Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt – Vergütung für rekonstruktive arthroskopische Operationen umfaßt auch weitere operative Maßnahmen am selben Gelenk – berechtigtes Feststellungsinteresse – Vereinbarung von privaten Honorierungen – Behandlungsmethode
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung für die rekonstruktive arthroskopische Operation umfaßt auch weitere operative Maßnahmen am selben Gelenk, die in unmittelbarem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Eingriff stehen.
Stand: 8. Oktober 2001
Normenkette
SGB V § 135 Abs. 1; BMV-Ä § 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; EKV-Ä § 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; SGB V § 82 Abs. 1; EBM-Ä Nr. 2449; SGB V § 87 Abs. 1-2; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1
Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns |
1. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
3. BKK-Landesverband Bayern |
2. AOK Bayern – Die Gesundheitskasse |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Zulässigkeit privater Honorarvereinbarungen für operative Maßnahmen im Zusammenhang mit vertragsärztlich abgerechneten Kreuzbandrekonstruktionsoperationen.
Die Kläger sind als Chirurgen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in Gemeinschaftspraxis tätig. Im Anschluß an arthroskopische Kreuzbandrekonstruktionen nahmen sie unter der fortdauernden Narkose weitere operative Eingriffe am Kniegelenk vor, indem sie im wesentlichen die sechs äußeren Kniegelenksbänder kürzten, rafften und verstärkten. Die Kreuzbandrekonstruktionsoperationen rechneten sie gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung nach Nr 2449 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) bzw Bewertungsmaßstab-Ärzte(BMÄ)/Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) ab. Für die weiteren operativen Schritte vereinbarten sie mit Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (KKn) Zuzahlungen, da diese operativen Maßnahmen nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfaßt seien. Die privatärztlich abgerechneten Zuzahlungen beliefen sich auf über 2.000 DM im Behandlungsfall.
Nachdem verschiedene KKn gegenüber der Beklagten die Vereinbarung privater Zuzahlungen beanstandet hatten, wies diese die Kläger in mehreren Schreiben darauf hin, daß es sich bei den von ihnen vorgenommenen chirurgischen Eingriffen um eine einheitliche vertragsärztliche Leistung handele, die nicht in einen vertragsärztlichen und einen privatärztlichen Teil aufgespalten werden könne, und somit die Forderung privater Zuzahlungen nicht zulässig sei. Die Beklagte forderte die Kläger auf, sich an die aufgezeigte Rechtslage zu halten.
Die Kläger, die gegen ein Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 1998 vorsorglich Widerspruch eingelegt hatten, erklärten, sich einstweilen entsprechend der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zu verhalten und eine sozialgerichtliche Klärung herbeizuführen.
Die Klage auf Feststellung, daß ihr Vorgehen rechtmäßig sei, hat das Sozialgericht (SG) als unzulässig abgewiesen, weil zunächst über den Widerspruch zu entscheiden sei (Urteil vom 29. Oktober 1998). Das von den Klägern angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Feststellungsklage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 2000). Es hat ausgeführt, ihre Vorgehensweise stelle die unzulässige Forderung einer Zuzahlung dar, weil die von ihnen durchgeführten Maßnahmen durch die Vergütung nach Nr 2449 BMÄ/E-GO abgegolten seien. Der Leistungsinhalt umfasse alle im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der rekonstruktiven arthroskopischen Operation stehenden Eingriffe.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, das Berufungsurteil verletze Bundesrecht. Eine unzulässige Forderung einer Zuzahlung liege nicht vor. Sie führten die zusätzlichen Maßnahmen an den Gelenkbändern erst durch, wenn die Operation nach Nr 2449 BMÄ/E-GO abgeschlossen sei, nämlich nach dem Verschluß der Zugänge zum Gelenk, allerdings bei fortdauernder Narkose. Wie die im Verfahren eingereichten Unterlagen ergäben, stellten ihre Maßnahmen eine neuartige Behandlungsmethode dar, die weder nach den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL) bzw über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-RL) anerkannt noch iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (BSGE 81, 54, 68 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 24 ff; BSG MedR 1998, 230, 236 ff) „verbreitet” sei. Sie werde – soweit ihnen bekannt sei – einzig von ihnen angeboten. Vor diesem Hintergrund könne eine Zuordnung zur GKV nicht damit begründet werden, daß Nr 2449 BMÄ/E-GO „offen” formuliert sei, nämlich nur der Operationstyp ohne weitere Differenzierung genannt werde. Die Operation nach Nr 2449 BMÄ/E-GO umfasse die von ihnen durchgeführten zusätzlichen Eingriffe nicht. Überdies dürfe nicht iS des umgangs- bzw allgemeinsprachlichen Begriffs der Operation von nur einer Leistung nach Nr 2449 EBM-Ä/BMÄ/E-GO ausgegangen werden. Vielmehr liege eine zweite zusätzliche Operation vor, da die mit dem ersten Eingriff geschaffenen Operationswunden bzw -zugänge zuvor verschlossen würden. Anders als in dem Urteil zu den Schultergelenks-Eingriffen (BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 1) seien mit der ersten Operation alle Leistungen erbracht, wie sie andere Operateure bei Operationen nach Nr 2449 BMÄ/E-GO durchführten. Es handele sich nicht um Zuzahlungen zu der nach dieser Nr vergüteten Operation, sondern um die private Honorierung einer weiteren neuen Operation, was nach Maßgabe von § 18 Abs 1 Nr 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 21 Abs 1 Nr 2 Ärzte-/Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) zulässig sei.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2000 und des Sozialgerichts München vom 29. Oktober 1998 festzustellen, daß sie berechtigt sind,
- im unmittelbaren Anschluß an eine Kreuzbandrekonstruktionsoperation, die das Leistungsbild der Nr 2449 EBM-Ä vollständig erfüllt und abgeschlossen ist,
- bei Patienten, die Anspruch auf vertragsärztliche Versorgung (ohne Zuzahlung) haben,
- unter der Voraussetzung, daß dies auf Wunsch und Initiative des jeweiligen Patienten geschieht,
- unter der (weiteren) Voraussetzung, daß der jeweilige Patient mit den Klägern eine Honorarvereinbarung über die Erbringung und Vergütung privatärztlicher (vom jeweiligen Patienten in vereinbarter Höhe voll aus eigenen Mitteln ohne Anspruch oder Aussicht auf Erstattung seitens der gesetzlichen Krankenkassen zu bezahlende) Behandlungsmaßnahmen (gemäß Muster als Anlage 1 zur Klage vom 12. August 1996) vereinbart hat,
eine weitere Operation als privatärztliche Leistung zu erbringen und gemäß Honorarvereinbarung abzurechnen, bei der (im wesentlichen) sechs äußere Kniegelenkbänder mit Kapselapparat gekürzt, gerafft und durch eine Doppelungsplastik augmentiert (verstärkt) werden und zwar
- Ligamentum collaterale laterale
- Ligamentum femuro tibiale laterale anterior
- Tractus iliotibialis
- Rentinaculum laterale patellae
- Rentinaculum mediale patellae
- Ligamentum mediale genu
mit Versorgung des Semimembranosusecks,
hilfsweise,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2000 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die zu 2. beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Sie halten das Berufungsurteil für zutreffend.
II
Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.
Zutreffend hat das LSG die Feststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zulässig beurteilt. Die Kläger haben im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse iS des § 55 Abs 1 letzter Halbsatz SGG an der Vorab-Klärung, ob für die weiteren operativen Eingriffe, die sie bei arthroskopischen Kreuzbandrekonstruktionsplastiken vornehmen, die Vereinbarung privater Honorierung zulässig ist. Ihnen kann nicht zugemutet werden, ihre von der Beklagten als rechtswidrig beurteilte Handhabung fortzuführen, um erst im Rahmen eines von der Beklagten bereits angedrohten Disziplinarverfahrens die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens klären zu lassen (vgl BSGE 78, 91, 92 = SozR 3-5540 § 25 Nr 2 S 4; s entsprechend zur Zulässigkeit der Vorab-Klärung durch feststellenden Verwaltungsakt BSGE 83, 218, 219 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 108).
Die Feststellungsklage ist indessen unbegründet. Die von den Klägern durchgeführten zusätzlichen operativen Maßnahmen sind durch die Vergütung nach Nr 2449 BMÄ/E-GO mit abgegolten.
Für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegenden maßgeblich (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 5/00 R –; BSG SozR 3-5533 Nr 75 Nr 1 S 2; Nr 100 Nr 1 S 4; Nr 2449 Nr 1 S 3; SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 5 sowie aaO Nr 5 S 22 f), da das vertragliche Regelungswerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen dient (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 22 f sowie SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4 ≪zum zahnärztlichen Bereich≫) und es in erster Linie Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend kann eine systematische Interpretation iS einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende erfolgen (vgl BSG SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1 S 3; Nr 1460 Nr 1 S 2; vgl auch Nr 2145 Nr 1 S 3). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 6). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (vgl BSG SozR 3-5533 Nr 1460 Nr 1 S 2; SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 5; SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4).
Nach den dargestellten Grundsätzen ergibt sich, daß der Tatbestand der Nr 2449 EBM-Ä (BMÄ/E-GO) die von den Klägern bei den Kreuzbandrekonstruktionen durchgeführten chirurgischen Eingriffe an den Kniegelenkbändern mit umfaßt. Die Nr 2449 EBM-Ä betrifft die „rekonstruktive arthroskopische Operation, einschl. Kosten (zB Bandrekonstruktion, Meniskusnaht)”. Die Leistung ist mit 6.500 Punkten bewertet, zu denen ggf bei ambulanter Durchführung der Operation der Zuschlag nach Nr 86 EBM-Ä von 3.600 Punkten hinzukommt. Es handelt sich damit im Abschnitt N V. des EBM-Ä – Gelenkchirurgie – um die am zweithöchsten bewertete Leistung. Höher bewertet – mit 8000 Punkten – ist nur die Nr 2496 („Entfernung und erneuter operativer Einbau des endoprothetischen Ersatzes eines Hand-, Ellenbogen-, Knie- oder Fußgelenkes oder von Hüftpfanne und Hüftkopf”). In dem Tatbestand der Nr 2449 EBM-Ä ist weiter bestimmt, daß die Nr 2449 für dasselbe Gelenk nicht mehrfach und zudem neben ihr nicht Nr 2366, 2422, 2427, 2430, 2435, 2436, 2442, 2445, 2447 und 2482 abrechenbar sind. Bei diesen von der Abrechenbarkeit ausgeschlossenen Leistungen handelt es sich nicht um nur niedrig bewertete chirurgische Leistungen wie Nr 2366 EBM-Ä (1000 Punkte), sondern auch um hoch bewertete wie Nr 2436, 2442 (jeweils 2800 Punkte), 2482 (3000 Punkte), 2427 (4000 Punkte) und Nr 2447 EBM-Ä (4900 Punkte). Die insoweit betroffenen Leistungen beziehen sich entweder unmittelbar auf Operationen des Kniegelenks oder können – bis auf die Nr 2435 EBM-Ä – im Zusammenhang mit Kniegelenksoperationen notwendig werden. Sie sind mit der Vergütung der Nr 2449 EBM-Ä abgegolten. Von dem Abrechnungsausschluß ausgenommen sind nur einige wenige operative Eingriffe am Kniegelenk. Das betrifft etwa die Leistungen nach Nr 2405, 2416 oder 2476 EBM-Ä, die sich auf eigenständige Sachverhalte beziehen. Solche Leistungen stehen hier nicht im Streit.
Nach der Höhe der Punktzahlbewertung und dem in der Leistungslegende bestimmten Abrechnungsausschluß zahlreicher weiterer Leistungen, die typischerweise bei der Operation des Kniegelenks anfallen, ist die Nr 2449 EBM-Ä für die operativen Maßnahmen am Kniegelenk als umfassende Leistung konzipiert. Dem Sinngehalt nach bezieht sich der in ihr festgelegte Abrechnungsausschluß gerade auf solche weiteren operativen Maßnahmen, die mit Leistungen nach Nr 2449 in innerem Zusammenhang stehen, es sei denn, deren Vergütungsfähigkeit ist ausdrücklich bestimmt. Bei Leistungen, bei denen im Zeitpunkt der Schaffung des Vergütungstatbestandes die medizinische und medizinisch-technische Entwicklung noch im Fluß ist, wie dies gerade bei Operationen häufig der Fall ist, wird vielfach der Leistungstatbestand nach Art von Komplexleistungen umfassend formuliert. So werden Veränderungen und Ergänzungen der Methodik von vornherein mitumfaßt, so daß nicht jede neue Erkenntnis eine Anpassung des EBM-Ä erfordert.
Mit der Nr 2449 EBM-Ä, unter die die von den Klägern durchgeführten arthroskopischen Kreuzbandrekonstruktionsoperationen fallen, werden auch die von ihnen im Anschluß an die Kreuzbandrekonstruktion zusätzlich vorgenommenen Straffungen, Verkürzungen und Verstärkungen der Kniegelenkbänder abgegolten. Diese operativen Maßnahmen sind zwar nicht ausdrücklich in den Leistungslegenden des Abschnitts N V. – Gelenkchirurgie – des EBM-Ä aufgeführt und damit auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Ihnen stehen aber nicht nur eine Reihe der von der Abrechenbarkeit ausgeschlossenen Leistungen wie zB die Nr 2422 („Primäre Naht oder Reinsertion eines Bandes und/oder Naht der Gelenkkapsel eines Schulter-, Ellenbogen-, Hüft- oder Kniegelenks”) und die Nr 2427 EBM-Ä („Plastischer Ersatz eines Kreuz- oder Seitenbandes am Kniegelenk”) gleich. Bei ihnen ist auch – wie die Kläger selbst geltend machen – ein innerer Zusammenhang mit der Kreuzbandrekonstruktionsoperation gegeben. Die zusätzlichen Maßnahmen werden nämlich von ihnen nicht nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Kreuzbandrekonstruktion erbracht, da sie im Anschluß daran und während der fortdauernden Narkose durchgeführt werden. Nach ihrem Vortrag besteht insbesondere auch ein unmittelbarer inhaltlicher Zusammenhang; denn sie sehen diese Maßnahmen als erforderlich an, um den Erfolg der von ihnen vorgenommenen Kreuzbandrekonstruktionsoperation nachhaltig zu sichern.
Die im Anschluß an die Kreuzbandrekonstruktionsoperationen an den Kniegelenkbändern durchgeführten chirurgischen Eingriffe sind danach mit der Vergütung nach Nr 2449 BMÄ/E-GO mit abgegolten. Die Vereinbarung privater Honorierungen mit Versicherten der GKV verstieße damit gegen das sich aus dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) und entsprechenden bundesmantelvertraglichen Regelungen (§ 18 Abs 3 BMV-Ä, § 21 Abs 3 EKV-Ä) ergebende Verbot, vom Versicherten (Zu-)Zahlungen zu verlangen (s dazu im einzelnen Urteile des Senats vom 14. März 2001 – B 6 KA 54/00 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen – und B 6 KA 36/00 R – zur Veröffentlichung in SozR bestimmt –).
Gegenüber dem Ergebnis, daß die operativen Behandlungen der Gelenkbänder bereits durch die Vergütung nach Nr 2449 BMÄ/E-GO abgegolten sind, dringen die Kläger nicht mit ihrem Einwand durch, die von ihnen durchgeführten Maßnahmen stellten keine Leistungen der GKV dar. Ihr Vorbringen, die Behandlungsmethode sei neuartig und weder nach den NUB-RL bzw den BUB-RL anerkannt noch iS der Urteile des BSG (BSGE 81, 54, 68 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 24 ff; BSG MedR 1998, 230, 236 ff) „verbreitet”, greift nicht durch. Denn es handelt sich nicht um eine selbständige und deshalb anerkennungsbedürftige neuartige Behandlungsmethode. Ein medizinisches Vorgehen hat nämlich im Regelfall nur dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (s die bisherige Rechtsprechung fortführend und zusammenfassend: BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 1 KR 22/00 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Behandlungsmethode ist damit abzugrenzen von der einzelnen vertragsärztlichen Leistung. Die Aufgabe des Bundesausschusses der Ärzte und KKn, vor der Einbeziehung neuer medizinischer Verfahren in die vertragsärztliche Versorgung deren Qualität und Wirtschaftlichkeit zu prüfen und ggf persönliche und apparative Voraussetzungen für eine sachgerechte Anwendung festzulegen, kann sich naturgemäß nicht auf einzelne veränderte oder auch verbesserte ärztliche Maßnahmen oder Verrichtungen beziehen, sondern nur auf leistungsübergreifende methodische Konzepte, die auf ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Ziel ausgerichtet sind (BSG aaO).
Selbst wenn den Maßnahmen, die die Kläger an den Kniegelenkbändern durchführen, ein besonderes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegen sollte, so handelt es sich der Sache nach aber nicht um eine selbständige Behandlungsmethode, sondern höchstens um ein durch einzelne neuartige vertragsärztliche Leistungen verbessertes Konzept. Die von den Klägern durchgeführten Maßnahmen sollen die durchgeführte Kreuzbandrekonstruktion zusätzlich absichern, nämlich ihre Wirksamkeit verbessern und vervollkommnen. Die Richtigkeit der Bewertung, daß den Maßnahmen an den Gelenkbändern die erforderliche Eigenständigkeit iS einer selbständigen Behandlungsmethode fehlt, findet ihre Bestätigung in der Systematik des EBM-Ä. Dort wird nur die arthroskopische Operation selbst als eigenständig abrechenbare Leistung qualifiziert, während die weiteren Maßnahmen am selben Gelenk als mitabgegoltene ergänzende Leistungen angesehen werden.
Zweifel an der Zurechnung der zusätzlichen Maßnahmen zur Operation nach Nr 2449 BMÄ/E-GO ergeben sich schließlich auch nicht aus den sonstigen von den Klägern angeführten Beispielen. Ihre Ansicht, im Falle zB zusätzlicher, eine Operation abrundender Akupunktur-Maßnahmen ziehe niemand die gesonderte private Abrechenbarkeit in Zweifel, führt schon deshalb nicht weiter, weil es sich bei der Akupunktur bisher noch nicht um eine im Regelfall zugelassene vertragsärztliche Leistung handelt. Auch das von den Klägern angeführte weitere Beispiel, daß nach Unfallverletzungen mit drei Brüchen in verschiedenen Bereichen drei Operationen abgerechnet werden könnten, ist nicht vergleichbar. Hier dient die zweite und/oder dritte Operation nicht der Abrundung der ersten, und es liegt auch nicht der Fall vor, daß die weitere Operation in innerem Zusammenhang mit der vorangegangenen steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
ArztR 2002, 151 |
SozR 3-5533 Nr. 2449, Nr. 2 |
AuS 2001, 60 |