Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwartschaftszeit. Aussiedlungsgebiet. Beitragsfreiheit. Beschäftigung. Bindungswirkung. Eingliederungsgeld. Erfüllungsfiktion. Inlandsbetrachtung. Herkunftsland. ausländische Rente. Rentenversicherung. Tatbestandswirkung. ausländischer Verwaltungsakt. Zuerkennung (von Rente). örtliche Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Inlandsbetrachtung nach § 62a Abs 1 Nr 2 AFG begründet die Zuerkennung einer ausländischen Rente nicht die Beitragsfreiheit zur Bundesanstalt für Arbeit.
Normenkette
AFG § 62a Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1990-06-25, Nr. 2 Fassung: 1990-06-25, Nr. 3 Fassung: 1990-06-25, § 129 Fassung: 1988-12-20, § 130 Fassung: 1988-12-20, § 169c Nr. 2 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. August 1993 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Eingliederungsgeld (Egg) für die Zeit vom 10. Mai 1991 bis zum 12. Februar 1992.
Der 1963 geborene Kläger stammt aus der ehemaligen UdSSR. Er war dort seit 1984 in einer Kolchose als Schlosser für Gasanlagen (Kesselwärter) beschäftigt. Nach einer Operation der Halswirbelsäule Anfang 1988 war er arbeitsunfähig, nahm aber 1989 seine frühere Beschäftigung wieder auf. Er war 1990 an 305 Tagen und 1991 bis zu seiner Entlassung im April an 102 Tagen beschäftigt. Seit Mai 1988 bezog der Kläger vom Versicherungsträger seines Herkunftslandes Rente nach der Invaliditätsgruppe II.
Im Mai 1991 siedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland über. Er erhielt den Vertriebenenausweis A sowie die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zugebilligt. Seinen Antrag auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen ab, weil der Kläger nach medizinischer Einschätzung noch vollschichtig Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne.
Den am 10. Mai 1991 gestellten Antrag auf Egg lehnte das Arbeitsamt (ArbA) Hamm ab, weil die Beschäftigung des Klägers während der Vorfrist vom 10. Mai 1990 bis 20. April 1991 wegen des gleichzeitigen Bezugs der Rente nach der Invaliditätsgruppe II in der Arbeitslosenversicherung der Bundesrepublik beitragsfrei gewesen wäre (Bescheid vom 31. Mai 1991; Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1991).
Mit der dagegen gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe vor seiner Übersiedlung vollschichtig in einer Kolchose gearbeitet. Von einer ärztlichen Sachverständigenkommission sei ihm diese Beschäftigung neben dem Rentenbezug ausdrücklich erlaubt worden. In der ehemaligen UdSSR sei es möglich und üblich, eine beitragspflichtige Beschäftigung neben dem Rentenbezug auszuüben.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Egg nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Die Anwartschaftszeit habe der Kläger durch seine Vollzeittätigkeit in der UdSSR erfüllt. Der Rentenbezug stehe dem nicht entgegen, denn dem Kläger habe nach dem Recht seines Herkunftslandes nicht die Rente nach der Invaliditätsgruppe II, sondern nur nach der Invaliditätsgruppe III zuerkannt werden dürfen. Eine solche Rente stehe aber der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach deutschem Recht nicht gleich (Urteil vom 15. April 1992).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zurückgewiesen und ausgeführt, der Kläger erfülle sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Egg vom 10. Mai 1991 bis zum 12. Februar 1992. Insbesondere sei er innerhalb der Vorfrist vom 10. Mai 1990 bis 9. Mai 1991 mindestens 150 Tage abhängig beschäftigt gewesen. Seine Beschäftigung auf der Kolchose hätte die Beitragspflicht im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) begründet. Beitragsfreiheit ergebe sich nur während der Zeit, für die ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt sei. Hierzu gehörten nur Renten aus einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber ausländische Renten. Nach den Eintragungen im Arbeitsbuch sei der Kläger 1990 und 1991 in einem Umfang beschäftigt gewesen, die seine Angabe, er habe vollschichtig gearbeitet, bestätige. Das Ergebnis des von der LVA Westfalen veranlaßten Gutachtens bekräftige diese Einschätzung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 62a AFG und des § 107 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch: Verwaltungsverfahren – (SGB X). Sie vertritt die Ansicht, § 62a AFG verlange hinsichtlich der beitragspflichtigen Beschäftigung eine Inlandsbetrachtung. Entscheidend sei die rechtliche Beurteilung einer Beschäftigung im Ausland bei fiktiver Belegenheit des Sachverhalts im Inland. Die Betrachtungsweise des LSG werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Vielmehr sei der im Herkunftsland bestehende Rechtsstatus in einen vergleichbaren inländischen Rechtsstatus zu überführen. Die rechtliche Beurteilung des Rentenbezugs im Herkunftsland hänge davon ab, welche inländische Entscheidung mit der Gewährung einer russischen Invalidenrente der Gruppe II vergleichbar sei. Nach Art 23 des Gesetzes der RFSR über die staatlichen Renten in der RFSR vom 20. November 1990 seien Invalide der Gruppe II diejenigen Bürger, die vollständig oder in bedeutendem Umfang die Fähigkeit verloren hätten, unter normalen Bedingungen einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. Von der Gruppe I sei die Gruppe II nur dadurch unterschieden, daß Personen der Gruppe I eine ständige Pflege durch eine andere Person benötigten. Die Invalidengruppe III sei dadurch gekennzeichnet, daß sie nur teilweise die Fähigkeit zur Ausübung einer regulären Tätigkeit verloren habe. Die Renten der Invaliditätsgruppe Nr I und II entsprächen damit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach deutschem Recht. Mithin sei der Bezug einer Invalidenrente der Gruppe II wie der Bezug einer deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu berücksichtigen. Unerheblich sei dabei, ob der russische Rententräger bei der Bewilligung der Rente das russische Recht zutreffend angewandt habe.
Unabhängig davon habe das LSG wegen des Bezuges des Klägers von Sozialhilfeleistungen klären müssen, ob der Anspruch auf Egg nicht nach § 107 SGB X als erfüllt gelte.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. August 1993 und des Sozialgerichts Detmold vom 15. April 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Für die Beurteilung der Rechtslage könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß während des Rentenbezugs im Herkunftsland erlaubt einer Beschäftigung nachgegangen sei. Die Anwendung des § 107 SGB X führe zu einer Benachteiligung des Klägers, “da die Leistungen ihrem Umfange nach unterschiedlich” seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Nach den Feststellungen des LSG ist nicht auszuschließen, daß ein Anspruch des Klägers auf Egg vom 10. Mai 1991 bis 12. Februar 1992 wegen der von ihm bezogenen Sozialhilfe als erfüllt gilt. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der Anspruch auf Egg vom 10. Mai 1991 bis 12. Februar 1992, über den die BA mit dem Bescheid des ArbA Hamm vom 31. Mai 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 1991 entschieden hat. Über die weiteren während des Verfahrens erlassenen Bescheide, die Gegenstand der vergleichsweisen Regelung vor dem LSG vom 31. August 1993 waren, hat der Senat nicht zu befinden. Im übrigen wäre eine Verletzung des Grundsatzes, daß nachträgliche oder ersetzende Bescheide kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens werden (§ 96 Abs 1 SGG), nur auf entsprechende Rüge zu beachten (BSGE 65, 272, 275 = SozR 4100 § 78 Nr 8).
Zweifelhaft ist, ob die örtliche Zuständigkeit des ArbA Hamm jemals begründet war, weil sich der Kläger in der Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen in Unna/Massen nur vorübergehend aufgehalten haben dürfte. Allerdings nimmt die Praxis der BA – wohl im Hinblick auf die Bedeutung der Arbeitslosmeldung (§§ 62a Abs 1 Nr 1, 105 AFG) – bei Umsiedlern, Zuwanderern oder Flüchtlingen die Zuständigkeit des ArbA des Durchgangslagers an (vgl Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG-Kommentar, § 129 Anm 4 – Stand: März 1988). Im vorliegenden Fall hat das ArbA Hamm den Antrag des Klägers beim ArbA Herford vom 11. Juni 1991 zum Anlaß genommen, dieses ArbA nach § 130 AFG für zuständig zu erklären (Schreiben vom 20. Juni 1991). Gleichwohl hat es über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31. Mai 1991 noch am 29. Juli 1991 entschieden. Diese Frage kann jedoch auf sich beruhen, denn Mängel der örtlichen Zuständigkeit begründen jedenfalls bei Anspruchsleistungen weder die Nichtigkeit (§ 40 Abs 3 Nr 1 SGB X) noch die Aufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes (§ 42 Satz 1 SGB X), wie der Senat bereits im anderen Zusammenhang entschieden hat (BSG SozR 3-4100 § 84 Nr 1).
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Egg für die Zeit vom 10. Mai 1991 bis zum 12. Februar 1992 hat das LSG mit Recht bejaht. Dabei ist es zutreffend von § 62a Abs 1 AFG idF des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 25. Juni 1990 (BGBl II, 517) ausgegangen.
2.1 Der Kläger gehört zu dem in § 62a Abs 1 AFG aF angesprochenen Personenkreis, denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist er Inhaber des Flüchtlingsausweises A und nach behördlicher Feststellung zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen aufgrund des BVFG berechtigt. Diese behördliche Entscheidung ist der rechtlichen Beurteilung nach § 15 Abs 5 BVFG in der hier anzuwendenden Fassung bis zum Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2094) zugrunde zu legen.
Nach den weiteren Feststellungen des LSG war der Kläger im geltend gemachten Leistungszeitraum arbeitslos und stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Er hatte sich auch beim ArbA arbeitslos gemeldet und Egg beantragt. Unter dem Gesichtspunkt der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit denkbare Zweifel an der Verfügbarkeit des Klägers sind unerheblich, denn die LVA Westfalen hat einen Rentenantrag des Klägers abgelehnt und dabei festgestellt, daß der Kläger noch vollschichtig Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne, so daß er weder erwerbs- noch berufsunfähig sei. Unter diesen Umständen ist von der Verfügbarkeit des Klägers auszugehen (§§ 62a Abs 6 in der bis zum Inkrafttreten des Art 1 Nr 25 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 ≪BGBl I, 2044≫ am 1. Januar 1993 geltenden Fassung ≪aF≫, 105a Abs 1 Satz 1 AFG). Auch die Bereitschaft des Klägers, an einem Deutsch-Sprachlehrgang teilzunehmen, hat das LSG unangegriffen festgestellt (§ 62a Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG aF). Ein Anspruch auf Egg deckt den geltend gemachten Leistungszeitraum, denn die Dauer des Anspruchs betrug nach § 62a Abs 2 AFG aF 312 Tage.
2.2 Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob der Kläger die nach § 62a Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG aF geforderte Anwartschaftszeit erfüllt. Diese Voraussetzung ist nur gegeben, wenn der Aussiedler innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Egg erfüllt sind (Vorfrist), im Aussiedlungsgebiet mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden hat, die bei Ausübung im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Beitragspflicht begründet hätte. Auch diese Anspruchsvoraussetzung hat das LSG ohne Rechtsverstoß bejaht.
Da der Kläger am 10. Mai 1991 Egg beantragt hat, ist das LSG zutreffend von einer Vorfrist vom 10. Mai 1990 bis 9. Mai 1991 ausgegangen. Aufgrund der Angaben des Klägers, der Eintragungen in seinem Arbeitsbuch und dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung im Rentenverfahren hat sich das LSG unangegriffen die Überzeugung gebildet, daß der Kläger im Aussiedlungsgebiet während der Vorfrist an mehr als 150 Kalendertagen vollschichtig beschäftigt gewesen ist. Da die BA diese Feststellungen nicht mit Revisionsrügen angegriffen hat, sind sie auch der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen (§ 163 SGG). Der Kläger erfüllte damit im Aussiedlungsgebiet die Merkmale einer Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG, soweit nicht Tatbestände der Beitragsfreiheit nach §§ 169 bis 169c AFG eingreifen.
Den nach dem festgestellten Sachverhalt allein in Betracht kommenden Tatbestand des § 169c Nr 2 AFG idF des Art 1 Nr 30 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2343) hat das LSG mit Recht nicht angewendet.
Nach dieser Vorschrift sind Arbeitnehmer während der Zeit beitragsfrei, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist. Indem das Gesetz die Beitragsfreiheit weder an den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit noch an den Bezug einer Leistung wegen Erwerbsunfähigkeit, sondern an das “Zuerkennen” einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen anknüpft, ordnet es eine über die Bindungswirkung zwischen den Beteiligten nach § 77 SGG hinausgehende Tatbestandswirkung (Drittbindungswirkung) der Entscheidung des zuständigen Rentenversicherungsträgers an. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits in vergleichbarem Zusammenhang entschieden hat, haben Verwaltungsakte Tatbestandswirkung, wenn sie rechtsgestaltende Wirkung haben, die Tatbestandswirkung – wie im Falle des § 15 Abs 5 BVFG – gesetzlich ausdrücklich begründet oder – wie hier – die Entscheidung einer anderen Behörde ihrem Sinn nach bei der Beurteilung einer Rechtsfrage durch die zuständige Behörde zugrunde zu legen ist. Die Tatbestandswirkung besteht gerade darin, daß die BA die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ohne Rücksicht auf ihre Rechtmäßigkeit als unbestrittene Tatsache zu beachten hat (BSGE 70, 51, 53 f = SozR 3-4100 § 118 Nr 3; BVerwGE 66, 315, 319 ff; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl 1974, S 448 = § 52 IIIc; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S 81 ff). Die Reichweite der Tatbestandswirkung richtet sich deshalb nach der gesetzlichen Regelung, die sie anordnet.
Der Wortlaut der Vorschrift, der § 169 Nr 3 AFG in seiner ursprünglichen Fassung entspricht, deutet darauf hin, daß die Tatbestandswirkung nur Bescheiden von inländischen Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung zukommen soll. Die Fassung “einer der gesetzlichen Rentenversicherungen” ist nur vor dem Hintergrund der für das deutsche Recht charakterischen Unterscheidung zwischen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie der knappschaftlichen Rentenversicherung verständlich. Der bestimmte Artikel weist darauf hin, daß gerade Entscheidungen dieser Rentenversicherungen angesprochen sind. Diese Ansicht wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. In § 165 Abs 1 Nr 3 des Regierungsentwurfs zum AFG (BT-Drucks V/2291) waren die Rentenversicherungen noch ausdrücklich benannt. Außerdem sollte die Zuerkennung eines Anspruchs “auf ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art” ebenfalls die Beitragsfreiheit begründen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit entfallen, weil ähnliche Bezüge bei der Durchführung des insoweit übereinstimmenden § 57 Satz 2 AVAVG in der Praxis nicht festgestellt worden seien und – das ist das Entscheidende – die Vorschrift zu schwierigen Prüfungen Anlaß gebe (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4110, S 25). Der Wortlaut des § 169c Nr 2 AFG, seine Entstehungsgeschichte und der Zweck der Streichung des Merkmals “ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art” im Regierungsentwurf schließen es aus, die Zuerkennung einer Rente nach Invaliditätsgruppe II in der ehemaligen Sowjetunion als Tatbestand für die Beitragsfreiheit im Rahmen der von § 62a Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG aF geforderten Inlandsbetrachtung anzusehen.
Die dagegen gerichtete Argumentation der Revision greift nicht durch: Die nach § 62a Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG aF vorzunehmende Inlandsbetrachtung dient der Eingliederung von Aussiedlern. Ihre Beschäftigung im Aussiedlungsgebiet soll fiktiv den Vorschriften im Inland unterstellt werden. Beitragspflicht und Beitragsfreiheit während einer Beschäftigung im Aussiedlungsgebiet richtet sich also nach den Vorschriften des deutschen Beitragsrechts. Da sich der Tatbestand der Beitragsfreiheit nach § 169c Nr 2 AFG nicht auf die Zuerkennung von Renten durch ausländische Sozialleistungsträger erstreckt, läßt sich das von der Revision angestrebte Ergebnis nicht mit der Inlandsbetrachtung erreichen. Aus dem gleichen Grunde geht es nicht an, den “im Herkunftsland bestehenden Rechtsstatus in einen vergleichbaren inländischen Rechtsstatus zu überführen”. Im übrigen übersieht die Revision insoweit, daß sie sich bei einem solchen Vergleich die Ermittlung und Erfassung ausländischen Rechts zumutet, für dessen Anwendung sie nicht zuständig ist. So bestehen schon Bedenken, ob das von der Revision herangezogene “Gesetz der RFSR vom 20. November 1990” für die dem Kläger ab Mai 1988 zuerkannte Rente überhaupt maßgebend war. Schließlich verkennt die Revision die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Rechtsansicht, wenn sie meint, das LSG mißachte die Tatbestandswirkung der Zuerkennung einer Auslandsrente und gehe davon aus, der Kläger sei nicht erwerbsunfähig. Entscheidend für die Rechtsansicht des LSG ist vielmehr, daß der Zuerkennung einer Rente durch einen ausländischen Träger nach § 169c Nr 2 AFG Tatbestandswirkung nicht zukommt. Diese Ansicht teilt der Senat. Der Hinweis der Revision auf Art 73 EWG-VO Nr 1408/71 und dazu ergangene Rechtsprechung läßt einen Zusammenhang mit den hier zu beurteilenden Rechtsfragen nicht erkennen.
2.3 Die vorstehend begründete Rechtsansicht steht auch mit den Grundsätzen des internationalen Verwaltungsrechts im Einklang. Für die hier nicht in Frage stehenden Regelungen ausländischer Verwaltungsakte wird allgemein angenommen, ihre Anerkennung im Inland stehe jeder Rechtsordnung frei. Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß andernfalls ausländische Behörden rechtliche Wirkungen in einem anderen als dem eigenen Wirkungskreis begründen könnten (vgl Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd IV – Allgemeiner Teil, 1936, S 299; Geck, in: Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd I 1960, Art Anerkennung fremder Hoheitsakte; König, Die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte, 1965, S 67 ff). Aus dem gleichen Grunde müssen außerhalb ihrer eigentlichen Regelung liegende Wirkungen ausländischer Verwaltungsakte – hier der Eintritt von Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung der Bundesrepublik durch Zuerkennung einer Rente nach ausländischem Recht – sich nach der Rechtsordnung richten, für die Wirkungen eines ausländischen Verwaltungsakts in Betracht kommen (Neumeyer aaO 314 ff). Das heißt: Tatbestandswirkung kann einem ausländischen Verwaltungsakt nur zukommen, wenn sich dies aus einer inländischen Rechtsnorm herleiten läßt (grundsätzlich übereinstimmend in anderem rechtlichen Zusammenhang mit Auslandberührung: BSG Urteil vom 23. März 1994 – 5 RJ 24/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wie ausgeführt, schließt die Fassung des § 169c Nr 2 AFG eine Tatbestandswirkung der Zuerkennung einer Rente der Invaliditätsgruppe II nach dem Recht der ehemaligen Sowjetunion aus. Bei dieser Lösung kommt es auch nicht auf die vom SG behandelte Frage an, ob die ausländische Behörde die Rente nach dem für sie geltenden Recht zutreffend zuerkannt hat. Eine solche Überprüfung von Entscheidungen ausländischer Behörden widerspricht jedenfalls internationalen Gepflogenheiten (vgl dazu: Geck aaO; vgl im übrigen: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd I/1, 2. Aufl, 1989, 326, 452 ff). Die Fragestellung des SG ist schon im Ansatz nicht einleuchtend. Beitragsfreiheit während der Beschäftigung im Herkunftsland könnte im Rahmen einer Inlandsbetrachtung, die im Interesse der Eingliederung von einer Tatbestandswirkung absieht, allenfalls Erwerbsunfähigkeit iS des § 44 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch: Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) – begründen. Deren Voraussetzungen waren aber nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht gegeben.
Die Ablehnungsbescheide der Beklagten können aber im Ergebnis rechtmäßig sein, falls der Anspruch des Klägers gegen die BA auf Egg wegen im Leistungszeitraum erbrachter Sozialhilfeleistungen erloschen ist, weil der Anspruch als erfüllt gilt.
3.1 Nach § 107 Abs 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Im vorliegenden Fall ist ein Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen die BA nach § 104 Abs 1 SGB X in Betracht zu ziehen. Der Sozialhilfeträger ist gegenüber der BA ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, denn er hat Leistungen nicht zu erbringen, wenn der Hilfebedürftige von anderen Leistungsträgern Sozialleistungen erhält (§ 2 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz). Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 103 Abs 1 SGB X sind hier nicht gegeben, denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Anspruch des Klägers auf Sozialhilfe nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Die BA hat auch unstreitig ihrerseits Leistungen an den Kläger noch nicht erbracht. Bei rechtzeitiger Erfüllung des Anspruchs auf Egg durch die BA wäre der Sozialhilfeträger insoweit nicht zu Sozialhilfeleistungen verpflichtet gewesen (§ 104 Abs 1 Satz 2 SGB X). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für die BA als vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Vorschriften der §§ 62a ff AFG (§ 104 Abs 3 SGB X).
3.2. Die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X hat den Zweck, Doppelleistungen verschiedener Sozialleistungsträger an den Berechtigten auszuschließen. Soweit der Sozialhilfeträger Leistungen erbracht hat, erlischt der Anspruch auf Egg kraft Gesetzes (§ 362 BGB), ohne daß es auf die Wahrung der Ausschlußfrist zum Geltendmachen des Erstattungsanspruchs (§ 111 SGB X) ankommt (Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Aufl 1990, § 107 Anm 3.3). Das vom LSG bestätigte Grundurteil des SG ist deshalb nur ohne Rechtsverstoß ergangen, wenn feststeht, daß trotz Sozialhilfeleistungen ein Anspruch des Klägers auf Egg gegen die BA jedenfalls noch in einem Mindestbetrag besteht (BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 3 mwN). Dazu enthält das Urteil des LSG keine Feststellungen. Bei überschlägiger Berechnung nach den in den Akten befindlichen Unterlagen über die Höhe der Sozialhilfeleistungen läßt sich nicht ausschließen, daß der Anspruch des Klägers auf Egg jedenfalls während eines Teils des Leistungszeitraums durch Sozialhilfeleistungen als erfüllt gilt und damit erloschen ist.
3.3. Diesen Umstand hat der Senat auf die Sachrüge der BA zu berücksichtigen, denn die Tatsachengerichte haben den Anspruch unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSGE 66, 168, 173 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; BSGE 67, 20, 21 = SozR 3-4100 § 138 Nr 3; BSGE 72, 177, 179 = SozR 3-4100 § 112 Nr 13) und den Sachverhalt entsprechend von Amts wegen aufzuklären (§ 103 SGG). Im vorliegenden Falle lag es nahe, daß der Kläger als arbeitsloser Aussiedler während des Leistungszeitraums Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hat. Im übrigen ergaben sich Hinweise auf solche Leistungen aus den vom LSG beigezogenen Akten. Der Kläger selbst hat in seinem Wiederbewilligungsantrag vom 23. September 1992 angegeben, Sozialhilfe zu beziehen. Da der Senat gehindert ist, insoweit selbständig tatsächliche Feststellungen zu treffen, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, die sich auch auf die Kosten des Revisionsverfahrens erstreckt, an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen