Beteiligte
Hamburg-Münchener-Krankenkasse |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. November 1999 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. Dezember 1994 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Höhe von Krankenversicherungsbeiträgen.
Die 1928 geborene Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Da die Klägerin nicht erwerbstätig war, wurde sie in der Versicherungsklasse F 31 der Satzung geführt. Diese galt für „Erwerbslose, deren Ehegatte keiner gesetzlichen Krankenkasse angehört”. Zur Festsetzung der Beiträge bildete die Beklagte in dieser Versicherungsklasse aus den Einnahmen der Klägerin und ihres nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten ein Familieneinkommen, das sie der Klägerin zur Hälfte zurechnete. 1993 erklärte die Beklagte der Klägerin, Bemessungsgrundlage ihrer Beiträge sei, wenn sie eine eigene Rente beziehe, nur noch diese. Als der Klägerin ab Januar 1994 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 561,99 DM zuerkannt wurde, beantragte sie, nunmehr in die Versicherungsklasse F 2 für „freiwillig versicherte Rentner” eingestuft zu werden und die Beiträge ohne Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens zu berechnen. Mit der Erhebung von Mindestbeiträgen war sie jedoch einverstanden. Die Beklagte lehnte mit Bescheiden vom 4. März und 20. April 1994 eine Beitragsbemessung ohne Heranziehung des Ehegatteneinkommens für die Zeit ab April 1994 ab. Lediglich für die Zeit davor könne sich die Klägerin aufgrund der unrichtigen früheren Auskunft auf Vertrauensschutz berufen. Ab 1. April 1994 habe sie auch als freiwillig versicherte Rentnerin Beiträge weiterhin wie ein nicht im Erwerbsleben stehendes freiwilliges Mitglied aus der Hälfte des Familieneinkommens (2.720,72 DM) zu entrichten. Andernfalls sei die Bemessungsgrundlage geringer als vor Bezug der Altersrente. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1994 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 8. Dezember 1994 die Bescheide vom 4. März und 20. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1994 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin über den 31. März 1994 hinaus in der Versicherungsklasse F 2 als freiwillig versicherte Rentnerin zu versichern und ihr die zuviel entrichteten Beiträge nebst Zinsen zu erstatten. Zwar sei es nach § 240 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) satzungsrechtlich zulässig, bei freiwillig versicherten Rentnern neben der eigenen Rente Einkommen des Ehegatten zur Beitragsbemessung heranzuziehen. Eine solche Regelung sehe § 29 Abs 8 Nr 4 der Satzung der Beklagten jedoch nur für Erwerbslose oder nur geringfügig Beschäftigte vor, deren Ehegatte keiner gesetzlichen Krankenkasse angehöre; auf freiwillig versicherte Rentner werde dort nicht Bezug genommen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG mit Urteil vom 11. November 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Bezeichnung von Versicherungsklassen in der Satzung der Beklagten begründe keinen Anspruch darauf, eine Einstufung allein danach vorzunehmen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine unzutreffende Auslegung der Satzung der Beklagten. Die Satzung trenne eindeutig zwischen freiwillig versicherten Rentnern und anderen freiwillig Versicherten wie Erwerbslosen oder geringfügig Beschäftigten. Die Bildung eines Familieneinkommens sei dort nur für Erwerbslose, nicht aber für freiwillig versicherte Rentner angeordnet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 11. November 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 8. Dezember 1994 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Die Aufzählung von Personenkreisen in § 29 Abs 7 ihrer Satzung und deren Zuweisung zu Versicherungsklassen lege nicht die beitragsrechtliche Zuordnung fest. Letztere ergebe sich aus § 29 Abs 8 Nr 4 der Satzung und berücksichtige, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin entscheidend durch das Einkommen ihres Ehegatten geprägt werde, weil ihre Rente nicht ausreichen würde, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Aufzählung der Personenkreise sei in § 29 Abs 7 der Satzung in der ab 1996 geltenden Fassung nicht mehr enthalten.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Unrecht aufgehoben. Die Bescheide vom 4. März und 20. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1994 sind rechtswidrig. Das SG hat sie zu Recht aufgehoben und die Beklagte sinngemäß verpflichtet, die freiwilligen Beiträge der Klägerin auch über den 31. März 1994 hinaus ohne Zurechnung von Ehegatteneinkommen zu berechnen. Über die ab 1995 ergangenen Beitragsbescheide hat das LSG keine Entscheidung getroffen. Dies ist im Revisionsverfahren nicht gerügt worden. Der Senat hatte demgemäß nur über die Beitragsbemessung vom 1. April bis 31. Dezember 1994 zu entscheiden.
Die Beitragsmessung für freiwillige Mitglieder wird durch die Satzung der Krankenkasse geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (vgl § 240 Abs 1 SGB V). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist es satzungsrechtlich zulässig, bei freiwilligen Mitgliedern ohne eigene oder mit nur geringen eigenen Einnahmen in gewissen Grenzen auch die höheren Einnahmen des privat krankenversicherten Ehegatten heranzuziehen (vgl BSGE 58, 183, 192 f = SozR 2200 § 180 Nr 27; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 1 S 3 f und Nr 15 S 59 f; BSG SozR 3-2200 § 180 Nr 3 S 6 ff; BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 26 S 95 f). Die Heranziehung von Ehegatteneinkommen bedarf jedoch als Ausnahme von dem Grundsatz, daß nur eigene Einnahmen beitragspflichtig sind, einer klaren satzungsrechtlichen Grundlage. Wie der Gesetzgeber ist auch der Satzungsgeber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl BVerfGE 49, 268, 181; zum Bestimmtheitserfordernis bei Satzungen BSG SozR 2200 § 324 Nr 2 S 2). In der Satzung der Beklagten, die als bundesweit geltendes Recht revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 31 S 139 mwN), fehlte es 1994 an einer solchen, hinreichend bestimmten Regelung, die auch bei freiwillig versicherten Rentnern die Berücksichtigung von Ehegatteneinkommen zuließ.
Die Beklagte regelt die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder in § 29 ihrer Satzung. Dessen Abs 7 hatte in seiner 1994 geltenden Fassung (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
„Die freiwilligen Mitglieder werden entsprechend ihrer beitragsrechtlichen Zuordnung in die nachstehenden Versicherungsklassen (VKL) eingestuft. Für die Bemessung der Beiträge gelten die Absätze 1 bis 6 und Absatz 8.
VKL |
Personenkreis |
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… |
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F 2 |
freiwillig versicherte Rentner |
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F 3 |
Mitglieder, die nicht im Erwerbsleben stehen |
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F 31 |
Erwerbslose, deren Ehegatte keiner gesetzlichen Krankenkasse angehört |
Abs. 8 Nr. 4 |
…” |
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§ 29 Abs 8 bestimmte in seiner 1994 geltenden Fassung auszugsweise folgendes:
„Für die nachstehend in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Mitgliedergruppen gelten folgende Besonderheiten:
1. … 3. …
4. Freiwillige Mitglieder, die nicht im Erwerbsleben stehen oder im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nur geringfügig beschäftigt oder tätig sind, werden in die Versicherungsklasse F 3 eingestuft. Für sie werden die Beiträge nach ihren beitragspflichtigen Einnahmen bemessen, mindestens jedoch nach einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV).
Ist der Ehegatte des Mitglieds nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, wird das Mitglied in die Versicherungsklasse F 31 eingestuft. Für diese Mitglieder werden für die Bemessung der Beiträge folgende Einnahmen zugrunde gelegt: Aus einem etwaigen Einkommen des Mitglieds und dem Einkommen seines Ehegatten ist ein Familieneinkommen zu ermitteln, das für jedes unterhaltsberechtigte Kind um 1/6 der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), vermindert um ein etwaiges eigenes Einkommen des Kindes, zu kürzen ist. Für die Bemessung der Beiträge ist die Hälfte des so ermittelten Betrages, mindestens jedoch ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße und höchstens die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Die vorstehende Bemessung der Beiträge gilt nicht, wenn die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds entweder die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze oder die Einnahmen seines nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Ehegatten übersteigen.
5. …”
Die Beklagte hat demnach in § 29 Abs 7 verschiedene Versicherungsklassen gebildet, nämlich F 2 für freiwillig versicherte Rentner, F 3 für Mitglieder, die nicht im Erwerbsleben stehen, sowie F 31 für Erwerbslose, deren Ehegatte keiner gesetzlichen Krankenkasse angehört. Nur neben der Versicherungsklasse F 31 wurde auf Abs 8 Nr 4, die Regelung über die Bildung von Familieneinkommen, hingewiesen. Bei der Versicherungsklasse F 2 für freiwillig versicherte Rentner fehlt der Hinweis demgegenüber. Danach spricht schon Abs 7 dagegen, daß Abs 8 Nr 4 auch für die Versicherungsklasse F 2 gelten soll. Dieses wird durch Abs 8 Nr 4 bestätigt. In dieser Bestimmung wird die Bildung eines Familieneinkommens nur für die Versicherungsklasse F 31 angeordnet, während freiwillig versicherte Rentner oder die Versicherungsklasse F 2 dort nicht genannt werden. Wortlaut und Systematik des § 29 Abs 7 und 8 der 1994 geltenden Satzung lassen es auch nicht zu, freiwillig versicherte Rentner angesichts der eigens für sie geschaffenen Versicherungsklasse F 2 zugleich in Versicherungsklasse F 31 einzustufen, wenn der Ehegatte mit den höheren Einnahmen keiner gesetzlichen Krankenkasse angehört.
Nach allem kann die Beklagte bei der Klägerin der Beitragsbemessung nur die eigenen Einnahmen der Klägerin, mindestens jedoch ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße zugrunde legen (§ 29 Abs 1, Abs 5 der Satzung). Soweit die Beklagte aufgrund der angefochtenen Bescheide Beiträge aus einer höheren Bemessungsgrundlage verlangt hat, sind die Beiträge zu Unrecht entrichtet. Sie sind, wie das SG zutreffend entschieden hat, von der Beklagten gemäß § 26 Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) zu erstatten; der Erstattungsanspruch ist mit 4 vH zu verzinsen (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB IV).
Hiernach war auf die Revision der Klägerin das Urteil des LSG aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil durch Zurückweisung der Berufung der Beklagten wiederherzustellen. – Ob für die Beitragseinstufung in den Folgejahren ab 1995, insbesondere für die Zeit nach der ab 1996 erfolgten Satzungsänderung, etwas anderes gilt, hatte der Senat angesichts des auf 1994 beschränkten Streitgegenstandes nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
NWB 2001, 1989 |
BuW 2002, 528 |
FA 2001, 350 |
NZS 2002, 199 |
SozSi 2002, 328 |