Beteiligte
1. Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns |
2. AOK Bayern – Die Gesundheitskasse |
3. Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern |
4. BKK-Landesverband Bayern |
5. Funktioneller Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Bayern |
6. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V |
7. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V |
Berufungsausschuß für Zahnärzte -Bayern- |
Tenor
Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. September 1998 werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob die dem Kläger als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen erteilte vertragszahnärztliche Zulassung mit einer auflösenden Bedingung versehen werden durfte.
Der 1954 geborene Kläger erhielt 1984 seine Approbation als Arzt, 1987 diejenige als Zahnarzt. Er darf seit 1992 die Arztbezeichnung Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) und seit 1993 die Zusatzbezeichnung „plastische Operationen” führen. Mit Bescheid vom 29. Mai 1996 (Beschluß vom 22. Mai 1996) ließ der Zulassungsausschuß für Zahnärzte – Nordbayern – ihn als Vertragszahnarzt in B. zu, allerdings nur mit der Maßgabe, daß die Zulassung automatisch ende, wenn ihm die vertragsärztliche Zulassung erteilt werde. Seinen Widerspruch gegen diese Nebenbestimmung wies der beklagte Berufungsausschuß zurück (Bescheid vom 5. Februar 1997, Beschluß vom 27. November 1996). Zur Begründung wurde in dem Bescheid ausgeführt, die Nebenbestimmung sei erforderlich; denn im Falle zusätzlicher vertragsärztlicher Zulassung stünde der Kläger nicht mehr im erforderlichen Maße für die vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung (vgl § 20 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte ≪Zahnärzte-ZV≫).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat die beanstandete Nebenbestimmung aufgehoben (Urteil vom 24. Juni 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen des Beklagten und der zu 1) beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zurückgewiesen (Urteil vom 23. September 1998). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, eine solche Nebenbestimmung sei isoliert anfechtbar und auch aufzuheben, weil es für sie keine Rechtsgrundlage gebe. Dies gelte unabhängig davon, ob § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV der gleichzeitigen vertragsärztlichen und -zahnärztlichen Zulassung entgegenstehe. Eine Rechtsgrundlage für den Fall des nachträglichen Wegfalls von Zulassungsvoraussetzungen enthalte die Zahnärzte-ZV nicht, insbesondere nicht in § 20 Abs 3. Für diesen Fall gebe es nur die Regelung über die Zulassungsentziehung in § 95 Abs 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Auch § 32 Abs 1 Variante 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei nicht einschlägig.
Mit ihren Revisionen machen die Beigeladene zu 1) und – mit ergänzenden Ausführungen – der Beklagte geltend, das Verbot der gleichzeitigen vertragsärztlichen und -zahnärztlichen Zulassung ergebe sich aus § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV, der wegen der erneut 1993 eingeführten strengen Bedarfsplanung und mit Blick auf die Verpflichtung der K(Z)ÄVen zur Sicherstellung der Versorgung wieder streng auszulegen sei (vgl das Vorbringen in dem am selben Tag entschiedenen Revisionsverfahren B 6 KA 15/99 R). Der Zweck der angefochtenen Nebenbestimmung, die ihre Rechtsgrundlage in § 32 Abs 1 Variante 2 SGB X habe, sei es, das Verbot abzusichern. Sie solle sicherstellen, daß der Vertragszahnarzt in dem gebotenen Maß für die vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung stehe.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. September 1998 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Juni 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des LSG für zutreffend. Ein Verbot gleichzeitiger vertragsärztlicher und -zahnärztlicher Zulassung bestehe nicht; insbesondere lasse es sich nicht aus § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV und/oder dem entsprechenden § 20 Abs 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ableiten. Für die angefochtene auflösende Bedingung gebe es zudem verfahrensrechtlich keine Rechtsgrundlage, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt habe.
Die Beigeladenen zu 2), 4), 6) und 7) haben sich den Ausführungen des Klägers angeschlossen, Anträge aber nicht gestellt.
II
Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sind zulässig.
Die für die Zulässigkeit der Revisionen erforderliche Beschwer ist auch bei der Beigeladenen zu 1) gegeben. Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (K[Z]ÄVen) sind, wie der Senat entschieden hat, unabhängig vom Nachweis einer konkreten Beschwer im Einzelfall oder eines konkreten rechtlichen Interesses befugt, die Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse anzufechten. Das folgt daraus, daß sie aufgrund des Sicherstellungsauftrages gemäß § 75 Abs 1 SGB V die Mitverantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung haben (BSGE 78, 284, 285 = SozR 3-2500 § 311 Nr 4 S 24; zuletzt Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R -, zur Veröffentlichung in SozR 3-5520 § 44 Nr 1 vorgesehen).
Die Revisionen sind aber unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Nebenbestimmung als isoliert anfechtbar angesehen und als rechtswidrig aufgehoben.
Bei der durch den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 1997 bestätigten Nebenbestimmung, die der Zulassung des Klägers zur vertragszahnärztlichen Versorgung durch Bescheid des Zulassungsausschusses vom 29. Mai 1996 beigefügt war und nach der die Zulassung automatisch im Falle der Zulassung als Vertragsarzt endet, handelt es sich um eine – auflösende – Bedingung iS des § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X. Diese Nebenbestimmung ist, auch wenn es sich um eine sog unselbständige Nebenbestimmung handelt, jedenfalls dann anfechtbar, wenn sie – wie hier – einem gebundenen Verwaltungsakt und nicht einem Ermessensverwaltungsakt beigefügt wird (zum Meinungsstand in Rspr und Schrifttum vgl. Janßen in: Obermayer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl 1999, § 36 RdNrn 45 ff; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl 1996, § 36 RdNr 46). Auch der Senat geht von der Anfechtbarkeit solcher unselbständigen Nebenbestimmungen aus (BSGE 59, 148, 152 = SozR 2200 § 368a Nr 14 S 48; BSGE 70, 167, 168 f = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 10 f, jeweils mwN).
Die Aufhebung der Nebenbestimmung durch die Vorinstanzen ist auch zu Recht erfolgt, denn der Zulassungsbescheid durfte nicht mit einer auflösenden Bedingung versehen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, in welchen Fällen die Beifügung solcher Nebenbestimmungen bei einem statusbegründenden Verwaltungsakt wie dem der Zulassung überhaupt rechtens ist. Jedenfalls ist die dem Kläger erteilte Nebenbestimmung inhaltlich rechtswidrig. Sie ist unvereinbar mit einem Anspruch auf Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Ein solcher Anspruch besteht hier.
Angesichts der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsfreiheit in Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG), die nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden darf, kann einem MKG-Chirurgen die Doppelzulassung als Vertragsarzt und -zahnarzt ohne normative Grundlage nicht verwehrt werden (s BSGE 81, 143, 145 = SozR 3-200 § 95 Nr 16 S 51; BSGE 76, 59, 61 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 4; vgl auch zB BVerfGE 98, 49, 53 ff; 54, 224, 235 f). Der Schutz dieses Grundrechts erstreckt sich auf jede berufliche Betätigung, auch auf die Betätigung in einem zweiten Beruf (BVerfGE 87, 287, 316; vgl auch BVerfGE 82, 18, 27). Er gilt ebenso für Betätigungen, bei denen zwei Berufsfelder miteinander zu einem eigenständigen Berufsbild verbunden werden, wie das bei der MKG-Chirurgie durch die ärztliche und zahnärztliche Tätigkeit der Fall ist.
Zum Berufsbild des MKG-Chirurgen gehört es, daß er in seiner Praxis ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt. MKG-Chirurgen müssen seit 75 Jahren sowohl ärztlich als auch zahnärztlich ausgebildet sein. Schon die vom 43. Deutschen Ärztetage am 21. Juni 1924 in Bremen als Richtlinien beschlossenen „Leitsätze zur Facharztfrage” bestimmten, daß für die Fachärzte für Zahn-, Kiefer- und Mundkrankheiten ebenfalls die Approbation als Zahnarzt erforderlich ist (Ärztliches Vereinsblatt für Deutschland Nr 1317 vom 11. August 1924, Abschnitt I a Nr 10). Dies ist in der Folgezeit weitergeführt worden (s zB § 30 Abs 2 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte von 1937, DÄ 1937, 1031; § 25 Abs 3 Nr 9 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte in der vom 59. Deutschen Ärztetag beschlossenen Fassung, Ärztl Mitteilungen 1956, 943; § 3 Abs 1 Halbsatz 2 der Muster-Weiterbildungsordnung ≪Muster-WBO≫ in der vom 79. Deutschen Ärztetag beschlossenen Fassung, DÄ 1976, 1562, mit Erstreckung auf die Gesichtschirurgie; § 3 Abs 1 Halbsatz 2 der Muster-WBO in der vom 90. Deutschen Ärztetag beschlossenen Fassung, Beiheft zum DÄ 1987). Auch nach der neuesten Muster-WBO (§ 4 Abs 1 Halbsatz 2 der vom 95. Deutschen Ärztetag 1992 in Köln beschlossenen Fassung, Beiheft zum DÄ 1992) setzt die Weiterbildung zum MKG-Chirurgen die Approbation zugleich als Zahnarzt voraus oder entsprechend § 1 Abs 1 Satz 3 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (vom 31. März 1952, BGBl I 221, mit späteren Änderungen) die Erlaubnis zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes. Gleiches bestimmen die Weiterbildungsvorschriften der Länder (vgl vorliegend § 4 Abs 1 Halbsatz 2 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns idF vom 11. Oktober 1998). Die Doppelqualifikation ist Ausdruck des gewachsenen Berufsbildes. Dessen Besonderheit besteht darin, daß die MKG-Chirurgie die Bereiche der Chirurgie und der Zahnheilkunde zu einem einheitlichen Beruf verbindet (vgl zB Schwipper/Pfeifer in: Koslowski/Bushe ua ≪Hrsg≫, Die Chirurgie, 3. Aufl 1999, Kapitel 27, S 335; Spiessl in: Allgöwer/Siebert ≪Hrsg≫, Chirurgie, 5. Aufl 1992, Kapitel 22, S 541). Die Berufsausübung schließt typischerweise auch Leistungen ein, die nur Zahnärzte erbringen dürfen. So kann es medizinisch geboten oder jedenfalls sinnvoll sein und im Interesse der Patienten liegen, daß der MKG-Chirurg, bei dem ein Patient für einen chirurgischen Eingriff narkotisiert worden ist, ebenfalls fällige zahnärztliche Behandlungen vornimmt, die sonst eine erneute Anästhesie des Patienten erfordern würden. Dies gilt in besonderem Maße bei der Behandlung von Kindern und schwerbehandelbaren Erwachsenen.
Das gewachsene Berufsbild des MKG-Chirurgen ist nach allem durch die Doppelqualifikation und durch die Gestattung sowohl der ärztlichen als auch der zahnärztlichen Berufsausübung geprägt. Ihm wird im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auf der Ebene der Zulassung grundsätzlich dadurch Rechnung getragen, daß MKG-Chirurgen typischerweise sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen werden. Nur ausnahmsweise gab es Regelungen, durch die jede Art von Doppelzulassungen von Ärzten und Zahnärzten ausgeschlossen waren (so die Zulassungsordnung von 1937 sowie nach 1945 das Bayerische Zulassungsgesetz und die Zulassungsordnungen in weiteren Ländern, vgl Sievers, Das Zulassungsrecht, 3. Aufl 1954, § 16). Den Ausschluß der Doppelzulassung in der Nachkriegszeit hatte der erkennende Senat angesichts der damaligen besonderen Situation im Grundsatz als rechtens angesehen (vgl – betr Berlin – BSGE 5, 40, 46, mit Ausnahmen für sog Alt-Zugelassene aufgrund Bestandsschutzes, ebenda S 46 ff; vgl auch BSGE 5, 246, 248 f). Ob ein solcher Ausschluß der Doppelzulassung auch gegenüber MKG-Chirurgen hätte durchgreifen können, war damals nicht zu entscheiden, weil die betreffenden Kläger keine MKG-Chirurgen waren.
Auch nach dem Verständnis der Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen im vertragsärztlichen Bereich schlägt die Doppelqualifikation der MKG-Chirurgen als Arzt und Zahnarzt in eine Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen und an der vertragszahnärztlichen Versorgung um. Dies belegt das Beispiel der in der früheren DDR ausgebildeten Fachzahnärzte für Kieferchirurgie, die neben der zahnärztlichen auch über eine ärztliche Ausbildung verfügten, als Ärzte aber nicht approbiert waren. Sie erhalten außer der Approbation und Zulassung als (Vertrags-)Zahnarzt gleichfalls die Erlaubnis zur Ausübung ärztlicher Tätigkeiten (§ 10a Abs 1 Bundesärzteordnung) und zudem die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 6 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, eingefügt auf der Grundlage des § 31 Abs 2 Ärzte-ZV).
Entgegen der Auffassung der Revisionsführer steht § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV der Zulassung des Klägers als Vertragszahnarzt nicht entgegen. Danach ist für die Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Zahnarzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in dem erforderlichen Maße zur Verfügung steht.
Die Regelung, die außer in § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV auch in § 20 Abs 1 Ärzte-ZV enthalten ist, gab es ebenso in den bis 1988 gültigen Bestimmungen des § 20 Abs 1 Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (ZO-Zahnärzte) und des § 20 Abs 1 Zulassungsordnung für Kassenärzte (so die Bezeichnungen bis zum Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477, s dort Art 18 Nr 1 und Art 19 Nr 1). Diese Vorschriften wurden bis Anfang der 60er Jahre – unter der Geltung eines Zulassungssystems, das eine durch Verhältniszahlen festgelegte strikte Begrenzung der Zahl der Kassenarztsitze vorsah – dahin ausgelegt, daß sich der Arzt bzw Zahnarzt mit dem überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung widmen müsse (vgl Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Kommentar, Stand: August 1961, Kapitel E. II. § 20 Anm II 1 b; Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, 5. Aufl, Bd II, Stand: Januar 1993, ZO § 20 Anm 2 ≪RdNr E 111≫). Von dieser Auslegung ist auch noch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 23. Juli 1963 ausgegangen (BVerfGE 16, 286, 298), ohne daß es sie aber als verfassungsrechtlich geboten oä bezeichnet hätte.
Im Hinblick darauf, daß das BVerfG in seinen Entscheidungen von 1960 und 1961 die Vorschriften über die Zulassungsbeschränkung als nichtig beurteilt hatte (BVerfGE 12, 144, 151 iVm BVerfGE 11, 30, 49), fordert der erkennende Senat seit seinem Urteil vom 4. Juni 1964 (BSGE 21, 118, 121 f = SozR Nr 1 zu § 20 ZO-Zahnärzte) lediglich, daß der Arzt bzw Zahnarzt bereit und in der Lage sein muß, die kassen- bzw vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit – insbesondere durch Abhaltung von Sprechstunden – im üblichen Umfang auszuüben (vgl auch BSGE 26, 13, 14 f = SozR Nr 2 zu § 20 ZO-Zahnärzte; BSGE 35, 247, 249 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte; BSG SozR 5520 § 20 Nr 1 S 2; BSGE 44, 260, 263 f = SozR 2200 § 368n Nr 13 S 41 f; BSGE 81, 143, 149 = SozR 3-2500 § 95 Nr 16 S 56). An dieser Rechtsprechung wird nach erneuter Überprüfung festgehalten.
Ein Einwand gegen diese Auslegung läßt sich nicht daraus herleiten, daß es seit 1980 erneut eine Bedarfsplanung und seit 1993 wieder Zulassungsbeschränkungen gibt. Die Revisionsführer machen insoweit geltend, der Senat habe in dem angeführten Urteil vom 4. Juni 1964 die frühere Forderung nach im wesentlichen vollem Einsatz der Arbeitskraft für die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung aufgrund der Nichtigerklärung des Systems der Bedarfszulassung (s BVerfGE 11, 30 und BVerfGE 12, 144) fallengelassen. Da die Zulassung erneut nach Maßgabe von Verhältniszahlen beschränkt sei, müßten jetzt wieder die früheren Anforderungen gelten. Diese Argumentation überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Anders als dem früheren Zulassungssystem liegt dem 1993 eingeführten nicht die Annahme zugrunde, daß jeder zugelassene Arzt bzw Zahnarzt mit voller Arbeitskraft arbeite. Die heutigen Verhältniszahlen (§ 101 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V) gehen als Basis von den Arzt- und Zahnarztzahlen am 31. Dezember 1990 aus (§ 101 Abs 1 Satz 3 SGB V), so daß – entsprechend dem Versorgungsstand in diesem Zeitpunkt – eine Vielzahl nicht mit voller Arbeitskraft tätiger Ärzte und Zahnärzte eingerechnet ist. Ein weiterer Unterschied des heutigen Zulassungssystems gegenüber dem früheren ergibt sich daraus, daß heute nicht flächendeckend die Zulassung nach Maßgabe der Verhältniszahlen beschränkt ist. Es handelt sich vielmehr um eine versorgungsgradabhängige Bedarfsplanung mit nur örtlichen Zulassungssperren und einer ausreichenden Mindestzahl nicht gesperrter Planungsbereiche (§ 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V). Dadurch liegt lediglich eine Regelung der Berufsausübung vor, die einer Beschränkung der Berufswahl nicht einmal nahekommt (BSGE 82, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 12 f). Da dieses Zulassungssystem mithin weniger strikt ist als das bis 1961 gültig gewesene, kann nicht gefordert werden, § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV müsse wieder ebenso eng ausgelegt werden, wie der entsprechende § 20 Abs 1 ZO-Zahnärzte in der Zeit des früheren Systems ausgelegt worden war. Eventuelle Verwerfungen im Bedarfsplanungsrecht durch den Anrechnungsfaktor von 1,0, der auch für MKG-Chirurgen gilt, die – sofern Zulassungsbeschränkungen nicht bestehen – auch als Vertragszahnärzte zuzulassen sind, stellen ebenfalls keinen ausreichenden Grund für eine bestimmte Auslegung des § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV dar, weil es sich um verschiedene Regelungskomplexe handelt. Wenn sich die in der Bedarfsplanung geregelte schematische Bewertung zugelassener Ärzte und Zahnärzte mit dem Faktor von 1,0 als nicht sachgerecht erweisen sollte, kann darauf grundsätzlich nur die Forderung nach Änderung dieser Regelung selbst, nicht aber die nach der Versagung der Zulassung für MKG-Chirurgen auch als Zahnärzte gestützt werden.
Die Ansicht, der Arzt bzw Zahnarzt müsse sich im wesentlichen mit seiner vollen Arbeitskraft der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung widmen, läßt sich auch nicht durch den Hinweis auf die Verpflichtung zur Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V rechtfertigen. Es ist nicht gesetzlich vorgegeben, die Sicherstellung gerade dadurch zu erreichen, daß nur Ärzte und Zahnärzte zugelassen werden, die sich nicht nur mit der üblichen, sondern im wesentlichen mit voller Arbeitskraft der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung widmen. Vielmehr sehen die rechtlichen Bestimmungen ein differenziertes Instrumentarium zur Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung vor. Im Fall von Versorgungslücken können zB Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen erteilt werden (vgl hierzu § 116 SGB V, § 31, §31a Zahnärzte-ZV, Abschnitt F 2 der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung in der zahnärztlichen Versorgung ≪Bedarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte≫ idF vom 24. Juli 1998, BAnz Nr 177 vom 22. September 1998, S 14091).
Nach alledem besteht kein Grund, die vom erkennenden Senat seit dem Urteil vom 4. Juni 1964 praktizierte Auslegung des § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV wieder aufzugeben. Es ist daran festzuhalten, daß ein Zahnarzt für die Versorgung der Versicherten schon dann in dem erforderlichen Maße zur Verfügung steht, wenn er bereit und in der Lage ist, die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit – insbesondere durch Abhaltung von Sprechstunden – im üblichen Umfang auszuüben (BSGE 21, 118, 121 f = SozR Nr 1 zu § 20 ZO-Zahnärzte; zuletzt BSGE 81, 143, 149 = SozR 3-2500 § 95 Nr 16 S 56). Dies berücksichtigt in angemessener Weise die Interessen und den grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) auch solcher (Zahn)Ärzte und (Zahn)Ärztinnen, die zB wegen Kindererziehung nicht in der Lage sind, sich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung mit voller Arbeitskraft zu widmen.
Das Erfordernis, im üblichen Umfang für die vertragszahnärztliche Tätigkeit zur Verfügung zu stehen, ist bei MKG-Chirurgen – ungeachtet ihrer Tätigkeit auch im vertragsärztlichen Bereich – typischerweise erfüllt. Bei ihnen sind die ärztlichen und zahnärztlichen Tätigkeiten miteinander verknüpft. In ihrer Praxis stehen sie jederzeit für die gerade gefragte Tätigkeit zur Verfügung (s hierzu zB Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte / Vertragszahnärzte, 2. Aufl 1998, § 20 RdNr 255). Nur wenn im Einzelfall besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorlägen, könnte einem MKG-Chirurgen unter Berufung auf § 20 Abs 1 Zahnärzte-ZV die vertragszahnärztliche Zulassung neben der vertragsärztlichen versagt werden. Derartige Umstände sind weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von einem der Beteiligten geltend gemacht worden.
Der Zulassung des Klägers steht im übrigen auch nicht die Regelung des Abs 2 des § 20 Zahnärzte-ZV entgegen. Danach wird die Zulassung durch die Ausübung einer anderweitigen damit unvereinbaren zahnärztlichen Tätigkeit gehindert. Nach diesem Wortlaut sind an sich nur anderweitige zahnärztliche Tätigkeiten relevant, mithin nur Interessen- oder Pflichtenkollisionen (vgl hierzu BSGE 81, 143, 147 = SozR 3-2500 § 95 Nr 16 S 53 f) aufgrund anderweitiger zahnärztlicher Tätigkeit. Aber auch bei sinngemäßer Anwendung auf anderweitige ärztliche Tätigkeiten ergäbe sich kein Zulassungshindernis. Denn beim MKG-Chirurgen gehören – wie dargelegt – die ärztlichen und zahnärztlichen Tätigkeiten zusammen.
Eine Interessen- und Pflichtenkollision kann auch nicht damit begründet werden, daß durch die Befugnis, im vertragsärztlichen und/oder vertragszahnärztlichen Bereich abzurechnen, die Kontrolle der Abrechnungen auf Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit schwierig sein kann sowie uU Budget-Regelungen und Fallwertbegrenzungen uä umgangen werden können. Die Möglichkeit, Leistungen sowohl bei der KÄV als auch bei der KZÄV abzurechnen, macht die Abrechnungskontrolle zwar uU problematisch (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 204 f; – s auch LSG Baden-Württemberg MedR 1996, 476 und BSG, Beschluß vom 8. Mai 1996 - 6 BKa 67/95 -), kann aber ohne entsprechende normative Regelung nicht zur Ablehnung der Doppelzulassung berechtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 543207 |
DStR 2000, 1486 |