die Kürzung gerade unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geboten, da anderenfalls viele im Ausland lebende Versicherte gegenüber den in Deutschland verbliebenen bevorzugt würden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die Bescheide vom 9. /14. Juni 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1995, die Bescheide vom 8. Juni 1995, 8. Juni 1996 und 8. Juni 1997 aufgehoben (Urteil vom 27. Januar 1998). Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, soweit sie das Pflegegeld aufgrund eines Paritätsunterschiedes kürzten. Vorbehaltlich eines neuen allen rechtlichen Anforderungen genügenden Änderungsbescheides habe der Kläger daher Anspruch auf ungekürztes Pflegegeld in Höhe von 60 % des gesetzlichen Höchstbetrages. Als Rechtsgrundlage für die Kürzung des Pflegegeldbetrages käme allein § 48 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht, auch wenn der Ausgangsbescheid eine Ermessensentscheidung betreffe. Das durch § 558 Abs 3 Satz 1 RVO eröffnete Ermessen erstrecke sich auch darauf, in welcher Höhe das Pflegegeld innerhalb des von § 558 Abs 3 Satz 2 RVO vorgegebenen Rahmens gezahlt werde. Daher ließen sich für die Bestimmung der Höhe des Pflegegeldes keine generell verbindlichen Kriterien festlegen. Maßgebend seien die individuellen Verhältnisse des Verletzten. Bei der Abwägung kämen ua auch der Umfang der tatsächlich gewährten Hilfe und die dadurch bedingten Kosten in Betracht. Selbst wenn durch einen Umzug oder durch wirtschaftliche Veränderungen ausgelöste Kaufkraftgewinne bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden könnten, dürfe dies nicht im Wege eines automatisierten Rechenprozesses erfolgen, wie ihn die Beklagte angewandt habe. Entsprechende Ermessenserwägungen ließen die angefochtenen Bescheide jedoch gänzlich vermissen. Eine Ermessensentscheidung sei auch im Hinblick auf die Aufwendungen des Verletzten zur Altersabsicherung der ihn pflegenden Ehefrau erforderlich. Eine Einzelfallwürdigung sei schließlich auch wegen der Kaufkraftunterschiede im In- und Ausland im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) erforderlich. Auch innerhalb der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland seien erhebliche Kaufpreis- und Kostenunterschiede festzustellen, wie das Statistische Jahrbuch ergebe. Solche Unterschiede würden jedoch von der Beklagten bei der Feststellung des Pflegegeldes nicht berücksichtigt. Zudem müsse die Beklagte bei der Ermessensausübung berücksichtigen, daß das Pflegegeld als Pauschalbetrag es bewußt dem Versicherten überlasse, wie er in dem individuellen Fall die tatsächliche Pflege realisiere. Der einschränkenden Berücksichtigung der Verbrauchergeldparitätsdifferenzen stehe das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG schon deshalb nicht entgegen, weil es jedem Pflegegeldempfänger freistehe, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland zu verlegen, um dort Kostenvorteile bei der Beschaffung der erforderlichen Pflege zu erzielen.
Der Bescheid vom 8. Juni 1997 werde diesen Anforderungen ebensowenig gerecht. Auch § 44 Abs 2 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der insoweit zu berücksichtigen sei, stelle die Bemessung der Höhe des Pflegegeldes in das Ermessen der Beklagten. Da diese Vorschrift eine Berücksichtigung der Hilfe nach Maßgabe des jeweiligen Aufenthaltsorts nicht vorsehe, könnten Differenzen in den Verbrauchergeldparitäten zu Lasten des Versicherten seit dem 1. Januar 1997 nicht berücksichtigt werden, sofern § 97 Nr 2 SGB VII – wie hier – aufgrund des § 214 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB VII keine Anwendung finde.
Da die angefochtenen Bescheide bereits den Vorschriften nationalen Rechts widersprächen, bedürfe es keiner abschließenden Klärung, inwieweit sich EG-rechtliche Vorgaben (Art 52 Buchst b VO ≪EWG≫ Nr 1408/71) auswirken könnten.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision trägt die Beklagte vor, sie sei befugt gewesen, bei der Höhe des zu gewährenden Pflegegeldes zu berücksichtigen, daß die Deutsche Mark in Spanien eine höhere Kaufkraft habe als in Deutschland und daß die Lebenshaltungskosten und vor allem die Lohnkosten ein ganz anderes Niveau hätten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die Änderung der Höhe des Pflegegeldes aufgrund gesetzlicher Grundlage gemäß § 48 SGB X erfolgt. Der vorgegebene gesetzliche Rahmen für die Höhe des Pflegegeldes sei an den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Deutschland, insbesondere an dem in Deutschland zu zahlenden Lohn ausgerichtet. Das Lohnniveau sei in Spanien wesentlich niedriger. Dementsprechend sei die Kaufkraft der Deutschen Mark in Spanien höher als in Deutschland. Würde dem in Spanien lebenden Kläger das an deutsche Verhältnissen ausgerichtete Pflegegeld in voller Höhe ausgezahlt, würde ihm gegenüber Versicherten, die in Deutschland lebten, ein finanzieller Vorteil erwachsen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung habe daher zur Vermeidung derartiger „Gewinnerzielung” angeordnet, daß die Höhe der ins Ausland zu zahlenden Pflegegeldsätze entsprechend den Verhältnissen des ausländischen Staates festzusetzen sei, wobei Art und Weise der angemessenen Berücksichtigung im Ermessen des Versicherungsträgers liege. Die Ansicht des LSG, daß dies nicht durch einen automatisierten Rechnungsprozeß, dh mittels Umrechnung nach der Verbrauchergeldparität, erfolgen könne und daß dies nur einen Gesichtspunkt darstellen könne, finde im Gesetz keine Stütze. Das LSG verlange von der Beklagten aufgrund des Umzuges des Klägers nach Spanien eine erneute Ermessensentscheidung über Ausmaß und Schwere seiner Verletzungen und das Ausmaß seiner Hilflosigkeit. Der Kläger wende sich aber lediglich dagegen, daß die Höhe des Pflegegeldes aufgrund seines Umzugs nach Spanien geändert worden sei. Die Beklagte habe daher den Grad der Pflegebedürftigkeit nicht erneut geprüft. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bei einem ähnlichen Problem der Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes eine Umrechnung der ausländischen Entgelte entsprechend der Verbrauchergeldparität (BSGE 36, 209) den Vorzug gegeben. Auch sei für die Versicherten die Umrechnung der Verbrauchergeldparität nach deutschem Schema aufgrund des zugrundeliegenden Warenkorbs günstiger als nach ausländischem Schema.
Da der Stundenlohn in Spanien ungefähr nur halb so hoch wie in Deutschland sei, dürfte dem Kläger an sich auch nur die Hälfte des nach deutschen Verhältnissen ausgerichteten Pflegegeldes ausgezahlt werden. Gleiches gelte für die Aufwendungen zur Altersabsicherung der pflegenden Ehefrau, da die Beiträge in Spanien weitaus niedriger seien als in Deutschland. Der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebiete, daß alle Versicherten gleich behandelt würden. Daher müßten Kaufpreisunterschiede und Lohnunterschiede bei der Höhe des Pflegegeldes gemäß § 558 Abs 3 RVO berücksichtigt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Januar 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. August 1997 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen verstoße die Kürzung des Pflegegeldes wegen Wohnens außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gegen Art 3 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 und sei somit rechtswidrig.
II
Die Revision ist unbegründet.
In prozessualer Hinsicht ist das LSG in seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß die Bescheide vom 8. Juni 1996 und 8. Juni 1997 Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits geworden sind. Dies folgt aus einer entsprechender Anwendung des § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da der Inhalt dieser neuen Verwaltungsakte mit dem Streitstoff der ursprünglich angefochtenen Bescheide über die Kürzung des Pflegegeldes im Zusammenhang steht (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 96 RdNr 4). Der Bescheid vom 8. Juni 1995 hingegen war bereits gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Bescheides vom 9./14. Juni 1994 geworden und wurde daher vom Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1995 erfaßt.
In der Sache selbst hat das LSG die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht aufgehoben; denn sie sind rechtswidrig, soweit sie das Pflegegeld aufgrund eines Kaufkraftparitätsunterschiedes gekürzt haben.
Bei der Beurteilung ist entgegen der Ansicht des LSG hinsichtlich des streitigen Pflegegeldes allerdings nicht zwischen der Zeit bis 31. Dezember 1996 (im Urteil: 31. Dezember 1997, gemeint wohl 31. Dezember 1996) und danach zu unterscheiden. Der geltend gemachte Pflegegeldanspruch für den gesamten Zeitraum richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil der Arbeitsunfall vom 20. Februar 1990 als Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, § 212 SGB VII). Dies gilt auch für die Zeit der Pflegegeldleistungen ab dem 1. Januar 1997. Nach § 214 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII, der Ausnahmen von § 212 SGB VII regelt, wäre das neue Recht hinsichtlich der Regelungen über Leistungen bei Pflegebedürftigkeit gemäß § 44 SGB VII zwar auch auf frühere Versicherungsfälle anzuwenden. Nach § 214 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII gilt dies bei Leistungen an Berechtigte im Ausland, wie den Kläger, nur für Versicherungsfälle nach dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII. Es verbleibt somit auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1997 bei der grundsätzlichen Regelung des § 212 SGB VII.
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß als Rechtsgrundlage für eine Kürzung des Pflegegeldes nur § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht kommt. Denn mit Bescheid vom 15. Oktober 1991 war dem Kläger bindend Pflegegeld auf Dauer in Höhe von 60 % des Höchstbetrages zuerkannt worden. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eintritt. Die Bewilligung des Pflegegeldes erfolgte durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Denn es wurde eine regelmäßig wiederkehrende Leistung zugesprochen, so daß der Verwaltungsakt regelmäßig rechtliche Bedeutung über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinaus äußerte (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 28). Bei Vergleich mit den bei der Pflegegeldgewährung maßgebend gewesenen Verhältnissen sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Änderungen eingetreten. Die rechtlichen Verhältnisse, die zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 15. Oktober 1991 vorgelegen haben, wurden aufgrund der jährlichen Anpassungsregelungen durch die Rentenanpassungsgesetze (RAG) für die Jahre 1994 bis 1997 geändert. Diese regelmäßige gesetzliche Rentenanpassung stellt eine wesentliche Änderung zugunsten des Betroffenen iS des § 48 Abs 1 SGB X dar (BSG SozR 1300 § 48 Nrn 51 und 54; BSG SozR 3-2600 § 63 Nr 1; Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, 3. Aufl § 48 RdNr 8). Als eine eingetretene tatsächliche Änderung der Verhältnisse ist auch die Verlegung des Wohnsitzes in ein anderes Land anzusehen (vgl Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl § 558 RdNr 10.3). Der Kläger ist auf Dauer nach Spanien zurückgekehrt. Entsprechend den eingetretenen tatsächlichen und rechtlichen Änderungen enthalten die angefochtenen Bescheide vom 9./14. Juni 1994, 8. Juni 1995, 8. Juni 1996 und 8. Juni 1997 jeweils zwei selbständige Regelungen. Sie regeln einerseits die Aufhebung des mit Bescheid vom 15. Oktober 1991 bewilligten Pflegegeldes gemäß § 579 Abs 1 RVO durch Multiplikation mit dem Anpassungsfaktor des jeweiligen RAG der Jahre 1994 bis 1997 im Rahmen der jeweiligen ebenfalls angepaßten Mindest- und Höchstbeträge gemäß §§ 579 Abs 2, 558 Abs 3 Satz 3 RVO. Andererseits hat die Beklagte in den Bescheiden jeweils eine weitere Anhebung des mit Bescheid vom 15. Oktober 1991 anerkannten Pflegegeldes auf den aktuellen Wert nach dem jeweiligen RAG durch Kürzung des Betrages zum Ausgleich der Differenz in den Verbrauchergeldparitäten zwischen Deutschland und Spanien versagt bzw den bisher gezahlten Pflegegeldbetrag weiter gemindert. Der Kläger wendet sich gegen diese Kürzung des Pflegegeldes.
In die Bestandskraft des früheren Bescheides vom 15. Oktober 1991 über die Gewährung von Pflegegeld darf aber nur in bestimmten Grenzen eingegriffen werden, nämlich nur „soweit” sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 21). Nur „soweit” die Änderung reicht, ist aufzuheben und kann neu entschieden werden. Dies kann eine zeitliche, aber auch inhaltliche, zB betragsmäßige Einschränkung bedeuten (vgl Schroeder-Printzen/Wiesner, aaO, RdNr 1). Es genügt daher nicht, lediglich die wesentliche Änderung als solche und deren Eintritt festzustellen. Es ist erforderlich, den zulässigen Umfang eines Eingriffs in die Bestandskraft des Bescheides zu ermitteln. Für eine Kürzung des Pflegegeldes im Wege einer Neufeststellung gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sind daher Feststellungen erforderlich, ob und inwieweit sich der Umstand des Umzugs des Klägers nach Spanien auf die Höhe des Pflegegeldes auswirkte. Der Gesetzgeber hat aber in § 558 Abs 3 RVO sowohl die Entscheidung, ob statt Pflege ein Pflegegeld gewährt wird, als auch die Entscheidung, in welcher Höhe dies innerhalb des von § 558 Abs 3 Satz 2 RVO vorgegebenen Rahmens geschieht, in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Bei Ermessensentscheidungen genügt als wesentliche Änderung die von Umständen, die der Behörde eine abweichende Ermessensausübung ermöglicht hätten, jedoch stets nur in dem Umfang, in dem sie tatsächlich gehandhabt werden (vgl Schroeder-Printzen/Wiesner, aaO, RdNr 6). Daher steht auch eine Änderung der Höhe des Pflegegeldes im Wege der Neufeststellung gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X als abweichende Ermessensausübung wiederum im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Bei diesem durch § 558 Abs 3 Satz 1 RVO eingeräumten Ermessen, das sich hier auf die Entscheidung beschränkt, in welcher Höhe das Pflegegeld innerhalb des von § 558 Abs 3 Satz 2 RVO vorgegebenen Rahmens im Hinblick auf den erfolgten Umzug nach Spanien zu gewähren ist, wird der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, nach eigener Abwägung dem Zweck der Ermächtigung entsprechend zwischen mehreren rechtmäßigen Handlungsweisen zu wählen. Für die Bestimmung der Höhe des Pflegegeldes lassen sich daher auch hier keine generell verbindlichen Kriterien festlegen. Maßgebend sind vielmehr im Einzelfall die individuellen Verhältnisse des Verletzten (vgl BSG SozR 3-2200 § 558 Nr 1). Neben Art und Schwere der erlittenen Unfallverletzung sowie dem Ausmaß der konkreten Hilflosigkeit kommen bei der Abwägung auch der Umfang der tatsächlich gewährten Hilfe und die dadurch bedingten Kosten sowie die evtl Aufwendungen des Verletzten, die zur Absicherung der ihn pflegenden Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich sind, in Betracht (vgl BSG aaO; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 558 RVO, Anm 17; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 560r; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, aaO, § 558 RdNr 10). Die vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegebenen, auf das Ausmaß der Hilflosigkeit abstellenden „Anhaltspunkte für die Bemessung von Pflegegeld” (Rundschreiben vom 23. Januar 1986 - VB 10/86, abgedruckt bei Lauterbach/Watermann, aaO, § 558 Anm 17 und bei Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, aaO, RdNr 10.1) beinhalten zwar wichtige aber nicht alle maßgebenden Beurteilungskriterien. Sie dürfen daher nicht schematisch angewandt werden. Sie bieten damit nur einen Anhalt für eine flexible Entscheidung und können Grundlage für eine auf den Einzelfall abgestellte Entscheidung sein (vgl Lauterbach/Watermann, aaO).
Zutreffend weist daher das LSG darauf hin, daß selbst wenn durch den Umzug des Klägers nach Spanien ausgelöste Kaufkraftgewinne bei der Ermessensentscheidung hinsichtlich der Höhe des Pflegegeldes berücksichtigt werden können, dies nicht lediglich im Wege eines automatisierten Rechenprozesses erfolgen kann, wie ihn die Beklagte im vorliegenden Falle durch Umrechnung entsprechend der Kaufkraftparität angewandt hat. Wenn überhaupt, kann dies nur einer der Gesichtspunkte einer im Rahmen der Ermessensausübung anzustellenden Gesamtbetrachtung sein, die bei der Abwägung der verschiedenen Momente, die der Entscheidung über die Höhe des Pflegegeldes zugrunde liegen, von Bedeutung sein können. Wie das LSG zu Recht festgestellt hat, lassen die angefochtenen Bescheide jegliche Ermessenserwägungen vermissen. Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat, hat das LSG zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Januar 1990 (BSG SozR 3-2200 § 558 Nr 1) die maßgebenden Kriterien, die bei einer Ermessensentscheidung bei der Abwägung der Höhe des Pflegegeldes in Betracht kommen und zu beachten sind, herausgestellt. Auch nach der Verlegung des Wohnsitzes nach Spanien sind die individuellen Verhältnisse des Klägers maßgebend. Dabei ist auch den vom LSG angeführten Gesichtspunkten bei der Ermessensausübung Rechnung zu tragen. Zu Recht fordert das LSG die Prüfung, ob eine nach deutschem Schema ermittelte Differenz in der Verbrauchergeldparität überhaupt einen geeigneten Maßstab abgibt, um verläßliche Aufschlüsse über die am Aufenthaltsort des zu Pflegenden anfallenden Pflegekosten zu geben. Ferner sind auch in Spanien die Aufwendungen des Klägers zur Altersabsicherung seiner ihn pflegenden Ehefrau zu berücksichtigen.
Vor allem die grundsätzlichen Bedenken des LSG gegen die Neufeststellung des Pflegegeldes durch Berücksichtigung des Kaufkraftunterschiedes zwischen Deutschland und Spanien sind beachtenswert. Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG bestehen, wie sich aus den Statistischen Jahrbüchern ergibt, auch innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Kaufpreis- und Kostenunterschiede innerhalb der Bundesländer. Diese Unterschiede werden seitens der Unfallversicherungsträger bei der Festsetzung des Pflegegeldes nicht berücksichtigt. Vielmehr erfolgt auch die Anpassung des Pflegegeldes nach dem jeweiligen RAG unabhängig vom Wohnsitz des Berechtigten im Inland (vgl Lauterbach/Watermann, aaO, § 579 RVO Anm 4d). Insoweit erscheint es überzeugend, wenn das LSG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz Verbrauchergeldparitätsunterschiede im Vergleich zu anderen Staaten nur dann in die Festsetzung des Pflegegeldes einbeziehen will, wenn im Rahmen einer pauschalierenden Betrachtungsweise sichergestellt ist, daß die Unterschiede zwischen In- und Ausland den Rahmen der bereits innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Unterschiede nachhaltig überschreiten. Insbesondere sind aber dabei auch Art 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vtr), Art 10 Abs 1 und 52 Buchst b der VO (EWG) Nr 1408/71 zu beachten.
Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß das Pflegegeld anstelle der Sach- und Dienstleistungen in besonderem Maße die eigene Gestaltungsfreiheit des Pflegebedürftigen sichern soll. Mit dem Pflegegeld soll der Verletzte in die Lage versetzt werden, die notwendige Pflege in geeigneter Weise selbst sicherzustellen (vgl Podzun/Nehls, Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 345 S 5). Zugleich sichert damit das Pflegegeld einen größeren Bereich der persönlichen Freiheit, seine Mittel dort einzusetzen, wo es der ihm gewährten Pflege nach seiner Einschätzung am besten entspricht. Auch soll das Pflegegeld als Anreiz zugunsten des Verletzten dienen, durch Inanspruchnahme der Familienangehörigen die Pflege in der gewohnten Umgebung durchzuführen und so zur Entlastung der regelmäßig höheren Kosten der Pflege gemäß § 558 Abs 2 RVO beitragen. Zutreffend weist das LSG darauf hin, daß es nicht von vornherein zu einer Kürzung des Pflegegeldes führen darf, wenn der Verletzte sich so um eine Reduzierung der Pflegekosten bemüht. Es würde dem Ziel des Pflegegeldes, die häusliche Pflegebereitschaft zu fördern, zuwiderlaufen, durch eine enge, dem Sinn und Zweck des Pflegegeldes nicht entsprechende Auslegung jeden dem Verletzten aus der persönlichen Gestaltung der privaten Lebensumstände erwachsenden Kostenvorteil zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Auch diesen Umstand hat die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung bei der Bewertung der Verbrauchergeldparitätsunterschiede zu bewerten. Wie das LSG im übrigen zu Recht darauf hinweist, fordert das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG keine restriktive Auslegung hinsichtlich der Verbrauchergeldparität, da es jedem Pflegegeldempfänger freisteht, seinen Wohnsitz in das Ausland zu verlegen und dort evtl Kostenvorteile bei der Pflege zu erzielen.
Da sich die angefochtenen Bescheide mangels Ermessensausübung bereits nach innerstaatlichem Recht als rechtswidrig erweisen, bedarf es keiner Entscheidung, ob sie etwa gegen EG-rechtliche Vorschriften (Art 52 Buchst b der VO ≪EWG≫ Nr 1408/71) verstoßen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 1999, 196 |
SGb 1999, 128 |
VersR 1999, 1127 |
Breith. 1999, 774 |
SozSi 1999, 192 |