Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung der gesetzliche Zugangsvoraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsgeld
Beteiligte
… Kläger und Revisionsbeklagter |
Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Streitig ist, ob der Kläger die gesetzliche Zugangsvoraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsgeld deshalb nicht erfüllt, weil er unmittelbar vor Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit wegen Feststellung einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hat.
Der 1953 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war zuletzt als Maurer-Vorarbeiter beschäftigt. Seit 25. Oktober 1985 war er arbeitslos und bezog von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Alg, das ihm für die Dauer von 312 Tagen bewilligt worden war (Bescheid vom 8. November 1985).
Am 11. April 1986 gründete der Kläger gemeinsam mit einem Maurermeister ein Bauunternehmen als Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, das als Gewerbe angemeldet und in die Handwerksrolle eingetragen wurde.
Mit dem Datum der Firmengründung beantragte der Kläger die Gewährung von Überbrückungsgeld als Zuschuß für die Dauer von 13 Wochen nebst Krankenversicherungskosten wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung wurde von der Handwerkskammer der Pfalz bejaht.
Mit Bescheid vom 9. Juli 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1987 lehnte die Beklagte den Förderungsantrag mit der Begründung ab, es fehle am unmittelbaren Vorbezug von Alg.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17. Dezember 1987) und ausgeführt, weder aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) noch aus den §§ 38 ff der ergänzend anzuwendenden Anordnung des Verwaltungsrates der BA zur Förderung der Arbeitsaufnahme (FdAAnO) ergebe sich, daß der Arbeitslose Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bis unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bezogen haben müsse. Seien somit die gesetzlichen Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld gegeben, müsse die Beklagte nunmehr im Rahmen des ihr nach § 55a Abs 1 AFG zustehenden Ermessens über den Förderungsantrag des Klägers entscheiden.
Die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 5. August 1988 zurückgewiesen.
Es hat die Rechtsauffassung des SG bestätigt und darauf hingewiesen, daß die Versagung des Überbrückungsgeldes in einem Sperrzeitfall einen zusätzlichen "Strafcharakter" entfalte, der - anders als nach § 119 Abs 2 AFG - nicht einmal durch eine Härteklausel abgemildert wäre.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG. Schon aus seinem Wortlaut ergebe sich eindeutig das Erfordernis eines Alg- oder Alhi-Bezuges unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, wie die Formulierung "bis zur Aufnahme" deutlich mache. Mit § 55a AFG solle einerseits den Arbeitslosen, die sich eine selbständige Existenz aufbauen wollen, für einen gewissen Zeitraum finanzielle Hilfe gewährt werden und andererseits die Versichertengemeinschaft von den Leistungen bei Arbeitslosigkeit entlastet werden. Letzteres sei aber nur erreichbar, wenn vor Beginn der selbständigen Tätigkeit die Versichertengemeinschaft durch den Leistungsbezug belastet werde, was hier nicht zutreffe. Da eine Fortdauer der Arbeitslosigkeit über die Beendigung der Sperrzeit hinaus nicht unterstellt werden könne, müsse eine nur mögliche Entlastung der Versichertengemeinschaft in der Zukunft außer Betracht bleiben. Im übrigen werde die Sperrzeitregelung unterlaufen, wenn Arbeitslose, die während einer Sperrzeit eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, sich trotz des Ruhens von Alg oder Alhi durch das Überbrückungsgeld schadlos halten könnten.
Die Beklagte beantragt,das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuhebenund die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die angefochtenen Bescheide zutreffend als rechtswidrig aufgehoben.
Beide Vorinstanzen haben zu Recht beanstandet, daß die Beklagte bei Bescheidung des Förderungsantrages des Klägers das ihr durch § 55a AFG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Der Rechtauffassung der Beklagten, der Kläger erfülle schon deshalb nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes, weil es am unmittelbaren Vorbezug von Alg fehle, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch der Gesetzeswortlaut verlangt nicht einen ununterbrochenen Leistungsbezug. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, eine kurzfristige Unterbrechung im Leistungsbezug anders zu beurteilen als eine solche Unterbrechung zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit.
§ 55a Abs 1 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Siebten AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) sieht vor, daß die BA Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 19 Stunden für längstens 13 Wochen Überbrückungsgeld gewähren kann, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens 10 Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Das Überbrückungsgeld wird höchstens bis zu dem Betrag gewährt, den der Antragsteller als Alg oder Alhi zuletzt bezogen hat (Abs 2).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß der Arbeitslose "bis zur Aufnahme" dieser selbständigen Tätigkeit mindestens 10 Wochen Alg oder Alhi "bezogen" haben. Diese Worte sprechen zwar dafür, daß sich der Leistungsbezug bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erstrecken muß und nicht - wie die Vorinstanzen gemeint haben - irgendein vorangegangener Leistungsbezug ausreicht. Völlig eindeutig ist dies jedoch nicht. Denn im Unterschied zur vergleichbaren Regelung des § 44 Abs 3 Nr 1 AFG ist nicht davon die Rede, daß der Arbeitslose "unmittelbar" bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen haben muß.
Die rein wörtliche Auslegung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG, nach der nur Arbeitslose erfaßt werden, die aktuell im Leistungsbezug stehen, wird jedoch dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Der Beklagten wäre es bei der von ihr vertretenen Auslegung nämlich verwehrt, die Fortdauer der Arbeitslosigkeit durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu verhüten. Der Arbeitslose müßte vielmehr zunächst den Ablauf der Sperrzeit abwarten und dann erneut einen Leistungsbezug von mindestens 10 Wochen zurücklegen, bevor er bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch Überbrückungsgeld gefördert werden könnte. Dies entspricht indes nicht der Absicht des Gesetzgebers, wie insbesondere die Gesetzesgeschichte und die Gesetzesmaterialien zu § 55a AFG deutlich machen.
Der durch das Siebte AFG-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1985 eingefügte § 55a AFG geht auf § 135 Abs 1 des Gesetzes zur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zurück. Dort war bestimmt, daß in "Ausnahmefällen Beziehern von Arbeitslosengeld", die eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, bis zur Erreichung eines angemessenen Einkommens, längstens bis zur Dauer von 26 Wochen, eine Überbrückungsbeihilfe gewährt werden könne. Dies diente, wie sich aus der Überschrift des Vierten Abschnitts im AVAVG ergibt, der "Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit". Im Blick auf das Ziel der "Verhütung der Arbeitslosigkeit" war nach Meinung der Literatur und Rechtsprechung die Voraussetzung für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe auch dann erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluß an ein beendetes Beschäftigungsverhältnis eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und deshalb zu keiner Zeit einen Leistungsanspruch wegen Arbeitslosigkeit gehabt hatte (vgl Krebs, Kommentar zum AVAVG, RdNr 4 zu § 135 unter Bezugnahme auf ein Urteil des SG Braunschweig vom 7. Mai 1962 - S 13 Ar 62/60 - veröffentlicht in SozSich-Kartei Nr 1466). Mit § 55a AFG hat der Gesetzgeber erstmals einen mindestens 10 Wochen erreichenden Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zur grundsätzlichen Voraussetzung für die Förderung durch Überbrückungsgeld gemacht und damit die frühere Anwendungspraxis ausgeschlossen. In den Gesetzesmaterialien ist zwar nicht näher erläutert, weshalb eine Mindestbezugsdauer von 10 Wochen verlangt wird. Dies ergibt sich jedoch mittelbar aus den Erwägungen, die für die Einführung des Überbrückungsgeldes in das AFG entscheidend waren.
In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 10/3923 zu Nr 11, Seite 20) wird betont, die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trage ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei, wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung. Außerdem könne eine erfolgreiche Existenzgründung zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führen. Deshalb werde eine neue Leistung "Überbrückungsgeld" vorgesehen. Sobald nämlich die Vorbereitung für die Existenzgründung einen Empfänger von Alg oder Alhi für mehr als 19 Stunden wöchentlich in Anspruch nehme, gelte er nicht mehr als arbeitslos (§ 101 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG) und verliere seinen Anspruch auf diese Leistung. In diesen Fällen solle die BA die Möglichkeit erhalten, ein Überbrückungsgeld zu zahlen.
Diese Ausführungen machen deutlich, daß durch die Gewährung von Überbrückungsgeld der Wille und die Bereitschaft des Arbeitslosen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gestärkt werden sollen. Allerdings soll im Gegensatz zu § 135 AVAVG nicht jeder Arbeitslose, der im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die Voraussetzungen zum Bezug von Alg oder Alhi erfüllt, in den Genuß der Förderung kommen. Vielmehr ist die Förderung begrenzt auf Arbeitslose, die einen Leistungsbezug von mindestens 10 Wochen aufweisen und ihren Leistungsanspruch im Fall der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit verlieren. Der Zweck des Gesetzes erstreckt sich nicht darauf, auch denjenigen zu erfassen, der eine abhängige Beschäftigung aufgibt, um im Anschluß daran eine selbständige Tätigkeit zu beginnen. Vielmehr soll lediglich der Antragsteller gefördert werden, der bereits mindestens 10 Wochen arbeitslos war und wegen des damit verbundenen Leistungsbezuges eine Belastung der Versichertengemeinschaft bedeutet hat, von der sie nun um den Preis einer zeitlich begrenzten Weiterzahlung des Alg oder der Alhi für die Zukunft befreit wird (vgl GK-Kommentar, § 55a Anm 8; s zu den ersten Ergebnissen der IAB-Verlaufserhebungen bei Überbrückungsgeld-Empfängern Kaiser/Otto in MittAB 2/90).
Das gesetzgeberische Ziel wird - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - auch dann erreicht, wenn der Leistungsanspruch des Arbeitslosen - wie beim Kläger - wegen Eintritts einer Sperrzeit im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zwar geruht hat, er aber unmittelbar bis zum Eintritt des Ruhenstatbestandes mindestens 10 Wochen im Leistungsbezug gestanden hat. Denn auch in diesen Fällen dient die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch den Arbeitslosen der Entlastung des Arbeitsmarktes und kann zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führen.
Die Auffassung der Beklagten, der Gesetzgeber habe nach seiner Zielsetzung nur denjenigen Arbeitslosen erfassen wollen, der bis zum Beginn seiner selbständigen Tätigkeit die Versichertengemeinschaft durch seinen Leistungsbezug belastet habe, deckt sich ersichtlich nicht mit der Absicht des Gesetzgebers, der mit der Gewährung des Überbrückungsgeldes nicht nur das Ziel verfolgt, laufende Leistungen einzusparen, sondern darüber hinaus auch zukünftige - im Vergleich zum Überbrückungsgeld höhere - Leistungen bei weiterer Arbeitslosigkeit vermeiden will. Deshalb ist in erweiternder Auslegung des Wortlauts für die Anwendung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG auch ein wegen Eintritts einer Sperrzeit - zeitlich begrenzt - ruhender Alg-Anspruch ausreichend, wenn der Arbeitslose unmittelbar vor der Unterbrechung des Bezuges einen Leistungsbezug von mindestens 10 Wochen zurückgelegt hat. Entscheidend ist dabei, daß trotz der Unterbrechung des Leistungsbezugs durch den Ruhenstatbestand das Stammrecht erhalten bleibt, so daß der Arbeitslose nach der Unterbrechung des Leistungsbezugs weiterhin Alg oder Alhi beanspruchen könnte, falls die Förderung nicht stattfände. Dies war beim Kläger der Fall, der nach den Feststellungen des LSG nach Ablauf der Sperrzeit noch für wenigstens 137 Tage einen Leistungsanspruch gehabt hätte.
Für diese Auslegung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG spricht übrigens auch, daß der Gesetzgeber durch das seit 1. Januar 1988 geltende und deshalb hier nicht einschlägige Achte AFG-Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987 (BGBl I S 2602) die Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld erleichtert und den Förderungszeitraum verlängert hat. Nach § 55a Abs 1 Satz 1 AFG nF genügt es nunmehr, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mindestens vier Wochen - bisher 10 Wochen - Alg oder Alhi bezogen hat. Dabei kann die BA jetzt Überbrückungsgeld für längstens 16 - statt bisher 13 - Wochen gewähren. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs hat sich die lange Dauer des vorausgegangenen Bezuges von Alg oder Alhi von 10 Wochen "als wenig praktikabel erwiesen". Deshalb ist diese Bezugszeit stark verkürzt und dafür die Ermächtigung, Ausnahmen hiervon anzuordnen (§ 55a Abs 4 AFG aF) gestrichen worden (vgl BT-Drucks 11/800 S 17).
Gegen die erweiternde Auslegung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG läßt sich nicht mit Erfolg einwenden, der Gesetzgeber unterscheide im AFG stets sorgfältig zwischen den Begriffen "Anspruch" und "Bezug" bzw "Erhalt" einer Leistung, weshalb die Anknüpfung an den tatsächlichen Bezug der Leistung der Begriffsbildung des AFG entspreche. Es ist zwar richtig, daß der Gesetzgeber beispielsweise in § 117 Abs 1, Abs 4, § 118 Abs 1 und § 125 AFG den Begriff "Anspruch" verwendet, während er in § 44 Abs 3 Nr 1, § 46 Abs 1 Satz 1 AFG, § 59 Abs 5, § 118b, § 155 Abs 1, § 155a AFG den Begriff "Bezug" bzw "bezieht" gebraucht. Gleichwohl läßt der Begriff "Bezug" hinsichtlich der Bedeutung des Ruhens je nach dem Sachzusammenhang verschiedene Auslegungen zu. Das BSG hat mehrfach entschieden, daß diesem Begriff je nach dem Sachzusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung beizumessen ist (vgl Gagel, Kommentar zum AFG, § 155 Anm 10 mit Rechtsprechungszitaten). Zu § 46 Abs 1 Satz 1 zweite Alternative AFG hat der erkennende Senat - ebenfalls ausgehend vom Ziel des Gesetzes - entschieden, daß es dem als Voraussetzung eines Anspruchs auf Unterhaltsgeld genannten Bezug von Alg gleichsteht, wenn der nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG bestehende Anspruch rechtswidrig nicht erfüllt wurde. Die Frage, ob ein ruhender Alg-Anspruch ausreicht, ist hier offen gelassen worden (Urteil vom 23. Februar 1989 - 11 RAr 44/87 -). Der 9. Senat des BSG hat mit Urteil vom 28. Juni 1990 (- 9b/11 RAr 115/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen) zu § 46 Abs 2 Satz 1 AFG entschieden, dort sei die Anspruchsvoraussetzung für Arbeitslose, die ua "bis zum Beginn" der Maßnahme Alg/Alhi bezogen haben müssen, auch erfüllt, wenn ein solcher Bezug zuletzt bis zum Beginn der Maßnahme durch eine kurze Beschäftigung unterbrochen werde.
Auch der Einwand der Beklagten, bei erweiternder Auslegung des § 55a Abs 1 Satz 1 AFG könne die Sperrzeitauswirkung unterlaufen werden, vermag nicht zu überzeugen. Denn unabhängig von der vom LSG diskutierten Frage, ob für eine Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der Sperrzeit bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und dem damit verbundenen Ende der Arbeitslosigkeit noch Platz ist, hat es die BA in der Hand, Art und Umfang der Förderung - beispielsweise eine Leistungsgewährung unter Anrechnung der noch laufenden Sperrzeit - zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat es nämlich durch die Ermächtigung in § 55a Abs 4 AFG der BA überlassen, zur Durchführung der Absätze 1 bis 3 das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung durch Anordnung zu bestimmen. Im Interesse einer flexiblen Ermessensgestaltung fällt also auch bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 55a Abs 1 Satz 1 AFG der BA die Aufgabe zu, Kriterien aufzuzeigen, nach denen sich die Leistungsgewährung richtet. Sie kann auch Maßstäbe für die Entscheidung aufstellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei Unterbrechungen des Leistungsbezugs eine Förderung durch Überbrückungsgeld gewährt wird. Der Gesetzgeber hat der BA insoweit - ähnlich wie bei den Förderungsleistungen nach § 53 AFG - einen weiten Spielraum gelassen (vgl hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 9. August 1990 - 11 RAr 73/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Mangels entsprechender Maßstäbe in der Anordnung verlagert sich allerdings insoweit die gesamte Ermessensbetätigung auf den Einzelfall. Die Beklagte darf bei Ausübung ihres Ermessens zwar die Sperrzeit berücksichtigen; sie darf jedoch nicht dem Arbeitslosen die begehrte Leistung von vornherein deshalb verweigern, weil dieser wegen des Eintritts einer Sperrzeit nicht unmittelbar im Anschluß an den Leistungsbezug eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat.
Da der Kläger somit zum Kreis der nach § 55a Abs 1 Satz 1 AFG förderungsfähigen Personen gehört, hat die Beklagte nunmehr - wie die Vorinstanzen bereits zutreffend entschieden haben - bei der Bescheidung des Förderungsantrags des Klägers das ihr nach § 55a AFG eingeräumte Ermessen auszuüben.
Die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen