Beteiligte
Rechtsanwälte Grassl und Monnerjahn |
Landesversorgungsamt Rheinland-Pfalz |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. April 1969 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 20. September 1967 wurde ein Verschlimmerungsantrag des Klägers abgelehnt. Der Bescheid vom 18. Januar 1968, mit dem der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wurde, ist am 24. Januar 1968 als Einschreibbrief abgesandt und dem Kläger am 25. Januar 1968 postordnungsgemäß ausgehändigt worden. Der Widerspruchsbescheid enthält die Belehrung, daß innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Klage bei dem Sozialgericht (SG) Koblenz, Südallee 11, erhoben werden könne. Der Kläger hat gegen diese Bescheide durch seine Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 21. Februar 1968 – beim SG eingegangen am 29. Februar 1968 – Klage erhoben. Nachdem der Beklagte am 4. April 1968 den Antrag gestellt hatte, die Klage wegen Fristversäumnis abzuweisen, und ein Doppel dieses Schriftsatzes vom 11. April 1968 an die Bevollmächtigten des Klägers abgesandt worden war, haben diese am 16. Mai 1968 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 1968 wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das SG-Urteil aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen. Es hat ausgeführt, das SG habe die am 29. Februar 1968 eingegangene Klage als verspätet angesehen, weil der Widerspruchsbescheid gemäß § 63 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) als am 27. Januar 1968 zugestellt gelte. Dies rechtfertige jedoch nicht die Abweisung der Klage als unzulässig. Nach § 66 SGG beginne eine Rechtsmittelfrist nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über das Rechtsmittel, das zuständige Gericht, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden sei. Diese Voraussetzung erfülle die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1968 nicht. Sie besage lediglich, daß die Klage binnen eines Monats nach Zustellung erhoben werden könne, nicht aber, daß es wegen der Versendung durch Einschreibebrief grundsätzlich nicht auf die tatsächliche Zustellung, sondern auf den dritten Tag nach der Absendung ankomme. Da der Tag der tatsächlichen Zustellung meist nicht mit dem als Zustellungstag geltenden Tag zusammenfalle, sei die gegebene Rechtsmittelbelehrung nicht nur ungenau, sondern unrichtig (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Anm. 3 e zu § 66 SGG). Der Widerspruchsbescheid habe daher, wie aus § 66 Abs. 2 SGG zu schließen sei, trotz Zustellung wegen unrichtiger Rechtsmittelbelehrung die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt. Da es nur darauf ankomme, ob die Belehrung unrichtig sei, nicht aber, ob ein späteres Fristversäumnis auf dieser Unrichtigkeit beruhe, hätte die Klage gemäß § 66 Abs. 2 SGG nur dann als unzulässig abgewiesen werden dürfen, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit der Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben worden wäre. Da dies nicht der Fall sei, hätte das SG in der Sache selbst entscheiden müssen.
Mit der nicht zugelassenen Revision rügt der Beklagte als Verfahrensverstoß die Verletzung des § 66 i.V.m. den §§ 85 Abs. 3 und 87 SGG. Er hat u. a. ausgeführt, zu Unrecht habe das LSG die Auffassung vertreten, daß „die gegebene Rechtsmittelbelehrung nicht nur ungenau, sondern unrichtig” gewesen und daher die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Das Fristversäumnis sei offensichtlich nicht auf die als unrichtig deklarierte Rechtsbehelfsbelehrung zurückzuführen. Grundsätzlich sei diese auf den notwendigen Inhalt zu beschränken; sie solle nicht zu ausführlich und unverständlich, vor allem aber nicht irreführend sein. Die im Widerspruchsbescheid enthaltene Belehrung habe den Empfänger des Bescheides in die Lage versetzt, ohne Zuhilfenahme eines Gesetzestextes die ersten notwendigen Schritte zur Durchführung des Rechtsbehelfs zu unternehmen; sie enthalte sämtliche in § 66 Abs. 1 SGG, § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG aufgeführten Forderungen. Sie erwecke nicht den Eindruck, daß die Rechtsverfolgung schwerer oder schwieriger als in Wirklichkeit sei, und sie lasse eine irrige Vorstellung über Einzelerfordernisse nicht aufkommen. Eine abstrakte Möglichkeit des Irrtums könne beim Adressaten nicht entstehen. Sonach handele es sich nicht um eine objektiv unrichtige, dem Gesetz zuwiderlaufende Belehrung (BSG 25, 33). Zwar könne man erwägen, ob bei der Zustellung nach § 4 des VwZG die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides etwa mit dem Zusatz ergänzt werden solle: Die Klagefrist beginnt erst mit dem dritten Tag nach dem Tag der Aufgabe des eingeschriebenen Briefes zur Post, bei einem späteren Zugang erst mit diesem, zu laufen. Da jedoch in vielen Fällen der Poststempel unleserlich sei, sei dem Empfänger damit die Möglichkeit einer Feststellung des Aufgabe- bzw. Absendetages genommen. Außerdem sei es ungewiß, ob er in der Lage sei, den Zustellungstag richtig zu bestimmen, insbesondere ob der Durchschnittsbürger wisse, daß der dritte Tag als Zustellungstag i. S. des § 4 Abs. 1 VwZG auch ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag sein könne. Daraus folge, daß eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten Rechnung tragen könne; insbesondere habe sie dem Betroffenen nicht alle Einzelheiten seines Verhaltens vorzuschreiben und könne ihm nicht jede eigene Verantwortung abnehmen. Durch einen zusätzlichen Hinweis auf den Inhalt des § 4 Abs. 1 VwZG würde die Rechtsbehelfsbelehrung – in welcher Form dies auch immer geschehe – unverständlich und irreführend, weil dadurch bei dem Adressaten die Möglichkeit eines Irrtums geschaffen werde. Jede Unverständlichkeit und Irreführung solle aber gerade vermieden werden. Daher seien die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 SGG hier nicht gegeben; vielmehr entspreche die Rechtsbehelfsbelehrung den gesetzlichen Erfordernissen und den praktischen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs.
Der Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
die Revision zu verwerfen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten komme es nicht darauf an, ob ein Fristversäumnis auf der Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung beruhe. Darüber hinaus müsse dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG stattgegeben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könne der Prozeßbevollmächtigte die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsangelegenheiten, die in seiner Praxis häufig vorkommen, seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, da die Berechnung der Fristen keine rechtlichen Schwierigkeiten bereite. Ein Verschulden des Parteivertreters sei daher nicht gegeben. Wegen der weiteren Ausführungen hierzu wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10. Juli 1969 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch statthaft, da der Beklagte einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt hat, der vorliegt (§§ 162 Abs. 1 Nr. 2, 164, 166 SGG). Sie ist auch sachlich i. S. einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Zutreffend rügt der Beklagte, daß das LSG die im Widerspruchsbescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung rechtsirrig als unrichtig angesehen habe und deshalb unter Verletzung des § 66 SGG zu dem Ergebnis gelangt sei, daß die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Damit ergibt sich – auch unter Würdigung der zuvor gestellten Revisionsanträge – noch ausreichend „aus der Art der Revisionsbegründung” (vgl. BSG in SozR Nr. 38 zu § 164 SGG), daß das LSG nach der Meinung des Revisionsklägers die Sache nicht an das SG hätte zurückverweisen dürfen, sondern daß es das die Klage abweisende Urteil dieses Gerichts hätte bestätigen müssen, sofern – worauf der Hilfsantrag (vgl. auch den Schriftsatz des Beklagten vom 17. Juli 1969) hinweist – die bisher vom LSG noch nicht geprüfte Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu Gunsten des Klägers entschieden werden sollte.
Unter den Beteiligten ist unstreitig, daß die beim SG erst am 29. Februar 1968 eingegangene Klageschrift verspätet ist, da der am 24. Januar 1968 als Einschreibbrief zur Post gegebene Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1968 dem Kläger schon am 25. Januar 1968 zugegangen war und bei einer Zustellung nach § 4 VwZG – unabhängig von dem tatsächlich erfolgten früheren Zugang der Sendung – „mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post”, d. h. hier am 27. Januar 1968, als zugestellt gilt (vgl. BSG 5, 53, 57).
Zu Unrecht hat das LSG ein Fristversäumnis verneint, weil die im Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1968 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung i. S. des § 66 Abs. 2 SGG unrichtig sei. Nach § 66 Abs. 1 SGG ist der Beteiligte über
- den Rechtsbehelf,
- die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist,
- den Sitz und
- die einzuhaltende Frist
schriftlich zu belehren. Diesen Erfordernissen entspricht die im Widerspruchsbescheid gegebene Belehrung, wenn es dort heißt, daß gegen diesen Bescheid
- Klage
- bei dem Sozialgericht
- in Koblenz, Südallee 11, und
- „innerhalb eines Monats nach Zustellung”
erhoben werden kann. Die einzuhaltende Klagefrist ist in § 87 Abs. 1 SGG geregelt. Die im Bescheid verwendeten, für den Geltungsbereich des SGG maßgebenden Worte: „innerhalb eines Monats nach Zustellung” sind inhaltsgleich mit der in dieser Vorschrift gewählten Formulierung – das dort verwendete Wort „binnen” ist gleichbedeutend mit dem von der Versorgungsbehörde gewählten Wort „innerhalb”; diese Worte müssen schon deshalb als eine ausreichende, den Vorschriften des SGG genügende Belehrung über die einzuhaltende Frist angesehen werden. Dabei ist es gleichgültig, von welcher Zustellungsart die Versorgungsbehörde im Einzelfall Gebrauch macht und ob etwa – wie im Falle des § 4 Abs. 1 VwZG – kraft gesetzlicher Vermutung u.U. ein späterer Tag als der Tag der tatsächlichen Zustellung als Zustellungstag gilt. Denn das Gesetz schreibt der Behörde nicht vor, den Empfänger über den Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsakts zu belehren; dazu wäre sie auch in den meisten Fällen nicht in der Lage. Das Gesetz überläßt es vielmehr dem Empfänger der Sendung, den Zeitpunkt der Zustellung selbst festzustellen; dabei auftretende Irrtümer oder Unaufmerksamkeiten gehen zu seinen Lasten, sofern ihm nicht ausnahmsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung mit dem durch das Gesetz vorgeschriebenen Wortlaut übereinstimmt; denn dann kann nicht von einem „irreführenden Inhalt” der Rechtsbehelfsbelehrung gesprochen werden, wie es das Bundessozialgericht in BSG 25, 31, 33 in einem anders gelagerten Falle entschieden hat, bei dem die Rechtsbehelfsbelehrung statt der Worte „nach Zustellung” die Worte „nach Empfang” des Bescheides enthielt. Im übrigen wird der Zustellungsempfänger durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 VwZG nicht benachteiligt, denn wenn er die Sendung später als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erhalten hat, so greift die gesetzliche Vermutung dieser Vorschrift nicht Platz, vielmehr ist dann der tatsächliche Zugung der Sendung, der dem Kläger in aller Regel bekannt ist, maßgebend (vgl. BSG 5, 53, 57). Auch der Umstand, daß der „dritte Tag” i.S., des § 4 Abs. 1 VwZG ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag sein kann (vgl. auch BSG 5, 53), benachteiligt den Zustellungsempfänger nicht, da sich auch hier bei einem späteren Zugang – als am „dritten Tag” – der Lauf der Klagefrist nach dem tatsächlichen Zustellungstag richtet. – Diese Erwägungen machen jedoch andererseits deutlich, daß die in § 4 Abs. 1 VwZG aufgestellte unwiderlegbare Vermutung, daß der Brief mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, in vielen Fällen nicht zum Zuge kommt, und daß die Versorgungsbehörde auch nicht wissen kann, in welchem Fall sie nun tatsächlich gilt. Diese gesetzliche Vermutung kann insbesondere in den Fällen, in denen es fraglich ist, ob die einzuhaltende Frist gewahrt ist oder nicht, dem Empfänger der Sendung nicht entgegengehalten werden. Die Verwaltungsbehörde muß vielmehr – wie auch im vorliegenden Fall geschehen – zunächst durch Rückfrage bei der Post feststellen,wann die Einschreibesendung dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist. Deshalb sehen die Verwaltungsvorschriften Nr. 5 zu §§ 27 bis 29 VerwVG idF vom 23. Januar 1965 – ebenso idF vom 21. März 1969 (Nr. 8) – auch vor, daß die durch § 4 VwZG gebotenen internen Maßnahmen zurückgestellt werden können, bis es auf den Nachweis der Zustellung ankommt. Erst nach Eingang der Postauskunft, d. h. nach Durchführung dieses verhältnismäßig umständlichen Verfahrens, kann festgestellt werden, ob der gesetzlich vermutete oder der tatsächliche Zustellungstag maßgebend ist. § 4 Abs. 1 VwZG, mit dem ein billigeres und einfacheres Zustellungsverfahren erreicht werden sollte (vgl. BSG 5, 53, 54), ist sonach praktisch nur für die weitaus überwiegende Zahl der Fälle von Bedeutung, in denen die gesetzlichen Verfahrensfristen eingehalten werden, und in denen es dann auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ohnedies nicht ankommt. Bei dieser Sach- und Rechtslage erscheint es auch nicht aus fürsorglichen Gründen geboten, die Rechtsbehelfsbelehrung durch einen den § 4 Abs. 1 VwZG betreffenden Zusatz zu ergänzen, zumal dieser – wie die Revision mit Recht betont – bei dem Empfänger der Sendung gegebenenfalls auch irreführende Vorstellungen hervorrufen und ihn veranlassen kann, dem tatsächlichen Zugang, auf den es durchaus entscheidend ankommen kann und bei dessen Beachtung er jedenfalls kein Fristversäumnis zu befürchten hat,keine Bedeutung beizumessen. Sonach kann die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 18. Januar 1968 nicht als unrichtig i. S. des § 66 Abs. 2 SGG angesehen werden. Der gegenteiligen Auffassung von Peters/Sautter/Wolff, Anm. 3 e zu § 66 SGG S. 198, kann daher nicht zugestimmt werden. Diese beziehen sich hierbei zu Unrecht auf die oben bereits zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts in Bd. 25 S. 31.
Denn dort ist eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung i. S. des § 66 Abs. 2 SGG darin erblickt worden, daß es in der Belehrung hieß, die Klage könne innerhalb eines Monats „nach Empfang” des Bescheides – anstatt „nach Zustellung” – erhoben werden (vgl. BSG 25, 31, 33).
Das LSG hat somit die Vorschrift des § 66 Abs. 2 SGG verletzt. Die auf dieser Gesetzesverletzung beruhende Aufhebung des SG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht stellt einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG dar. Zwar bedeutet die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften (hier des § 66 Abs. 2 SGG) nicht unbedingt, daß damit auch das Verfahren des Gerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, vielmehr ist es möglich, daß dadurch nur ein inhaltlich unrichtiges Urteil zustande kommt (vgl. z. B. BSG 2, 81, 83; 3, 275; BSG in SozR Nr. 2 zu § 192 SGG sowie Krebs, ZfS 1963 S. 82). Im vorliegenden Fall hat das LSG jedoch infolge der unrichtigen Anwendung des § 66 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit an das SG zur sachlichen Entscheidung zurückverwiesen, obwohl es – abgesehen von der vom LSG noch nicht geprüften Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – das die Klage (als unzulässig) abweisende Urteil des SG hätte bestätigen müssen. In diesem Fall ist nicht lediglich das Urteil inhaltlich unrichtig; vielmehr ist mit der Urteilsfällung auch das Verfahren des LSG dadurch fehlerhaft geworden, daß das LSGnicht, wie es die verfahrensrechtlichen Vorschriften gebieten, die Klage ebenfalls als unzulässig angesehen hat (vgl. hierzu auch Krebs aaO S. 81. ff, 121 ff,122). Auch wenn das SG bereits die Klage zu Unrecht als zulässig angesehen und das LSG dieses Urteil nur bestätigt hätte, läge ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG vor (vgl. Krebs aaO S. 122). – Das Bundessozialgericht hat in BSG 1, 283 (286, 287) und in BSG 2, 158 ausgesprochen, daß das Verfahren des LSG an einem wesentlichen Mangel leidet, wenn es die Berufung als unzulässig verworfen hat, obwohl es eine Sachentscheidung hätte treffen müssen; ebenso wenn es (umgekehrt) sachlich entschieden hat, obwohl die Berufung als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hätte das LSG zwar kein Prozeßurteil erlassen, sondern – bei Verneinung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – das Prozeßurteil des SG nur bestätigen müssen. Darin, daß es dies unterlassen und statt dessen den Rechtsstreit zur sachlichen Entscheidung an das SG zurückverwiesen hat, liegt jedoch ebenfalls ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG. Dies wird ganz deutlich, wenn man die Prozeßlage betrachtet, wie sie sich darstellen würde, wenn das SG und das LSG jeweils umgekehrt entschieden hätten. Hätte nämlich das SG – statt des LSG – zu Unrecht die Klageerhebung noch für rechtzeitig und demnach die Klage für zulässig gehalten, und hätte das LSG die Klage als unzulässig angesehen, so hätte es ein Prozeßurteil statt eines Sachurteils erlassen. Damit hätte sich die oben erwähnte prozeßrechtliche Situation ergeben, die bei unzutreffender Anwendung des formellen Rechts durch das LSG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG darstellt.
Da das Verfahren des LSG sonach an einem wesentlichen Mangel leidet, der vom Beklagten noch ausreichend gerügt worden ist, ist die Revision statthaft; sie ist auch begründet, da die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß das LSG bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einer dem Beklagten günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, da nun vom LSG zunächst noch darüber entschieden werden muß, ob dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Demgemäß war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Dr. Neuhaus, Dr. Renner, Dr. Maisch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.12.1969 durch Hartung Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen