Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung – Verhinderungspflege – keine Beschränkung der Kostenübernahme auf Sicherstellung der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung – Prozeßführungsbefugnis – keine Begrenzung des Tagessatzes
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung der Pflegekasse, die Kosten einer notwendigen Ersatz- bzw Verhinderungspflege bei Erholungsurlaub der Pflegeperson zu übernehmen, beschränkt sich nicht nur auf die Sicherstellung der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung; es ist innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen jeglicher nachgewiesene Pflegeaufwand zu erstatten, der durch den Ausfall der Pflegeperson erforderlich geworden ist.
Stand: 25. September 2000
Normenkette
SGB XI § 23 Abs. 1 Sätze 2-3, § 25 Abs. 1, § 39; VVG § 178a Abs. 1, 3, § 178b Abs. 4
Beteiligte
Vereinte Krankenversicherungs-AG |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
A
Der Kläger ist bei der beklagten privaten Krankenkasse pflegeversichert. Seinem über ihn mitversicherten – inzwischen verstorbenen – Sohn wurden wegen geistiger Behinderung von der Beklagten Leistungen für häusliche Pflege gemäß der Pflegestufe III nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (AVB), Teil II, Nr 2c iVm Teil I (Bedingungsteil MB/PPV 1996, auch 1997 unverändert fortgeltend), § 1 Abs 6c, gewährt; die Leistungen entsprechen denjenigen der Pflegestufe III nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).
In der Zeit vom 29. September bis 8. Oktober 1997 (10 Tage) fand während des Urlaubs des Klägers und seiner Ehefrau, der Pflegeperson, die Pflege ihres Sohnes durch einen gewerblichen Krankenpflegedienst statt, der dafür 2.880 DM in Rechnung stellte. Auf Antrag des Klägers gewährte die Beklagte Kostenerstattung für Verhinderungspflege lediglich in Höhe von 1.000 DM, da sie einen Tagessatz von höchstens 100 DM zugrunde legte. Die Zahlung des Restbetrages von 1.800 DM bis zum Höchstbetrag von 2.800 DM lehnte sie mit Schreiben vom 21. November 1997 ab.
Die am 2. März 1998 beim Amtsgericht (AG) erhobene Klage über den Restbetrag ist an das Sozialgericht (SG) verwiesen worden. Das SG hat den eingeklagten Betrag nebst 4 % Zinsen ab 26. November 1997 zugesprochen (Urteil vom 17. November 1998). Ein Vorverfahren sei nicht erforderlich, da es sich um eine isolierte Leistungsklage zwischen Subjekten des privaten Rechts handele. Der Kläger sei als alleiniger Versicherungsnehmer auch aktiv legitimiert. In der Sache sei die Kürzung auf einen Betrag von 100 DM pro Tag nicht zulässig. Die Versicherungsbedingungen entsprächen § 39 Satz 1 und 3 SGB XI und genügten damit § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI, wonach die Leistungen aus privatrechtlichen Pflegeversicherungsverträgen denjenigen des SBG XI, Viertes Kapitel, gleichwertig sein müssen. Der Wortlaut von Teil I, § 4 Abs 6 AVB sehe zwei eigenständige Leistungsbegrenzungen pro Kalenderjahr – Leistung für längstens vier Wochen und bis höchstens 2.800 DM – vor, für die eine Verknüpfung nicht vorgesehen sei. Eine analoge Anwendung von Teil I, § 4 Abs 3 AVB (der § 37 Abs 2 SGB XI – tageweise Kürzung beim Pflegegeld für häusliche Pflege – entspreche) sei nicht zulässig.
Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, angesichts der Kürzungsregelung beim Pflegegeld in § 37 Abs 2 SGB XI sei kein Grund ersichtlich, nicht auch die Kostenerstattung für Verhinderungspflege zeitanteilig zu kürzen. Diese Auslegung habe zudem eine Schutzwirkung zugunsten der Versicherten gegenüber den Leistungsanbietern, die andernfalls von vornherein wüßten, daß 2.800 DM verbraucht werden könnten; das gelte um so mehr, als die privaten Pflegekassen mit diesen nicht direkt verhandeln könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17. November 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
B
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG entschieden, daß auch in der privaten Pflegeversicherung bei der Kostenerstattung für eine Verhinderungspflege die Kürzung auf einen Tageshöchstsatz von 100 DM unzulässig ist.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Der Kläger ist zur Prozeßführung befugt, ohne daß es auf die Frage ankommt, wer Rechtsnachfolger seines inzwischen verstorbenen Sohnes ist. Streitgegenstand ist zwar ein Anspruch gegen die Beklagte auf eine Leistung der privaten Pflegeversicherung zugunsten dieses Sohnes. Dieser Leistungsanspruch stand aber nicht seinem Sohn als eigenes Recht zu. Rechtsinhaber – und damit aktivlegitimiert – ist vielmehr nur der Kläger selbst. Dies ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag iVm § 178a Abs 1 und Abs 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vom 30. Mai 1908 (RGBl S 263) idF des Gesetzes vom 21. Juli 1994 (BGBl I S 1630). Danach stehen die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag allein dem Versicherungsnehmer zu, auch wenn es nicht um einen ihn selbst betreffenden Versicherungsfall geht, sondern um den Versicherungsfall einer dritten Person, auf die der Versicherungsnehmer die Krankenversicherung oder die – hier fragliche – „Pflegekrankenversicherung” (§ 178b Abs 4 VVG) „genommen” hat. Versicherungsnehmer ist hier der Kläger; sein Sohn war nur eine der mit dem Versicherungsvertrag gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versicherten Personen. Die Stellung einer lediglich mitversicherten Person unterscheidet sich daher in der privaten Pflegeversicherung von derjenigen in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 25 SGB XI sind in der sozialen Pflegeversicherung der Ehegatte und die Kinder unter den dort genannten Voraussetzungen im Wege der Familienversicherung versichert und besitzen bei Eintritt eines Versicherungsfalls einen eigenen Leistungsanspruch. Die Tatsache, daß § 110 Abs 1 Nr 2f und Abs 3 Nr 6 SGB XI für die private Pflegeversicherung die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder des Versicherungsnehmers unter denselben Voraussetzungen vorschreibt, wie sie in § 25 SGB XI festgelegt sind, bewirkt lediglich eine Verpflichtung zur Gleichstellung der Kinder in der sozialen und privaten Pflegeversicherung bezüglich des Beitragsrechts und des materiellen Leistungsrechts (vgl dazu auch § 23 Abs 1 SGB XI), läßt jedoch die Stellung des Versicherungsnehmers als alleinigem Anspruchsberechtigten in der privaten Pflegeversicherung unberührt.
Aus der Aktivlegitimation folgte auch bereits zu Lebzeiten des Sohnes ein prozessuales Recht des Klägers, den Anspruch zugunsten des Sohnes im eigenen Namen geltend zu machen (Prozeßführungsbefugnis).
2. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Sprungrevision sind erfüllt, obwohl der Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 1999 wörtlich nur erklärt hat, daß er „mit der Sprungrevision einverstanden” ist, nicht aber auch der Einlegung der Sprungrevision ausdrücklich zugestimmt hat; die nach Zustellung des vollständigen Urteils (hier am 15. Dezember 1998) und vor Zulassung der Sprungrevision (hier durch Beschluß vom 24. Februar 1999) erklärte Zustimmung zur Zulassung der Sprungrevision ist regelmäßig als Zustimmung auch zur Einlegung der Sprungrevision zu verstehen (BSG SozR 3-4100 § 249c Nr 2; vgl zum Ganzen Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 161 RdNrn 4a, 7).
3. Die hier erhobene reine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist die zulässige Klageart. Einer zusätzlichen Anfechtungsklage bedurfte es nicht. Die Beklagte ist als privates Versicherungsunternehmen nicht befugt, zur Regelung der zwischen ihr und ihren Versicherten bestehenden Rechtsverhältnisse Verwaltungsakte zu erlassen. Demgemäß hat die Beklagte die Ablehnung der Leistung in der begehrten Höhe auch nur durch eine schriftliche Mitteilung, nicht aber durch einen förmlichen Bescheid (Verwaltungsakt) ausgesprochen. Mangels Verwaltungsakts bedurfte es auch keines Vorverfahrens (§ 78 SGG) als Klagevoraussetzung. Es reicht vielmehr aus, daß die vom Kläger beanspruchte Leistung zunächst bei der Beklagten geltend gemacht und von dieser endgültig abgelehnt worden ist, so daß der Rechtsschutz nur noch durch Beschreitung des Klageweges gewährt werden kann.
4. Nach § 17 Abs 1 Satz 1 MB/PPV 1996 ist eine Klagefrist von sechs Monaten nach Ablehnung des Leistungsantrags einzuhalten. Diese Frist ist gewahrt. Das letzte Ablehnungsschreiben der Beklagten datiert vom 21. November 1997. Am 2. März 1998 ist die Klage beim AG eingegangen, was genügt.
II. Die Klage ist begründet, wie das SG zutreffend entschieden hat.
1. Der Anspruch des Klägers folgt aus dem Versicherungsvertrag (§ 4 Abs 6 MB/PPV 1996) iVm § 178b Abs 4 VVG. In der Pflegekrankenversicherung haftet der Versicherer gemäß § 178b Abs 4 VVG im Fall der Pflegebedürftigkeit in dem vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen (Pflegekostenversicherung) oder er leistet das vereinbarte Tagegeld (Pflegetagegeldversicherung). Der Leistungsumfang der hier vorliegenden Pflegekostenversicherung bestimmt sich demgemäß nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Regelungen. Für die Verhinderungspflege (auch Ersatzpflege oder Urlaubspflege genannt) ist die Regelung des § 4 Abs 6 MB/PPV 1996 maßgeblich: „Ist eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert, werden Aufwendungen einer notwendigen Ersatzpflege für längstens vier Wochen je Kalenderjahr gemäß Nr 3 des Tarifs PV erstattet. Voraussetzung ist, daß die Pflegeperson die versicherte Person vor der erstmaligen Verhinderung mindestens zwölf Monate in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt hat.” Nach Nr 3 des Tarifs PV (= AVB, Teil II) ist die Erstattung im Einzelfall auf 2.800 DM je Kalenderjahr begrenzt.
2. Die zum Vertragsinhalt gewordene Regelung des § 4 Abs 6 MB/PPV 1996 ist gesetzeskonform. Nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI muß ein Vertrag der privaten Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht (hier: 1. April 1995) für den Versicherungsnehmer und seine Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels (§§ 28 bis 45 SGB XI) gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI). Diesen Bedingungen wird die Regelung des § 4 Abs 6 MB/PPV 1996 gerecht. Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs bei der Verhinderungspflege ist § 39 SGB XI idF des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes (nF) vom 14. Juni 1996 (BGBl I S 830), das am 25. Juni 1996 in Kraft getreten ist (Art 8 Abs 1 1. SGB XI-ÄndG). Danach übernimmt die Pflegekasse die Kosten der notwendigen Ersatzpflege für längstens vier Wochen je Kalenderjahr, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist. Voraussetzung ist, daß die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens zwölf Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat. Dabei dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall 2.800 DM im Kalenderjahr nicht überschreiten.
Ein Vergleich beider Regelungen zeigt, daß die Leistungsansprüche der privaten Pflegeversicherung im Fall der Verhinderungspflege denen der sozialen Pflegeversicherung nach Art und Umfang gleichwertig sind. Die Regelung des § 4 Abs 6 MB/PPV 1996 ist daher wirksam und für den hier geltend gemachten Anspruch maßgeblich.
3. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 6 MB/PPV 1996 sind erfüllt.
a) Die Ehefrau des Klägers war als Pflegeperson in der Zeit vom 29. September bis 8. Oktober 1997 aufgrund einer eigenen Urlaubsreise gehindert, die Pflege ihres schwerstpflegebedürftigen Sohnes fortzusetzen. Die Beschaffung einer Ersatzpflege zur Urlaubsvertretung war daher notwendig. Die Pflege erfolgte in geeigneter Weise durch den Krankenpflegedienst.
Dem Kläger steht neben den bereits gezahlten 1.000 DM eine Kostenerstattung von weiteren 1.800 DM für die Verhinderungspflege zu. Die Verhinderungspflege ist nicht, wie die Beklagte meint, auf einen Tagessatz von 100 DM begrenzt. Zwar sieht das Gesetz in § 39 SGB XI eine Beschränkung der Verhinderungspflege auf 28 Tage und 2.800 DM je Kalenderjahr vor (so auch § 4 Abs 6 MB/PPV 1996). Daraus kann jedoch nicht auf einen gesetzlichen Tageshöchstsatz von 100 DM (2.800 DM: 28 Tage) geschlossen werden (so auch Udsching SGB XI, 2. Aufl 2000, § 39 RdNr 4; Vogel in LPK-SGB XI, 1998, § 39 RdNr 17; Meydam in Wannagat, SGB XI, Stand Mai 1998, § 39 RdNr 7). Die gesetzliche Regelung ist so zu verstehen, daß die Verhinderungspflege – ohne oder mit Unterbrechungen – für insgesamt höchstens 28 Tage jährlich in Anspruch genommen werden kann, die Pflegekasse dafür aber höchstens im Werte von 2.800 DM einzustehen hat. Dies bedeutet, daß sich der zeitliche Rahmen von 28 Tagen ohne Kostenbeteiligung des Pflegebedürftigen nicht ausschöpfen läßt, wenn die Aufwendungen bereits den Betrag von 2.800 DM erreicht haben, und sich andererseits der wertmäßige Rahmen von 2.800 DM nicht ausschöpfen läßt, wenn bereits an 28 Tagen Verhinderungspflege stattgefunden hat, die Aufwendungen dafür aber den Höchstwert unterschritten haben. Die zusätzliche Begrenzung auf einen Tagessatz von 100 DM läßt sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 12/5262 S 20 und 13/3696 S 13) entnehmen. Auch § 56 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch in seiner bis zum 31. März 1995 gültigen Fassung, dem § 39 SGB XI nachgebildet ist, enthielt einen zeitlichen (28 Tage) und wertmäßigen Rahmen (1.800 DM je Kalenderjahr), nicht aber einen täglichen Höchstsatz. Ein Regelungsbedarf in dieser Hinsicht ist auch nicht erkennbar geworden. Hätte der Gesetzgeber für die Verhinderungspflege einen solchen Tagessatz erstmalig vorsehen wollen, hätte er dies ausdrücklich zusätzlich in die Vorschrift des § 39 SGB XI aufgenommen, weil es sich nicht aus sonstigen Vorschriften konkludent ableiten läßt. Eine zeitanteilige Kürzung ist zwar beim Pflegegeld in § 37 Abs 2 SGB VI angeordnet. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann diese Regelung aber nicht sinngemäß auf die Verhinderungspflege mit der Folge übertragen werden, daß sich daraus ein Tageshöchstsatz ergibt. Die anteilige Kürzung beim Pflegegeld ist Ausdruck des Grundgedankens, daß nur solche Tage vergütet werden, an denen Pflege geleistet wird. Die Regelung ist dort erforderlich, weil das Pflegegeld im übrigen pauschal ohne Kostennachweis gezahlt wird. Die Verhinderungspflege verlangt demgegenüber den Nachweis für die jeweils entstandenen Aufwendungen, so daß die Ausgangslage nicht vergleichbar ist.
b) Ein Tageshöchstsatz für die Verhinderungspflege von 100 DM oder in sonstiger Höhe läßt sich auch nicht aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit ableiten, dem die Pflegekassen, die Pflegebedürftigen und die Leistungserbringer gleichermaßen verpflichtet sind (§§ 4 Abs 3 und 29 Abs 1 SGB XI). Der Gesetzgeber ist möglicherweise davon ausgegangen, daß die Verhinderungspflege im Durchschnitt mit 100 DM pro Tag jedenfalls in der Regel sichergestellt werden kann. Er hat es aber jedem Pflegebedürftigen selbst überlassen (vgl auch § 2 Abs 2 SGB XI), in welcher Art und Weise und zu welchem Preis er seine Verhinderungspflege sicherstellt. Der Höchstbetrag von 2.800 DM ist entgegen der Ansicht der Beklagten ein ausreichender Schutz gegen wirtschaftlich unvernünftige Verhaltensweisen der Pflegebedürftigen oder überhöhte Forderungen der Pflegekräfte, zumal bei Inanspruchnahme der Dienste ehrenamtlich tätiger Pflegepersonen die Verhinderungspflege nach § 39 Satz 4 bis 6 SGB XI auf den Betrag des ansonsten gezahlten Pflegegeldes (täglich 13,33 DM in Pflegestufe I, 26,66 DM in Pflegestufe II und 43,33 DM in Pflegestufe III) – zuzüglich etwaiger Aufwendungen, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Verhinderungspflege entstehen (zB Fahrkosten) – begrenzt ist.
c) Im vorliegenden Fall bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Kläger für die 10 Tage der Verhinderungspflege vom 29. September bis 8. Oktober 1997 Kostenerstattung in einer Gesamthöhe von 2.800 DM (davon 1.800 DM mit diesem Gerichtsverfahren) beansprucht. Nicht zu beanstanden ist dabei, daß keine exakte Aufschlüsselung („Spezifizierung”) nach dem Pflegeaufwand für Verrichtungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung iS der §§ 14 Abs 4, 15 Abs 1 Nr 3 SGB XI erfolgt ist, wie dies bei dem Inrechnungstellen von Pflegeleistungen im Rahmen der regulären häuslichen Pflege durch einen Pflegedienst erforderlich ist; ein lediglich pauschal geltend gemachter Rechnungsbetrag wie hier würde dort nicht ausreichen (vgl Urteil des Senats vom 30. März 2000, B 3 P 21/99 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Denn bei der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI geht es nur um die Kosten für den Ersatz der Pflegeperson, die über die Katalogverrichtungen hinaus umfassend Pflege leistet, die bei der Einstufung nicht erfaßt wird. Folgerichtig hängt deshalb der Umfang der Leistung der Verhinderungspflege auch nicht von der jeweiligen Pflegestufe ab, wie die fehlende Bezugnahme auf Pflegestufen erkennen läßt. Deshalb kann der Höchstbetrag von 2.800 DM auch bei Vorliegen nur der Pflegestufe I beansprucht werden, wenn nur die Kosten tatsächlich – plausibel – entstanden sind (Udsching aaO § 39 RdNr 8; Vogel aaO § 39 RdNr 17; Leitherer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 4 Pflegeversicherungsrecht, 1997, § 16 RdNr 154, der dies allerdings bemängelt). Daher kann bei der Verhinderungspflege auch ein nicht verrichtungsbezogener, aber notwendiger Pflegeaufwand, etwa bei der Beaufsichtigung eines geistig Behinderten wie hier, berücksichtigt werden (aA hinsichtlich medizinischer Behandlungspflege und sozialer Betreuung Vogel aaO RdNr 13).
Deshalb kann nicht beanstandet werden, daß der Kläger wegen des Aufsichtsbedarfs den Pflegedienst rund um die Uhr in Anspruch nahm, der dies entsprechend in Rechnung stellte. Der Betrag von 2.880 DM ist bei der angefallenen Stundenzahl plausibel. Bei den dadurch zu berücksichtigenden 240 Stunden (10 Tagen à 24 Stunden) ist auch der angesetzte Stundenlohn von knapp 12 DM nicht zu beanstanden.
5. Wie das SG zutreffend entschieden hat, stehen dem Kläger auf den Betrag von 1.800 DM jedenfalls seit dem 26. November 1997 auch Verzugszinsen nach den §§ 284 Abs 1, 288 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
FEVS 2001, 102 |
NZS 2001, 147 |
SozR 3-3300 § 39, Nr. 2 |
br 2000, 216 |