Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitrittsgebiet. Ambulanz. Diakonie. kassenärztliche Versorgung. Kirche. Zulassung. ambulante Versorgung. Fachambulanz. Krankenhaus. kirchliche Trägerschaft. 1991 und 1992
Leitsatz (amtlich)
Im Beitrittsgebiet waren Fachambulanzen an Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft schon in den Jahren 1991 und 1992 kraft Gesetzes zur ambulanten Versorgung zugelassen.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 311 Abs. 2 F: 1990-08-31; EinigVtr Anl. I Kap. VIII G II Nr. 1 F: 1990-08-31; EinigVtr Anl. I Kap. VIII G F: 1990-08-31
Verfahrensgang
KreisG Erfurt (Urteil vom 09.12.1991; Aktenzeichen 1 So 52/91) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Erfurt vom 9. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Klägerin in den Jahren 1991 und 1992 für die Teilnahme der Fachambulanz ihres Krankenhauses in Eisenach an der ambulanten Versorgung der Versicherten auf den Gebieten Chirurgie und Innere Medizin einschließlich der dazu erforderlichen Leistungen der Radiologie und der Anästhesie einer Ermächtigung durch den Beklagten bedurfte oder sie kraft Gesetzes zur ambulanten Versorgung durch ihre Fachambulanz zugelassen war, im ersten Fall zusätzlich, ob die Ermächtigung mit sachlichen, zeitlichen und verfahrensmäßigen Einschränkungen erteilt werden durfte.
Die Klägerin ist Trägerin des Diakonissen-Krankenhauses in Eisenach. Mit Schreiben vom 24. Oktober und 5. November 1990 beantragte sie die Ermächtigung ihrer Krankenhausambulanz zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung für die Fachrichtungen Chirurgie und Innere Medizin ab 1. Januar 1991. Durch Bescheid vom 21. Dezember 1990 ermächtigte der Zulassungsausschuß bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Thüringen e.V. unter Bezugnahme auf diese Anträge „die Einrichtung Diakonissen-Krankenhaus, Eisenach, zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung bis zum 31. 03. 1991”.
Auf den Widerspruch der Klägerin änderte der Beklagte durch Bescheid vom 26. Februar 1991 die Entscheidung dahin ab, daß das Diakonissen-Krankenhaus in Eisenach für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1991 zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt wurde, beschränkt auf Überweisung durch Kassenärzte bzw an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen sowie auf die Gebiete der ärztlichen Berufsordnung Innere Medizin und Chirurgie und, soweit in diesem Zusammenhang notwendig, Anästhesiologie, nicht mitumfaßt die allgemeine ärztliche Grundversorgung der Versicherten.
Durch Urteil vom 9. Dezember 1991 hat das Kreisgericht (KrG) den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 21. Dezember 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26. Februar 1991 aufgehoben und festgestellt, daß die an dem Krankenhaus der Klägerin bestehende Fachambulanz für die Gebiete Chirurgie, Innere Medizin sowie die dazu erforderlichen Leistungen der Radiologie und der Anästhesie, so wie diese am 31. Dezember 1990 bestanden hat und weiter besteht, kraft Gesetzes (§ 311 Abs 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches ≪SGB V≫) bis zum 31. Dezember 1995 zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zugelassen ist. Es sei unstreitig, daß die Fachambulanz der Klägerin sowohl beim Inkrafttreten des Einigungsvertrages (EinigVtr) als auch am 31. Dezember 1990 und danach mit den Fachgebieten Chirurgie und Innere Medizin und den dazu erforderlichen Leistungen der Radiologie und Anästhesie als ärztlich geleitete freigemeinnützige (kirchliche/diakonische) Gesundheitseinrichtung in Eisenach bestanden habe und bestehe. Die Fachambulanz sei aufgrund der Rahmen-Krankenhausordnung des Diakonischen Werkes von 1980 eingerichtet worden, auf dieser Grundlage in der Patientenbetreuung tätig geworden und habe vom FDBG über das Diakonische Werk Kostenerstattung erhalten. Die Regelung habe bis zum Inkrafttreten des Krankenkassen-Vertragsgesetzes vom 19. September 1990 (GBl DDR I 1533/1990 ≪KK-VG≫), das bis 31. Dezember 1990 in Kraft gewesen sei, gegolten. An sie habe sich § 311 Abs 2 SGB V mit Wirkung ab 1. Januar 1991 angeschlossen. Aus Wortlaut, Entwicklungsgeschichte, Sinn und Zweck der Vorschrift folge, daß die Fachambulanz der Klägerin kraft Gesetzes bis 31. Dezember 1995 zur ambulanten kassenärztlichen Versorgung zugelassen sei. Die Ambulanz sei ein Glied in der Kette des ärztlichen Versorgungssystems der DDR insgesamt und speziell in Eisenach zur Sicherstellung des kassenärztlichen Versorgungssystems erforderlich gewesen. Daß die Fachambulanzen in § 2 Nr 3 KK-VG ausdrücklich als Teilnehmer an der ambulanten ärztlichen Versorgung genannt seien, in § 311 Abs 2 SGB V dagegen nicht, rechtfertige nicht den Schluß, sie fielen nicht unter den durch die Vorschrift gebotenen Bestandsschutz. Die von der Aufsichtsbehörde genehmigte Übergangsregelung im Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) vom 14. Dezember 1990 bringe nur die Interpretation des § 311 Abs 2 SGB V durch die vertragschließenden Parteien zum Ausdruck und binde das Gericht nicht.
Auch aus § 2 Nr 2 und § 11 KK-VG einerseits, § 2 Nr 3 und § 12 KK-VG andererseits folge nicht, daß die Fachambulanz nach Inkrafttreten des § 311 SGB V einer Ermächtigung bedürfe. Selbst wenn dies unter dem KK-VG der Fall gewesen sein sollte, sei zu beachten, daß § 12 KK-VG in Abs 1 eine Ermessensregelung sei und nach Abs 2 die Krankenhausambulanzen im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger zur kassenärztlichen Tätigkeit ermächtigt würden, so daß der Zulassungsausschuß insoweit keinen Ermessensspielraum habe. Eine derartige differenzierte Regelung könne nur für eine befristete Überleitungszeit vom Gesetzgeber bewußt für entbehrlich gehalten und die Fachambulanz durch die offene Formulierung „ua” als miterfaßt betrachtet worden sein. Da § 311 SGB V eine Überleitungsregelung mit dem Zweck sei, die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen und das ehemalige DDR-System im Bereich der ärztlichen Versorgung allmählich mit einer Schonfrist von 5 Jahren in das System der alten Bundesländer zu überführen, sei die genannte Gesetzesformulierung nicht eng, sondern bezogen auf das Gesamtsystem auszulegen. Mit der Fristsetzung bis 31. Dezember 1995 habe der Gesetzgeber der erheblichen Umorientierung, die die Umstellung auf das System der Bundesrepublik sowohl für Patienten wie auch für Ärzte bedeute, Rechnung getragen. Zusammen mit der Widerrufsmöglichkeit des Zulassungsausschusses nach § 311 Abs 2 Satz 2 SGB V habe dieses zeitliche Limit schwerwiegende Störungen bei der Einführung des kassenärztlichen Versorgungssystems in den neuen Bundesländern verhindert.
Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) zunächst Berufung eingelegt.
Mit der danach vom KrG durch Beschluß vom 24. März 1992 zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte unter Beschränkung des Rechtsmittels auf die Zeit bis 31. Dezember 1992 die Verletzung des § 311 Abs 2 SGB V in der bis dahin geltenden Fassung (= aF). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift lasse nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber Fachambulanzen der Krankenhäuser – auch der kirchlichen Krankenhäuser – nicht den dort genannten Gesundheitseinrichtungen gleichgestellt und deshalb nicht bis Ende 1995 zur ambulanten Versorgung der Versicherten zugelassen habe. Daß eine besondere Ermächtigung erforderlich sei, könne mit Rücksicht auf § 2 Nr 2 iVm § 11 Abs 1 KK-VG nicht zweifelhaft sein. § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF knüpfe erkennbar an § 2 Nr 2 KK-VG an. Zu den Einrichtungen, die der Gesetzgeber mit der Anfügung „ua” in der Klammer gemeint habe, könnten zwanglos die bisher nicht genannten „vergessenen”) Staatlichen Arztpraxen, Dispensaires und Betriebssanitätsstellen gerechnet werden. Damit seien aber nicht auch die bisher ausdrücklich ausgenommenen Fachambulanzen der Krankenhäuser einbezogen worden. Eine solche Rechtsänderung hätte einer deutlichen Willensäußerung des Gesetzgebers bedurft. Für eine zwischen Fachambulanzen kirchlicher und nichtkirchlicher Krankenhäuser differenzierende Auslegung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF gäben weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift einen Anhalt. Für die vertretene Auslegung spreche auch die Regelung des § 311 Abs 10 SGB V, mit der die Niederlassung der Ärzte in den neuen Bundesländern mit dem Ziel gefördert werden solle, daß der freiberuflich tätige Arzt maßgeblicher Träger der ambulanten Versorgung werde.
Die Änderung des § 311 Abs 2 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) bestätige die dargelegte Auffassung. Es handele sich hierbei nicht um eine bloße „Klarstellung” dessen, was schon vorher gegolten habe, sondern ausweislich der Vorschrift über das Inkrafttreten am 1. Januar 1993 um eine Rechtsänderung; als bloße Klarstellung hätte der Gesetzgeber die Anwendung bereits für einen früheren Zeitpunkt anordnen können und müssen. Auch die Begründung für die Zulassung der „kirchlichen Fachambulanzen” im GSG sei teilweise unverständlich und in sich widersprüchlich. So werde auf den Nachteil hingewiesen, der den kirchlichen Fachambulanzen gegenüber den staatlichen Ambulanzen durch die Vorenthaltung des Dispensaire-Auftrages entstanden sei; dieser Nachteil dürfe durch die neuen Regelungen nicht fortgeschrieben werden, vielmehr müsse die Möglichkeit für die Polikliniken, ihre Tätigkeit bis Ende 1995 ohne besondere Ermächtigung fortzusetzen, auch für die kirchlichen Fachambulanzen gelten. Nach dieser Begründung hätten jedoch die kirchlichen Fachambulanzen, nachdem die Polikliniken durch § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V nF unbefristet zugelassen worden seien, in gleicher Weise und nicht nur bis 1995 zugelassen werden müssen. Zudem habe sich ihre angenommene frühere Benachteiligung gegenüber den Fachambulanzen anderer Träger nunmehr in eine Bevorzugung verkehrt, sofern nicht auch diese in die neue Zulassungsregelung einbezogen würden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Kreisgerichts Erfurt vom 9. Dezember 1991 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als sie die Zeit bis zum 31. Dezember 1992 betrifft.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen und das Urteil des Kreisgerichts Erfurt vom 9. Dezember 1991 aufrechtzuerhalten.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und tritt der Rechtsauffassung des Beklagten insbesondere mit Hinweis auf die durch das GSG eingetretene Rechtsänderung entgegen.
Die Beigeladenen zu 1), 4) und 5) schließen sich dem Antrag des Beklagten an.
Sie treten der Rechtsauffassung des Beklagten bei.
Der Beigeladene zu 8) beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält im Ergebnis das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 2), 3), 6), 7), 9) und 10) haben sich nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das KrG auch für die nach der entsprechenden Beschränkung der Revision allein noch streitigen Jahre 1991 und 1992 unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten festgestellt, daß die an dem Krankenhaus der Klägerin bestehende Fachambulanz kraft Gesetzes zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zugelassen war.
Der Zulässigkeit der Sprungrevision steht nicht entgegen, daß der Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) zunächst Berufung gegen das Urteil des KrG eingelegt haben und erst danach der Beklagte aufgrund des Beschlusses des KrG vom 24. März 1992 Revision eingelegt hat. Für das Verhältnis der vom Beklagten selbst eingelegten Rechtsmittel Berufung und Sprungrevision zueinander ergibt sich die Lösung der Konkurrenz aus § 161 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach dieser Vorschrift gelten die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht (SG) die Revision zugelassen hat. Hieraus folgt, daß die Berufung eines der Hauptbeteiligten – des Klägers oder Beklagten – unzulässig ist oder wird, wenn die vom SG zugelassene Sprungrevision bereits eingelegt wurde bzw nachträglich eingelegt wird. In beiden Fällen geht die Revision vor, das Prioritätsprinzip gilt nicht (i.E. gleich Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 5. Aufl 1993, § 161 RdNrn 3 und 9; im gedanklichen Ansatz auch BSGE 51, 223, 224 = SozR 1500 § 78 Nr 18 S 29). Für das Verhältnis der Berufungen der Beigeladenen zur Sprungrevision des Beklagten ergibt sich der Vorrang der eingelegten Sprungrevision aus dem Gedanken, daß die Beiladung ihrem Sinn und Zweck nach darauf gerichtet ist, eine für alle Beteiligte iS des § 69 SGG einheitliche Entscheidung des Rechtsstreits herbeizuführen und die Rechtskraft des Urteils auf alle Beteiligten zu erstrecken (vgl § 141 Abs 1 SGG). Eine solche Einheitlichkeit würde verhindert, wenn die kraft Zulassung statthafte Sprungrevision eines Hauptbeteiligten aufgrund der vorher eingelegten Berufung eines Beigeladenen unzulässig wäre. Eine prozeßrechtlich vorschriftsmäßige Sprungrevision hat daher für alle Beteiligten zur Folge, daß sie allein den weiteren Gang des Verfahrens bestimmt und das Rechtsmittel der Berufung endgültig ausschließt (BVerwG in BVerwGE 65, 27, 30; 81, 81, 83).
Abweichend von der Entscheidung des KrG ist Gegenstand der mit der Feststellungsklage kombinierten Anfechtungsklage allerdings nicht der Bescheid des Zulassungsausschusses in der Gestalt des (Widerspruchs-)Bescheids des Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 27. Januar 1993 – 6 RKa 40/91; SozR 3-2500 § 96 Nr 1 – und 24. November 1993 – 6 RKa 70/91; SozR 3-2500 § 95 Nr 4) wird der Berufungsausschuß mit seiner Anrufung nach § 96 Abs 4 SGB V für die Zulassungssache funktionell ausschließlich zuständig. Sein Bescheid tritt als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheids des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren – gerichtlichen, bei aufhebendem Gerichtsurteil auch erneuten verwaltungsmäßigen – Beurteilung der Zulassungssache. Auf die erhobene Anfechtungsklage konnte daher nicht der Bescheid des Zulassungsausschusses vom 21. Dezember 1990, sondern allein der Bescheid des Beklagten vom 26. Februar 1991 aufgehoben werden. Das KrG hat dem nach dem sachlichen Gehalt seiner Entscheidung jedenfalls insoweit Rechnung getragen, als es den Bescheid des Beklagten dadurch, daß es den Bescheid des Zulassungsausschusses in Gestalt des Bescheides des Beklagten aufgehoben hat, im Ergebnis mit aufgehoben hat. Die inhaltlich darüber hinausreichende Aufhebung des Bescheids des Zulassungsausschusses ist gegenstandslos gewesen; sie ist für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung unschädlich und rechtfertigt keine allein darauf bezogene Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Ebenfalls nicht schon begründet ist die Revision wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin, speziell ihres für eine Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresses als Sonderfall des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (Meyer-Ladewig aaO § 55 RdNr 15). Die Fachambulanz des Krankenhauses der Klägerin ist seit 1. Januar 1993 gemäß § 311 Abs 2 Satz 2 SGB V idF des Art 1 Nr 168 GSG kraft Gesetzes bis 31. Dezember 1995 zur ambulanten Versorgung zugelassen. Die auf Feststellung einer gesetzlichen Zulassung in den Jahren 1991 und 1992 gerichtete Klage hat also im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat lediglich noch ein Rechtsverhältnis der Vergangenheit betroffen. Wegen eines solchen Rechtsverhältnisses ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn der Kläger aus dem Rechtsverhältnis Nachwirkungen ableitet, die irgendwelche seiner Rechte berühren (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 52. Aufl 1994, § 256 RdNr 19 mwN). Das ist hier der Fall. Denn zum einen war die vom Beklagten erteilte Ermächtigung auf Überweisungen durch Kassenärzte bzw an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen beschränkt und bis zum 30. September 1991 befristet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung ist daher präjudiziell für die Entscheidung, ob die in ihrer Fachambulanz ab 1. Oktober 1991 bis Ende 1992 bewirkten Leistungen auf gesetzlicher Grundlage erbracht wurden und abrechnungsfähig waren oder aber die dafür gezahlten Vergütungen mangels Ermächtigung nunmehr wieder der KÄV zu erstatten sind. Zum anderen kann die begehrte Feststellung Nachwirkungen auf Rechtspositionen der Klägerin auch insofern haben, als sie mitbestimmt, wie der Begriff „soweit” in § 311 Abs 2 Satz 2 SGB V idF des Art 1 Nr 168 GSG zu verstehen ist, und hiervon abhängt, in welchem Umfang die Fachambulanz der Klägerin seit 1. Januar 1993 zur ambulanten Versorgung zugelassen ist.
In der Sache selbst hat das KrG zu Recht festgestellt, daß die an dem Krankenhaus der Klägerin bestehende Fachambulanz auch in den Jahren 1991 und 1992 kraft Gesetzes zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zugelassen war. Ihre rechtliche Stütze findet diese Feststellung in § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V idF des EinigVtr Anlage I Kap VIII G II Nr 1 vom 31. August 1990 (BGBl II 889, 1049 f). Hiernach wurden zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung bei Anwendung des § 72 SGB V die in dem in Art 3 EinigVtr genannten Gebiet bestehenden ärztlich geleiteten kommunalen, staatlichen und freigemeinnützigen Gesundheitseinrichtungen einschließlich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens (Polikliniken, Ambulatorien ua) kraft Gesetzes bis zum 31. Dezember 1995 zur ambulanten Versorgung zugelassen. Wenn auch die kirchlichen Fachambulanzen noch nicht – dh im Unterschied zur Neufassung des § 311 SGB V durch Art 1 Nr 168 GSG – ausdrücklich im Gesetzeswortlaut mit aufgeführt sind, so sind sie damit sachlich doch nicht von der Regelung ausgenommen. Die Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Zweck, gesetzessystematischem Zusammenhang und Entstehungsgeschichte ergibt vielmehr, daß auch die kirchlichen Fachambulanzen „kraft Gesetzes bis zum 31. Dezember 1995 zur ambulanten Versorgung zugelassen” wurden.
Die Aufzählung von „kommunalen, staatlichen und freigemeinnützigen” Gesundheitseinrichtungen „einschließlich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens” und die durch das „u.a.” inhaltlich offengehaltene Bezeichnung von Beispielen in der Klammer deuten darauf hin, daß eine Regelung erfolgen sollte, die das gesamte in der ehemaligen DDR vorhandene Gesundheitswesen erfaßte und sich damit auch auf Fachambulanzen an Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft erstreckte. Ob der Gesetzgeber mit diesen Wendungen an das KK-VG anknüpfen und dessen Regelung fortführen wollte oder nicht, kann dahinstehen. Der Senat vermag dem Wortlaut des § 311 Abs 2 SGB V aF keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die Vorschrift – wie die Revision meint – die Differenzierung des KK-VG zwischen ärztlich geleiteten kommunalen, staatlichen und frei gemeinnützigen Gesundheitseinrichtungen einerseits (§ 2 Nr 2 KK-VG) und Fachambulanzen an Krankenhäusern jeglicher Trägerschaft andererseits (§ 2 Nr 3 KK-VG) fortführte und für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung dementsprechend zwischen gesetzlicher Zulassung und Ermächtigung (§ 11 Abs 1 bzw § 12 Abs 2 KK-VG) unterschied. Gegen ein solches Gesetzesverständnis spricht nicht nur, daß in § 311 Abs 2 SGB V aF anders als im KK-VG die Fachambulanzen nicht mehr gesondert erwähnt sind und damit für sie auch kein eigenständiger Status bezüglich ihrer Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ausgewiesen ist. Eine Aufrechterhaltung der Differenzierung des KK-VG in § 311 Abs 2 SGB V aF erscheint vielmehr auch mit Rücksicht auf den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zweifelhaft, in dem beide Regelungen entstanden. Denn wenn in einem Zeitraum von rund einem Vierteljahr (August bis Oktober 1990) zwei Normen erlassen werden, die sich auf denselben Sachkomplex beziehen und von denen die eine die andere später ersetzt, liegt es nahe, daß eine Übereinstimmung auch in der Formulierung besteht, wenn eine Übereinstimmung in der Sache gewollt ist. Gerade im Blick hierauf gewinnt im Gegenteil der Umstand, daß der durch EinigVtr Anlage I Kap VIII G II Nr 1 eingeführte § 311 SGB V aF in seinem Abs 2 eine von dem Text der §§ 2, 11, 12 KK-VG abgesetzte Fassung aufweist, um so größere Bedeutung. Dieser Wortlaut des § 311 Abs 2 SGB V aF ist aber für sich genommen so weitreichend, daß zu den „Gesundheitseinrichtungen” zwanglos auch die Fachambulanzen an den Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft als Teil des Gesundheitswesens der ehemaligen DDR gerechnet werden können.
Mit diesem Gesetzesverständnis vom Wortlaut her, dem bei der Interpretation des EinigVtr wie bei der Auslegung zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen (dazu s zB BSG SozR 6580 Art 5 Nr 1 S 3; 6675 Art 26 Nr 2 S 3; BSGE 65, 144, 152 = SozR 6710 Art 4 Nr 8 S 27; SozR 3-6480 Art 22 Nr 1 S 8) besondere Bedeutung zukommt, steht auch der Zweck der Regelung in Einklang. Wie am Anfang der Vorschrift vermerkt, diente § 311 Abs 2 SGB V aF der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung und ergänzte als eine der „Überleitungsregelungen aus Anlaß der Herstellung der Einheit Deutschlands” (Überschrift des Zwölften Kapitels des SGB V) die Grundregelung des § 72 SGB V für die Beitrittsländer. Dieser Funktion konnte die Norm nur hinreichend Rechnung tragen, wenn sie gehaltlich an das bis zu ihrem Erlaß bestehende System der Gesundheitsversorgung in der ehemaligen DDR anschloß und dieses in geeigneter Weise an das System der kassenärztlichen Versorgung der früheren Bundesrepublik anpaßte. Wie § 2 KK-VG verdeutlichte, wurde die ambulante ärztliche Versorgung der Versicherten in der früheren DDR außer durch „Kassenärzte” und „Gesundheitseinrichtungen” auch durch „Fachambulanzen an Krankenhäusern jeglicher Trägerschaft” sichergestellt. In Übereinstimmung damit war die Fachambulanz des Krankenhauses der Klägerin nach den bei einer Sprungrevision nicht angreifbaren (§ 161 Abs 4 SGG) und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des KrG in der Patientenbetreuung tätig und erhielt dafür vom FDGB über das Diakonische Werk Kostenerstattung. Als derart in die ärztliche Versorgung der Versicherten in der ehemaligen DDR integrierte Bestandteile fielen die Fachambulanzen von der Art, wie sie im Krankenhaus der Klägerin betrieben wurde, mit der Herstellung der Einheit Deutschlands nicht schlicht weg. Sie blieben vielmehr als Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Versorgung bestehen und versorgten ihre Patienten in der bisher gewohnten Weise weiter. Eine auf die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung gerichtete neue Regelung konnte sie daher nicht unbeachtet lassen, wollte sie nicht bewußt von dem bisherigen Versorgungsumfang abweichen oder unbeabsichtigt unvollständig sein. Weder für eine Abweichung noch für eine Unvollständigkeit in diesem Sinn ist aber in § 311 Abs 2 SGB V aF ein Anhalt gegeben.
Für die Einbeziehung der kirchlichen Fachambulanzen schon in die Regelung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF spricht weiterhin ihr gesetzessystematischer Zusammenhang mit der Regelung des § 311 Abs 10 SGB V aF. Nach dieser Vorschrift war die Niederlassung in freier Praxis mit dem Ziel zu fördern, daß der freiberuflich tätige Arzt maßgeblicher Träger der ambulanten Versorgung wurde; der Anteil der in Absatz 2 genannten Einrichtungen war dementsprechend zu verringern. Dem hiermit aufgestellten Programm der zukünftigen Handhabung der Zulassung zur ambulanten Versorgung der Versicherten hätte es widersprochen, wenn die kirchlichen Fachambulanzen von der Regelung des § 311 Abs 2 SGB V aF ausgenommen gewesen wären. Denn in der Zeit vor deren Inkrafttreten sah die seinerzeit geltende Regelung des § 12 Abs 2 KK-VG für die Ermächtigung kirchlicher Fachambulanzen keine zeitliche Begrenzung vor (im Unterschied zur gesetzlichen Zulassung der in § 2 Nr 2 KK-VG genannten Gesundheitseinrichtungen, die gemäß § 11 Abs 1 KK-VG bis zum 31. Dezember 1995 befristet war). Im Fall zeitlich unbegrenzter Ermächtigung wären die Fachambulanzen an Krankenhäusern aber möglicherweise für eine Reduzierung ihrer Gesamtzahl gemäß § 311 Abs 10 SGB V aF ausgefallen und hätten dadurch den Erfolg der Zulassungsplanung geschmälert. Ihre Einbeziehung in die Regelung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF bewirkte demgegenüber, daß ihre – gesetzliche – Zulassung auch dem dort gesetzten Endtermin unterlag und sich kein gehaltlicher Widerspruch innerhalb der Gesamtnorm des § 311 SGB V aF ergab.
Die umfassende Geltung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF im dargelegten Sinn leitete sich schließlich auch aus den Gesetzesmaterialien ab. In der am 10. September 1990 erfolgten Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung (Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, BT-Drucks 11/7817 S 148) wurde zu der Vorschrift angemerkt: „Abs 2 (§ 72 des Sozialgesetzbuches (Fünftes Buch)) läßt die bestehenden Einrichtungen, die zur Zeit ganz überwiegend die ambulante Versorgung der Bevölkerung der beigetretenen Gebiete sicherstellen, für eine Übergangszeit von fünf Jahren weiter zu.” In dieser Interpretation des Textes des EinigVtr durch einen der Vertragspartner, die aufgrund der Rechtsnatur des EinigVtr Anlage I Kap VIII G II Nr 1 als Teil eines zwischenstaatlichen Vertrages wie bei völkerrechtlichen Verträgen neben dem Wortlaut ebenfalls zu beachten ist (BSGE 65, 144, 152 = SozR 6710 Art 4 Nr 8 S 27; SozR 3-6480 Art 22 Nr 1 S 8), wurde in keiner Weise zwischen den verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens, die die ambulante Versorgung der Versicherten in der früheren DDR trugen, differenziert, sondern ohne irgendeine Einschränkung auf alle bestehenden Einrichtungen – also auch Fachambulanzen wie die von der Klägerin an ihrem Krankenhaus betriebene – Bezug genommen.
Die Neufassung des § 311 Abs 2 SGB V durch Art 1 Nr 168 GSG hat die dargelegte Auslegung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V aF bestätigt. Mit der neu aufgenommenen Regelung des § 311 Abs 2 Satz 2 SGB V nF sollte nach der gesetzgeberischen Absicht lediglich klargestellt sein, daß sich die Rechtsstellung der kirchlichen Fachambulanzen durch die Neufassung nicht ändert (BT-Drucks 12/3937 S 18). Dies läßt sich allein dahin verstehen, daß die kirchlichen Fachambulanzen auch schon vor der Neufassung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zugelassen waren, weil nur dann die erklärte Identität der Rechtslage vor und nach der Neufassung besteht. Wenn seit 1. Januar 1993 die Klammerdefinition in § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V insofern eingeschränkt ist, als das frühere „u.a.” durch „Arztpraxen” ersetzt ist, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Die hier erfolgte Konkretisierung ist im Zusammenhang mit dem neu eingefügten Satz 2 über die kirchlichen Fachambulanzen zu sehen. Der Gesetzgeber hat das „u.a.” in zwei einzeln benannte Leistungserbringer aufgelöst und damit nochmals bekräftigt, daß die kirchlichen Fachambulanzen auch schon von dem früheren Gesetzestext mitumfaßt waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 72, 148, 156 ff) die Vorschrift des § 193 Abs 4 SGG idF des Art 15 Nr 2 GSG nicht in Verfahren anzuwenden, in denen das Rechtsmittel vor dem 1. Januar 1993 eingelegt worden ist.
Fundstellen
BSGE 74, 64 |
BSGE, 64 |
SozR 3-2500 § 311, Nr.2 |