Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
1. Revisionsklägerin, 2. 3. 4 |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land die Genehmigung zur Erweiterung der klagenden Innungskrankenkasse (IKK) Trier infolge Innungszusammenschlüssen zu Recht versagt hat.
Die Bäcker-, Baugewerks- und Zimmerer-Innungen Trier haben sich 1980, jeweils mit den Bäcker- und Baugewerks-Innungen Saarburg und deren Fachgruppe Zimmerer zu den Beigeladenen zu 2) b bis 4) - Bäcker-Innung Trier-Saarburg, Baugewerks-Innung Trier-Saarburg und Zimmerer-Innung Trier-Saarburg - vereinigt. Während die Trierer Innungen Trägerinnungen der Klägerin (IKK) sind, gehören die versicherungspflichtig Beschäftigten in den Mitgliedsbetrieben der früheren Saarburger Innungen noch der Beigeladenen zu 1) (Allgemeine Ortskrankenkasse -AOK- Trier-Saarburg) als deren Mitglieder an. Mit Schreiben vom 11. Mai 1981 beantragte die Kreishandwerkerschaft Trier-Saarburg im Auftrag der Beigeladenen zu 2) bis 4) nach vorheriger Zustimmung der neugebildeten Gesellenausschüsse die Genehmigung für den "Anschluß" der früheren Saarburger Innungen zur Klägerin. Die Klägerin selbst beantragte die Genehmigung des am 3. Juni 1981 beschlossenen neunten Nachtrags zu ihrer Satzung vom 1. Januar 1978, mit dem sie ihre örtliche Zuständigkeit entsprechend den von den Beigeladenen zu 2) bis 4) gefaßten Beschlüssen erweiterte.
Mit Beschluß vom 15. Januar 1982 versagte das beklagte Land die beantragten Genehmigungen mit der Begründung, daß durch den neuerlichen Entzug von Mitgliedern die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu 1) gefährdet werde. Diese verliere mit weiteren 680 Versicherungspflichtigen etwa 2,1 % ihres Mitgliederbestandes, so daß nunmehr die Schwelle überschritten werde, von der an nach 11 vorangegangenen Anschlußverfahren Anhaltspunkte für eine drohende Auszehrung der Beigeladenen zu 1) zu erkennen seien.
Auf die Klage der IKK Trier wurde das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Januar 1982 verpflichtet, den 9. Satzungsnachtrag der Klägerin zu genehmigen und damit den Übergang der Beigeladenen zu 2) bis 4) zur Klägerin zu gestatten (Urteil des Sozialgerichts Trier - SG - vom 23. Juni 1983). Die Berufungen des beklagten Landes und der Beigeladenen zu 1) hatten keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz - LSG - vom 12. Januar 1984). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, durch den Anschluß der beigeladenen Innungen zu 2) bis 4) an die klagende IKK werde eine Gefährdung des Bestandes oder der Leistungsfähigkeit der beigeladenen AOK Trier-Saarburg nicht verursacht (§ 250 Abs. 1a der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Eine Bestandsgefährdung werde von ihr selbst nicht behauptet. Hinsichtlich der Frage der Gefährdung der Leistungsfähigkeit komme es nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entscheidend auf die Stellung der betroffenen Krankenkasse im Vergleich zu anderen gleichartigen Krankenkassen des betreffenden Wirtschaftsraums an. Nur wenn die Krankenkasse infolge der Abgabe von Mitgliedern die bei den erwähnten Kassen gleicher Art erhobenen Beiträge erheblich überschreiten oder wenn sie die Leistungen dieser Kassen in nennenswertem Umfang unterschreiten müßte, sei eine Leistungsgefährdung zu bejahen. Dies sei für den hier maßgeblichen Wirtschaftsraum Trier nicht der Fall. Denn der - allein zulässige - Vergleich mit den hier vorhandenen A0K'en Bitburg, Daun und Wittlich (Vergleichskassen) lasse erkennen, daß die Differenz zu deren Beitragssätzen im Zeitraum von 1972 bis einschließlich 1982 im wesentlichen gleichgeblieben sei. Die Situation der AOK Trier-Saarburg habe sich im Gegenteil etwas entspannt, weil sie im Gegensatz zu den Vergleichskassen zum 1. Januar 1983 eine Beitragssenkung um 0,3 Prozentpunkte (von 14,1 auf 13,8 %) habe vornehmen können, obwohl sie bisher durch verschiedene Anschlußverfahren mehrfach Mitglieder verloren habe. Auch wenn durch den neuerlichen Verlust von 680 Mitgliedern, eine Beitragserhöhung erforderlich werde - nach Behauptung der Revisionsklägerin um maximal 0,2 Prozentpunkte -, halte sich dies noch im Rahmen des Vertretbaren, weil damit die Differenz zu den Beitragssätzen der Vergleichskassen keine Verschlechterung zu ihren Ungunsten erfahren würde. Mit einer Beitragssteigerung um 4,0 Prozentpunkte seit 1972 läge sie noch günstiger als die AOK Daun mit 4,1 und die A0K'en Bitburg und Wittlich mit 4,3 Prozentpunkten. Daß die AOK Trier-Saarburg seit 1950 durch insgesamt 11 Anschlußverfahren bereits einen Verlust von 4.500 Mitgliedern habe hinnehmen müssen, rechtfertige keine andere Beurteilung, weil dieser Verlust im Vergleich zu den Vergleichskassen noch nicht darauf schließen lasse, daß er zusammen mit dem erneuten Mitgliederabgang ihre Leistungsfähigkeit entscheidend beeinträchtige. Im übrigen komme ein Vergleich zu anderen Kassenarten (Innungs-, Betriebs- und Ersatzkassen), deren Beitragsätze regelmäßig günstiger seien, schon deshalb nicht in Betracht, weil die Mitgliedschaft bei diesen an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei, die nur von einem Teil der Versicherungsgflichtigen erfüllt würden.
Mit der - vom BSG zugelassenen Revision wendet sich die beigeladene AOK, Trier-Saarburg gegen das angefochten Urteil und rügt eine Verletzung von § 250 Abs. 1a RVO und § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe verkannt, daß die Vergleichsprüfung nicht auf die benachbarten Kassen derselben Kassenart habe beschränkt werden dürfen, sondern der Wirtschaftsraum weiter zu ziehen und auch Kassen anderer Kassenarten in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen seien. Ein Vergleich mit den Beitragssätzen der A0K'en Bitburg-Prüm, Daun und Bernkastell-Wittlich sei schon deshalb ohne jede Aussagekraft, weil diese A0K'en ebenfalls - wie sie, die Revisionsklägerin selbst - durch vorangegangene Anschlußverfahren bzw. Mitgliederverluste erheblich betroffen worden seien. Das LSG hätte zwingend aufklären müssen, inwieweit deren ebenfalls sehr hohe Beitragssätze (seit Mitte 1984 12,8, 12,4 und 12,6 %), die hinter dem Beitragssatz der Revisionsklägerin (12,8 %) nicht oder nur unwesentlich zurückblieben, nicht ihrerseits Ausdruck einer Leistungsgefährdung durch Mitgliederverluste seien. Dafür spreche, daß bei den anderen sechs, A0K'en ihres Wirtschaftsbereichs (Bad Kreuznach, Cochem-Zell, Idar-Oberstein, Koblenz-Stadt, Koblenz-Mayen und Simmern) der Beitragssatz 1984 durchschnittlich bei 11,9 % liege. Die daraus ersichtliche Differenz zu ihrem - der Revisionsklägerin - Beitragssatz von 12,8 % spreche bereits für eine Leistungsgefährdung. Im übrigen habe das LSG verkannt, daß es den Aufgaben der A0K'en im System der gegliederten Krankenversicherung nicht gerecht werde, wenn ihre Leistungsfähigkeit nur im Vergleich zu anderen A0K'en ermittelt werde. Eine solche Einschränkung sei vom BSG nicht gemacht worden. Vielmehr gebiete die besondere Stellung der A0K'en als Primär- und Auffangsystem der Krankenversicherung zwingend einen Vergleich mit anderen Kassenarten dieses Systems, soweit sie in dem maßgeblichen Wirtschaftsbereich als konkurrierende Leistungsanbieter aufträten. Bei den dort vorhandenen Innungs-, Betriebs- und Ersatzkassen bestünden aber wegen der günstigeren Risikostruktur wesentlich niedrigere Beitragssätze (bei 11 Betriebskrankenkassen durchschnittlich nur 10,7 %, bei zwei IKK'en durchschnittlich 11,75 % und bei acht Ersatzkassen durchschnittlich 11,2 %). Bei einer derartigen Differenz zu ihrem eigenen Beitragssatz von 12,8 % werde deutlich, daß ihre Leistungsfähigkeit gefährdet werde, wenn außer den bereits verlorenen 4.500 Mitgliedern ihr derzeitiger Bestand (28.253 Pflichtversicherte ohne Rentner) um weitere 680 Mitglieder - davon 61,32 % unter 40 Jahren - vermindert werde. Die Genehmigung dafür dürfe nicht erteilt werden, weil § 250 Abs. 1 a RVO gerade verhindern wolle, daß der größte Teil der Versicherten mit unverhältnismäßig höheren Aufwendungen belastet werde als ein kleinerer Teil, der sich in einer IKK oder BKK zusammengeschlossen habe.
Die Revisionsklägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Januar 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 23. Juni 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts.
Die Revisionsbeklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 4) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie führen ergänzend aus, § 251 RVO stelle keine Konkurrenzklausel dar, sondern solle nur sicherstellen, daß Versicherte in vergleichbarer Situation im gleichen Wirtschaftsraum - als Angehörige von A0K'en - nicht als Folge der Errichtung einer IKK oder BKK völlig unterschiedliche Aufwendungen machen müßten. Vergleichbar i.S. der Leistungsfähigkeit könnten insoweit stets nur Kassen der gleichen Kassenart, also die A0K'en des betreffenden Wirtschaftsbereichs, sein. Kassen anderer Kassenarten könnten zum Vergleich nicht herangezogen werden.
II
Die Revision der beigeladenen AOK führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht zu.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Genehmigung der Erweiterung der klagenden IKK infolge des Zusammenschlusses ihrer Trägerinnungen mit den beigeladenen Innungen und die Genehmigung der entsprechenden Satzungsänderung der IKK - nach Erfüllung aller anderen Genehmigungsvoraussetzungen - nur verweigert werden dürfen, wenn durch die Aufnahme von weiteren 680 Mitgliedern in die IKK der Bestand oder die Leistungsfähigkeit der durch den entsprechenden Mitgliederverlust betroffenen AOK gefährdet wird (§ 250 Abs. 1 a RVO in der seit dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung durch Art. 1 § 1 Nr. 2 des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes - KVWG - vom 28. Dezember 1976, BGBl I S. 3871 i.V.m. §§ 253 Abs. 1 und 324 Abs. 1 RVO). Ob eine solche Gefährdung der beigeladenen AOK vorliegt, hat das LSG allein nach den Verhältnissen von drei benachbarten AOK'en - Bitburg, Daun und Wittlich - beurteilt und hierzu ausgeführt, auch eine von der beigeladenen AOK behauptete Beitragserhöhung von 0,2 Prozentpunkten infolge des - erneuten - Mitgliederverlustes halte sich noch im Rahmen des Vertretbaren, weil damit die Differenz in der Beitragsentwicklung gegenüber den genannten Vergleichskassen keine Verschlechterung zuungunsten der beigeladenen AOK erfahren würde. Mit dieser Begründung läßt sich die Verurteilung des beklagten Landes zur Erteilung der beantragten Genehmigungen nicht bestätigen.
Zutreffend hat zwar das LSG eine durch den Mitgliederverlust voraussichtlich zu erwartende Beitragserhöhung - die es bisher mit 0,2 Prozentpunkten unterstellt, aber nicht festgestellt hat - als solche nicht für ausreichend angesehen, sondern einen Vergleich mit anderen Kassen des maßgeblichen Wirtschaftsraums für erforderlich erachtet. Ein solcher Vergleich ist zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs "Leistungsfähigkeit" geboten. Das Gesetz stellt nicht auf den bisherigen Leistungsstand, sondern auf die Leistungsfähigkeit ab, die deshalb nicht mit dem faktischen Leistungsniveau der betroffenen AOK gleichgestellt werden kann. Die Leistungsfähigkeit einer AOK kann mangels einer Höchstgrenze für die zu ihrer Erhaltung notwendigen Beitragserhöhungen (§§ 389, 391 RVO) nur in Relation zu anderen gleichartigen Kassen bestimmt werden. Unter Leistungsfähigkeit einer Kasse ist ihre finanzielle Fähigkeit zu verstehen, die vergleichbaren Kassen entsprechenden Leistungen (Regel- und Mehrleistungen) zu gewähren, sich also annähernd im durchschnittlichen Beitrags- und Leistungsniveau der Vergleichskassen halten zu können (vgl. dazu Wertenbruch/Wallerath, Rechtsgutachten über Fragen der Errichtung und Erweiterung von Innungskrankenkassen, 1972, Rd.Nr. 85 ff.). Nur in Relation zu diesen Kassen läßt sich feststellen, ob die betroffene Kasse infolge des Mitgliederverlustes aus dem Rahmen des "Üblichen" (Vergleichsniveau) soweit herausfällt, daß auf eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit geschlossen werden kann. Da die Erhaltung der Leistungsfähigkeit einer Kasse nicht nur durch Absenkung ihres Leistungsniveaus auf das durchschnittliche Leistungsniveau der Vergleichskassen erreicht, sondern - bei vergleichbarem Leistungsniveau - durch Erhöhung ihres Beitragssatzes auf das durchschnittliche Beitragsniveau der Vergleichskassen sichergestellt werden kann, tritt eine Gefährdung erst dann ein, wenn zum Ausgleich der Mitgliederverluste das Leistungsniveau der Vergleichskassen erheblich unterschritten oder - zur Erhaltung dieses Leistungsniveaus - deren Beitragsniveau erheblich überschritten werden müßte. Daß das LSG hierbei - einer allgemeinen Tendenz folgend - die Vergleichsbetrachtung allein auf die Beitragshöhe abgestellt hat, ist nicht zu beanstanden. Diese Tendenz trägt dem Umstand Rechnung, daß die Ausgaben der Kassen im weitesten Maße auf bundesgesetzlich vorgeschriebenen Regelleistungen beruhen, neben denen die Mehrleistungen und Kannleistungen finanziell nur eine relativ unbedeutende Rolle spielen. Da sich zudem bei den Mehr- und Kannleistungen gesteigerte Gleichheitsansprüche - jedenfalls regional - nivellierend auswirken Wertenbruch/Wallerath, aaO, Rd.Nr. 56 m.w.N.) und ein Abbau dieser Leistungsarten politisch-praktisch kaum zu verwirklichen ist (Krause, BKK 1979, 4, 5), wirkt sich die Erhöhung der Beitragssätze in der Praxis als das wesentliche Kriterium der Leistungsgefährdung aus.
Das BSG hat insoweit in ständiger Rechtsprechung zu den im wesentlichen gleichlautenden, Vorschriften für die Errichtung von IKK'en (§ 251 Abs. 1 Nr.- 1 RVO) und BKK'en (§ 248 Nr. 1 RVO) entschieden, daß eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit der betroffenen AOK nicht allein mit deren ungünstiger Vermögenslage oder mit der Notwendigkeit begründet werden kann, in Fällen einer Abgabe von Mitgliedern die Beiträge zu erhöhen oder die Leistungen herabzusetzen. Sie sei vielmehr, erst dann anzunehmen, wenn die Krankenkasse im Vergleich zu gleichartigen Kassen des betreffenden Wirtschaftsraums infolge des Mitgliederverlustes die bei den Vergleichskassen erhobenen Beiträge erheblich überschreiten oder wenn sie die Leistungen dieser Kassen in nennenswertem Maße unterschreiten müßte (BSGE 14, 71, 76 = SozR Nr. 2 zu § 251 RVO; BSGE 31, 283, 287 = SozR Nr. 5 zu § 251 RVO; SozR Nr. 7 zu § 251 RVO; SozR Nr. 9 zu § 250 RVO; SozR 2200 § 250 Nr. 7). Bei der vorzunehmenden Vergleichswertung sollen alle Faktoren unberücksichtigt bleiben, die zwar die wirtschaftliche Entwicklung der Kasse beeinflussen, jedoch nicht kausal auf der in Frage stehenden Abgabe von Mitgliedern beruhen (BSGE 14, 71). Hingegen dürften frühere Mitgliederverluste - etwa infolge stufenweiser Erweiterung einer IKK -, soweit Sie bereits zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der betroffenen AOK geführt haben, nicht außer Acht gelassen werden (vgl. BSG SozR Nr. 7 zu § 251 RVO; SozR 2200 § 250 Nr. 7).
Hiervon ausgehend durfte das LSG die Vergleichswertung nicht oder jedenfalls nicht allein - auf die Verhältnisse der AOK'en Bitburg, Daun und Wittlich beschränken. Waren diese Kassen ebenfalls - wie die beigeladene AOK behauptet hat - durch entsprechende Mitgliederverluste infolge vorangegangener Anschlußververfahren in erheblichem Maße betroffen und waren deren vergleichbar hohe Beitragssätze - Mitte 1984 12,8, 12,4 und 12,6 % - durch vorhergegangene Mitgliederverluste wesentlich mitverursacht, darf die Vergleichsbetrachtung schon deshalb nicht auf diese Kassen beschränkt werden, weil ihre Beitragssätze keinen geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Leistungsgefährdung der beigeladenen AOK darstellen. Vielmehr müssen weitere Kassen in diesen Vergleich einbezogen werden, wenn - wie noch auszuführen ist - die Vergleichsprüfung ohnehin in einem weiteren Rahmen zu vollziehen ist.
Entgegen der Ansicht der beigeladenen AOK können als vergleichbare Kassen allerdings nicht die umliegenden IKK'en, BKK'en oder gar die Ersatzkassen in die Vergleichswertung einbezogen werden. Zutreffend geht vielmehr das LSG davon aus, daß unter vergleichbaren bzw. gleichartigen Kassen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BSG nur diejenigen der gleichen Kassenart im Sinne des § 225 RVO gemeint sind und gemeint sein können, also nur andere AOK'en, die wie sie selbst nach gleichen Prinzipien strukturiert sind und in etwa vergleichbaren regionalen Einflüssen unterliegen. Nur im Verhältnis zu ihnen ist ein Vergleich der Leistungsfähigkeit systemgerecht. Ob eine Heranziehung überregionaler Kassen - insbesondere von Ersatzkassen und großen Betriebskrankenkassen - schon allein deshalb ausscheidet, weil ihr Mitgliederkreis weit gestreut, häufig länderübergreifend zusammengesetzt ist und daher regionale Unterschiede in der Sozialstruktur bei ihnen durch eine breitere Streuung des Risikos ausgeglichen werden, bedarf hier keiner näheren Ausführungen. Auch die als vergleichbar in Betracht zu ziehenden IKK'en und kleineren BKK'en, die - wie die AOK regional beschränkt und daher den für sie bestimmenden regionalen Einflüssen in gleicher oder doch ähnlicher Weise ausgesetzt sind, können für den Leistungsvergleich nicht herangezogen werden. Dies liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß die Errichtung oder Erweiterung derartiger beruflich abgegrenzter Kassen häufig schon dann scheitern müßte, wenn im Wirkungsbereich der AOK bereits Kassen dieser Art bestehen, die ihren Mitgliedern Versicherungsschutz zu günstigeren Bedingungen als die betroffene AOK gewähren. Das widerspricht aber sowohl dem System der gegliederten Krankenversicherung als auch dem Schutzzweck des § 250 Abs. 1 a RVO.
§ 250 Abs. 1 a RVO bezweckt nicht, eine derartige "Konkurrenzsituation" zu verhindern. Diese erst mit Wirkung ab 1. Januar 1977 in das Gesetz eingefügte Bestimmung sollte klarstellen, daß eine IKK infolge des Zusammenschlusses von Innungen nur erweitert werden darf, wenn auch in diesen Fällen die Voraussetzungen der "Errichtung" einer IKK erfüllt sind (vgl. BT-Drucks 7/5365 S. 5 und 11). Sie bezweckt also - wie § 251 Abs. 1 Nr. 1 und § 248 Nr. 1 RVO - vornehmlich den Schutz der Versicherten, die im System der A0K'en verbleiben (zum Schutzzweck der Gefährdungsklauseln Wertenbruch/Wallerath, aaO, Rd.Nr. 34). Die, AOK'en als regionales Auffang- und Basissystem der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Pflichtversicherten, die keinem anderen Versicherungsträger gesetzlich zugeordnet sind, sollen vor einer Gefährdung durch Abwanderung der sogenannten guten Risiken geschützt, als Gesamtorganisation leistungsfähig, stabil gehalten werden (vgl. RT-Drucks zum Entwurf einer RVO, 12. Legislaturperiode, II. Session, 1909/10 zu Nr. 340, Begründung zu §§ 260, 263 des Entwurfs = §§ 248, 251 RVO a.F., S. 174). Die Gefährdungsklauseln sollen also verhindern, daß Versicherungsschutz für Versicherte in etwa gleicher Situation - also für Versicherte, die im Basissystem der AOK'en verbleiben und im wesentlichen den gleichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen einer Region unterliegen - nicht zu einem Teil infolge der Errichtung oder Erweiterung einer beruflich abgegrenzten Kasse unverhältnismäßig ungünstiger wird als für einen anderen - in der gleichen Region lebenden - Teil. Bereits daraus wird deutlich, daß die Beitragssätze der umliegenden Kassen anderer Kassenarten selbst nicht Maßstab für die Gefährdung der AOK'en sein können. Ihre Einbeziehung in die Vergleichsbewertung widerspricht dem Prinzip der gegliederten Krankenversicherung, die nach einer Vielzahl verschiedener Strukturprinzipien gestaltet ist und die auf sowohl regional als auch beruflich abgegrenzten Personenkreisen als Versicherungsgemeinschaften aufbaut. Nach dem derzeitigen System sind die Krankenkassen einerseits nach Regionen (AOK'en), andererseits nach Berufsgruppen (IKK'en, Ersatzkassen für Arbeiter, See-Krankenkasse), nach Betrieben (BKK'en), nach Wirtschaftszweigen (Bundesknappschaft), nach der Stellung im Beruf (Ersatzkassen für Angestellte bzw. für Arbeiter) oder nach Wirtschaftszweigen und der Stellung im Beruf (landwirtschaftliche Krankenkassen) geordnet. Dabei führt das Nebeneinander einer Vielzahl selbständiger Versicherungsträger, die untereinander keine einheitliche Struktur haben und unterschiedlichen regionalen Bedingungen ausgesetzt sind, wegen der unterschiedlichen Einnahmen und Ausgaben zu unterschiedlichen Beitragssätzen. Diese Unterschiede sind dem System der gegliederten Krankenversicherung gleichsam immanent, ohne daß ersichtlich ist, daß - abgesehen von einem begrenzten Finanzausgleich nach § 393 b RVO für die Krankenversicherung der Rentner und dem (noch zu erörternden) Finanzausgleich des § 414 b Abs. 2a RVO - der Gesetzgeber eine Einheitlichkeit der Beitragssätze als solche angestrebt hätte. Daß die derzeit festzustellenden Unterschiede in den Beitragssätzen der verschiedenen Kassenarten - aber auch innerhalb einer Kassenart - nicht verfassungswidrig sind, hat der 12. Senat des BSG in mehreren Urteilen vom 22. Mai 1985 (12 RK 15/83, 16/83 und 14/83 - ersteres zur Veröffentlichung bestimmt -) inzwischen entschieden und hierzu ausgeführt, daß der Gesetzgeber nicht gehalten war, bei einer grundlegenden Entscheidung über den Aufbau der Krankenversicherung allein oder vorrangig die Gleichheit der Beitragssätze zum beherrschenden Grundsatz seiner Entscheidung zu machen. Es liege vielmehr im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, anderen sachlichen Erwägungen maßgebendes Gewicht beizumessen und ihnen die Einheit der Versicherung und die Gleichheit der Beitragssätze zumindest bis zu einem gewissen Grad zu opfern. Lag dir Grund für die Schaffung einer dezentralen Struktur der Krankenversicherung, die bis heute Bestand hat, vor allem darin, daß die Versicherten zu homogenen - auch beruflich abgegrenzten - Versicherungsgemeinschaften zusammengeschlossen werden können, um ihnen ein versichertennahes, leistungsfähiges System mit Selbstverwaltung zur Verfügung zu stellen, kann die Beitragsgestaltung und -entwicklung im Bereich dieser anderen - beruflich abgegrenzten - Kassenarten (insbesondere der IKK'en und BKK'en) nicht selbst Maßstab für die Leistungsgefährdung der OKK'en sein. Die Gefährdungsklauseln der §§ 250 Abs. 1 a, 251 Abs. 1 Nr. 1, 248 Nr. 1 RVO zielen insoweit nicht darauf ab, die Errichtung von IKK'en bzw. BKK'en überhaupt oder jedenfalls dann zu verhindern, wenn diese für ihren Mitgliederkreis günstigere Versicherungsbedingungen (Beitragssätze) als die von dem Mitgliederverlust betroffene AOK erreichen könnten. Der Gesetzgeber nimmt vielmehr (bloße) Beeinträchtigungen des regionalen Basissystems (A0K'en), die praktisch mit jedem Mitgliederverlust für dieses entstehen, in Kauf (sonst hätte der Gesetzgeber die Errichtung von BKK'en und IKK'en ausgeschlossen) und will die Neuerrichtung oder Erweiterung von Kassen dieser Art erst dann verhindern, wenn dadurch das Gleichgewicht der Beitragsbelastungen innerhalb des Basissystems empfindlich gestört wird. Erst dann, wenn die zum Ausgleich der Mitgliederverluste erforderliche Beitragserhöhung zu einer wesentlichen Überschreitung des Beitragsniveaus vergleichbarer Kassen dieses Systems führt, liegt eine Leistungsgefährdung vor. Dafür, daß insoweit nur die Beitragssätze innerhalb einer Kassenart eines größeren räumlichen Bereichs Vergleichsmaßstab sein können, bietet auch das Gesetz einen gewissen Hinweis.
§ 414b Abs. 2a RVO, der mit Wirkung vom 1. Juli 1977 (durch Art 1 §1 Nr. 50 des Gesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl I S. 1069) in das Gesetz eingefügt worden ist, sieht fakultativ auf der Ebene der Landesverbände unter den Mitgliedskassen eines Landes einen Finanzausgleich für den Fall vor, daß der Bedarfssatz einer Kasse den durchschnittlichen Bedarfssatz aller beteiligten Mitgliedskassen um mehr als 5 v.H. überschreitet. Bedarfssatz ist das Verhältnis der Ausgaben für Leistungen (ohne die Leistungen für die Krankenversicherung der Rentner) zur Summe der Grundlöhne. Die Ausgaben sind dabei zu mindern um die von Dritten zu erstattenden Ausgaben für Leistungen, um die Ausgaben für Mehrleistungen, für Zahnersatz und Zahnkronen und für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Mit diesen Ausgrenzungen wird eine Reduktion des Beitragssatzes (der Bedarfssatz kann als bereinigter Beitragssatz verstanden werden) auf die seine Höhe wesentlich bestimmenden Risikofaktoren angestrebt, nämlich auf der Einnahmeseite ein - beitragssatzerhöhendes - niedriges Grundlohnniveau und auf der Ausgabenseite eine ungünstige Risikostruktur (etwa eine ungünstige Altersstruktur der Versicherten unterhalb des Rentenalters, stärkere gesundheitliche Belastungen, hoher Frauenanteil oder ungünstige Familienlastquote). Da hinsichtlich dieser unterschiedlich verteilten Risikofaktoren in der dezentralisierten Krankenversicherung ein Ausgleich nicht stattfindet, soll er innerhalb einer Kassenart im Landesbereich kassenübergreifend fakultativ geschaffen werden können. Die im Gesetzgebungsverfahren in § 414 b Abs. 2 a RVO zunächst vorgesehene "zweite Stufe" eines obligatorischen Finanzausgleichs zwischen den Mitgliedskassen eines Landes in Fällen, in denen eine Kasse 15 % des Bedarfssatzes der Vergleichskassen übersteigt (BT-Drucks 8/166, S 11/12, Begründung S. 31/32), ist zwar nicht Gesetz geworden, weil auch insoweit die Einführung des Finanzausgleichs der Selbstverwaltung überlassen werden sollte (vgl. dazu Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf des KVKG, BT-Drucks 8/338 zu Art. 1 § 1 Nr. 44 = § 414 b RVO, S. 66; Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 8/652, zu Art. 1 § 1 Nr. 47 b = § 414 b Abs. 2 a Satz 1 RVO, S. 5). Gleichwohl können dem Modell des abgestuften Finanzausgleichs unter den Kassen einer Kassenart innerhalb eines Landes gewisse Anhaltspunkte für die Beantwortung der - bisher in der Rechtsprechung des BSG noch offenen - Frage entnommen werden, welches die maßgeblichen Vergleichskassen i.S. der Gefährdungsklauseln sind. insbesondere welcher regionale Bereich (Wirtschaftsraum) in die Vergleichsbewertung einzubeziehen ist und wann bzw. unter welchen Umständen eine zum Ausgleich von Mitgliederverlusten erforderlich werdende Überschreitung des durchschnittlichen Beitragsniveaus der Vergleichskassen als "wesentlich", d.h. gefährdend angesehen werden kann. Der obligatorische Finanzausgleich zielte - im Sinne einer Stabilisierung der Beitragssätze innerhalb einer durch eine vergleichbare Sozialstruktur gekennzeichneten Region - auf die Vermeidung "wesentlicher" Beitragssatzabweichungen unter den dortigen Kassen einer Kassenart ab. Dabei markierte erst ein den durchschnittlichen Bedarfssatz um mehr als 15 % übersteigender Bedarfssatz die Grenze, von der an eine "Hilfsbedürftigkeit" angenommen, werden sollte (vgl. BT-Drucks 8/166 zu § 1 Nr. 44 - § 414 b Abs. 2 a RVO, Seite 31/32).
Mit diesem (ursprünglich zweistufigen) Ausgleichsmodell, das in gewisser Weise die Stelle der stabilisierende Steuerungsfunktion des Höchstbeitrages und der Garantiepflicht des Bundes übernehmen sollte (vgl. zur Funktion des § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO a.F. BSGE 34, 177; 47, 148), korrespondiert die vom BSG zur Ermittlung der Leistungsgefährdung einer AOK geforderte Vergleichsbewertung mindestens insoweit, als es auch bei diesem Vergleichsverfahren darum geht, die Gesamtorganisation einer Kassenart - hier der A0K'en,- innerhalb einer bestimmten Region stabil zu erhalten, d.h. Störungen dieses Systems durch wesentliche Beitragssatzabweichungen zu verhindern. Wenn es insoweit entscheidend auf die Stellung der durch Mitgliederverluste betroffenen Krankenkasse im Vergleich zu anderen gleichartigen Kassen ankommt und dabei alle Faktoren außer acht gelassen werden müssen, die zwar für die wirtschaftliche Entwicklung einer Kasse erheblich sind, aber nicht ursächlich auf dem Abgang sogenannter "guter Risiken", - also einer Verschiebung der vorgezeichneten Risikostruktur beruhen, können die in § 414 b Abs. 2 a RVO vorgesehenen Vergleichsmodalitäten als Maßstab für die Beurteilung der Leistungsgefährdung einer AOK i.S. von §§ 250 Abs. 1 a, 251, 248 RVO nutzbar gemacht und zur Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung des BSG herangezogen werden. Der in § 414 b Abs. 2 a RVO maßgebliche Bedarfssatz spiegelt - wie ausgeführt - die die Höhe des Beitragsatzes einer Kasse wesentlich bestimmenden Risikofaktoren wider. Hingegen werden eine Reihe nicht oder weniger ausschlaggebender Faktoren ausgeklammert, wie etwa die bereits durch §§ 393 a bis 393 b RVO ausgeglichenen Aufwendungen für die KVdR und die satzungsmäßigen Mehr- und Ermessensleistungen. Da letztere - wie bereits ausgeführt - nur noch eine geringe Bedeutung haben, die Leistungen der Krankenkassen vielmehr im wesentlichen gleich sind und im übrigen im regionalen Bereich die verbliebenen Mehrleistungen weitgehend aneinander angeglichen sind, können sie auch bei der Vergleichsbewertung unberücksichtigt bleiben.
Hinsichtlich der Obergrenze, von der an ein den durchschnittlichen Bedarfssatz der Vergleichskassen übersteigender Bedarfssatz der durch Mitgliederverluste betroffenen AOK als "gefährdend" angesehen werden kann, wird allerdings nicht von dem ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Grenzwert von 15 % ausgegangen werden können; denn insoweit ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber derzeit Beitragssatzabweichungen bis ca. 20 % nach oben und unten von einem durchschnittlichen Beitragssatz im Bundesgebiet hinnimmt, ohne einen Finanzausgleich obligatorisch vorzusehen (vgl. BSG Urteile vom 22. Mai 1985, aaO). So liegen derzeit fast alle Beitragssätze - wenn einige Extremwerte nach oben und unten ausgeklammert werden - im Bereich von 2,5 Prozentpunkten unter oder über dem Durchschnittssatz (1985 im Bundesgebiet 11,73 % für Mitglieder aller Kassen mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens 6 Wochen). Im Hinblick hierauf wird eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit einer AOK regelmäßig erst dann angenommen werden können, wenn der infolge von Mitgliederverlusten zu erhöhende Bedarfssatz der betroffenen AOK den durchschnittlichen Bedarfssatz der Vergleichskassen um mehr als 20 % überschreitet.
Diese Betrachtungsweise läßt durchaus eine angemessene Berücksichtigung des Einzelfalles - sowohl hinsichtlich der absoluten Bedarfssatzhöhe als auch dessen relativer Erhöhung - zu. Bei einem sehr hohen Ausgangs-Bedarfssatz fällt gegebenenfalls schon eine durch Mitgliederverluste bedingte geringere Anhebung dieses Satzes - jedenfalls, wenn sie nicht ganz unerheblich, d.h. "nennenswert" ist - ins Gewicht, während bei einem niedrigen Bedarfssatz unterhalb des Vergleichsniveaus auch eine erhebliche Anhebung unbeachtlich sein kann. Allerdings wird in Fällen mit hohem Ausgangs-Bedarfssatz, jedenfalls wenn dieser keinen Bezug zu bereits in der Vergangenheit erlittenen Mitgliederverlusten erkennen läßt, nicht ganz unberücksichtigt bleiben dürfen, daß der Gesetzgeber den Krankenkassen und ihren Verbänden eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand gegeben hat (insbesondere § 414 b Abs. 2 Satz 2 RVO und der bereits erwähnte § 414 b Abs. 2 a RVO; zu dessen Vorläufern s. die Urteile des BSG vom 22. Mai 1985, aaO), um überhöhten Beitragssätzen und großen Beitragssatzdifferenzen entgegenzuwirken. Deshalb dürfte von einer Krankenkasse mit hohem Ausgangs-Bedarfssatz, bevor sie sich auf eine Gefährdung ihrer Leistungsfähigkeit berufen kann, im allgemeinen erwartet werden, daß sie zumindest den Versuch unternimmt, über ihren Landesverband zunächst zu einem - fakultativen - Ausgleich ihrer Finanzen zu kommen. Andernfalls könnten die A0K'en eine verantwortliche Handhabung des Finanzausgleichs zu Lasten neu zu errichtender bzw. zu erweiternder IKK'en bzw. BKK'en vernachlässigen.
Das Ausgleichsmodell bietet schließlich auch Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, auf welchen räumlichen Bereich die Vergleichsprüfung erstreckt werden kann. Daß hierbei nicht auf die "örtlichen Verhältnisse" der betroffenen AOK abgestellt werden kann, ergibt sich bereits daraus, daß in diesem Bereich nur eine AOK besteht und der Leistungsstand anderer dort vorhandener RVO-Kassen mangels Gleichartigkeit nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann. Eine Beschränkung auf die Nachbarkassen begegnet deshalb Bedenken, weil diese häufig in ähnlicher Weise wie die betreffende AOK - etwa von Erweiterungsbestrebungen einer in ihrem Bereich ansässigen IKK -, betroffen sein werden. Andererseits scheidet auch ein auf den gesamten Geltungsbereich der RVO ausgedehntes Vergleichsgebiet aus, weil damit die Besonderheiten der unterschiedlichen Wirtschafts- und Bevölkerungsstrukturen außer acht gelassen würden (Wertenbruch/Wallerath, aaO, Ed.Nr. 51). Das BSG hat demgegenüber einschränkend auf das "betreffende Wirtschaftsgebiet" bzw. den "betreffenden Wirtschaftsraum" abgestellt (BSGE 14, 71, 77), ohne allerdings aufzuzeigen, wie bzw. nach welchen Kriterien dieses Gebiet abzugrenzen ist. Angesichts der Schwierigkeiten, die eine genauere Erforschung der gesamtwirtschaftlichen Struktur der für einen Vergleich in Frage kommenden Bezirke bereiten würde (vgl. dazu Ströter, DOK 1965, 571, 575), erscheint es sachgerecht, - in Anlehnung an das Ausgleichsmodell des § 414 b Abs. 2 a RVO vom jeweiligen Land auszugehen und dieses im Regellfall als maßgeblichen "Wirtschaftsraum" in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber selbst in § 414b Abs. 2 a RVO auf das jeweilige Land abgestellt und darin eine durch die gemeinsame Sozialstruktur gekennzeichnete Region gesehen hat, lassen sich dafür auch sachliche Gründe anführen; so die Tatsache, daß die Honorare für Ärzte und Zahnärzte auf der Ebene der Landesverbände vereinbart und die Krankenhauspflegesätze unter wesentlicher Mitwirkung der Landesverbände festgesetzt werden, Faktoren, die das Ausgabevolumen einer Kasse wesentlich bestimmen. Eine weitere Untergliederung dieser Region - z.B. wegen unterschiedlicher Wirtschafts- und Sozialstrukturen in rein ländlichen Bezirken und Industriebezirken - kann vernachlässigt werden, wenn berücksichtigt wird, daß eine Vielzahl von Versicherungspflichtigen, die in Industriebezirken arbeiten und bei dortigen A0K'en versichert sind, als "Pendler" in ländlichen Bezirken wohnen und daher (jedenfalls teilweise) den dortigen Bedingungen unterliegen. Bei einer Erstreckung der Vergleichsbetrachtung auf den Landesbereich kann auch vernachlässigt werden, daß ein Teil der Vergleichskassen in der Vergangenheit ebenfalls Mitgliederverluste infolge von Errichtungs-, Anschluß- oder Erweiterungsverfahren hinnehmen mußte; denn insoweit kann davon ausgegangen werden, daß im Landesdurchschnitt diese Verluste jedenfalls teilweise durch einen Zuwachs an Mitgliedern, etwa aufgrund vielfacher Auflösung kleinerer Betriebskrankenkassen, ausgeglichen worden sind.
Die Begründung des angefochtenen Urteils trägt nach allem die Verurteilung des beklagten Landes zur Genehmigungserteilung nicht. Der Senat vermag jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Hierfür fehlen Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang eine Erhöhung des Bedarfssatzes der beigeladenen AOK zum Ausgleich der erneuten Mitgliederverluste erforderlich würde - hierbei ist auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Mitgliederwechsels abzustellen (BSG SozR Nr. 7 zu § 251 RVO; BSG BKK 1974, 70) - und ob diese Erhöhung, falls sie überhaupt nennenswert ist, zu einer wesentlichen Überschreitung des durchschnittlichen Bedarfssatzes der A0K'en im Landesbereich führen würde. Da der Senat diese Feststellungen nicht selbst treffen kann, war der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, das bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben wird.1 RR 8/84
Bundessozialgericht
Verkündet am
17. Juli 1985
Fundstellen