Entscheidungsstichwort (Thema)
Diplom-Psychologe. Eintragung. kassenärztliche Versorgung. Liste. Psychotherapie-Vereinbarung. Übergangsbestimmung. vertragsärztliche Versorgung. Zusatzausbildung
Leitsatz (amtlich)
Die einem nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten von einer Kassenärztlichen Vereinigung erteilte Berechtigung zur Teilnahme an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung im Wege des Delegationsverfahrens gilt auch in den Bezirken anderer Kassenärztlicher Vereinigungen.
Normenkette
BMV-Ä Anl 1 (Psychotherapie-Vereinbarung) § 4 Fassung: 20.9.1990, § 6 Fassung: 20.9.1990, § 12 Fassung: 20.9.1990; EKV Anl 1 § 4 Fassung: 20.9.1990, § 6 Fassung: 20.9.1990, § 12 Fassung: 20.9.1990; SGB V § 15
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Mai 1992 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 1991 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 1991 dahin abgeändert, daß unter Aufrechterhaltung der Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24. November 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin in die bei der Beklagten geführte Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten einzutragen.
Die weitergehende Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als nichtärztliche Verhaltenstherapeutin zur Teilnahme an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung im Delegationsverfahren berechtigt und in die bei der Beklagten geführte Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten einzutragen ist.
Die Klägerin erwarb das Diplom als Psychologin am 5. August 1982. Der Berufsverband Deutscher Psychologen eV erteilte ihr am 21. August 1985 einen Befähigungsnachweis als Klinische Psychologin. Von November 1982 bis März 1988 arbeitete sie in den Kliniken am B.…, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, in B.… S.…, die von Chefarzt Dr. D.…, Arzt für Neurologie und Psychiatrie mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie-Psychoanalyse, geleitet wurde.
Am 16. März 1988 beantragte die Klägerin bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Westfalen-Lippe ihre Zulassung zur Verhaltenstherapie im Delegationsverfahren. Dem Antrag wurde mit Bescheid vom 9. Mai 1988 entsprochen.
Mit Schreiben vom 21. Juni 1988 teilte die Klägerin dieser KÄV mit, sie werde am 1. Juli 1988 ihren Wohnsitz aus persönlichen Gründen nach Berlin verlegen. Die Herstellung eines Abrechnungsstempels erübrige sich. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die ihr von der KÄV Westfalen-Lippe erteilte “Genehmigung zu übernehmen”. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 24. November 1988/Widerspruchsbescheid vom 18. April 1989). Zur Begründung führte die Beklagte an, maßgebend seien die ab 1. Juli 1988 gültige Psychotherapie-Vereinbarung (PT-V) bzw die Anlage 5 zum Arzt/Ersatzkassenvertrag (EKV-Ärzte). Jede KÄV habe ein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich der Frage, ob die fachlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in die Liste erfüllt seien. Die Klägerin habe den Nachweis einer den Vereinbarungen entsprechenden praktischen Ausbildung nicht erbracht.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 20. Februar 1991 den angefochtenen Bescheid idF des Widerspruchsbescheids aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung ist es davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht die Voraussetzungen erfüllte, die in den ab 1. Juli 1988 geltenden Vereinbarungen über die Anwendung von Psychotherapie in der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung aufgestellt waren. Entscheidend sei daher, ob die Klägerin auf der Grundlage der Übergangsbestimmungen die Berechtigung verlangen könne. § 12 Abs 1 der PT-V und § 18 Abs 1 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte könnten nicht zu ihren Gunsten angewendet werden, weil sie keine psychotherapeutische Leistung iS dieser Vorschriften aufgrund der ihr erteilten Berechtigung erbracht habe. In Betracht komme allein eine Erteilung der Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren gemäß § 12 Abs 4 der PT-V bzw § 18 Abs 4 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte. Die Erteilung einer entsprechenden Berechtigung stehe im Ermessen der ersuchten KÄV. Die Beklagte habe ein solches Ermessen nach eigenem Vorbringen nicht ausgeübt. Aus diesem Grunde sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung, die Klägerin Anschlußberufung eingelegt. Mit Urteil vom 20. Mai 1992 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Der Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht das Recht zugrunde gelegt, das vor dem 1. Juli 1988 gegolten hat, weil es für die Klägerin günstiger sei. Die ab 1. April 1986 geltende PT-V und die am 1. Oktober 1985 in Kraft getretene Anlage 5a zum EKV-Ärzte könnten den Anspruch der Klägerin jedoch nicht begründen. Eine Bindung der Beklagten an die von der KÄV Westfalen-Lippe getroffene Entscheidung über die Berechtigung der Klägerin zur Teilnahme an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung als Verhaltenstherapeutin gebe es nicht. In den getroffenen Vereinbarungen fänden sich darüber keine Vorschriften. Dem Kassenarztrecht sei eine entsprechende Bindung fremd. Für einen allgemeinen Vertrauensschutz, der sich rechtlich aus dem Rechtsstaatsgebot ableite, sei angesichts der bestehenden Sachlage kein Raum. Die Eintragung in die von der KÄV Westfalen-Lippe geführte Liste stelle lediglich eine Formalie dar, der kein Vollzug (Ausübung einer Tätigkeit) gefolgt sei. Auf diesen Gesichtspunkt hebe jedoch das ab 1. Juli 1988 geltende Recht in den Übergangsbestimmungen des § 12 Abs 1 PT-V und des § 18 Abs 1 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte ab. Die von der Klägerin angeführte Behandlung eines Mitgliedes der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) in der Zeit von Juli 1987 bis Juni 1988 sei nicht als eine derartige Maßnahme anzuerkennen. Da Vertrauensschutzgesichtspunkte den Anspruch der Klägerin nicht stützten, hätten somit die sachlichen Voraussetzungen für ihre Berechtigung vorliegen müssen. Dies sei jedoch nach den ab 1. April 1986 bzw 1. Oktober 1985 geltenden Regelungen nicht der Fall. Ausreichende Nachweise lägen nur für einen Teil der vorgeschriebenen Qualifikationsmerkmale vor. Nachweise über Selbsterfahrung und Reflexion des eigenen Handelns fänden sich in den Verwaltungsakten nur in ungenügendem Umfang. Außerdem sei eine Ausbildung in theoretischer Verhaltenstherapie über mindestens 600 Stunden nicht feststellbar. Die von der Beklagten geübte Praxis, höchstens 300 Ausbildungsstunden aus der Zeit des Studiums auf die erforderliche Ausbildungszeit von 600 Stunden anzurechnen, sei sachgerecht. Die von der Klägerin über das Studium hinaus angeführten Ausbildungszeiten reichten zum einen schon zahlenmäßig nicht aus, um die erforderliche Stundenzahl von 300 zu erreichen. Zum anderen sei nicht zu erkennen, ob es sich bei den angeführten Ausbildungen um verhaltenstherapeutische Zusatzausbildungen iS der genannten Bestimmungen handele. Die ab 1. Juli 1988 geltenden Vereinbarungen über die Anwendung von Psychotherapie in der kassenärztlichen und in der vertragsärztlichen Versorgung hätten die Ausbildungsvoraussetzungen verschärft; diese seien von der Klägerin erst recht nicht erfüllt. Die Klägerin könne daher ihren Anspruch auch nicht auf § 12 Abs 4 der PT-V bzw § 18 Abs 4 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte stützen. Ebenfalls nicht erfüllt seien die Voraussetzungen der ab 1. Oktober 1989 gültigen Fassung der genannten Vorschriften. Fehlten damit aber die objektiven Voraussetzungen einer Erteilung der Berechtigung, komme es auf eine Ermessensausübung durch die Beklagte nicht mehr an. Ob die Klägerin mit ihrer Klage einen (Teil-)Erfolg hätte erzielen können, wenn die PT-Ven ganz oder teilweise unwirksam wären, könne dahingestellt bleiben. Entgegen dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 1990 – Az L 11 Ka 58/88 – halte der Senat die Vorschriften für rechtmäßig. Ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) sei nicht erkennbar. Da die gesetzliche Krankenversicherung in verfassungskonformer Weise von der Durchführung der medizinischen Behandlung durch Ärzte bestimmt werde und damit andere Personengruppen an ihr jedenfalls nicht mit diesen gleichberechtigt beteiligt seien, gebe es ohne die hier maßgebenden Vereinbarungen keine Rechtsgrundlage für eine selbständige – auch im Delegationsweg durchgeführte – Tätigkeit der Psychologen. Es müsse dann bei dem Grundsatz verbleiben, daß die ärztliche Versorgung nur durch Ärzte erfolge und die Hilfeleistungen anderer Personen jedenfalls der ärztlichen Anordnung und Überwachung bedürften. Ebenfalls nicht begründet seien die Bedenken der Klägerin, einzelne Bestimmungen der PT-Ven beeinträchtigten ihr Grundrecht aus Art 12 GG. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu dem Grundrecht aus Art 12 GG sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Regelungen des Berufsrechts in öffentlich-rechtlichen Verträgen enthalten seien, die von mehreren Körperschaften oder öffentlich-rechtlichen Vereinigungen abgeschlossen würden. Der Gesetzgeber habe im Sozialgesetzbuch eine ausreichende Ermächtigung vorgesehen. Diese Art der Regelungsermächtigung könne nur dann verfassungswidrig sein, wenn der Gesetzgeber ohne weiteres in der Lage wäre, die Materie durch Gesetz zu regeln. Da die fachlichen Zugangsvoraussetzungen für den Beruf eines Psychotherapeuten jedoch umstritten seien, fehle bisher eine ausreichende Grundlage für eine Behandlung dieses Bereiches in den gesetzgebenden Körperschaften. Die Ermächtigung in der Form, wie sie zur Zeit im Sozialgesetzbuch enthalten sei, ermögliche den beteiligten Personengruppen immerhin, flexibel auf die Ausgestaltung des Ausbildungswesens für Psychotherapeuten zu reagieren. Sie diene damit auch den Belangen der Diplom-Psychologen, ungeachtet der Tatsache, daß diese den derzeitigen Rechtszustand als unbefriedigend empfänden.
Die Klägerin hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie in erster Linie vor, daß die von ihr erbrachten Leistungen unmittelbar mit den Krankenkassen abgerechnet werden müßten, weil sie weder Mitglied der Beklagten sei noch dies werden wolle und infolgedessen gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch nach Maßgabe des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) habe. Es gebe rechtens keine Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten, und infolgedessen dürfe die Beklagte auch kein System betreiben, das jegliche Vergütung psychotherapeutischer Leistungen von der vorherigen Eintragung in die Liste abhängig mache. Sie, die Klägerin, übe einen durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Beruf aus. Wenn die Beklagte für sich die Entscheidungsbefugnis darüber beanspruche, ob eine psychologische Psychotherapeutin Kassenpatienten behandeln dürfe, so schränke sie die Berufsausübung, möglicherweise sogar den Berufszugang ein. An der hierfür gemäß Art 12 Abs 1 Satz 2 GG erforderlichen Ermächtigung fehle es. In den früher geltenden einschlägigen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) habe es keinerlei Vorschriften gegeben, die zur Einschränkung der Berufsausübung für psychologische Psychotherapeuten ermächtigt hätten. Die früheren PT-Ven und Psychotherapie-Richtlinien seien unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Rechtsnormen, die geeignet gewesen wären, die gegen sie ergriffenen berufseinschränkenden Maßnahmen zu stützen. Selbst wenn man dieser allgemeineren Auffassung nicht folge, sei jedenfalls ein Anspruch auf Eintragung in die bei der Beklagten geführte Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten begründet. Dies ergebe sich schon daraus, daß die Beklagte verpflichtet sei, die von der KÄV Westfalen-Lippe erteilte Berechtigung anzuerkennen. Die PT-V gelte nicht nur bundesweit, sie habe vielmehr auch ersichtlich bewirken wollen, daß ein einmal und von einer KÄV anerkannter psychologischer Psychotherapeut von jedem Kassenarzt im Bundesgebiet im Delegationsverfahren herangezogen werden könne. Es genüge, wenn dieser einmal gegenüber der zu Beginn seiner Tätigkeit für ihn zuständigen KÄV nachgewiesen habe, daß er die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfülle. Bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes in den Bereich einer anderen KÄV sei daher nicht das gesamte schon einmal durchgeführte Überprüfungsverfahren inhaltlich zu wiederholen. Eine solche erneute Überprüfung stünde auch mit dem Freizügigkeitsgedanken des Art 11 GG nicht in Einklang. Von alledem abgesehen habe sie, die Klägerin, auch alle ausbildungsbezogenen Anforderungen erfüllt, die die zugrunde zu legende PT-V in der ab 1. April 1986 geltenden Fassung gestellt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Mai 1992 zu ändern und
- festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, die Teilnahme der Klägerin an der verhaltenstherapeutischen Krankenversorgung von Versicherten in dem Umfang der Psychotherapie-Richtlinien und gemäß den in deren Abschnitt H getroffenen Vereinbarungen von einer vorherigen Eintragung in die Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten abhängig zu machen,
- hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in die unter 1. genannte Liste einzutragen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Mai 1992 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist im Sinne des hilfsweise gestellten Revisionsantrages begründet. Das LSG hat zu Unrecht ihre Berufung zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin hat aufgrund der ihr von der KÄV Westfalen-Lippe im Mai 1988 erteilten Berechtigung, als nichtärztliche Verhaltenstherapeutin im Delegationsverfahren tätig zu werden, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Eintragung in die bei dieser geführte Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten. Zu Recht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1988 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989, der diesen Anspruch verneinte, aufgehoben. Soweit die Klägerin darüber hinausgehend eine allgemeinere Feststellung ihrer Berechtigung zur Teilnahme an der verhaltenstherapeutischen Krankenversorgung begehrt, ist ihre Revision zurückzuweisen.
Der von der Klägerin gestellte Hauptantrag kann keinen Erfolg haben. Er stellt eine gemäß § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Wie sich aus der von der Klägerin dafür gegebenen Begründung ergibt, verfolgt sie mit diesem Antrag inhaltlich den Anspruch, außerhalb des Delegationsverfahrens eigenständig und unabhängig von einer Einbeziehung durch einen zugelassenen Arzt nichtärztliche verhaltenstherapeutische Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung an deren Versicherte erbringen zu können. Ein solcher Anspruch stellt – angenommen, es gäbe ihn – nach seiner rechtlichen Eigenart wie nach seiner tatsächlichen Grundlage einen anderen Gegenstand dar als das Begehren, das die Klägerin in den vorhergegangenen Rechtszügen verfolgt hat. Sowohl der vor dem SG gestellte Antrag auf Erteilung der Berechtigung zur Anwendung der Verhaltenstherapie als Einzeltherapie bei Erwachsenen im Delegationsverfahren als auch der Antrag vor dem Berufungsgericht, die Beklagte zur Eintragung der Klägerin in die Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten zu verurteilen, zielten gehaltlich auf die Teilnahme der Klägerin am Delegationsverfahren und damit auf eine Teilnahme an der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung allein in Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Arzt. Das jetzt von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren stellt abweichend von ihrer Auffassung gegenüber dem in den Vorinstanzen geltend gemachten Klageanspruch kein Weniger, sondern etwas gegenständlich anderes und damit eine Klageänderung dar. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob die Klägerin mit einer leugnenden Feststellungsklage für ihr Sachanliegen überhaupt die richtige Klageart gewählt hat.
Der Hilfsantrag der Klägerin ist begründet. Sie hat auf der Grundlage der ihr im Jahr 1988 erteilten Berechtigung einen Anspruch aus § 4 Abs 3 und 4, § 6 Abs 1, § 12 Abs 1 der PT-V und aus § 4 Abs 3 und 4, § 6 Abs 1, § 12 Abs 1 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte (jeweils in der ab 1. Oktober 1990 gültigen Fassung) gegen die Beklagte, in die bei dieser geführte Liste der nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten eingetragen zu werden.
Der Eintragungsanspruch ist eine Folge der Rechtsstellung, die die Klägerin mit ihrer Berechtigung zur Teilnahme an der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung im Mai 1988 erhielt. Der damalige Bescheid der KÄV Westfalen-Lippe hat auch heute noch rechtlichen Bestand. Er wurde weder zurückgenommen noch in einem förmlichen Anfechtungsverfahren aufgehoben. Seine Rechtswirkung wurde auch nicht durch spätere Änderungen der ihm zugrundeliegenden Vorschriften beseitigt.
Die Erteilung der Genehmigung durch die KÄV Westfalen-Lippe beruhte auf § 5 Abs 3 bis 7 und 9 der Vereinbarung über die Anwendung von Verhaltenstherapie in der kassenärztlichen Versorgung in der ab 1. April 1986 geltenden Fassung und § 5 Abs 3 bis 7 und 9 der Vereinbarung über Verhaltenstherapie, Anlage 5a zum EKV-Ärzte in der ab 1. Oktober 1985 geltenden Fassung. Nach diesen Regelungen hatte ein Kassen- bzw Vertragsarzt, der einen psychologischen Verhaltenstherapeuten hinzuziehen wollte, sich vorher zu vergewissern, daß dieser bestimmte, neben einer Hochschulausbildung spezielle Zusatzausbildungen umfassende fachliche Voraussetzungen erfüllte, und mußte dies gegenüber der KÄV nachweisen. Die KÄV führte eine Liste derjenigen psychologischen Verhaltenstherapeuten, bei denen ihr die bezeichneten fachlichen Voraussetzungen nachgewiesen worden waren, und gab diese den zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den örtlich zuständigen landwirtschaftlichen Krankenkassen bzw den Landesausschüssen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen bekannt. Wenn hiernach auch für die Prüfung, ob ein Psychologe die vorgeschriebenen fachlichen Voraussetzungen für das Delegationsverfahren erfüllte, die Initiative des beiziehenden Arztes im Vordergrund stand, so schloß dies jedoch nicht aus, daß der Psychologe mit einem eigenen Ersuchen an die zuständige KÄV ein Prüfungsverfahren in Gang setzen und ohne Vermittlung eines Arztes einen entsprechenden Bescheid über seine Befähigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren erwirken konnte. Die Zulässigkeit eines derart eigenständigen Prüfungsverfahrens, das der Hinzuziehung des nichtärztlichen Psychotherapeuten durch einen delegationsbefugten Arzt im konkreten Einzelfall vorgeschaltet war, wurde durch die Neufassung der einschlägigen Regelungen in der ab 1. Juli 1988 geltenden PT-V und der Anlage 5 zum EKV-Ärzte (§ 4 Abs 3 und 4 bzw § 9 Abs 3 und 4) bestätigt. Die der Klägerin im Mai 1988 erteilte Genehmigung entsprach somit als Handlungsmöglichkeit im Grundsatz dem geltenden Recht und war insofern nicht von vornherein unbeachtlich.
Die rechtliche Gültigkeit der Genehmigung wurde durch die späteren Veränderungen der PT-V und der Anlage 5 zum EKV-Ärzte nicht beseitigt. Die Verschärfung der fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung nichtärztlicher Verhaltenstherapeuten zum Delegationsverfahren in § 3 der PT-V und § 8 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte, jeweils Fassung 1988, ließ die der Klägerin unter einfacheren Voraussetzungen erteilte Genehmigung unberührt. Gemäß den “Übergangsbestimmungen” in diesen Vereinbarungen – § 12 Abs 1 der PT-V, § 18 Abs 1 der Anlage 5 zum EKV-Ärzte – kann die Klägerin vielmehr im Rahmen ihrer bisherigen Berechtigung weiterhin tätig sein. Sie erhielt ihre Berechtigung zur Teilnahme an dem Delegationsverfahren auf der Grundlage der Vorschriften, die in den genannten Übergangsbestimmungen angeführt sind. Die weitere Voraussetzung für die Fortführung der bisherigen Berechtigung, daß “Psychotherapie in der kassenärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung erbracht” wurde, erfüllte sie zwar, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht. Dies steht aber der Anwendung der Vorschriften zu ihren Gunsten im obigen Sinn nicht entgegen:
Zu Recht hat das SG auf den Charakter der Übergangsbestimmungen als Besitzstands- und Vertrauensschutztatbestand hingewiesen. Gerade mit Rücksicht auf diese rechtliche Eigenart der Regelung ist es aber nicht gerechtfertigt, Fälle der Art, wie sie bei der Klägerin vorliegen, allein nach dem strengen Wortsinn der Formulierung “Psychotherapie … erbracht” zu beurteilen und damit die faktische Ausübung der Berechtigung zum maßgebenden Kriterium für deren Fortbestand zu machen. Stellt man nämlich auf den offensichtlichen Zweck der Übergangsbestimmungen ab, eine Antwort auf die Frage zu geben, was mit Berechtigungen geschehen sollte, die unter den vereinfachten Voraussetzungen des früheren Rechtes erteilt wurden, so hatte die getroffene Übergangsregelung eine zweifache Funktion: Zum einen wurde zum Ausdruck gebracht, daß mit der Neuregelung die bisher festgestellten Berechtigungen nicht grundsätzlich erloschen, sondern auch fortbestehen konnten. Zum anderen wurde dieser Fortbestand auf seinen ursprünglichen Umfang festgeschrieben, dh es wurde allein die Berechtigung zur Anwendung von Verhaltenstherapie geschützt, weil nur diese Gegenstand der Vereinbarungen von 1985 und 1986 war. Sachliche Veränderungen der Berechtigung, die sich möglicherweise aus der Neustrukturierung der Gesamtregelung ergeben konnten – vgl etwa nur die Zusammenfassung der Bezeichnungen “psychologischer Psychoanalytiker” und “psychologischer Verhaltenstherapeut” unter dem einheitlichen Begriff “psychologischer Psychotherapeut” gemäß § 3 Abs 4 der PT-V in der ab 1. Juli 1988 geltenden Fassung und die daran geknüpfte Möglichkeit vertraglicher Bestimmungen, die für beide Therapeutengruppen galten –, wurden damit ausgeschlossen. Stand hierdurch aber für die Übergangsbestimmungen die Berechtigung als solche im Mittelpunkt der Regelung, so würde es dem ersichtlichen Zweck der Regelung, einen einmal zu Recht zuerkannten rechtlichen Status aufrechtzuerhalten, widersprechen, wenn er mangels Umsetzung in eine praktische Tätigkeit auch in solchen Fällen verlorengegangen wäre, in denen eine derartige Umsetzung faktisch gar nicht erfolgen konnte. Hier würde der Besitz- und Vertrauensschutztatbestand im Ergebnis nicht an die erteilte Berechtigung, sondern an tatsächliche Verhältnisse geknüpft und damit ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt zum Ansatzpunkt der Schutzregelung genommen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die zur Teilnahme am Delegationsverfahren zulässigerweise Berechtigte wegen des kurzen zeitlichen Abstandes zwischen Erteilung der Genehmigung und Änderung der maßgeblichen Vorschriften real gar nicht mehr die Möglichkeit hatte, eine Psychotherapiemaßnahme “zu erbringen” (dh aber zum Abschluß zu bringen), führt die zweckgerechte Auslegung der Übergangsbestimmungen daher zu dem Ergebnis, daß allein auf die wirksame Erteilung der Berechtigung abzustellen ist. Diese aber war, wie bereits dargelegt, bei der Klägerin gegeben.
Mit Rücksicht auf diese Rechtslage kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahingestellt bleiben, ob und welche Bedeutung der – vom LSG nicht ausdrücklich festgestellte – Umstand hat, daß die Klägerin im Jahr 1989 von der KÄV Westfalen-Lippe nochmals die Genehmigung erhielt, Verhaltenstherapie als Einzeltherapie bei Erwachsenen im Delegationsverfahren anzuwenden. Die Hinzuziehung der Klägerin durch einen dazu berechtigten Arzt findet ihre rechtliche Grundlage bereits und für sich allein ausreichend in der Genehmigung vom 9. Mai 1988.
Die fortbestehende Berechtigung der Klägerin ist von der Beklagten entgegen ihrer Auffassung auch in ihrem Zuständigkeitsbereich für Delegationsverfahren durch dort dazu berechtigte Ärzte zu beachten. Dies ergibt sich sowohl aus der sachlichen Bedeutung der Berechtigung als auch dem Geltungsumfang, den § 4 Abs 3 der PT-V und § 4 Abs 3 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte (jeweils in der ab Oktober 1990 gültigen Fassung) bei einer erteilten Berechtigung gedanklich voraussetzen.
Als durch Verwaltungsakt erfolgte Regelung eines Einzelfalles iS des § 31 Satz 1 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) stellt die “Berechtigung zur Durchführung von Psychotherapie im Delegationsverfahren” iS der genannten Vorschriften inhaltlich ein Zeugnis über eine fachliche Befähigung des betreffenden Psychologen dar. Der Psychologe hat eine Qualifikation nach § 3 der PT-V bzw § 3 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte nachzuweisen. Diese Qualifikation besteht in einer abgeschlossenen akademischen Ausbildung an einer deutschen Universität oder Hochschule und einer spezifischen Zusatzausbildung an einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anerkannten Ausbildungsinstitut. In beiden Ausbildungsgängen erhält der Psychologe von den zuständigen Institutionen Zeugnisse über seine Befähigung, die prinzipiell abschließend und mit Dauerwirkung erteilt werden. Solange die Zeugnisse rechtlichen Bestand haben, sind die darin bescheinigten beruflichen Qualifikationen als gegeben zu behandeln.
Die der Klägerin im Mai 1988 erteilte, auch nach der Neufassung der einschlägigen Vorschriften fortbestehende Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren ist eine Berechtigung iS des § 4 Abs 3 der PT-V und des § 4 Abs 3 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte. Sie erbringt in gleicher Weise wie eine nach jetzt geltendem Recht erteilte Berechtigung den Nachweis der beruflichen Qualifikation, die zur Teilnahme am Delegationsverfahren vorausgesetzt wird, und reicht als derartiges Zeugnis für den beiziehenden Arzt aus, um sich iS des § 4 Abs 3 der PT-V bzw § 4 Abs 3 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte über die erforderliche Befähigung des Psychologen “zu vergewissern”. Inhaltliche Abweichungen der Berechtigung der Klägerin gegenüber einer nach neuem Recht erteilten Berechtigung, die sich daraus ergeben, daß die sachlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation des beizuziehenden Psychologen früher anders bestimmt waren als heute, sind hierfür mit Rücksicht auf die Übergangsbestimmungen des § 12 Abs 1 der PT-V und des § 18 Abs 1 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte (jeweils idF 1988) ohne Bedeutung.
Einer ‘Umschreibung’ oder ähnlichen förmlichen Übertragung der Berechtigung der Klägerin in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten bedarf es nicht. Die Gültigkeit der Berechtigung ist nicht auf den Zulassungsbezirk der KÄV Westfalen-Lippe beschränkt, sondern erstreckt sich auf den gesamten Geltungsbereich der PT-V und der Anlage 1 zum EKV-Ärzte, dh auf alle KÄVen in der Bundesrepublik. Zum Ausdruck gebracht ist diese umfassende räumliche Geltung im Wortlaut des § 4 Abs 3 der PT-V und des § 4 Abs 3 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte (idF von 1990) mit der Wendung, der zuziehende Arzt habe sich darüber zu vergewissern, daß die Berechtigung zur Durchführung von Psychotherapie im Delegationsverfahren “seitens einer Kassenärztlichen Vereinigung” erteilt wurde. Die Verwendung des unbestimmten Artikels “einer” kann im Vergleich mit anderen Vorschriften der PT-V und der Anlage 1 zum EKV-Ärzte sowie insbesondere mit dem nachfolgenden jeweiligen Abs 4, die für KÄVen den bestimmten Artikel verwenden, nur dahin verstanden werden, daß die KÄV, die die Berechtigung erteilt, mit der KÄV, in deren Zuständigkeitsbereich die Psychotherapie durchgeführt werden soll, nicht identisch zu sein braucht. Es genügt als Grundlage für die vorgeschriebene Vergewisserung vielmehr auch, daß eine beliebige KÄV aus der Gesamtzahl der in der Bundesrepublik vorhandenen KÄVen die Berechtigung erteilt hat und dieser Erteilungsakt im zuvor dargelegten Sinn weiterhin von Bestand ist. Eine Bindung an den Zuständigkeitsbereich einer bestimmten KÄV, wie sie für den beiziehenden Arzt hinsichtlich der KÄV seines Kassenarztsitzes besteht, gibt es für den zur Teilnahme am Delegationsverfahren (überhaupt einmal) berechtigten Psychologen nicht.
Aufgrund ihrer Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Aufnahme in die bei der Beklagten geführte Liste der zur Teilnahme am Delegationsverfahren berechtigten Verhaltenstherapeuten. Dieser Anspruch ergibt sich als folgerichtige Ergänzung der Regelung, nach der allein berechtigte Ärzte einen Diplom-Psychologen zu ihrer ärztlichen Tätigkeit hinzuziehen können. Nach § 2 der PT-V und § 2 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte, jeweils in der ab 1. Oktober 1990 gültigen Fassung, sind Ärzte nur mit Einwilligung der für ihren Kassenarztsitz zuständigen KÄV zu psychotherapeutischen Leistungen berechtigt. Entsprechend dem Status, den die Ärzte durch ihre Zulassung gemäß § 95 Abs 1 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes – GSG – vom 21. Dezember 1992, BGBl I S 2266) erlangen, sind sie lediglich für den Kassenarztsitz iS des § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V berechtigt und verpflichtet, vertragsärztlich tätig zu sein. Um ihnen die Durchführung ihrer Aufgabe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 72 Abs 1 SGB V in sachgerechter Weise zu ermöglichen, ist es für den Bereich der psychotherapeutischen Behandlung erforderlich, daß sie sich bei gegebenem Bedarf im konkreten Behandlungsfall bei der für sie zuständigen KÄV erkundigen können, welche Psychotherapeuten zum Delegationsverfahren zugelassen sind. Eine entsprechende Auskunft ist der KÄV aber nur möglich, wenn sie für die in ihrem Zuständigkeitsbereich ansässigen berechtigten Psychotherapeuten Listen iS des § 6 der PT-V und § 6 der Anlage 1 zum EKV-Ärzte führt. Die Eintragung in diese Liste ist ein bloß förmlicher Akt, der einzig die Prüfung voraussetzt, ob der psychologische Psychotherapeut den Nachweis seiner materiellen Berechtigung zur Durchführung von Psychotherapie im Delegationsverfahren bereits gegenüber einer der im Bundesgebiet bestehenden KÄVen gemäß § 4 Abs 3 der genannten Regelungen erbracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG, wobei der Senat berücksichtigt hat, daß durch die unzulässige Klageänderung zusätzliche und gesondert zu erstattende Kosten nicht entstanden sind.
Fundstellen