Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenzeiten, glaubhaft gemachte. 5/6 Kürzung. Entgelt Tagesprinzip. Monatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anrechnung und die Bewertung glaubhaft gemachter Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG richtet sich bei dem Personenkreis des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG allein nach § 19 Abs. 2 FRG und Art. 6 § 5 FANG; § 26 FRG in der vom 1.7.1990 bis 31.12.1991 geltenden Fassung findet insoweit keine Anwendung.

 

Normenkette

FANG Art. 6 §§ 4, 5 (Fassung: 18.12.1989); FRG §§ 19, 22, 26 (Fassung: 18.12.1989); RRG 1992 Art. 15-16

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 20.11.1992; Aktenzeichen L 5 J 22/92)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.02.1992; Aktenzeichen S 27 J 1415/90)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. November 1992 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung eines höheren Altersruhegeldes; streitig ist, ob die Beklagte bei der Bemessung dieser Leistung die nach dem Fremdrentengesetz (FRG) als glaubhaft gemacht anerkannten Beitragszeiten nach dem „Tagesprinzip” berechnen und (neben den Zeiträumen) auch die Entgelte auf fünf Sechstel kürzen durfte.

Der am 2. August 1927 geborene Kläger arbeitete in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR als Schlosser. Im Oktober 1950 übersiedelte er endgültig nach Berlin (West).

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 4. Dezember 1989 stellte die Beklagte bei dem Kläger in einem Versicherungsverlauf ua die Zeiten

vom 08.10.1946 bis 31.10.1946

1 Monat

185,00 RM

vom 01.11.1946 bis 31.12.1946

2 Monate

370,00 RM

vom 01.01.1947 bis 31.08.1947

7 Monate

1.316,00 RM

vom 16.04.1948 bis 30.04.1948

1 Monat

224,00 RM

vom 01.05.1948 bis 15.09.1948

5 Monate

1.120,00 RM/DM

als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem FRG fest.

Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Juli 1990 Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ab 1. Juli 1990 aufgrund eines am 30. Juni 1990 eingetretenen Versicherungsfalls. Dabei legte sie der Berechnung ua diese FRG-Zeiten mit nunmehr auf fünf Sechstel gekürzten Entgelten zugrunde; im einzelnen errechnete sie die Entgelte tageweise, setzte also für nur an einzelnen Tagen eines Monats ausgeübte Beschäftigungen den darauf entfallenden Bruchteil des betreffenden Jahresarbeitsentgelts der Tabelle in Anlage 5 zum FRG an und kürzte die so erhaltenen Teil- sowie die vollen Monatsbeträge um ein Sechstel:

vom 08.10.1946 bis 31.10.1946

1 Monat

123,33 RM

vom 01.11.1946 bis 31.12.1946

2 Monate

308,33 RM

vom 01.01.1947 bis 31.08.1947

7 Monate

1.253,33 RM

vom 16.04.1948 bis 30.04.1948

1 Monat

93,33 RM

vom 01.05.1948 bis 15.09.1948

5 Monate

840,00 RM/DM.

Zur Begründung führte sie an, die Vorschriften des FRG seien zum 1. Juli 1990 geändert, insbesondere sei die Bewertung der Zeiten neu geregelt worden. Die nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten seien der Berechnung entsprechend der neuen Rechtslage zugrunde gelegt worden. Die früher ergangenen Bescheide über die Feststellung dieser Zeiten würden aufgehoben, soweit sie nicht dem ab 1. Juli 1990 geltenden Recht entsprächen. Der vom Kläger hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1990).

Auf die von dem Kläger erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Berlin (SG) die Beklagte mit Urteil vom 11. Februar 1992 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, das Altersruhegeld neu zu berechnen und dabei die Entgelte für die glaubhaft gemachten Versicherungszeiten vom 8. Oktober 1946 bis zum 15. September 1948 ungekürzt zu berücksichtigen. In Ausführung dieses Urteils stellte die Beklagte das Altersruhegeld unter dem Vorbehalt der Rückforderung überzahlter Beträge für den Fall ihres Obsiegens mit Bescheid vom 5. August 1992 neu fest.

Die von der Beklagten bei dem Landessozialgericht Berlin (LSG) eingelegte Berufung blieb erfolglos (Urteil vom 20. November 1992). In den Entscheidungsgründen führte das LSG aus: Gegenstand des Rechtsstreits sei allein der Bescheid vom 19. Juli 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. November 1990, nicht jedoch der Ausführungsbescheid vom 5. August 1992. Die Beklagte habe den glaubhaft gemachten FRG-Zeiten anteilmäßig die Entgelte zugrunde zu legen, die sich aus der Anlage 5 zum FRG ergäben, ohne sie zusätzlich noch um ein Sechstel zu kürzen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 FRG in der vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung seien nicht nachgewiesene Beitragszeiten auf fünf Sechstel zu kürzen, wobei auf volle Monate aufzurunden sei. Zum Ausgleich für die Streichung dieser Vorschrift, die der Systematik des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) nicht mehr entspreche, zum 1. Januar 1992 würden nach § 22 Abs. 3 FRG in der dann geltenden Fassung die für nicht nachgewiesene Beitragszeiten ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt. Die nach Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) an Stelle von § 22 Abs. 1 FRG für Rentenbezugszeiten ab 1. Juli 1990 anzuwendende Vorschrift des Art. 6 § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a FANG entspreche der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a FRG, die bis zum 30. Juni 1990 gegolten habe und nach der keine Kürzung der Entgelte, sondern nur im Rahmen des § 26 FRG eine „anteilmäßige” Berücksichtigung der Bruttojahresarbeitsentgelte der Tabellen der Anlage 5 oder 7 zum FRG nach dem „Monatsprinzip” stattgefunden habe. Aus der Regelung in Art. 6 § 5 Abs. 4 FANG könne nicht auf die Geltung des „Tagesprinzips” geschlossen werden, weil damit § 26 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung wortgetreu übernommen worden sei. Erst mit Wirkung vom 1. Januar 1992 würden die nach § 22 Abs. 1 FRG zuzuordnenden Entgeltpunkte zwar wiederum „anteilmäßig” berücksichtigt, wenn Beitragszeiten nur für einen Teil des Kalenderjahres angerechnet würden; dabei gelte das „Monatsprinzip” aber nur noch für die Zeiten und nicht mehr für die Werte, für die das „Tagesprinzip” anzuwenden sei. Die Kürzung der für nicht nachgewiesene Beitragszeiten ermittelten Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 3 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung um ein Sechstel ersetze dann die Kürzung der Zeiten nach § 19 Abs. 2 FRG aF. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Bestimmung für die Übergangszeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 könne nur der Schluß gezogen werden, daß jedenfalls bei dem Personenkreis des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG eine Kürzung der Tabellenwerte für glaubhaft gemachte Beitragszeiten nicht stattfinde. Inwiefern die Beibehaltung der bis zum 30. Juni 1990 ohnehin geltenden Regelung in der Übergangszeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 eine gesetzliche „Lücke” darstellen könne, die durch erst ab 1. Januar 1992 geltendes Recht geschlossen werden müßte, sei nicht ersichtlich.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 26 FRG und Art. 6 § 4 Abs. 3 iVm § 5 FANG – jeweils in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung – sowie gegen § 22 Abs. 4 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung. Die Änderungen des FRG durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261 ≪RRG 1992≫), die vorrangig eine Verstärkung der Eingliederung und Gleichbehandlung des betroffenen Personenkreises sowie eine Beseitigung von Begünstigungen gegenüber einheimischen Versicherten bezweckten, hätten ursprünglich mit dem SGB VI am 1. Januar 1992 in Kraft treten sollen; durch das auf den 1. Juli 1990 vorverlegte Inkrafttreten eines großen Teils der geänderten Vorschriften sei jedoch eine Übergangsregelung erforderlich geworden, mit der diese Vorschriften an das bisherige Recht angepaßt, die anderen Regelungen aber beibehalten und insbesondere der Regelungsinhalt des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in Art. 6 § 5 FANG übernommen worden seien. Nach Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG finde im Falle des Klägers das FRG in der Weise Anwendung, daß Art. 6 § 5 FANG an Stelle von § 22 Abs. 1 FRG gelte. Damit bleibe § 26 Satz 2 bis 4 FRG mit der Folge unberührt, daß das „Tagesprinzip” bereits vom 1. Juli 1990 an anzuwenden sei; anderenfalls gingen die dort getroffenen Regelungen ins Leere und der Wille des Gesetzgebers würde unterlaufen. Auch aus Gründen der Praktikabilität bedinge das Nebeneinander von „Monats”- und „Tagesprinzip” in Fällen der vorliegenden Art. eine Trennung der zeitlichen und wertmäßigen Kürzung nicht nachgewiesener Zeiten und damit eine entsprechende neue Auslegung des Begriffs „anteilmäßig” in Art. 6 § 5 Abs. 4 FANG. Für die wertmäßige Kürzung komme auch eine Lückenschließung durch analoge Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des SG Berlin vom 11. Februar 1992 sowie des LSG Berlin vom 20. November 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist gemäß §§ 165, 153 Abs. 1, 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 1990. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Bescheid vom 5. August 1992 nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Ein Bescheid, mit dem – wie hier – in Ausführung eines Urteils Leistungen unter Vorbehalt bewilligt werden, trifft nur eine vorläufige Regelung; er wird hinfällig, wenn das Urteil, auf dem er beruht, aufgehoben wird und deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. BSGE 9, 169, 170; BSG SozR Nr. 18 zu § 96 SGG).

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte bei der Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers die glaubhaft gemachten fremden Beitragszeiten zwar um ein Sechstel kürzen durfte, nicht aber die der Bewertung dieser Zeiten zugrunde zu legenden Entgelte.

Der Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld und dessen Berechnung richten sich noch nach den bis zum Inkrafttreten des SGB VI geltenden Vorschriften, denn der Rentenantrag ist bereits am 28. April 1990 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs. 2 SGB VI, vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29). Soweit dabei Versicherungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind, gelten besondere Vorschriften.

Die Anrechnung und die Bewertung von nicht nachgewiesenen – also nur glaubhaft gemachten – FRG-Zeiten erfolgte bis zum 30. Juni 1990 einheitlich für alle Berechtigten. Für Jedes einzelne Jahr wurden fünf Sechstel als Beitrags- oder Beschäftigungszeit (§§ 15, 16 FRG) angerechnet, wobei die gekürzten Zeiten auf volle Monate aufgerundet wurden. Zeiten von mindestens zehnjähriger Dauer bei demselben Arbeitgeber wurden ungekürzt in vollem Umfang angerechnet (§ 19 Abs. 2 FRG). Die Zeiten wurden in der Weise bewertet, daß zur Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage für die der Arbeiterrentenversicherung zuzuordnenden Zeiten die der jeweiligen Leistungsgruppe entsprechenden Bruttojahresarbeitsentgelte der Tabellen der Anlagen 5 oder 7 zum FRG zugrunde gelegt wurden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a FRG). Wurden Zeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, so wurden bei der Anwendung der Tabellen nach Anlagen 5 oder 7 die Bruttojahresarbeitsentgelte nur „anteilmäßig” berücksichtigt (§ 26 FRG), wobei als kleinste Einheit der Kalendermonat galt („Monatsprinzip”). Unter Anwendung dieser Regelung hat die Beklagte die streitigen Beitragszeiten in dem Bescheid vom 4. Dezember 1989 festgestellt. Tatsächlich um einen Monat gekürzt wurde nur die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August 1947, während die anderen Zeiten ungekürzt blieben, weil wegen der Aufrundungsvorschrift nur Zeiten von mehr als fünf Monaten Dauer der (zeitlichen) Kürzung unterlagen (vgl. Verbandskommentar, Stand Juli 1990, § 19 FRG RdNr. 4.32).

Mit dem RRG 1992 werden Anrechnung und Bewertung der FRG-Zeiten ab 1. Juli 1990 neu geregelt. Abschnitt A des Art. 16 RRG 1992 enthält die Neufassung der Vorschriften zum 1. Januar 1992 (Inkrafttreten des Hauptrechts des SGB VI), Abschnitt B die Fassung der Vorschriften in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991. Die durch Art. 16 RRG 1992 neu gefaßte Übergangsvorschrift des Art. 6 § 4 FANG, die am 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist (Art. 85 Abs. 6 RRG 1992), bestimmt, welche Fassung der Vorschriften des FRG mit welcher Maßgabe nunmehr jeweils anzuwenden ist.

Bestand bereits vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente, so ist danach das FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung ohne weitere Modifikationen weiter anzuwenden (Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 FANG idF des Art. 16 Nr. 1 RRG 1992). Für alle übrigen Fälle gilt eine für verschiedene Personengruppen und verschiedene Zeiträume unterschiedliche Regelung.

In der Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 gilt für den Umfang der Anrechnung von glaubhaft gemachten Zeiten zunächst weiterhin § 19 Abs. 2 FRG; gestrichen wurde lediglich der 2. Halbsatz des Abs. 2 Satz 1, der die volle Anrechnung für Versicherte zum Inhalt hatte, die mindestens zehn Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren. Die Zeiten werden also wie bisher auf fünf Sechstel gekürzt und auf volle Monate aufgerundet. Erst zum 1. Januar 1992 wurde § 19 Abs. 2 FRG gestrichen (Art. 15 Abschnitt A Nr. 5 Buchstabe a, Art. 85 Abs. 1 RRG 1992).

Die Bewertung der glaubhaft gemachten Zeiten ist in diesem Zeitraum (1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1991) differenziert geregelt. Die allgemeine Regelung findet sich in §§ 22, 26 FRG idF des Art. 16 Abschnitt B Nrn 3, 5 RRG 1992. Danach werden für diese Zeiten Werteinheiten nach der Anlage 17 zum FRG durch Vervielfältigung der dort genannten Werte, die nach Wirtschaftsbereichen und Leistungsgruppen gestaffelt sind, ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FRG idF des Art. 16 Abschnitt B Nr. 3 RRG 1992). Werden Zeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, so werden die Werte nur „anteilmäßig” berücksichtigt (§ 26 Satz 1 FRG idF des Art. 16 Abschnitt B Nr. 3 RRG 1992).

Eine Sonderregelung gilt für Berechtigte, die bis zum 30. Juni 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und einen Anspruch auf Zahlung einer Rente für einen Zeitraum frühestens vom 1. Juli 1990 an haben. Gemäß Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG ist das FRG dann mit der Maßgabe anzuwenden, daß Art. 6 § 5 FANG an Stelle von § 22 Abs. 1 FRG (in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung) gilt. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor; er hat bereits 1950 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin (West) genommen und (erst) ab 1. Juli 1990 Anspruch auf Zahlung von Altersruhegeld.

Nach dem danach anzuwendenden § 19 Abs. 2 Satz 1 FRG in der nach Art. 15 Abschnitt B Nr. 2 RRG 1992 vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung hat die Beklagte die streitigen Beitragszeiten in dem angefochtenen Bescheid – wie bereits in dem Bescheid vom 4. Dezember 1989 – auch auf fünf Sechstel gekürzt anerkannt.

Darüber hinaus hat sie aber auch eine Kürzung der diesen Zeiten zugrunde gelegten Werte vorgenommen. Hierfür fehlt die Rechtsgrundlage. § 22 Abs. 4 FRG idF des Art. 15 Abschnitt A Nr. 8 RRG 1992 (bzw § 22 Abs. 3 FRG idF des Art. 14 Nr. 20 Buchstabe b des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 BGBl I, S 1606 ≪RÜG≫), der eine entsprechende Kürzungsmöglichkeit (der Entgeltpunkte) vorsieht, ist erst am 1. Januar 1992 in Kraft getreten (Art. 85 Abs. 1 RRG 1992), auf einen in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 entstandenen Rentenanspruch also nicht anwendbar. Er soll die Kürzungsvorschrift des § 19 Abs. 2 FRG ersetzen, der mit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift außer Kraft tritt (Art. 15 Abschnitt A Nr. 5 Buchstabe a, Art. 85 Abs. 1 RRG 1992; vgl. BT-Drucks 11/5530, S 66 zu Nr. 7; Verbandskommentar, Stand Juli 1990, § 19 FRG RdNr. 6). Die Kürzung auf fünf Sechstel des zeitlichen Umfangs nicht nachgewiesener Beitrags- oder Beschäftigungszeiten entspricht nämlich nicht der Systematik des SGB VI, nach dessen Rentenformel (§ 64 SGB VI) nicht mehr auf Versicherungsjahre als zeitlichen Rentenberechnungsfaktor, sondern nur noch auf nach Beitragstagen zu ermittelnde Werte (Entgeltpunkte, s. § 66 SGB VI) abgestellt wird (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ≪11. Ausschuß≫, BT-Drucks 11/5530, S 65 zu Nr. 4). Diese Umstellung soll gleichzeitig sicherstellen, daß eine Kürzung – unabhängig von der Dauer des zu kürzenden Zeitraums – gleichmäßig wirkt und daß bisher durch Aufrundung eingetretene ungerechtfertigte Besserstellungen gegenüber einheimischen Versicherten vermieden werden (BT-Drucks 11/5530, S 66 zu Nr. 7). Aus der Regelung in ihrer zeitlich aufeinander abgestimmten Abfolge und dem systematischen Zusammenhang wird die Absicht des Gesetzgebers deutlich, die wertmäßige Kürzung der nicht nachgewiesenen Beitrags- und Beschäftigungszeiten um ein Sechstel erst zusammen mit dem neuen Rentenrecht des SGB VI, das sie vordringlich erforderlich machte, in Kraft zu setzen. Eine planwidrige verdeckte Lücke im Gesetz, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen wäre, ist nicht erkennbar.

Aus den für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Vorschriften über die Zuordnung der Entgelte folgt keine entsprechende Kürzungsmöglichkeit. Nach Art. 6 § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a FANG, der hier gemäß Art. 2 § 4 Abs. 3 FANG (ab 1. Juli 1990) an Stelle des § 22 Abs. 1 FRG (in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung des Art. 15 Abschnitt B Nr. 3 RRG 1992) Anwendung findet, sind für Zeiten vom 29. Juni 1942 an zur Ermittlung der maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage die Bruttojahresarbeitsentgelte der Tabellen der Anlage 5 oder 7 des FRG zugrunde zu legen, wenn die Zeiten (wie hier) der Arbeiterrentenversicherung zuzurechnen sind. Diese Vorschrift übernimmt den Regelungsinhalt des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung (vgl. BT-Drucks 11/5530, S 67 zu Abschnitt B; Gerhard, Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 1990, 389, 396). Sind glaubhaft gemachte Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nur für einen Teil des Kalenderjahres anzurechnen, werden bei Anwendung dieser Tabellen die Bruttojahresarbeitsentgelte nur „anteilmäßig” berücksichtigt (Art. 6 § 5 Abs. 4 FANG). Der Wortlaut des Abs. 4 entspricht dem des § 26 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung. Aus der wörtlichen Übernahme dieser Vorschrift, bei der nach hM ebenfalls das „Monatsprinzip” galt und die eine Kürzung der zugrunde zu legenden Entgelte nicht kannte, muß auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, für den Personenkreis nach Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG den bisherigen Rechtszustand für den Übergangszeitraum bis 31. Dezember 1991 beizubehalten.

Daran ändert die am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Neufassung des § 26 FRG für diesen Zeitraum (Art. 15 Abschnitt B Nr. 5 FRG) nichts. Satz 1 dieser Vorschrift, der eine „anteilmäßige” Berücksichtigung von Werten für den Fall vorsieht, daß Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nur für einen Teil des Kalenderjahres angerechnet werden, bezieht sich auf § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung (Art. 15 Abschnitt B Nr. 2 RRG 1992) und soll eine redaktionelle Anpassung an den (neuen) Regelungsinhalt dieser Vorschrift bewirken (BT-Drucks 11/5530, S 67 zu Abschnitt B Nr. 5 iVm S 66 zu Abschnitt A Nr. 11). Für den Personenkreis des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG gilt § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in dieser Fassung aber nach seinem klaren Wortlaut nicht; hier findet vielmehr das bisherige, in Art. 6 § 5 FANG übernommene Recht Anwendung. Die Sätze 2 bis 4 des § 26 FRG nF beziehen sich nach Wortlaut und systematischer Stellung auf Satz 1 dieser Vorschrift, setzen also die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG voraus und finden daher auf diesen Personenkreis ebenfalls keine Anwendung. Durch die Aufnahme des vollständigen § 26 FRG aF in die für diesen Personenkreis geltende Übergangsvorschrift des Art. 6 § 5 Abs. 4 FANG wird zudem deutlich, daß die Neufassung insoweit nicht gelten soll. Deshalb bedurfte es auch keiner Klarstellung in Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG, daß Art. 6 § 5 FANG nicht nur an die Stelle des § 22 Abs. 1 FRG nF tritt, sondern mit seinem Abs. 4 auch die Lücke füllt, die anderenfalls dadurch entstehen würde, daß der allein auf § 22 Abs. 1 FRG bezogene § 26 FRG auf den in Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG bezeichneten Personenkreis nicht anwendbar ist.

Aus der Notwendigkeit einer Vergleichsberechnung nach Art. 6 § 4 Abs. 4 Satz 1 FANG idF des Art. 16 Nr. 1 RRG 1992 ergibt sich nichts anderes. Dadurch soll die Höhe der Rente für die Berechtigten, die nach dem 30. Juni 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des FANG genommen haben, auf den nach Art. 6 § 5 FANG berechneten Rentenbetrag begrenzt werden. Dies setzt – worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat – nicht voraus, daß die Berechnungsgrundlagen für die vor und nach dem Stichtag (30. Juni 1990) entstandenen Rentenansprüche angeglichen werden. Sinn und Zweck der Vergleichsberechnung und der danach möglichen Begrenzung auf die Höhe des Rentenanspruchs alten Rechts ist die Vermeidung einer Besserstellung dieses Personenkreises gegenüber Personen, die bereits vor dem Stichtag im Geltungsbereich des FANG lebten (BT-Drucks 11/5530, S 68 zu Art. 11 Nr. 1). Für diesen Vergleich ist nur das Ergebnis der beiden Berechnungen von Bedeutung, nicht jedoch der Weg dorthin; begrenzt ist nur die Rentenhöhe, nicht jedoch der einzelne Faktor der Rentenberechnung.

Die streitigen Beitragszeiten nach § 15 FRG sind daher allein nach § 19 Abs. 2 FRG und Art. 6 § 5 FANG anzurechnen und zu bewerten, also nur hinsichtlich des Zeitraums auf fünf Sechstel zu kürzen, im übrigen aber mit vollen Monatstabellenentgelten – also ohne Verminderung des entsprechenden Entgelts durch Berechnung nach dem „Tagesprinzip” oder Kürzung auf fünf Sechstel – zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 927583

Breith. 1994, 574

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