Beteiligte
10. Mai 1995 …, Klägerin und Revisionsklägerin |
Betriebskrankenkasse Bertelsmann AG, Carl-Miele-Straße 210, 33335 Gütersloh, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, der Klägerin einen Teil der Kosten für eine zahnärztliche Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt zu erstatten.
Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Sie ließ sich in der Zeit vom 25. Mai bis 9. Juni 1993 durch den Zahnarzt Dr. S behandeln, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Vertragsarzt war. Die Rechnung vom 9. Juni 1993 über 2.294,29 DM reichte die Klägerin mit der Bitte um Erstattung bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 21. Juni 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 1993 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab.
Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt: Ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kosten könne nicht aus § 13 Abs 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) hergeleitet werden. Zwar dürften nach dieser Vorschrift ua freiwillige Mitglieder für die Dauer der freiwilligen Versicherung anstelle der Sach-oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Leistungen von nicht zugelassenen oder nicht ermächtigten Ärzten seien jedoch in die Erstattungsregelung nicht einbezogen. Dies ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus § 13 Abs 2 SGB V. Dagegen lege § 76 SGB V fest, welche Ärzte die Versicherten in Anspruch nehmen dürften. Diese Regelung gelte nicht nur bei der Gewährung von Sachleistungen, sondern auch für die Kostenerstattung.
Mit der - vom SG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften des § 13 Abs 2 SGB V sowie des § 76 SGB V und macht geltend: § 13 Abs 2 SGB V verbiete nicht eine Inanspruchnahme von Leistungserbringern, die nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen seien. Die Vorschrift enthalte eine Alternative zur Sachleistung und stelle die freiwillig Versicherten vom Sachleistungsprinzip frei. Beim Sachleistungsprinzip bestehe eine durch die Mitgliedschaft in der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vermittelte Rechtsbeziehung ausschließlich zwischen Leistungserbringer und den gesetzlichen Krankenkassen, die im einzelnen die Leistungserbringung für den Versicherten regelten. Die Kostenerstattung unterscheide sich jedoch dadurch von der Sachleistung, daß der Versicherte zunächst selbst für die ärztliche Leistung zu zahlen habe. Dieses Prinzip finde sich in mehreren Kostenerstattungsregelungen, zB in § 14, § 18, § 37 Abs 4 und in § 38 Abs 5 SGB V. Das spreche aber dafür, daß auch § 13 Abs 2 SGB V den freiwillig Versicherten die freie Wahl des Leistungserbringers einräumen solle. Demgegenüber stütze das SG unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Februar 1993 (BSGE 72, 93 = SozR 3-2500 § 64 Nr 1) seine Entscheidung auf § 76 SGB V und meine, daß auch im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V der freiwillig Versicherte nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen und den ermächtigten Ärzten wählen könne. Dies sei indessen unrichtig. Die Entscheidung des BSG gelte nur für die Kostenerstattung im Rahmen einer Erprobungsregelung nach § 64 SGB V und nicht für § 13 Abs 2 SGB V. Darauf habe schon das BSG hingewiesen. Mit § 13 Abs 2 SGB V habe der Gesetzgeber eine bereits seit vielen Jahren im Ersatzkassenbereich ähnliche Praxis auf alle Kassenarten ausgedehnt und einen ersten Schritt zur Liberalisierung des Leistungsrechts getan. Die Vorschrift sei demzufolge als eine Bestandsschutzregelung anzusehen, die gewährleiste, daß alle freiwillig Versicherten und ihre mitversicherten Familienangehörigen gleichbehandelt würden, indem einheitliche Verhältnisse zwischen den gesetzlichen Krankenkassen hergestellt würden.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 3. März 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Zuschuß in Höhe von 60 vH der Kosten für die in der Zeit vom 25. Mai bis 9. Juni 1993 durchgeführte zahnärztliche Behandlung zu erstatten. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend ua geltend: Eine extensive Auslegung des § 13 Abs 2 SGB V würde dazu führen, daß die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung unterschiedliche Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Anspruch nehmen könnten. Damit aber käme es zu einer Zwei-Klassen-Medizin. Im übrigen wäre es bei einer Ausdehnung des Behandlerkreises auch auf Zahnärzte außerhalb der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht möglich, dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) sowie dem Gebot der Qualitätssicherung (§135 SGB V) Rechnung zu tragen.
II
Die Revision ist unbegründet. Die Klage auf Kostenerstattung hat das SG zu Recht abgewiesen.
Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB vorsieht. Der Anspruch setzt daher zunächst voraus, daß die Klägerin einen Anspruch auf Sachleistung gehabt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Bei der Klägerin wurde in der Zeit vom 25. Mai bis 9. Juni 1993 eine zahnärztliche Behandlung durchgeführt. Die Beklagte hätte ihr, weil sie zu dieser Zeit Mitglied war, gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 4 iVm § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V die zahnärztliche Behandlung als Sachleistung (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) gewähren müssen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Die Klägerin verlangt indessen anstelle der nicht in Anspruch genommenen Sachleistung die Erstattung der Kosten, die ihr durch die zahnärztliche Behandlung entstanden sind. Der geltend gemachte Anspruch scheitert jedoch daran, daß die Klägerin einen Zahnarzt in Anspruch genommen hat, der im Zeitpunkt der Behandlung nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen war.
Nach § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V idF des Art 1 Nr 5a des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz [GSG]) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) können freiwillige Mitglieder sowie ihre nach § 10 versicherten Familienangehörigen für die Dauer der freiwilligen Versicherung anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Die Klägerin ist zwar freiwilliges Mitglied der Beklagten und ihre freiwillige Versicherung bestand auch während der zahnärztlichen Behandlung vom 25. Mai bis 9. Juni 1993. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V nF ist aber ausgeschlossen, wenn das freiwillige Mitglied - wie im vorliegenden Fall - von einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen oder ermächtigten Zahnarzt behandelt worden ist.
Dies ergibt sich insbesondere aus § 76 Abs 1 SGB V. Danach können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen, den ermächtigten Ärzten, ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs 2 Satz 2, den nach § 72a Abs 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten sowie den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V). Diese Regelung gilt - wie der Wortlaut ("Die Versicherten") deutlich macht - auch für freiwillig Versicherte, und zwar nicht nur, soweit die Krankenkassen nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen zur Verfügung stellen, also bei der Gewährung von Sachleistungen, sondern auch für die Kostenerstattung (ebenso Heinze in GesamtKomm, § 13 Anm 5; vgl ferner Bundesministerium für Gesundheit, Schreiben vom 12. Februar 1993 - 221-44012 222-44012-5 -, Die Leistungen 1993, 130; Staatssekretär Wagner auf eine parlamentarische Anfrage, BT-Drucks 12/4650, S 40; aA Schulin in Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1 Krankenversicherungsrecht, § 6 RdNrn 121 und 123; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Komm, § 13 RdNr 12; Zuck, NZS 1994, 254, 258 f). Wenn der Gesetzgeber die freiwillig Versicherten hiervon hätte ausnehmen wollen, dann hätte er in § 13 Abs 2 SGB V eine ausdrückliche Ausnahme von den Vorschriften des § 76 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB V gemacht (vgl in diesem Zusammenhang BSGE 72, 93, 95 = SozR 3-2500 § 64 Nr 1 zur Kostenerstattung im Rahmen einer Erprobungsregelung nach § 64 SGB V).
Eine freie Wahl der zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF berechtigten Mitglieder unter allen approbierten Ärzten ließe sich auch mit dem bisherigen System der sozialen Krankenversicherung (vgl dazu BT-Drucks 12/3608, S 76) nur schwer vereinbaren. Nicht zugelassene oder nicht ermächtigte Ärzte unterliegen nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Da ein nicht zugelassener oder nicht ermächtigter Arzt nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegt (vgl § 106 SGB V), könnte die von der Revision gewünschte extensive Auslegung des § 13 Abs 2 SGB V nF Nachteile für die gesetzliche Krankenversicherung zur Folge haben, insbesondere zu einer unvertretbaren finanziellen Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenkassen führen (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1993 - L 4 Kr 1799/93 -Breithaupt 1994, 719, 722; vgl dazu auch Schmidt und Schöne, MDR 1994, 755, 756; Igl in von Maydell, GK-SGB V, § 13 RdNr 19).
Die Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte durch freiwillige Versicherte würde ferner in Widerspruch zu wichtigen Regelungen stehen, die der Gesetzgeber mit dem GSG getroffen hat (so mit Recht Bundesministerium für Gesundheit in seinem Schreiben vom 12. Februar 1993 - 221-44012 222-44012-5 -).
Dies gilt zB für die Regelungen über das Arznei- und Heilmittelbudget. Nach § 84 Abs 1 Satz 4 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung, wenn die Ausgaben für Arznei-, Verband- und Heilmittel das vereinbarte Budget übersteigen, sicher, daß durch geeignete Maßnahmen der übersteigende Betrag gegenüber den Krankenkassen ausgeglichen wird. Zu diesen Ausgaben rechnen auch Ausgaben für Arznei-, Verband- und Heilmittel, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind (§ 84 Abs 1 Satz 8 SGB V). Soweit der Ausgleich nicht erfolgt, verringern sich die Gesamtvergütungen um den übersteigenden Betrag (§ 84 Abs 1 Satz 6 SGB V). Könnten im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF auch nicht zugelassene und nicht ermächtigte Ärzte in Anspruch genommen werden, so würde sich deren Verordnungsweise uU auch auf die Gesamtvergütung der an der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte mindernd auswirken, obwohl die nicht zugelassenen Leistungserbringer keiner Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen. Das kann aber nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt sein. Vielmehr setzen die Vorschriften des § 84 SGB V gerade voraus, daß auch im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF nur zugelassene oder ermächtigte Ärzte tätig werden. Dies wird durch § 84 Abs 3 SGB V bestätigt. Denn die dort vorgesehene Vereinbarung der Landesverbände der Krankenkassen und der Verbände der Ersatzkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung über einheitliche arztgruppenspezifische Richtgrößen für das Volumen der je Arzt verordneten Leistungen ist nur rechtlich hinsichtlich der Ärzte möglich, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und damit an die für Vertragsärzte geltenden Vereinbarungen gebunden sind.
Auch bei der Veränderung der Gesamtvergütungen sind die ärztlichen Leistungen zu berücksichtigen, die in Fällen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF erbracht werden. Denn die Vertragsparteien vereinbaren nach § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Praxiskosten, der für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten. Wie § 84 SGB V setzt auch diese Regelung voraus, daß sich der freiwillige Versicherte, der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF begehrt, nur von zugelassenen und ermächtigten Ärzten behandeln läßt.
Noch deutlicher wird die vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung auf die Inanspruchnahme zugelassener Ärzte durch die Vorschrift des § 85 Abs 4b SGB V. Sie regelt den Vergütungsanspruch von Vertragszahnärzten, deren Praxisumfang eine bestimmte Grenze überschreitet, und zwar ab einer Gesamtpunktmenge von 350.000 Punkten je Kalenderjahr. In die Ermittlung der Punktmengen sind - wie es in § 85 Abs 4b Satz 13 SGB V heißt - die Kostenerstattungen nach § 13 Abs 2 SGB V einzubeziehen. Diese werden gemäß § 85 Abs 4b Satz 14 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen von den Krankenkassen mitgeteilt. Die Einbeziehung in die Ermittlung der Punktmengen ist aber nur gerechtfertigt, weil aus der Sicht des Gesetzgebers auch die Leistungen der Ärzte im Rahmen der Kostenerstattung Teil der vertragsärztlichen Versorgung im weiteren Sinne sind und auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte beschränkt bleiben sollen.
Der Ausschluß der Kostenerstattung bei Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte ist auch verfassungsrechtlich geboten. Ohne die Beschränkung auf die zugelassenen und ermächtigten Leistungserbringer würde die Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs 2 SGB V nF zu einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung (Verstoß gegen Art 3 Grundgesetz [GG]) freiwilliger und versicherungspflichtiger Mitglieder der Krankenkassen führen. Der vom Gesetzgeber in der Begründung zu § 13 (BT-Drucks 12/3608, S 76 zu Nr 5) für die Gesetzesänderung genannte Gesichtspunkt, Chancengleichheit der Krankenkassen im Wettbewerb um freiwillige Mitglieder zu schaffen, ist zwar ein sachlicher Grund, den freiwilligen Mitgliedern aller Krankenkassen die Möglichkeit der Kostenerstattung einzuräumen. Dieses Ziel wird aber bereits erreicht, wenn sich die Kostenerstattung auf die Inanspruchnahme zugelassener oder ermächtigter Ärzte beschränkt (vgl dazu Igl, aaO, § 13 RdNr 19). Eine Kostenerstattungsregelung, die den freiwilligen Mitgliedern auch die Inanspruchnahme nicht zugelassener und nicht ermächtigter Ärzte ermöglicht, würde einem Teil der Mitglieder derselben Solidargemeinschaft ohne zwingenden Grund Rechte einräumen, die versicherungspflichtige Mitglieder nicht haben. Mit der vom Gesetzgeber gegebenen Begründung zur Änderung des § 13 SGB V ließe sich eine derartige Ungleichbehandlung jedenfalls nicht rechtfertigen. Es sind aber auch keine anderen sachlichen Gründe für eine so weitgehende Ausnahmeregelung zugunsten der freiwilligen Mitglieder der Krankenkassen erkennbar.
Dem kann weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 13 Abs 2 SGB V nF entgegengehalten werden. Denn beide sind für die hier zu entscheidende Streitfrage unergiebig.
Aus den Worten "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V nF kann nicht geschlossen werden, daß der Versicherte einen zur vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt bzw Zahnarzt in Anspruch genommen haben muß (so aber Zipperer, DOK 1993, 25, 35; ders in Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V-Komm, 1200 § 13 SGB V RdNr 9d und 9e; Staatssekretär Wagner auf eine parlamentarische Anfrage [BT-Drucks 12/4650, S 39]; Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 12. Februar 1993 - 221-44012 222-44012-5 -, Die Leistungen 1993, 130). Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 10. Februar 1993 (BSGE 72, 93, 94 = SozR 3-2500 § 64 Nr 1) zu der in § 64 Abs 1 Satz 1 SGB V verwendeten Formulierung "anstelle der in diesem Buch vorgesehenen Sachleistungen" ausgeführt: Daraus werde lediglich deutlich, daß die Krankenkassen Kostenerstattung nur für solche Leistungen gewähren dürften, die vom Sachleistungsanspruch umfaßt seien. So wäre beispielsweise eine Satzung rechtswidrig, die für diejenigen Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, die nach § 34 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen seien, Kostenerstattung vorsieht. Entsprechendes gilt für § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V nF. Die in dieser Vorschrift verwendete Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" hat nur Bedeutung für den sachlichen Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen, nicht aber für die Frage, wen das freiwillige Mitglied als Leistungserbringer wählen darf (so im Ergebnis auch Zuck, NZS 1994, 254, 257).
Auch die Entstehungsgeschichte des § 13 Abs 2 SGB V nF ist in diesem Zusammenhang unergiebig. Die Begründung des Gesetzentwurfs zum GSG (BT-Drucks 12/3608, S 76 zu Nr 5) hebt zwar hervor, daß das System der sozialen Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip geprägt und getragen sei und daß an diesem grundsätzlichen Strukturelement der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin festgehalten werde. Die Begründung geht aber nicht darauf ein, ob der freiwillig Versicherte sich von nicht zur vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen oder nicht ermächtigten Ärzten behandeln lassen darf. In der Begründung zum Referentenentwurf der Koalitionsfraktionen vom Juli 1992 (s dazu Schmidt und Schöne, aaO S 756) stand zwar noch zu § 13 folgender Satz:
"Für Leistungen, die von einem nicht zugelassenen Leistungserbringer erbracht werden, darf die Krankenkasse keine Kosten erstatten."
Daß dieser Satz nicht in die offizielle Begründung zum Gesetzentwurf vom 5. November 1992 (BT-Drucks 12/3608) übernommen worden ist, rechtfertigt jedoch - entgegen Schulin (aaO, § 6 RdNr 121) - nicht den Schluß, daß der Gesetzgeber auch für den Fall die Kostenerstattung zulassen wollte, daß nicht zugelassene oder nicht ermächtigte Ärzte in Anspruch genommen werden (so mit Recht Schmidt und Schöne, aaO). Referentenentwürfe sind zwar erste Vorbereitungen für ein Gesetz. Die einem solchen Entwurf beigefügte Begründung erlangt aber für die Auslegung erst Bedeutung, wenn sie Teil der offiziellen Gesetzesbegründung wird. Die Nichtübernahme bestimmter Passagen der Begründung aus einem Referentenentwurf ist kein geeignetes Kriterium, um den Willen des Gesetzgebers zu ermitteln. Wenn die offizielle Gesetzesbegründung anders als die Begründung des Referentenentwurfs gestaltet wird, können hierfür unterschiedliche Gründe maßgebend sein, zB daß die Regierung eine knappere oder übersichtlichere Begründung für erforderlich oder wünschenswert hält.
Ebensowenig läßt sich die zwischen den Beteiligten strittige Frage aufgrund des erkennbaren Zwecks der durch das GSG vorgenommenen Änderungen des SGB V entscheiden. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 12/3608, S 76) wird zur Änderung des § 13 ua ausgeführt:
"Das System der sozialen Krankenversicherung ist, wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung betont hat, vom Sachleistungsprinzip geprägt und getragen. An diesem grundsätzlichen Strukturelement der GKV wird auch weiterhin festgehalten.
Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. August 1991 (1 RR 7/88), das einer Betriebskrankenkasse eine entsprechende Satzungsregelung zur Einführung der Kostenerstattung für freiwillige Mitglieder verbietet, hat für die Träger der GKV im Sinne des früheren § 225 Abs 1 RVO, die sog RVO- oder Primärkassen (Orts-, Betriebs-und Innungskrankenkassen), eindeutig klargestellt, daß die Einführung der Kostenerstattung auch für freiwillig Versicherte ausgeschlossen ist, da es an einer gesetzlichen Ermächtigung mangelt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der durch die Ersatzkassen seit jeher praktizierten Kostenerstattung an freiwillige Mitglieder ist dabei indessen offengeblieben, da die Ersatzkassen nicht zum Kreis der früheren RVO-Kassen gehören.
Die Neuregelung klärt die Rechtslage bei der Kostenerstattung für alle freiwillig Versicherten. Sie führt zur Gleichbehandlung aller Krankenkassen und schafft Chancengleichheit der Krankenkassen im Wettbewerb um freiwillige Mitglieder. Die Kostenerstattung kann für die Leistungen gewählt werden, die bisher nach dem Sachleistungsprinzip gewährt wurden."
Daraus wird deutlich: Der Gesetzgeber macht mit der Kostenerstattungsregelung in § 13 Abs 2 SGB V nF eine Ausnahme vom Sachleistungsprinzip. Für die von ihm angestrebte Gleichbehandlung der Krankenkassen und für ihre Chancengleichheit im Wettbewerb spielt es indessen keine Rolle, ob die Kostenerstattung nur erfolgen darf, wenn zur vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte in Anspruch genommen werden. Deshalb steht die vom Senat vertretene enge Auslegung des § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V nF nicht in Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber mit der Änderung des § 13 SGB V erkennbar verfolgten Ziel.
Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung auch nicht erreichen, daß die frühere Praxis von Ersatzkassen nunmehr von allen Krankenkassen fortgesetzt werden kann, Kostenerstattung auch dann zu gewähren, wenn die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung von nicht zugelassenen oder nicht ermächtigten Ärzten durchge
führt worden ist. Zuck (NZS 1994, 254, 258) und Schulin (aaO, § 6 RdNr 121) sind hierzu anderer Auffassung und weisen darauf hin, daß § 13 Abs 2 SGB V nF Art 61 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) ersetze. Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Praxis auf eine Klarstellung verzichtet habe, billige er die bisherige Ersatzkassenpraxis, so daß sich § 13 Abs 2 SGB V gleichzeitig als eine Bestandsschutzregelung erweise. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Bei der Bedeutung, die es für das System der sozialen Krankenversicherung haben würde, wenn freiwillig Versicherte auch nicht zugelassene oder nicht ermächtigte Ärzte auf Kosten der Krankenkassen in Anspruch nehmen könnten, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber diese Frage in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angesprochen hätte, zumal er einleitend betont, daß das System der sozialen Krankenversicherung durch das Sachleistungsprinzip geprägt wird und an diesem grundsätzlichen Strukturelement der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weiterhin festgehalten werden soll. Die Sachleistungen können aber nur durch zugelassene oder ermächtigte Ärzte erbracht werden. Jedenfalls erbringt die zitierte Begründung zur Änderung des § 13 SGB V durch das GSG keinen hinreichenden Nachweis dafür, daß durch die Änderung des § 13 Abs 2 SGB V nF die gesetzlichen Krankenkassen zur Kostenerstattung auch für die Fälle ermächtigt werden sollten, in denen das freiwillige Mitglied sich von nicht zugelassenen oder nicht ermächtigten Ärzten behandeln läßt.
Auch soweit die Revision auf andere Erstattungsregelungen im SGB V hinweist, vermag dies die Klage nicht zu stützen. Es ist zwar richtig, daß die gesetzlichen Krankenkassen aufgrund einzelner Vorschriften des SGB V dem Versicherten auch die Aufwendungen für die Tätigkeit nicht zugelassener Leistungserbringer erstatten müssen (vgl dazu Zuck, NZS 1994, 254, 257). Insoweit handelt es sich jedoch um Ausnahmeregelungen, die von der Sache her geboten sind. Daß nach § 18 Abs 1 Satz 1 SGB V die Krankenkasse die Kosten einer im Ausland erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen kann und der Kostenerstattungsanspruch nicht davon abhängt, daß zugelassene Leistungserbringer tätig geworden sind, versteht sich von selbst. Denn das System der sozialen Krankenversicherung ist auf das Bundesgebiet begrenzt. Ebensowenig gibt § 37 Abs 4 SGB V etwas für die von der Klägerin vertretene extensive Auslegung des § 13 Abs 2 SGB V nF her. Die Vorschrift gestattet es den Krankenkassen, bei häuslicher Krankenpflege den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft zu erstatten. § 37 Abs 4 SGB V setzt aber voraus, daß entweder die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege zur Verfügung stellen kann oder ein Grund besteht, davon abzusehen, zB wenn der Versicherte selbst eine Kraft beschaffen kann, die preisgünstiger arbeitet als eine von der Krankenkasse verpflichtete (vgl Schneider in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, § 22 RdNr 329). Die Kostenerstattung ist in diesem Falle auch nur "in angemessener Höhe" möglich (§ 37 Abs 4 SGB V). Das gleiche gilt für die von der Revision angeführte Regelung des § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V über die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe (vgl dazu Schneider, aaO, § 22 RdNrn 351 und 352).
Schließlich vermag auch der Hinweis darauf, daß nach § 13 Abs 2 Satz 4 SGB V nF die Satzung ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorsehen muß, der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Anders als in § 106 Abs 3 SGB V für die Kostenerstattung nach § 64 SGB V ist im SGB V nicht ausdrücklich vorgesehen, daß die Landesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen ein Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit für die Fälle regeln, in denen die Krankenkassen den freiwilligen Mitgliedern nach § 13 Abs 2 SGB V nF Kosten erstatten. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß auch nicht zur vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassene oder ermächtigte Ärzte von den freiwilligen Mitgliedern in Anspruch genommen werden dürfen. Das Fehlen einer solchen Regelung kann aber auch auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen oder darauf, daß er eine besondere Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Fälle der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V nF nicht zur Pflicht machen wollte. Für letzteres ließe sich der Umstand anführen, daß durch das GSG neben § 13 SGB V die Vorschrift des § 106 SGB V geändert worden ist (vgl Art 1 Nr 63 GSG), ohne § 13 Abs 2 SGB V nF zu erwähnen. Welche Gründe dafür ausschlaggebend waren, daß eine besondere Wirtschaftlichkeitsprüfung für Kostenerstattungsfälle des § 13 Abs 2 SGB V nF nicht gesetzlich vorgeschrieben worden ist, läßt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht ersehen (vgl dazu BT-Drucks 12/3608, S 100 zu Nr 56). Es mag sein, daß der Gesetzgeber eine zusätzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung für zu belastend oder nicht für notwendig hielt und er deshalb nur einen Abschlag von dem Erstattungsbetrag vorgeschrieben hat.
Wenn auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 10. Februar 1993 (BSGE 72, 93, 95 = SozR 3-2500 § 64 Nr 1) es als "entscheidenden Gesichtspunkt" angesehen hat, daß die Landesverbände der Krankenkassen und die kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs 3 SGB V auch das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit für die Fälle regeln müssen, in denen die Krankenkasse den Versicherten nach § 64 SGB V Kosten erstattet, spricht das Fehlen einer Verweisung in § 106 Abs 3 SGG auf die Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs 2 SGB V nF nicht zwingend für die Auffassung der Revision. Denn es ist ein Unterschied, ob eine Norm ausdrücklich bestimmte Anwendungsbereiche nennt, also eine positive Regelung enthält, oder ob sie einen möglicherweise in Betracht kommenden Anwendungsbereich nicht nennt. Welche Schlüsse hieraus zu ziehen sind, hängt - wie hier - oft von weiteren Umständen ab, die bei der Auslegung berücksichtigt werden müssen. Ein schlichter Umkehrschluß ist hier jedenfalls nicht ohne weiteres möglich.
Bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Regelung des § 76 Abs 1 SGB V und der Tatsache, daß die Kostenerstattung eine gravierende Ausnahme vom Sachleistungsprinzip als grundsätzlichem Strukturelement der sozialen Krankenversicherung darstellt (vgl dazu BT-Drucks 12/3608, S 76 zu Nr 5; Igl, aaO, § 13 RdNrn 5 und 6; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1993 - L 4 Kr 1799/93 -, Breithaupt 1994, 719, 720 f), erscheint es nach alledem als ausgeschlossen, allein aufgrund der in § 13 Abs 2 Satz 4 SGB V nF enthaltenen Regelung § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V nF dahin auszulegen, daß die Tätigkeit nicht zugelassener oder nicht ermächtigter Ärzte den Kostenerstattungsanspruch auslöst (im Ergebnis wie hier Schmidt und Schöne, aaO, 756; Igl, aaO, § 13 RdNr 19; LSG Baden-Württemberg, aaO, S 721 f; aA Schulin, BKK 1993, 718, 720; Hauck/Haines, SGB V, Komm, K § 13 RdNr 14).
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
BSGE, 101 |
NJW 1996, 807 |
GesPol 1995, 13 |
AusR 1995, 17 |
AusR 1995, 26 |
Breith. 1995, 913 |