Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe. Äquivalenzprinzip. Beitrag. Bereitschaftsdienst. Differenzierung. Gleichbehandlungsgrundsatz. Kosten. Kostenbeitrag. Kostendeckungsprinzip. Mitgliedsbeitrag. Satzung. Sonderbeitrag. Ungleichbehandlung. Unkostenumlage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit der Erhebung eines Fuhrkostenbeitrages von am ärztlichen Notfalldienst der Kassenärztlichen Vereinigung teilnehmenden Nichtkassenärten (Fortführung von und Abgrenzung zu BSG SozR 2200 § 368m Nr 4).

 

Normenkette

RVO §§ 368, 368m; SGB V §§ 75, 81; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 09.09.1992; Aktenzeichen L 7 Ka 11/91)

SG Berlin (Urteil vom 27.03.1991; Aktenzeichen S 71 Ka 109/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. September 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Berlin erhebt aufgrund eines Beschlusses ihrer Vertreterversammlung vom 9. Dezember 1982 (Mitteilungsblatt der KÄV Berlin 1983, S 33) von den am ärztlichen Notfalldienst (NFD) teilnehmenden Nichtkassenärzten einen Kostenbeitrag von 10,-- DM pro Krankenbesuch. Der Kläger, der seit Februar 1985 in das Arztregister der Beklagten eingetragen und seit Juli 1985 als Kassenarzt zugelassen ist, wendet sich dagegen, daß in Anwendung dieser Regelung von seinem Honorar für Leistungen im NFD in der Zeit von Februar 1983 bis Juni 1985 ein Betrag von insgesamt 39.660,-- DM einbehalten worden ist. Seiner nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben (Urteil vom 27. März 1991); das Landessozialgericht (LSG) hat sie abgewiesen (Urteil vom 9. September 1992).

Nach Auffassung des LSG verletzt die Erhebung eines sog Fuhrkostenbeitrags weder Grundsätze des Beitrags- und Gebührenrechts noch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Rechtlich gesehen handele es sich um einen Mitgliedsbeitrag, zu dem der Kläger in seiner Eigenschaft als außerordentliches Mitglied der Beklagten kraft deren Satzung habe herangezogen werden dürfen. Anders als bei den im NFD tätigen Kassenärzten, bei denen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Erhebung eines speziellen, die übrigen Kassenärzte nicht treffenden Kostenbeitrags nur zum Zweck eines Vorteilsausgleichs in engen Grenzen zulässig sei, bestünden gegen eine gesonderte Heranziehung der Nichtkassenärzte zu den Kosten des NFD keine Bedenken. Durch die Vorhaltung der für die Notfallversorgung erforderlichen Einrichtungen entstünden der KÄV erhebliche Kosten, die durch das allgemeine Beitragsaufkommen nicht gedeckt seien. Da der teilnehmende Arzt von der Bereitstellung dieser Einrichtungen profitiere, sei es sachgerecht, ihn in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Daß von den notfalldiensttuenden Kassenärzten kein entsprechender Beitrag verlangt werde, rechtfertige sich daraus, daß diese bereits über die Verwaltungskostenumlage an der Finanzierung des NFD beteiligt seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verstöße gegen Grundsätze des für die KÄVen geltenden Beitrags- und Gebührenrechts sowie im Zusammenhang damit die Nichtbeachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes und eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör; darüber hinaus verstoße die angefochtene Entscheidung gegen Art 3 Abs 1 GG. Wie das BSG entschieden habe (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 3. September 1987 – 6 RKa 1/87 – in SozR 2200 § 368 m Nr 4), könne ein Sonderbeitrag von den am NFD teilnehmenden Kassenärzten nur zur Finanzierung solcher Aufwendungen verlangt werden, die diesen Ärzten einen besonderen Vorteil brächten. Dies müsse entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für Nichtkassenärzte in gleicher Weise gelten. Daß die Bereitstellung der Notfalldiensteinrichtungen den beteiligten Ärzten keinen nennenswerten finanziellen Vorteil verschaffe, werde auch von der Beklagten nicht bestritten. Die Feststellungen des LSG zur Erforderlichkeit der Beitragserhebung und zur Wahrung des Kostendeckungsprinzips seien verfahrensfehlerhaft zustandegekommen. Sie beruhten zum einen auf Zahlenmaterial, das die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt habe und zu dem er sich nicht mehr qualifiziert habe äußern können. Zum anderen stütze sich das angefochtene Urteil auf Kostenanalysen aus einem früheren Prozeß, deren Richtigkeit er unter Beweisantritt bestritten habe. Die unterschiedliche Behandlung von Kassenärzten und Nichtkassenärzten im NFD sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar. Zwischen beiden Gruppen gebe es in bezug auf die Modalitäten des Notfalldiensteinsatzes keine wesentlichen Unterschiede. Insbesondere werde auch bei Nichtkassenärzten die übliche Verwaltungskostenpauschale vom erwirtschafteten Honorar einbehalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. September 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 1991 zurückzuweisen;

hilfsweise:

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. September 1992 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Für die Beschränkung der Kostenbeitragspflicht auf Nichtkassenärzte gebe es hinreichende sachliche Gründe. Der Kläger verkenne, daß die von den Nichtkassenärzten aufgebrachte Verwaltungskostenumlage gerade den Abrechnungsaufwand für die im NFD erbrachten Leistungen decke, während der stetig abrechnende Kassenarzt durch seine Verwaltungskostenumlage nicht nur dazu beitrage, den Verwaltungsaufwand allgemein, sondern auch den NFD mitzufinanzieren. Für die Zulässigkeit der erhobenen Sonderabgabe spreche auch der Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit; denn im Unterschied zum Kassenarzt, der mit seinem Honorar auch die Praxiskosten decken müsse, trage der freiwillig am NFD teilnehmende Nichtkassenarzt in der Regel keinerlei wirtschaftliches Risiko.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der in den Honorarbescheiden für die Quartale I/1983 bis II/1985 verfügte Einbehalt von Kostenbeiträgen zur Finanzierung des ärztlichen NFD ist rechtmäßig.

Nach der vom LSG vorgenommenen rechtlichen Einordnung handelt es sich bei dem umstrittenen Kostenbeitrag um einen Mitgliedsbeitrag iS des § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung der Beklagten. Diese Bewertung beruht auf der Auslegung nicht revisiblen Rechts; sie ist daher gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 562 der Zivilprozeßordnung (ZPO) der revisionsgerichtlichen Prüfung als verbindliche Feststellung zugrunde zu legen. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 3. September 1987 – 6 RKa 1/87 – (SozR 2200 § 368 m Nr 4), in dem über die Zulässigkeit der Erhebung eines Kostenbeitrags von den im NFD tätigen Kassenärzten aufgrund der gleichen Satzungsbestimmung der KÄV Berlin zu entscheiden war, deutlich gemacht, daß es dem Satzungsgeber rechtlich unbenommen ist, den Beitragsbegriff, soweit es die jeweilige gesetzliche Ermächtigung zuläßt, in einem weitgefaßten Sinne zu verwenden und in eine entsprechende Regelung auch Entgelte einzubeziehen, die – wie der Fuhrkostenbeitrag – Elemente einer Benutzungsgebühr enthalten. Die gesetzliche Grundlage für das Vorgehen der Beklagten findet sich in § 368 m Abs 1 Satz 2 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung (vgl jetzt: § 81 Abs 1 Satz 3 Nr 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫), der den KÄVen vorschreibt, in ihre Satzung Bestimmungen über die Aufbringung der zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags erforderlichen Mittel aufzunehmen. Diese Vorschrift besagt weder, daß die KÄV nur Beiträge im engeren Sinne erheben dürfte, noch, daß sie alle Mitglieder nach einem einheitlichen Maßstab veranlagen müßte. Sie kann vielmehr Gegenleistungen für die Inanspruchnahme besonderer Einrichtungen verlangen und die Höhe solcher Unkostenumlagen nach den Vorteilen bestimmen, die ihren Mitgliedern aus der Benutzung der betreffenden Einrichtungen erwachsen. Regelungstechnisch reicht es aus, wenn die Satzung die grundlegenden Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthält; die betragsmäßige Festsetzung der Beiträge (Unkostenumlagen) kann einer anderen normativen Regelung der Vertreterversammlung überlassen werden (BSG aaO mwN). Der hier maßgebende Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 9. Dezember 1982 bildet somit eine für die Beitragserhebung ausreichende formale Rechtsgrundlage.

Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung, daß der Kläger in dem streitbefangenen Zeitraum von der Regelung dieses Beschlusses erfaßt wurde. Die Begründung des LSG, er sei nicht erst seit der Eintragung in das Arztregister im Februar 1985, sondern schon ab Januar 1983 kraft Satzung außerordentliches Mitglied der Beklagten und damit deren Satzungs- und Regelungsgewalt unterworfen gewesen, begegnet allerdings Bedenken. Die als Beleg angeführte Bestimmung (§ 2 Abs 3 der Satzung der Beklagten) gibt für das Bestehen eines derartigen Mitgliedschaftsverhältnisses nichts her. Abgesehen davon, bestünden Zweifel an der Vereinbarkeit einer solchen Satzungsregelung mit dem maßgebenden Gesetzesrecht. Der Kreis der (Pflicht-)Mitglieder der KÄV ist nämlich in § 368k Abs 4 RVO aF (jetzt: § 77 Abs 3 SGB V) abschließend festgelegt, so daß für eine Einbeziehung weiterer Ärzte – auch auf freiwilliger Basis – keine Grundlage bestehen dürfte (vgl auch die Regelung in § 368 m Abs 1 Satz 2 Nr 3 RVO aF ≪jetzt: § 81 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB V≫, die dem Satzungsgeber lediglich die Bestimmung der Rechte und Pflichten der gesetzlichen Mitglieder, nicht aber die Festlegung des Mitgliederkreises selbst überläßt).

Diese Frage kann indessen auf sich beruhen, weil sich die Verpflichtung zur Zahlung der Unkostenumlage auch auf diejenigen Ärzte erstreckt, die im Zeitpunkt ihrer Mitwirkung im NFD nicht Mitglieder der KÄV waren. Das folgt daraus, daß diese Ärzte sich aus freien Stücken und in Kenntnis der maßgebenden vertraglichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen an der kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Versorgung beteiligen und sich diesen Bestimmungen damit unterwerfen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob – was das LSG nicht festgestellt hat – die Beteiligung von Nichtkassenärzten am NFD im Bezirk der Beklagten durch formelle Ermächtigung (Verwaltungsakt) oder auf vertraglicher Grundlage erfolgt.

Trifft letzteres zu, so ergibt sich die Befugnis zur Einbehaltung des Kostenbeitrags ohne weiteres aus der vertraglichen Vereinbarung, mit der der Arzt sich bereit erklärt, zu den allgemein für Nichtkassenärzte geltenden Bedingungen im NFD mitzuarbeiten. Aber auch im Falle einer einseitigen Ermächtigung durch die KÄV gilt nichts anderes. Mit seinem Antrag, im Rahmen der Notfallversorgung eingesetzt zu werden, akzeptiert der Arzt, daß dies zu den Modalitäten geschieht, die auch für die im Mitgliedschaftsverhältnis zur KÄV stehenden Nichtkassenärzte gelten. Damit unterstellt er sich nicht der Satzungsgewalt der Beklagten, erklärt sich aber damit einverstanden, daß die für Mitglieder geltenden Regelungen auf ihn übertragen werden. Die Ermächtigung wird daher in diesen Fällen von vornherein mit der Maßgabe erteilt, daß der ermächtigte Arzt sich mit einer dem Mitgliedsbeitrag entsprechenden Abgabe an den Kosten des NFD zu beteiligen hat. Daß auch Nicht mitgliedern der KÄV eine solche Abgabe abverlangt wird, ist rechtlich unbedenklich, weil der Kostenbeitrag nicht an spezifische Rechte und Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis anknüpft, sondern sich im wesentlichen als ein Benutzungsentgelt darstellt.

Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß die umstrittene Satzungsregelung mit den für das Kassenarztrecht geltenden Grundsätzen des Beitrags- und Gebührenrechts in Einklang steht. Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf die Rechtsprechung des Senats in dem bereits erwähnten Urteil vom 3. September 1987 (SozR 2200 § 368 m Nr 4), wonach eine Sonderabgabe, die die KÄV lediglich von einem Teil ihrer Mitglieder erhebt, nur zulässig ist, soweit den abgabepflichtigen Ärzten aus der Inanspruchnahme von Einrichtungen oder Dienstleistungen der KÄV besondere Vorteile erwachsen, die mit den Aufwendungen, zu deren Finanzierung die Abgabe bestimmt ist, in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Solche Vorteile seien jedoch, wie das LSG festgestellt habe und die Beklagte selbst einräume, nicht gegeben.

Diese Argumentation verkennt, daß sich die angeführte Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Sonderbeiträgen allein auf die am NFD teilnehmenden Kassenärzte bezieht und mit deren besonderer Stellung innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems begründet wird. Der Senat hat daraus, daß die Kassenärzte von Gesetzes wegen zur Teilnahme an der ärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen und damit auch an dem zur Sicherstellung dieser Versorgung eingerichteten Not- und Bereitschaftsdienst verpflichtet sind, gefolgert, daß die KÄV ihre zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags erforderlichen Aufwendungen grundsätzlich auf alle Kassenärzte nach einem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen hat. In Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung aller Kassenärzte, die notwendigen Aufwendungen der KÄV anteilig zu tragen, muß eine auf eine Gruppe von Kassenärzten beschränkte und mit der Gewährung von Vorteilen begründete Sonderabgabe dem Äquivalenzprinzip in besonderer Weise entsprechen mit der Folge, daß eine Beschränkung der zur Finanzierung des NFD bestimmten Umlage auf die am NFD teilnehmenden Kassenärzte nur in bezug auf solche Aufwendungen zulässig ist, die diesen Ärzten zum Vorteil gereichen (BSG aaO S 9 ff). Auf Nichtkassenärzte lassen sich diese Erwägungen nicht übertragen. Da sie ausschließlich auf freiwilliger Basis im NFD mitwirken, trifft sie – anders als die Kassenärzte – keine Verpflichtung, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme zur Aufbringung der finanziellen Mittel für die Organisation und Unterhaltung des Dienstes beizutragen. Damit entfällt aber der maßgebliche Grund für die Einengung des Regelungsspielraums der KÄV in bezug auf die Erhebung der in Rede stehenden Unkostenumlage.

Freilich gilt auch für die Heranziehung von Nichtkassenärzten zu einem Kostenbeitrag das Äquivalenzprinzip in dem Sinne, daß die dem Abgabepflichtigen gewährten Leistungen oder Vorteile und die von ihm geforderte Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Dieser Grundsatz verbietet es dem Satzungsgeber, den Beitrag so zu bestimmen, daß er in einem krassen Mißverhältnis zu den mit der Teilnahme am NFD verbundenen Vorteilen steht. Das ist hier indessen beachtet worden. Das LSG hat mit Recht darauf abgehoben, daß der Kläger erst durch die Einteilung zum NFD und die Benutzung der dafür von der Beklagten vorgehaltenen Einrichtungen in die Lage versetzt worden ist, überhaupt an der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten teilzunehmen und sich hierdurch Einnahmen in beträchtlicher Höhe zu verschaffen. Eine Abgabe, die sich nach den tatrichterlichen Feststellungen im konkreten Fall auf ca 17 % des Gesamthonorarumsatzes belaufen hat, erscheint bei dieser Sachlage nicht unangemessen.

Die streitige Satzungsbestimmung verstößt auch nicht gegen das Gebot, von den im NFD tätigen Ärzten keine Beiträge zu verlangen, die zur Finanzierung der erforderlichen Einrichtungen und sonstigen Aufwendungen nach Grund oder Höhe nicht erforderlich sind (sog Kostendeckungsprinzip). Das LSG hat festgestellt, daß die für die Unterhaltung des NFD zu erbringenden Aufwendungen vor der Einführung des Fuhrkostenbeitrags am 1. Januar 1983 erheblich höher waren als die zur Verfügung stehenden Einnahmen und daß der Dienst auch noch in den Jahren 1983 bis 1985 trotz der hinzugekommenen Beitragseinnahmen weiter defizitär betrieben wurde. Diese Feststellungen sind für den Senat gemäß § 163 SGG bindend; die gegen sie vorgebrachten Verfahrensrügen greifen nicht durch.

Die Behauptung, die Feststellungen zur Kostensituation des NFD seien unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustandegekommen, wird ua damit begründet, daß der Kläger sich zu der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 9. September 1992 kurzfristig vorgelegten Kostenaufstellung für die Jahre 1987 und 1988 nicht mehr qualifiziert habe äußern können. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, daß das LSG das in dieser Aufstellung enthaltene Zahlenmaterial überhaupt für die Urteilsfindung verwertet hätte; es wird im Urteil nicht erwähnt und kann für die Entscheidung schon deshalb keine Bedeutung gehabt haben, weil es sich auf einen Zeitraum bezieht, der im Prozeß nicht streitig war. Bei dieser Sachlage hätte näher dargelegt werden müssen, inwiefern die vorgelegten Unterlagen gleichwohl entscheidungserheblich gewesen sein sollen. Was die vom Berufungsgericht zugrundegelegten Zahlenangaben aus dem Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1989 betrifft, will der Kläger offenbar geltend machen, er sei von deren Verwertung überrascht worden, nachdem er ihre Richtigkeit im Prozeß bestritten und das Gericht insoweit keinen Beweis erhoben habe. Dieser Vortrag ist insofern widersprüchlich, als der Kläger selbst gerade behauptet, zu den Berechnungen der Beklagten – wenn auch nur durch Bezugnahme auf Ausführungen in früheren Verfahren – Stellung genommen und seinen gegenteiligen Standpunkt mit Beweisantritt dargelegt zu haben. Unabhängig davon kann das Aufgreifen tatsächlichen Vorbringens, das Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war und auf das der angefochtene Verwaltungsakt in einem wesentlichen Punkt gestützt ist, allenfalls dann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs beinhalten, wenn das Gericht zu erkennen gegeben hatte, daß es dieses Vorbringen nicht für entscheidungsrelevant halte, und die Beteiligten dadurch von weiteren Ausführungen abgehalten hat. Dazu ist nichts vorgetragen worden. Soweit im gleichen Zusammenhang eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) geltend gemacht wird, fehlt es ebenfalls an einer ordnungsgemäßen Rüge. Eine solche setzt voraus, daß die Vorgänge, aus denen der Verfahrensmangel hergeleitet wird, so genau bezeichnet werden, daß das BSG allein durch die Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob der Verfahrensmangel vorliegt und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (BSG SozR 1500 § 164 Nr 28). Die Tatsachen, die den Mangel ergeben, müssen deshalb in der Revisionsbegründung selbst aufgeführt werden; eine Verweisung auf frühere Schriftsätze, noch dazu solche, die, wie im vorliegenden Fall, ihrerseits wieder auf Schriftsätze in einem früheren Prozeß zwischen anderen Beteiligten verweisen, reicht nicht aus (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl, § 164 RdNr 12 mwN). Darüber hinaus muß bei der Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht dargelegt werden, warum das Gericht sich zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen mußte, welche weitere Beweiserhebung erforderlich gewesen wäre und zu welchem Ergebnis sie geführt hätte All das ist hier nicht geschehen.

Schließlich verstößt die Heranziehung der Nichtkassenärzte zu einem Fuhrkostenbeitrag, wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Dieser Grundsatz ist nicht deshalb verletzt, weil von den am NFD teilnehmenden Kassenärzten kein entsprechender Beitrag erhoben wird. Art 3 Abs 1 GG verbietet Differenzierungen nur insoweit, als zwischen den betroffenen Gruppen von Normadressaten keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, entscheidet regelmäßig der Normgeber selbst. Er kann grundsätzlich die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen will. Sein Spielraum endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte offenkundig nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise vereinbar ist (BVerfGE 71, 39, 58; 71, 255, 271; vgl auch BSGE 70, 240 = SozR 3-5533 Allg Nr 1).

Ein ausreichendes Differenzierungskriterium, das die unterschiedliche Behandlung der am NFD teilnehmenden Kassenärzte und Nichtkassenärzte in bezug auf die Erhebung eines Kostenbeitrages rechtfertigt, besteht darin, daß die beiden Gruppen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ganz unterschiedlichem Umfang an der Aufbringung der Mittel für den ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst beteiligt sind. Während die niedergelassenen Kassenärzte – einerlei, ob sie tatsächlich im NFD eingesetzt sind oder nicht – über die aus ihrem gesamten Honorarumsatz errechnete Verwaltungskostenumlage wesentlich zur Finanzierung des Dienstes beitragen, erbringen die Nichtkassenärzte in Gestalt der allein aus den Notfalldiensthonoraren berechneten Umlage einen weit geringeren Beitrag, der gerade ausreicht, um die Kosten der Honorarabrechnung zu decken. Sie nehmen also, wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, an einem für sie im wesentlichen fremdfinanzierten System der kassenärztlichen Versorgung teil. Hinzu kommt, daß sie dies freiwillig tun, anders als der Kassenarzt also selbst bestimmen, ob sie im NFD tätig werden, und damit aber auch, ob sie sich an dessen Kosten beteiligen wollen. Diese in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestehenden Unterschiede zwischen der Situation des am NFD teilnehmenden Kassenarztes einerseits und der eines Nichtkassenarztes andererseits rechtfertigen die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Erhebung einer Unkostenumlage. Ob darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch die vom LSG angeführten Unterschiede hinsichtlich der Kostenbelastung niedergelassener Kassenärzte einerseits und nicht niedergelassener Nichtkassenärzte andererseits als Differenzierungsgesichtspunkte herangezogen werden können, bedarf keiner Entscheidung.

Das angefochtene Urteil war damit zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 iVm Abs 4 Satz 1 SGG. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beklagten auf den im Rechtsstreit unterlegenen Kläger kam nicht in Betracht, weil die mit Wirkung vom 1. Januar 1993 in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 193 Abs 4 Satz 2 SGG auf Rechtsmittelverfahren, in denen das Rechtsmittel vor diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, keine Anwendung findet (Urteil des 3. Senats des BSG vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915590

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