Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Umschulung. Förderungshöchstdauer

 

Orientierungssatz

Zur Förderung einer dreijährigen beruflichen Bildungsmaßnahme (hier: Rechtsanwaltsfachangestellte).

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt noch die Förderung ihrer zweijährigen Umschulung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, nachdem sie die Abschlußprüfung inzwischen bereits nach zwei Jahren erfolgreich abgelegt hat.

Die 1971 geborene Klägerin war nach dem Besuch der Realschule und dem Abschluß einer Ausbildung zur Goldschmiedin vom 01.04.1991 bis 31.12.1993 als Goldschmiedin beschäftigt. Vom 01.01.1994 bis 07.01.1995 erhielt sie Arbeitslosengeld (Alg). Vom 09.01.1995 bis 31.03.1995 war sie erneut als Goldschmiedin beschäftigt. Ab 01.04.1995 erhielt sie bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 24.04.1995 wiederum Alg, anschließend Arbeitslosenhilfe bis 31.08.1995. Am 01.09.1995 begann sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin bei ihrem Prozeßbevollmächtigten. Mit ihrem Prozeßbevollmächtigten hatte sie am 07.07.1995 einen Berufsausbildungsvertrag geschlossen. Danach betrug die vorgeschriebene Ausbildungsdauer gemäß § 3 der Ausbildungsordnung (BGBl. 1995, 206) drei Jahre und sollte vom 01.09.1995 bis 31.07.1998 dauern (§ 1 des Vertrages).

Die Förderung dieser Ausbildung beantragte die Klägerin unter dem 23.05.1995 beim Arbeitsamt L (AA). Als Dauer der Maßnahme gab sie hierbei den Zeitraum vom 01.09.1995 bis 31.07.1998 an. Dem Antrag beigefügt war neben dem Ausbildungsvertrag ein nicht ausgefülltes und nicht unterschriebenes Formularschreiben der Rechtsanwaltskammer S (RAK), wie es verwendet wird, wenn diese es ablehnt, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin von drei Jahren auf zwei Jahre zu verkürzen; sie pflegt dann zu schreiben, daß eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren nicht genehmigt werden könne, weil es an einer berufsspezifischen Vorbildung bzw. an einer entsprechenden Berufspraxis in einem Rechtsanwaltsbüro fehle. Die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigter sahen davon ab, bei der RAK eine Entscheidung über die Verkürzung der Ausbildungsdauer zu beantragen. Der Prozeßbevollmächtigte erbat sich lediglich das Formular der Ablehnungsentscheidung. Am 28.11.1995 ließ er sich vom Geschäftsführer der RAK bestätigen, daß ein Verkürzungsantrag, wenn er gestellt worden wäre, abgelehnt worden wäre, denn nach den gegebenen Informationen über die Vorbildung der Klägerin seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß die Ausbildung in einer nur zweijährigen Zeit bewältigt werden könnte. Als die Klägerin später in der ersten Zwischenprüfung so gute Leistungen zeigte, daß sie in die Klasse mit 2-jähriger Ausbildung übernommen werden konnte, und ihr Prozeßbevollmächtigter sich bei der RAK um eine Zulassung zur Abschlußprüfung bereits nach zwei Jahren bemühte, bestätigte der Ausschuß für Auszubildende bei der RAK mit Schreiben vom 10.06.1996, daß die Klägerin nach den Unterlagen Abitur bzw. eine dem Abitur gleichgestellte Vorbildung besitze; in diesen Fällen biete die RAK im Einvernehmen mit der kaufmännischen Berufsschule Stuttgart die Möglichkeit, nach einem Jahr einen Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlußprüfung zu stellen. Wenn diesem Antrag stattgegeben werde, so bedeute dies im Endeffekt eine Verkürzung der Ausbildungszeit um ein Jahr.

Der für die Klägerin bei der Beklagten zuständige Berater wies diese noch vor der Ablehnung einer dreijährigen Förderung am 02.06.1995 in einem langen Telefongespräch mehrfach darauf hin, daß eine grundsätzlich drei Jahre dauernde Umschulung auf zwei Jahre verkürzt werden müsse, damit sie förderungsfähig sei. Nach den Beratungsunterlagen wurde der Klägerin außerdem am 07.07.1995 eine zweijährige Umschulung zur Industriekauffrau angeboten, zu der sie jedoch nicht bereit war.

Mit Bescheid vom 07.08.1995 lehnte das AA den Förderungsantrag der Klägerin ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.08.1995). Zur Begründung führte die Widerspruchsstelle aus, es bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten innerhalb von zwei Jahren durchzuführen. Die Rechtsanwaltskammer S sei jedoch nicht bereit, die Umschulung mit einer Ausbildungszeit von nur zwei Jahren zu genehmigen. Die normale Ausbildungsdauer betrage drei Jahre. Gesetzliche Vorschriften stünden einer Verkürzung der Ausbildungsdauer auf zwei Jahre nicht entgegen. Ein begründeter Ausnahmefall (für die Förderung) liege im Falle der Klägerin weder aufgrund ihres bisherigen beruflichen Werdeganges noch aufgrund ihrer Eignung, Neigung und ihrer persönlichen Verhältnisse vor.

Gegen den ihrem Prozeßbevollmächtigten am 29.08.1995 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 29.09.1995 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie machte geltend, als Umschulungsvorschlag sei ihr von der Beklagten Ende März 1995 eine Umschulung in die Position einer Edelstein-Fachfrau bei der IHK I-O für einen angeblich zehnwöchigen Kurs unterbreitet worden. Ih...

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