Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtungs- und Leistungsklage. Anfechtungs- und Feststellungsklage. berufliche Fortbildung und Umschulung. Rechtsanwalts- und Notargehilfin. abgeschlossene Berufsausbildung. anerkannter im Beitrittsgebiet Beruf. Wirtschaftskauffrau (Richtung: Industrie). mindestens zwei Jahre Ausbildungszeit. vergleichbarer Berufsabschluß. widerlegbare Vermutung. dreijährige Umschulungsdauer. Landesrechtsanwaltskammer. Bundesrechtsanwaltskammer. Ablehnung der Verkürzung. Unvertretbarkeit. Willkür. förderungsberechtigter Personenkreis. besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse
Leitsatz (amtlich)
Verlangt die für die Regelung von beruflichen Bildungsgängen institutionell zuständige Einrichtung für berufliche Umschulungen im Vollzeitunterricht aus sachlichen Gründen ausnahmslos eine dreijährige Maßnahme, hat dies die Bundesanstalt für Arbeit bei der Entscheidung über einen Förderungsantrag zu beachten.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 1; AFG § 34 Fassung: 1992-07-27, § 36 Fassung: 1992-07-27, § 37 Fassung: 1992-07-27, § 41 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1992-07-27, § 42 Fassung: 1992-07-27, § 43 Abs. 2 Fassung: 1992-07-27, § 44 Fassung: 1992-07-27, § 45 Fassung: 1992-07-27, § 46 Fassung: 1992-07-27, § 47 Fassung: 1992-07-27; AFuU 1976 § 4 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1991-03-08, § 6a Fassung: 1991-03-08, § 7 Abs. 2 Fassung: 1991-03-08, Abs. 2a Fassung: 1991-03-08, § 10 Fassung: 1991-03-08; ReNoPatAusbV § 3; EinigVtr Art. 37 Abs. 1 S. 1 (Fassung: 31.8.1990); BBiG § 47
Verfahrensgang
BezirksG Erfurt (Urteil vom 15.02.1993; Aktenzeichen L 1 Ar 19/92) |
KreisG Suhl (Urteil vom 21.10.1992; Aktenzeichen So Al 235/92) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bezirksgerichts Erfurt – Senat für Sozialrecht – vom 15. Februar 1993 aufgehoben, soweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Förderung der Teilnahme an einer dreijährigen Umschulungsmaßnahme zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin (Rechtsanwaltsgehilfin).
Die 1967 geborene Klägerin, ledig und Mutter von zwei Kindern, war nach (Besuch der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule und) Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau (1. September 1983 bis 15. Juli 1985) von Juli 1985 bis November 1990 als Empfangssekretärin im Hotel “Thüringen-Tourist” in Suhl tätig. Ab 1. Dezember 1990 erhielt sie Arbeitslosengeld (Alg). Vom 1. Januar bis 31. August 1992 arbeitete sie als Rechtsanwaltssekretärin im Rechtsanwaltsbüro ihres Vaters in Suhl. Am 22. Januar 1992 hatte sie die Förderung einer Umschulung zur Rechtsanwaltsgehilfin in der Zeit vom 24. August 1992 bis Juli 1995 im Büro ihres Vaters bei begleitendem Unterricht in der Kaufmännischen Berufsschule Meiningen beantragt. Die Beklagte lehnte den Antrag mit dem Hinweis ab, nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) sei eine längere Umschulungszeit als zwei Jahre nur bei Bildungsgängen mit eindeutiger Festlegung der Umschulungsdauer durch Rechtssetzungsakt oder bei ausschließlicher Ausbildung an staatlich anerkannten Berufsfachschulen oder Fachschulen zugelassen. Deshalb komme eine verlängerte Förderung ausschließlich für derartige Berufe in Betracht, nicht aber für den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin, bei dem die genannten Voraussetzungen fehlten (Bescheid vom 6. August 1992; Widerspruchsbescheid vom 19. August 1992). Das Kreisgericht – 1. Kammer für Sozialrecht – hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, die Umschulungsmaßnahme der Klägerin ab 24. August 1992 zu fördern (Urteil vom 21. Oktober 1992). Das Bezirksgericht – Senat für Sozialrecht – hat (unter Verwertung der Aussage der sachverständigen Zeugin S.… in einem Parallelstreit) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 15. Februar 1993).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Bezirksgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für die Förderung einer dreijährigen Umschulung zur Rechtsanwaltsgehilfin seien erfüllt. Es handele sich bei der angestrebten Ausbildung um eine geeignete und wirtschaftliche Maßnahme (§ 34 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Die Durchführung als betriebliche Maßnahme sei Unschädlich; denn wegen des allgemein bekannt großen Bedarfs an Anwalts- und Notargehilfinnen in den neuen Bundesländern bestehe an der begehrten Förderung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse (§ 43 Abs 2 AFG). Die Klägerin erfülle auch die persönlichen Voraussetzungen. Aufgrund ihrer Vorbildung als Wirtschaftskauffrau und ihrer Tätigkeiten als Hotelempfangs- bzw Rechtsanwaltssekretärin sei von ihrer Geeignetheit und einem voraussichtlich erfolgreichen Abschluß auszugehen (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Die Klägerin sei nach Abschluß ihrer Berufsausbildung ferner mindestens drei Jahre beruflich tätig gewesen (§ 42 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Des weiteren habe sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mehr als zwei Jahre beitragspflichtig gearbeitet (§ 46 Abs 1 Satz 1 AFG).
Die dreijährige Dauer der Umschulung stehe der Förderung nicht entgegen. Die Soll-Vorschrift des § 47 Abs 3 Satz 2 AFG werde in zulässiger Weise durch die Bestimmungen des § 2 Abs 3 und § 4 Abs 1 Satz 3 der Anordnung Fortbildung und Umschulung (AFuU) konkretisiert. Auch wenn die Verordnung über die Berufsausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen/zur Rechtsanwaltsgehilfin, zum Notargehilfen/zur Notargehilfin, zum Rechtsanwalts- und Notargehilfen/zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin und zum Patentanwaltsgehilfen/zur Patentanwaltsgehilfin (ReNoPatAusbV) nicht für die Umschulung eines Erwachsenen von einem anderen Beruf in den Beruf der Rechtsanwalts- und Notargehilfin gelte, sei die Beklagte an den Beschluß der Rechtsanwaltskammer Thüringen, keine zweijährigen Umschulungsverträge mehr einzutragen, gebunden. Wenngleich die vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 6. März 1991 – 9b RAr 5/90 – (SozR 3-4100 § 47 Nr 2) dargelegten Grundsätze zu der Abgrenzung Fortbildung/Umschulung entwikkelt worden seien, hätten diese erst recht für die einfachere Frage der zwei- oder dreijährigen Umschulung zu gelten. Weder das AFG noch das BBiG räumten der Beklagten die Möglichkeit ein, durch finanzielle Leistungen in das Ausbildungswesen regelnd einzugreifen, solange die zuständigen und sachkompetenteren Stellen vertretbare Entscheidungen träfen. Fehlentwicklungen könne die Beklagte nur bei offensichtlichen Fehlern, bei Unvertretbarkeit und Willkür entgegentreten, womit eine Risikoverschiebung zu Lasten des schwächsten Teiles, nämlich der Auszubildenden, vermieden werde. Es gehe nicht an, diesem Personenkreis unter Hinweis auf eine angebliche Fehlentscheidung des Ausbildungsträgers die Umschulungsmöglichkeit zu verweigern oder ihn gar in einen zeitaufreibenden und chancenvermindernden Rechtsstreit gegen den Ausbildungsträger zu zwingen.
Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Thüringen, allein eine dreijährige Umschulung zu genehmigen, sei nicht sachwidrig oder unvertretbar. Bei der Klägerin könne nicht ohne weiteres erwartet werden, daß sie das Ausbildungsziel auch bei einer nur zweijährigen Umschulung erreiche (§ 29 Abs 2 BBiG). Sie sei zwar Wirtschaftskauffrau und habe als Hotelempfangs- und Rechtsanwaltssekretärin gearbeitet. Von konkreten einschlägigen Vorkenntnissen und Fähigkeiten sei jedoch nicht auszugehen. Hinzu kämen die allgemeinen Schwierigkeiten mit der Umstellung auf ein neues und weitgehend anders strukturiertes Rechtssystem. Schließlich könne sich der Senat nicht der Wertung der fachkundigeren Rechtsanwaltskammer Thüringen entziehen. Die im Wege der eidesstattlichen Versicherung aufgezeigten Tätigkeitsbereiche der Klägerin in Hotel und Anwaltspraxis widerlegten die Wertung der Rechtsanwaltskammer nicht. Umgekehrt sei die Auffassung der Beklagten, die Klägerin könne mit zwei Kindern in einem anderen Bundesland umgeschult werden, bürokratisch-weltfremd.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung von § 43 Abs 2, § 47 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 2 Abs 3 und § 4 Abs 1 AFuU sowie von § 47 Abs 1 und 3 BBiG. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Thüringen sei sachwidrig und willkürlich. Sie berücksichtige nicht die Besonderheiten der beruflichen Erwachsenenbildung. Wenn § 47 Abs 1 BBiG bestimme, daß Maßnahmen der beruflichen Umschulung nach Inhalt, Art, Ziel und Dauer den besonderen Erfordernissen der beruflichen Erwachsenenbildung entsprechen müßten, sei es unzulässig, bei der Umschulung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin auf die normale berufliche Erstausbildung unter Heranziehung der Ausbildungsverordnung abzustellen. Dementsprechend seien in § 2 Abs 3 AFuU die Vorgaben des BBiG berücksichtigt, wonach die Umschulung mit Rücksicht auf das Lebensalter, die beruflichen Erfahrungen und Bewährungen des Umzuschulenden kürzer als ein entsprechender Ausbildungsgang für Jugendliche sein und mit einem qualifizierenden Abschluß enden solle. Ausnahmen vom gesetzlichen Regelfall einer zweijährigen Umschulungszeit (§ 47 Abs 3 Satz 2 AFG) seien erst dann gegeben, wenn bundes- oder landesrechtliche Vorschriften eine über zwei Jahre hinausgehende Umschulungszeit vorschrieben oder sich im Einzelfall während der Umschulung herausstelle, daß der Teilnehmer zur Erreichung des Umschulungsziels eine längere Umschulungszeit benötige. Auch § 47 Abs 3 BBiG sehe für die Umschulung eine Berücksichtigung der in der jeweiligen Ausbildungsordnung festgelegten Ausbildungsdauer nicht vor. Eine erwachsenengerechte Gestaltung von Umschulungsmaßnahmen wirke sich daher regelmäßig in einer gegenüber der Jugendlichenausbildung kürzeren Umschulungszeit aus.
Bei Umschülern handele es sich – anders als bei Auszubildenden – im allgemeinen um Erwachsene, die eine gewisse Berufs- und Lebenserfahrung besäßen und das Bildungsziel konzentrierter und zielstrebiger als Auszubildende verwirklichten. Deshalb sei eine Verkürzung der Umschulungsdauer in allen Berufsbereichen – auch bei anderen anspruchsvollen Berufsbildern wie Datenverarbeitungskaufmann/-frau oder Bankkaufmann/-frau – üblich. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer widerspreche auch den Erfahrungen der Beklagten bei Maßnahmen mit dem Umschulungsziel Rechtsanwalts-/Notargehilfe, wonach im Jahre 1992 Maßnahmen mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren deutlich erfolgreicher beendet worden seien als länger dauernde Maßnahmen. Dies alles zeige die unsachliche und willkürliche Entscheidung der Rechtsanwaltskammer auf. Wenn sich ein Lernwilliger einer solchen willkürlichen Entscheidung der Ausbildungsstelle gebeugt habe, sei die Beklagte zur Verweigerung der Förderung berechtigt. Auch nach § 6a AFuU könne der Teilnehmer auf vorhandene verkürzte Maßnahmen verwiesen werden, wobei ggf die Kosten einer zweijährigen Umschulungsmaßnahme bei auswärtiger Unterbringung denen einer dreijährigen am Wohnort gegenüberzustellen seien. Die Beklagte müsse sich, wie das BSG in seinem Urteil vom 6. März 1991 ausgeführt habe, nicht jeder Entscheidung des Ausbildungsträgers beugen. Sie dürfe Fehlentwicklungen im Ausbildungs- und Fortbildungswesen entgegentreten. Schließlich sei die Teilnahme deshalb nicht förderungsfähig, weil es sich um eine interessengebundene Maßnahme handele und kein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe (§ 43 Abs 2 AFG). Weder sei die Teilnahme zur Sicherung oder Bereitstellung von anderen Arbeits- oder Ausbildungsplätzen notwendig, noch habe eine Betriebsansiedlung oder -erweiterung erfolgen sollen, noch könne davon ausgegangen werden, daß keine Fachkraft hätte vermittelt werden können oder eine besonders ungünstige Beschäftigungslage beim Betrieb vorgelegen habe (§ 9 Abs 1 und 3 AFuU).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bezirksgerichts Erfurt – Senat für Sozialrecht – aufzuheben, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, das Urteil des Kreisgerichts – 1. Kammer für Sozialrecht – in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, in Thüringen gebe es keine zweijährige Umschulungsmöglichkeit zur Rechtsanwaltsgehilfin, die den Anforderungen an die von der Rechtsanwaltskammer für notwendig erachtete Wissensvermittlung genüge. Die vom Berufungsgericht – im Parallelverfahren – gehörte sachverständige Zeugin S.… habe die Gründe für die Ablehnung einer zweijährigen Ausbildung durch die Rechtsanwaltskammer im einzelnen dargelegt. Die Umschulung von bisher nicht in einem ähnlichen Beruf tätigen Umschülern könne nicht weniger als drei Jahre betragen, da aufgrund des neuen Rechtssystems unabhängig vom Lebensalter (17 oder 25 Jahre) alle Fächer auch bei Umschülern gelehrt werden müßten. Das Niedersächsische Justizministerium habe in einem Schreiben vom 20. Februar 1992 betont, daß die Ausbildungsinhalte für die Umschulungsmaßnahmen außerordentlich gestiegen seien, weshalb mit einer zweieinhalb- oder zweijährigen Umschulungsmaßnahme in nur wenigen Einzelfällen auszukommen sei. Die Rechtsanwaltskammer habe festgestellt, daß die Abbrecher- und Nichtbestehensquote bei den privaten Ausbildungsträgern, die als einzige eine zweijährige Umschulung durchführten, sehr hoch sei, die Lehrpläne nicht den Anforderungen entsprächen und Pflichtfächer zum Teil nicht unterrichtet würden. Dagegen lasse die Begründung der Beklagten das Interesse erkennen, Geld einzusparen. Die von der Beklagten aus den alten Bundesländern herangezogenen statistischen Vergleiche überzeugten nicht. In den neuen Bundesländern müsse wegen fehlender Vorkenntnisse anders vorgegangen werden. Hier werde die von der Rechtsanwaltskammer geforderte dreijährige Umschulungsdauer den Ausbildungserfordernissen gerecht. Im Fall der Klägerin werde die Notwendigkeit der dreijährigen Umschulung durch die persönlichen Daten bestätigt. Eine Umschulung mit berufsbegleitendem Unterricht außerhalb des Landes Thüringen sei nicht durchführbar. Sie scheitere hier schon daran, daß die Klägerin zwei kleine Kinder habe. Schließlich sei der Ausnahmefall des § 9 AFuU gegeben. Die Klägerin habe die Umschulung zwecks Vermeidung ihrer Arbeitslosigkeit aufgenommen. Das Rechtsanwaltsbüro ihres Vaters, in dem bislang keine Rechtsanwaltsgehilfin tätig sei, benötige eine solche dringend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht (LSG) begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6. August 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1992, durch den die Beklagte die Gewährung jeglicher Leistung in bezug auf die vom 24. August 1992 bis voraussichtlich 31. Juli 1995 stattfindende Bildungsmaßnahme “Umschulung zur Rechtsanwaltsgehilfin” im Anwaltsbüro der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin abgelehnt hat.
Die Klägerin hat vorliegend zu Recht die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) erhoben. Sie begehrt konkrete Leistungen zur Förderung ihrer Umschulung. Dieses Begehren ist bislang allerdings nur in einen allgemeinen Förderungsantrag gekleidet. Da die Umschulungsmaßnahme am 24. August 1992 begonnen hatte, war die Klägerin – wenn nicht schon bei Klageerhebung, so doch jedenfalls im Berufungsverfahren – in der Lage, ihre Aufwendungen aus der bereits angelaufenen Bildungsmaßnahme zumindest teilweise zu beziffern. Damit ist, wie der Senat bereits dargelegt hat, die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart (BSG SozR 4100 § 41 Nr 47; BSG vom 9. September 1993 – 7/9b RAr 28/92 – und 10. März 1994 – 7 RAr 22/93 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 10. März 1994 – 7 RAr 24/93 –, unveröffentlicht). Für eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage wäre allenfalls dann Raum gewesen, wenn sie – wie der 11. Senat des BSG angenommen hat – zu einer “prozeß- und verwaltungsökonomischen baldigen Erledigung” des mit dem Förderungsantrag in Gang gesetzten Verfahrens führen könnte (BSG SozR 4460 § 5 Nr 3; BSG SozR 4100 § 34 Nr 15; BSG SozR 4100 § 44 Nr 52). Für eine solche Ausnahmesituation sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich; die Bildungsmaßnahme ist noch nicht abgeschlossen, und über Einzelansprüche besteht noch Streit, wie aus dem Vorbringen der Beklagten im Revisionsverfahren ersichtlich ist. Das LSG wird deshalb darauf zu achten haben, daß die Klägerin die von ihr verfolgten Ansprüche des näheren spezifiziert.
Ausgehend von der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die Berufung der Klägerin zulässig war. Bei mehreren selbständigen, voneinander unabhängigen Ansprüchen ist die Zulässigkeit der Berufung für jeden Anspruch gesondert zu prüfen (BSGE 10, 264, 266 = SozR RVO § 1420 Bl Aa 1 Nr 1). Unter den ab 24. August 1992 in Betracht kommenden Ansprüchen dürften Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr sein, zB der Anspruch auf Unterhaltsgeld (Uhg) nach § 44 AFG. Insoweit bedurfte es nicht der Berufungszulassung (Anl I Kap VIII Sachgebiet D Abschn III Nr 4 des Einigungsvertrages ≪EinigVtr≫ vom 31. August 1990 iVm dem Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 – BGBl II 885, 1032 – und Art 2 § 4 Abs 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 – BGBl I 446). Hinsichtlich anderer Ansprüche könnte die Berufung jedoch ausgeschlossen sein, wenn sie eine Geldleistung von 500,00 DM nicht übersteigen, zB in bezug auf Kosten für Lernmittel (§ 45 Satz 1 AFG). Das LSG wird im Rahmen seiner erneuten Entscheidung die Berufungsfähigkeit eines jeden einzelnen in Betracht kommenden Leistungsanspruchs zu überprüfen haben. Insoweit hält der Senat die ihm mögliche eigene Prüfung nicht für tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Er kann nämlich in der Sache selbst mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, ob die von der Klägerin ab 24. August 1992 durchlaufene Bildungsmaßnahme durch die Beklagte zu fördern ist oder nicht.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage ist der Zeitpunkt der Antragstellung bzw der Beginn der Bildungsmaßnahme. Spätere Rechtsänderungen sind nicht zu berücksichtigen (BSG vom 30. März 1994 – 11 RAr 95/93 –, unveröffentlicht). Vorliegend findet somit das AFG idF des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes vom 27. Juli 1992 – BGBl I 1398 – Anwendung. Aus § 242m Abs 1 AFG, eingefügt durch das Gesetz zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 – BGBl I 2044 –, ergibt sich nichts Gegenteiliges (vgl auch § 242q AFG).
Schon die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Grundfrage, ob die am 24. August 1992 begonnene Bildungsmaßnahme als berufliche Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme zu qualifizieren ist, läßt sich anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht beantworten.
Für die Unterscheidung zwischen beruflicher Fortbildung (§§ 41 ff AFG) und beruflicher Umschulung (§ 47 AFG) kommt es darauf an, ob die im bisherigen Beruf erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten im angestrebten Beruf inhaltlich mit übernommen werden können (Fortbildung) oder ob sie für die andere geeignete berufliche Tätigkeit nur unwesentliche Bedeutung haben (Umschulung), insoweit also ein Beruf mit neuem Inhalt erlernt wird (BSGE 37, 163, 166 = SozR 4100 § 41 Nr 1; BSG SozR 4100 § 41 Nr 34; BSG SozR 4460 § 2 Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 41 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 47 Nr 2). Hier hat die Klägerin eine zweijährige Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau zurückgelegt. Anschließend war sie vom 23. Juli 1985 bis 27. November 1990 als Empfangssekretärin im Hotel “Thüringen-Tourist” und vom 1. Januar bis 23. August 1992 als Rechtsanwaltssekretärin tätig. Die Prüfung, ob sie die hierbei erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten in den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin mit einbringen kann, ist unverzichtbar. Denn Förderung der beruflichen Fortbildung und Förderung der beruflichen Umschulung sind von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. So wird die Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme mit Vollzeitunterricht, die vorliegend gegeben sein könnte (§ 3 Abs 2 der AFuU – die hier idF der 19. Änderungsanordnung vom 8. März 1991 ≪ANBA S 454≫ anzuwenden ist –), nur gefördert, wenn sie nicht länger als zwei Jahre dauert (§ 41 Abs 3 Satz 2 AFG). Vollzeit-Maßnahmen, die länger dauern, sind von einer Förderung insgesamt ausgeschlossen (BSGE 36, 1, 3 = SozR Nr 1 zu § 47 AFG; BSGE 38, 104, 107 f = SozR 4100 § 47 Nr 5; BSG SozR 3-4100 § 41 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 47 Nr 2; Gagel, Komm zum AFG, Stand Mai 1993, § 41 Rz 18; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Mai 1994, § 41 Rz 67). Der Senat kann die fehlenden Tatsachenfeststellungen dazu, ob vorliegend die Voraussetzungen für berufliche Fortbildung oder Umschulung verwirklicht sind, nicht selbst nachholen. Schon aus diesem Grund ist das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 172 Abs 2 Satz 2 SGG).
Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, daß die streitige Maßnahme sich für die Klägerin als berufliche Umschulung iS des § 47 Abs 1 Satz 1 AFG darstellt, steht deren Dauer der begehrten Förderung nicht im Wege. Die Förderung der Umschulung scheitert dann nicht an § 47 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 Abs 1 Satz 3 AFuU. Nach der erstgenannten Bestimmung soll die Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme in der Regel nur gefördert werden, wenn diese nicht länger als zwei Jahre dauert. Nach der zweitgenannten Vorschrift wird die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Umschulung, die bei Vollzeitunterricht zwei Jahre übersteigen, nur gefördert, wenn die berufliche Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann und die Maßnahme nicht länger als drei Jahre dauert. Für die Frage, ob die berufliche Umschulung nicht “auf andere Weise” verwirklicht werden kann, kommt es auf einen Vergleich mit anderen Bildungsmaßnahmen an (BSGE 38, 59, 60 = SozR 4460 § 6 Nr 2; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, Komm zum AFG, 3. Aufl 1993, § 47 Rz 10). Das folgt bereits aus den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 34 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG). Demgemäß kommt eine berufliche Umschulung, die bei Vollzeitunterricht länger als zwei Jahre dauert, nur in Betracht, wenn der Antragsteller nicht durch eine bis zu zwei Jahren dauernde Maßnahme beruflich eingegliedert werden kann.
Im Fall der Klägerin geht es um Umschulung in einen anerkannten Ausbildungsberuf (§ 25 BBiG). Die Ausbildungsdauer dafür beträgt drei Jahre (§ 3 ReNoPatAusbV). Für die Umschulung ist keine bestimmte Ausbildungsdauer vorgesehen. Zwar sind gemäß § 47 Abs 3 Satz 1 BBiG bei der Umschulung für einen anerkannten Ausbildungsberuf das Ausbildungsberufsbild (§ 25 Abs 2 Nr 3 BBiG), der Ausbildungsrahmenplan (§ 25 Abs 2 Nr 4 BBiG) und die Prüfungsanforderungen (§ 25 Abs 2 Nr 5 BBiG) unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der beruflichen Erwachsenenbildung zugrunde zu legen. Doch ist Entsprechendes nicht für die Dauer der Umschulung vorgeschrieben. Insbesondere ist von der Möglichkeit zum Erlaß einer Rechtsverordnung, die die Dauer der beruflichen Umschulung zum Inhalt haben könnte (§ 47 Abs 3 Satz 2 BBiG), bislang kein Gebrauch gemacht worden. Die Vorschrift des § 10 Abs 2 Satz 3 Nr 3 der AFuU vom 29. April 1993 (ANBA-Sondernummer vom 5. Mai 1993), wonach die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Umschulung, die bei Vollzeitunterricht zwei Jahre übersteigen, grundsätzlich nur gefördert wird, wenn die berufliche Umschulung wegen gesetzlicher Bestimmungen auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann und die Maßnahme nicht länger als drei Jahre dauert, greift noch nicht ein. Folglich hat sich die Dauer der beruflichen Umschulung hier an den Gegebenheiten der beruflichen Wirklichkeit zu orientieren (BSG SozR 3-4100 § 47 Nr 2). Dabei ist ua zu berücksichtigen, welche der zur Auswahl anstehenden Maßnahmen kostengünstiger, vom Inhalt her erfolgversprechender und von Beginn und Dauer her wirtschaftlicher ist (§ 6a Satz 2 AFuU). Vorliegend haben sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer (Schreiben vom 24. September 1993) als auch die Rechtsanwaltskammer Thüringen (Schreiben vom 14. August 1992) eine Verkürzung der Umschulung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin von drei auf zwei Jahre aus sachlichen Gründen abgelehnt, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Klägerin, sondern allgemein. Diese Entscheidung fällt in ihre Kompetenz. Das Ergebnis ist von der Beklagten hinzunehmen.
Der Klägerin ist nicht zuzumuten, in einem Rechtsstreit vorab klären zu lassen, ob in ihrem Fall die Umschulungsdauer zu verkürzen ist oder nicht (BSG SozR 3-4100 § 41 Nr 1). Anders verhielte es sich, wenn die Ablehnung der Verkürzung auf Willkür beruhte. In einem solchen Fall darf die Bundesanstalt für Arbeit, wenn der Lernwillige sich einer willkürlichen Entscheidung der Bildungsstätte beugt und die Bildungszeit sich deshalb verlängert, die Förderung verweigern (BSG SozR 3-4100 § 47 Nr 2). Hier ist die Ablehnung einer Verkürzung der Umschulungsdauer vor dem Hintergrund zu sehen, daß sich die Umschüler in den neuen Bundesländern mit einem völlig neuen Rechtssystem konfrontiert sehen. Auch verfügen die Berufsschulen – im Unterschied zu früheren Jahren – nur noch über Lehrpläne, die von einer dreijährigen Bildungszeit ausgehen; besondere Klassen für Umschüler gibt es nicht (Schreiben der Bundesrechtsanwaltskammer vom 24. September 1992). Wenn die zuständigen und sachkompetenten Stellen angesichts dieser Umstände zu dem Ergebnis gelangen, daß sich das Ziel der beruflichen Umschulung nur mittels eines dreijährigen Bildungsganges erreichen läßt, kann das nicht als unvertretbar oder gar willkürlich bezeichnet werden.
Die Klägerin kann auch nicht auf die Teilnahme an einer anderen und kürzeren Umschulungsmaßnahme verwiesen werden.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des Berufungsgerichts geht hervor, daß die Klägerin, die ledig und Mutter von zwei Kindern ist, weder in Thüringen noch in einem anderen Bundesland in zumutbarer Weise in weniger als drei Jahren zur Rechtsanwaltsgehilfin umgeschult werden konnte. Insoweit ließ sich ihre Umschulung nicht “auf andere Weise” iS des § 4 Abs 1 Satz 3 AFuU verwirklichen.
Dahinstehen kann, ob der Klägerin im Wege einer anderen, weniger als drei Jahre in Anspruch nehmenden Maßnahme der Übergang in eine “andere berufliche Tätigkeit” (als die der Rechtsanwaltsgehilfin) hätte ermöglicht werden können (§ 47 Abs 1 Satz 1 AFG, § 6a AFuU). Auch in diesem Fall hätte die Umschulung ggf “auf andere Weise” verwirklicht werden können (BSGE 38, 59, 60 = SozR 4460 § 6 Nr 2; BSGE 46, 198, 200 = BSG SozR 2200 § 1237a Nr 3; BSGE 49, 263, 265 = SozR 2200 § 1237a Nr 10; BSGE 50, 184, 186 = SozR 2200 § 1237a Nr 15; BSG vom 12. April 1984 – 7 RAr 39/83 –, unveröffentlicht). Allerdings hätte die Beklagte in Zusammenhang mit der Auswahl entsprechender Maßnahmen – unter dem Gesichtspunkt der freien Berufswahl (Art 12 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz ≪GG≫) – Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit der Klägerin angemessen berücksichtigen (BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 3) und der Klägerin insoweit entsprechende Wege aufzeigen müssen (BSG SozR 2200 § 1236 Nr 35). Dem Gesamtzusammenhang der zweitinstanzlichen Feststellungen ist zu entnehmen, daß jedenfalls letzteres zu keinem Zeitpunkt geschehen ist.
Damit ist nicht gesagt, daß die Bildungsmaßnahme der Klägerin, sofern sie sich als Umschulungsmaßnahme darstellt, durch die Beklagte zu fördern ist. Denn der Senat vermag aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht zu bewerten, ob alle Voraussetzungen der weiteren einschlägigen Vorschriften erfüllt sind.
Für die Förderung einer beruflichen Umschulung sind – abgesehen von den allgemeinen Vorschriften der Förderung der beruflichen Bildung (§§ 33 ff AFG) – besondere, für die berufliche Fortbildung geltende Vorschriften zu beachten, darunter die §§ 42 und 43 Abs 2 sowie die §§ 44 bis 46 AFG (§ 47 Abs 1 Satz 2 AFG).
Allerdings gehört die Klägerin zum förderungsberechtigten Personenkreis iS des § 42 Abs 1 Satz 1 AFG. Danach werden gefördert: (1.) Antragsteller mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, wenn sie danach mindestens drei Jahre beruflich tätig waren und (2.) Antragsteller ohne abgeschlossene Berufsausbildung, wenn sie mindestens sechs Jahre beruflich tätig waren. Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung iS des § 42 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG. Sie hat im Beitrittsgebiet den Berufsabschluß “Wirtschaftskaufmann (Richtung: Industrie)” erworben. Es handelt sich um einen Berufsabschluß, der mit dem des “Industriekaufmannes” (der “Industriekauffrau”) vergleichbar bzw verwandt ist (vgl Bundesanstalt für Arbeit, DDR-Ausbildungsberufe 3 – Vergleichbare und verwandte Berufe in der Bundesrepublik Deutschland 1990, S 198).
Möglicherweise ist der von der Klägerin erworbene Berufsabschluß schon aufgrund des § 7 Abs 2 AFuU als eine abgeschlossene Berufsausbildung iS des § 42 AFG anzusehen. Nach dieser Bestimmung liegt eine abgeschlossene Berufsausbildung iS des § 42 AFG vor, wenn ein Berufsabschluß in einem nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften anerkannten Beruf erworben wurde, für den die Ausbildungszeit mit mindestens zwei Jahren festgesetzt ist. Hier hat die Klägerin einen Berufsabschluß in einem nach “landesrechtlichen” Vorschriften anerkannten Beruf erworben. Denn gemäß Art 37 Abs 1 Satz 1 EinigVtr gelten ua in der Deutschen Demokratischen Republik erworbene oder staatlich anerkannte berufliche Abschlüsse oder Befähigungsnachweise im Beitrittsgebiet weiter. Fraglich ist allein, ob die Klägerin den Abschluß für einen Beruf erworben hat, für den die Ausbildungszeit “mit mindestens zwei Jahren” festgesetzt ist; denn tatsächlich hat sie eine Ausbildungszeit von weniger als zwei Jahren zurückgelegt (1. September 1993 bis 15. Juli 1985). Indes kann diese Frage dahinstehen. Denn gemäß § 7 Abs 2a AFuU liegt – abweichend von § 7 Abs 2 AFuU – eine abgeschlossene Berufsausbildung iS des § 42 AFG grundsätzlich vor, wenn ein Berufsabschluß – wie hier – in einem im Beitrittsgebiet anerkannten Beruf erworben wurde.
Offenbleiben kann, ob es sich bei der Vorschrift des § 7 Abs 2a AFuU um eine – im Einzelfall widerlegbare – Vermutung handelt, wie dies im Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 9. September 1993 – L 3 Ar 2/93 – angenommen worden ist. Denn die Möglichkeit einer Widerlegung des § 7 Abs 2a AFuU käme allenfalls für Fälle nicht vergleichbarer Berufsabschlüsse in Betracht. Im vorliegenden Fall, in dem der Berufsabschluß der Wirtschaftskauffrau (Richtung: Industrie) anerkannterweise mit dem der Industriekauffrau vergleichbar bzw verwandt ist, scheidet jede Widerlegung des § 7 Abs 2a AFuU aus.
Die hier angenommene Gleichstellung stößt nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken. Eher wäre an einen solchen Verstoß – unter dem Blickwinkel des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) – im Fall der Nichtgleichstellung zu denken. Im übrigen verhindert die hier in Rede stehende Gleichstellung – anders als das Schleswig-Holsteinische LSG (aaO) meint – keineswegs den vom Arbeitsförderungsrecht angestrebten Ausgleich nachteiliger Folgen aus wirtschaftlichen Strukturwandlungen (§ 2 Nr 3 AFG). Denn der Teilnehmer, der einen (vergleichbaren) Berufsabschluß erworben hat, steht, worauf noch zurückzukommen sein wird, unter bestimmten Voraussetzungen einem solchen Teilnehmer gleich, der noch keinen beruflichen Abschluß erworben hat (§ 10 Abs 1 Nr 3 Satz 2 AFuU).
Die Klägerin war des weiteren nach Abschluß ihrer Berufsausbildung “mindestens drei Jahre beruflich tätig”. Sie war nach Abschluß ihrer Berufsausbildung (15. Juli 1985) mehr als fünf Jahre, nämlich vom 23. Juli 1985 bis 27. November 1990, als Empfangssekretärin im Hotel “Thüringen-Tourist” beschäftigt. Das reicht für die Zugehörigkeit zum förderungsberechtigten Personenkreis iS des § 42 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG aus.
Die Umschulungsmaßnahme der Klägerin weist entgegen der Auffassung der Beklagten ferner keinen “interessengebundenen” Charakter iS des § 43 Abs 2 AFG auf. Nach dieser Vorschrift wird die Teilnahme an einer Maßnahme, wenn sie überwiegend im Interesse des Betriebes liegt, dem der Antragsteller angehört, nicht gefördert; dies gilt insbesondere, wenn der Antragsteller an einer Maßnahme teilnimmt, die unmittelbar oder mittelbar von dem Betrieb getragen wird oder im überwiegenden Interesse des Betriebes liegt (Satz 1). Die Teilnahme wird jedoch gefördert, wenn dafür ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (Satz 2; vgl auch § 9 AFuU). Vorliegend kann unentschieden bleiben, ob die Teilnahme der Klägerin an der Maßnahme überwiegend im Interesse des väterlichen Rechtsanwaltsbüros liegt (§ 43 Abs 2 Satz 1 AFG). Denn das Berufungsgericht hat unangegriffen und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß wegen des allgemein bekannt großen Bedarfs an Anwalts- und Notargehilfinnen in den neuen Bundesländern an der begehrten Förderung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (§ 43 Abs 2 Satz 2 AFG). Die dem zugrundeliegende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Im übrigen hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 19. August 1992 selbst darauf hingewiesen, daß die im ablehnenden Bescheid vom 6. August 1992 gegebene Begründung hinsichtlich des nicht bestehenden Bedarfs an Rechtsanwaltsgehilfinnen im Raum Thüringen nicht mehr aufrechterhalten werden könne.
Auch die sog versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Satz 1 AFG sind gegeben. Danach werden die Leistungen nach § 44 Abs 2, 2a und 2b sowie nach § 45 AFG Antragstellern gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Die Klägerin hat innerhalb der hier maßgebenden Dreijahresfrist (24. August 1989 bis 23. August 1992) nicht mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt. Ihre Beschäftigungszeiten als Empfangssekretärin (24. August 1989 bis 27. November 1990) und als Anwaltssekretärin (1. Januar bis 23. August 1992) machen weniger als zwei Jahre aus. Doch hat sie, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, aufgrund ihrer mehr als fünfjährigen Beschäftigung als Empfangssekretärin (23. Juli 1985 bis 27. November 1990) ab 1. Dezember 1990 Alg bezogen. Dieser Alg-Bezug beruhte wegen der Dauer der vorangegangenen Beschäftigungszeiten auf einem Alg-Anspruch von 312 Tagen (§ 106 Abs 1, § 249c Abs 8 AFG).
Dagegen kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 44 AFG verwirklicht. Nach Abs 1 dieser Bestimmung wird Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht ein Uhg gewährt. Nach Abs 2 derselben Norm beträgt das Uhg für bestimmte Teilnehmer 73 vH, für die übrigen Teilnehmer 65 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG (Satz 1). Voraussetzung für das Uhg nach Satz 1 ist, daß die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit ein Antragsteller, der (1.) arbeitslos ist, beruflich eingegliedert wird, (2.) von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ist, nicht arbeitslos wird, (3.) keinen beruflichen Abschluß hat, eine berufliche Qualifikation erwerben kann (Satz 2). Die Vorschrift des § 44 Abs 2 AFG wird durch § 10 Abs 1 AFuU ergänzt. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung erhält Uhg nach § 44 Abs 2 AFG ein Teilnehmer, der vor Eintritt in die Maßnahme (1.) beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet ist (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG) oder (2.) glaubhaft macht, daß er von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ist (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 und Satz 3 AFG) oder (3.) noch keinen beruflichen Abschluß erworben hat, der mindestens der Facharbeiter-, Gesellen- oder Gehilfenprüfung entspricht (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 3 AFG).
Das Berufungsgericht hat die vorstehend genannten Voraussetzungen weder geprüft noch entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen. Aus diesem Grund kann sein Urteil keinen Bestand behalten. Im Rahmen seiner erneuten Entscheidung wird das LSG – sofern nicht bereits die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG iVm § 10 Satz 1 Nr 1 AFuU gegeben sind – zu der Frage, ob die Klägerin vor dem 24. August 1992 von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht war (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 und Satz 3 AFG, § 10 Satz 1 Nr 2 AFuU), abgesehen von der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung (vgl BSG vom 30. März 1994, aaO) ua die Vorschrift des § 10 Abs 1a AFuU zu beachten haben. Danach steht ein Antragsteller, der glaubhaft macht, daß er von Arbeitslosigkeit bedroht ist, einem Antragsteller nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFuU gleich, wenn er die Voraussetzungen des § 249d Nr 4 AFG erfüllt. Nach § 249d Nr 4 AFG, eingefügt durch den EinigVtr, steht ein Antragsteller, dessen Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit er bei drohender Arbeitslosigkeit nicht arbeitslos wird, hinsichtlich der Förderung seiner Teilnahme an der Bildungsmaßnahme dann einem Antragsteller, der die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG erfüllt, gleich, wenn er innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens sechs Monate seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte und bis zum 31. Dezember 1992 in die Maßnahme eingetreten ist. In Zusammenhang mit der Frage, ob die Klägerin noch keinen beruflichen Abschluß erworben hat, der mindestens der Facharbeiter-, Gesellen- oder Gehilfenprüfung entspricht (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 4 AFG, § 10 Satz 1 Nr 3 AFuU), wird das LSG ua zu bedenken haben, daß dem Teilnehmer, der keinen beruflichen Abschluß erworben hat, ein solcher Teilnehmer gleichsteht, der zwar – wie die Klägerin – einen Abschluß erworben hat, jedoch länger als die doppelte Ausbildungszeit des erlernten Berufes nicht mehr als Facharbeiter, Geselle oder Gehilfe tätig war (§ 10 Nr 3 Satz 2 AFuU). Letzteres könnte auf die Klägerin zutreffen.
Sollten die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 AFG zu bejahen sein, wird das LSG eine eventuelle Einkommensansrechnung zu berücksichtigen haben (§ 44 Abs 4 AFG). Sollten die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 AFG zu verneinen sein, wird es sich ua mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Klägerin Uhg in Form eines Darlehens zu gewähren ist (§ 44 Abs 2a AFG, § 10 Abs 3 AFuU). Darüber hinaus fehlen jegliche Tatsachenfeststellungen zu den Voraussetzungen der Leistungsansprüche nach § 45 AFG.
Schließlich lassen die Tatsachenfeststellungen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob die allgemeinen Vorschriften zur Förderung der beruflichen Bildung (§§ 33 ff AFG) vollständig erfüllt sind.
Insoweit steht der erstrebten Förderung nicht entgegen, daß es sich bei der Umschulung zur Rechtsanwaltsgehilfin um eine “betriebliche” Bildungsmaßnahme handelt. Gemäß § 34 Abs 1 Satz 1 AFG erstreckt sich die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auf Maßnahmen mit ganztägigem Unterricht (Vollzeitunterricht), Teilzeitunterricht, berufsgegleitendem Unterricht und Fernunterricht. Unterricht in diesem Sinne ist die Vermittlung theoretischer Kenntnisse und die praktische Unterweisung durch Lehrkräfte (§ 3 Abs 1 AFuU). Daß die Unterweisung schulmäßig erfolgt, ist kein für den Unterricht charakteristisches Merkmal (BSG SozR 4100 § 47 Nr 12; BSGE 40, 234, 236 f = SozR 4100 § 47 Nr 14). Hiervon geht nunmehr auch § 11 Abs 1 der AFuU vom 29. April 1993 (aaO) aus, der von Vermittlung fachtheoretischer und fachpraktischer Kenntnisse und Fertigkeiten durch Lehrkräfte und “Ausbilder” spricht. Doch wird das LSG seine Aufmerksamkeit ua darauf zu richten haben, ob im Fall der Klägerin “ganztätiger” Unterricht angenommen werden kann, was ua für die Gewährung von Uhg von Bedeutung ist (§ 44 Abs 1 AFG). Eine Maßnahme wird nämlich nur dann im “ganztägigen” Unterricht durchgeführt, wenn der Unterricht in jeder Woche an mindestens fünf Werktagen stattfindet und mindestens 25 Unterrichtsstunden umfaßt (§ 3 Abs 2 AFuU).
Die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß die Leistungsvoraussetzungen des § 36 Abs 1 Satz 1 AFG verwirklicht sind. Die Klägerin hat sich durch ihre Unterschrift im Antragsformular zur Aufnahme einer beitragspflichtigen Tätigkeit nach Abschluß der Maßnahme verpflichtet (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Aufgrund ihrer Vorbildung als Wirtschaftskauffrau und ihrer Tätigkeiten als Hotelempfangs- bzw Rechtsanwaltssekretärin ist davon auszugehen, daß sie für die angestrebte Tätigkeit geeignet ist und voraussichtlich mit Erfolg an der Maßnahme teilnehmen wird (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Ihre Teilnahme an der Maßnahme erscheint im Hinblick auf die Ziele des § 2 AFG und unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG).
Hingegen erlauben die bisherigen Tatsachenfeststellungen keine abschließende Entscheidung in bezug auf die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 Satz 2 AFG. Danach setzt die Förderung der Teilnahme voraus, daß die Maßnahme (1.) nach Dauer, Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt, (2.) angemessene Teilnahmebedingungen bietet, (3.) nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant ist und durchgeführt wird, insbesondere die Kostenansätze angemessen sind. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Ausbildung der Klägerin zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin in einem Rechtsanwalts- und Notarbüro sei eine geeignete und wirtschaftliche Maßnahme. Das genügt weder den Anforderungen der Nr 1 noch denen der Nr 3 des § 34 Abs 1 Satz 2 AFG. Denn entscheidend ist nicht, ob “eine”, sondern ob die “konkrete” Bildungsmaßnahme die in § 34 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 und 3 AFG genannten Voraussetzungen erfüllt. Das Berufungsgericht hat eine solche Prüfung nicht vorgenommen. Hierzu hätte schon deshalb Veranlassung bestanden, weil die Klägerin zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin umgeschult werden sollte, obwohl das Anwaltsbüro der Klägerbevollmächtigten – jedenfalls nach Briefkopf und Vollmacht – nicht über ein Notariat verfügt. Darüber hinaus mangelt es an Tatsachenfeststellungen zu der Frage, ob die Maßnahme angemessene Teilnahmebedingungen bietet (§ 34 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG), sowie zur Frage der Vorrangigkeit anderer Leistungen nach § 37 AFG (vgl hierzu BSG vom 11. November 1993 – 7 RAr 8/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Nach alledem blieb nur die Möglichkeit, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen