Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 11.07.1995; Aktenzeichen L 4 Vb 1144/94)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Bei dem Kläger war ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Einen Antrag auf Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung lehnte der Beklagte ab. Nach Beweiserhebung durch ein medizinisches Sachverständigengutachten im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren verfügte der Beklagte, den GdB wegen wesentlicher Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse ab Oktober 1993 mit 50 neu festzusetzen. Der vom Sozialgericht (SG) darüber unterrichtete Kläger erklärte, einen Neufeststellungsbescheid mit diesem Inhalt zu akzeptieren. Der Bescheid erging am 27. Juli 1994. Anders als vom Beklagten zugleich erbeten, nahm der Kläger die Klage aber nicht zurück, weil der Beklagte die Kosten des Bevollmächtigten nicht übernehmen wollte.

Das SG hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen und den Beklagten verurteilt, dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten (Urteil vom 20. Oktober 1994). Außerdem hat es dem Beklagten Mutwillenskosten in Höhe von 500,00 DM auferlegt, weil er durch seine Weigerung, dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten, Anlaß für die Fortsetzung des Rechtsstreits gegeben habe.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen, weil es sich nur um die Kosten des Verfahrens handele (§ 144 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das SG habe darüber – anders als vom Beklagten im Berufungsverfahren gerügt – auch nicht verfahrensfehlerhaft durch Urteil statt durch Beschluß entschieden. Der Rechtsstreit sei in der Hauptsache weder durch angenommenes Anerkenntnis noch durch – außergerichtlichen – Vergleich erledigt gewesen. Die Kostenentscheidung habe deshalb durch Urteil getroffen werden müssen.

Auf die Beschwerde des Beklagten hat der Senat die Revision zugelassen (Beschluß vom 19. Juni 1996), weil das LSG die Berufung des Beklagten verfahrensfehlerhaft (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) durch Prozeßurteil als unzulässig verworfen habe, anstatt die Kostenentscheidung des SG in der Sache zu überprüfen und darüber durch Beschluß zu entscheiden.

Mit der Revision macht der Beklagte geltend, die Instanzgerichte hätten § 193 Abs 3 SGG verletzt. Zur Kostenerstattung sei der Versorgungsträger jedenfalls dann nicht verpflichtet, wenn der angegriffene Bescheid erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens durch Eintritt neuer Tatsachen unrichtig werde und der Beklagte dem mit einem neuen Bescheid unverzüglich Rechnung trage. So liege der Fall hier.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 1994, soweit es dem Beklagten Mutwillenskosten von 500,00 DM und die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt, aufzuheben.

Der Kläger stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

Das LSG hat die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht als unzulässig verworfen. Die Kostenentscheidung des SG war nicht mehr auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Hierzu wäre das LSG nur bei einer formal inkorrekten Entscheidung des SG verpflichtet gewesen; nämlich wenn das SG statt durch beschwerdefähigen Beschluß (§ 172 Abs 1 SGG) durch ein insoweit nicht berufungsfähiges Urteil (§ 144 Abs 4 SGG) über die Kosten entschieden hätte. Ein solcher Fall lag – entgegen der vom erkennenden Senat in der Zulassungsentscheidung vom 19. Juni 1996 vertretenen Ansicht – hier nicht vor. Das SG hat keine reine Kostenentscheidung getroffen, sondern in der Hauptsache die Klage abgewiesen, so daß das Urteil sich auch über die Kostentragung unter den Beteiligten auszusprechen hatte. Dieses Urteil beschwerte den Beklagten nur im Kostenpunkt. Die Berufung ist in einem solchen Fall ausgeschlossen (§ 144 Abs 4 SGG). Sie kann auch nicht zugelassen werden (vgl BT-Drucks 12/1217 S 52). Das gilt selbst bei verfahrensfehlerhafter Kostenentscheidung (Bley in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur SGb, Stand 1993, § 144 SGG, Rz 167).

Ob die Beteiligten im Verfahren vor dem SG übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben und damit den Rechtsstreit in der Hauptsache beendet hatten, kann der Senat nicht prüfen, weil das SG dies in seinem insoweit nicht angefochtenen und damit rechtskräftigen Urteil vom 20. Oktober 1994 verneint und die Klage abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175057

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