Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Kindererziehungszeiten. srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Asylbewerber. gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet
Leitsatz (amtlich)
Srilankische Staatsangehörige tamilischer Volkszugehörigkeit, deren Aufenthalt nach Ablehnung ihres Asylgesuchs wegen der krisenhaften Situation in ihrem Heimatland geduldet wurde, hatten in dieser Zeit im Bundesgebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 30 Abs 1 S 2 SGB 1 und § 56 Abs 3 S 1 SGB 6.
Normenkette
SGB VI § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Vormerkung von Zeiten der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung. Sie ist 1962 geboren und srilankische Staatsangehörige tamilischer Volkszugehörigkeit. Im Juli 1985 reiste sie mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem in Arnsberg. Ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte wurde rechtskräftig abgelehnt (Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 24. April 1989). Im März 1990 stellte die Klägerin einen Asyl-Folgeantrag, den sie im Oktober 1991 zurücknahm. Für die Durchführung der Asylverfahren erhielt sie jeweils eine Aufenthaltsgestattung; für die Zeit zwischen Ablehnung des ersten und Stellung des zweiten Asylantrags war ihr Aufenthalt lediglich geduldet, indem die Abschiebung ausgesetzt wurde. Die Duldung erfolgte aufgrund eines Erlasses des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 8. August 1983, wonach angesichts der krisenhaften Verhältnisse in Sri Lanka von der Abschiebung srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit nach Sri Lanka so lange abzusehen war, bis die dortige Lage ausländerbehördliche Maßnahmen wieder zulassen werde. Dieser Erlaß wurde am 6. März 1991 wieder aufgehoben. Ab Oktober 1991 wurden der Klägerin befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Seit Juli 1994 ist sie im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom März 1991 auf Feststellung von Kindererziehungszeiten für ihre am 10. November 1985, 6. Februar 1987 und 5. August 1989 in Arnsberg geborenen Kinder Rebecca, Tines und Ramesch mit Bescheid vom 29. Mai 1991 ab. Auch einen erneut im Januar 1992 gestellten Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte ab, und zwar mit Bescheid vom 5. März 1992, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1993, weil die Klägerin während der geltend gemachten Kindererziehungszeiten keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO gehabt habe. Mit der dagegen gerichteten Klage berief sich die Klägerin auf das Urteil des BSG vom 9. August 1995 - 13 RJ 59/93 - und trug vor, es habe von Anfang an festgestanden, daß sie auch bei endgültiger Ablehnung ihres Asylantrags nicht abgeschoben würde. Deshalb sei von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auszugehen.
Das SG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte mit Urteil vom 3. Mai 1996 zur Anerkennung der geltend gemachten Kindererziehungszeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet. Die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 29. Januar 1997 zurückgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe alle Voraussetzungen für die Anerkennung der Kindererziehungszeiten erfüllt. Die Kinder seien im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen, weil sich die Klägerin hier iS von § 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI gewöhnlich aufgehalten habe. Für die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts gelte für alle Leistungsbereiche des SGB § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I, solange der Gesetzgeber diesen Begriff nicht für einen bestimmten Sozialleistungsbereich ausdrücklich modifiziert habe. Orientiert am Wortlaut des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I seien für die Kindererziehungszeiten alle Umstände zu berücksichtigen, aus denen zu schließen sei, ob der Betreffende im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweile. Seien Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts weder getroffen noch zu erwarten, so stünden der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts auch für Asylbewerber grundsätzlich keine Hindernisse entgegen. Im Falle der Klägerin ergebe sich die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts daraus, daß der Aufenthalt von Angehörigen des Personenkreises, dem sie angehört habe, aufgrund landesrechtlicher Weisung wegen der krisenhaften Situation in Sri Lanka in der Praxis geduldet worden sei. Danach habe die Klägerin von vornherein und damit auch während der Zeit der Kindererziehung nicht damit rechnen müssen, bei Ablehnung ihres Asylantrags abgeschoben zu werden. Ihr Aufenthalt sei demzufolge "zukunftsoffen" gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin während der Geltungsdauer des sog Tamilenerlasses des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet habe. Nach der Rechtsprechung des BSG, insbesondere dem Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 24/91 - könne der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I nur hinreichend unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des jeweiligen Sozialleistungsbereichs bestimmt werden, der ihn verwende. Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung dienten der langfristigen sozialen Absicherung des erziehenden Elternteils. Deshalb sei nach der genannten Entscheidung die Anerkennung einer Kindererziehungszeit im besonderen Maße nur dann gerechtfertigt, wenn auch der ausländerrechtliche Aufenthaltsstatus materiell-rechtlich gebilligt und nicht nur vorübergehend geduldet sei. Der sog Tamilenerlaß könne nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn die Klägerin habe jeweils nur damit rechnen können, daß ihr gegebenenfalls Duldungen für einen weiteren Aufenthalt erteilt würden. Solche Duldungen hätten jedoch immer nur zu einem rechtlich nicht beständigen und damit nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt führen können. Dem vom LSG angeführten Urteil des BSG vom 9. August 1995 - 13 RJ 59/93 - könne jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden. Die dort für ein Verfahren über einen Rentenanspruch von 1987 in die Bundesrepublik eingereisten Personen polnischer Staatsangehörigkeit entwickelten Kriterien seien auf die Vormerkung von Kindererziehungszeiten nicht übertragbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1997 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. Mai 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß sie seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1985 zu keinem Zeitpunkt damit habe rechnen müssen, das Land wieder zu verlassen. Bis 1991 sei sie durch den Erlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. August 1983 vor Abschiebungen nach Sri Lanka geschützt gewesen. Als dieser Erlaß im Jahre 1991 aufgehoben worden sei, habe sie sich bereits sechs Jahre in Deutschland aufgehalten und habe auch vor diesem Hintergrund nicht mehr abgeschoben werden können. Daher sei ihr dauerhafter Verbleib in der Bundesrepublik zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Ausländern aus Polen sei nicht gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufheben und die Klage abweisen müssen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin geltend gemachten Kindererziehungszeiten vorzumerken; ihr ablehnender Bescheid vom 5. März 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 1993 ist rechtmäßig.
Nach § 149 SGB VI stellt der Versicherungsträger im Versicherungsverlauf enthaltene Daten durch Bescheid fest, wenn diese länger als sechs Jahre zurückliegen. Auch wenn es sich nicht um solche Daten handelt, hat die Klägerin Anspruch darauf, daß der gleichwohl darüber erteilte Bescheid inhaltlich zutreffend ist (vgl Senatsurteil vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 24/91 - SozR 3-2600 § 56 Nr 2).
Für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind wird einem Elternteil eine Kindererziehungszeit von 12 Monaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§ 249 Abs 1 SGB VI) als Zeit der Versicherungspflicht wegen Kindererziehung nach § 3 Nr 1 SGB VI angerechnet, wenn die Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und wenn der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (§ 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI). Für die zwischen 1985 und 1989 geborenen Kinder der Klägerin sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Nach den Feststellungen des LSG sind die Kindererziehungszeiten zwar - mangels einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern - der Klägerin als Mutter zuzuordnen (§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 8 SGB VI), und es sind auch keine Ausschlußgründe ersichtlich. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin die Kinder aber nicht iS von § 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen. Denn sie hatte hier in den maßgeblichen Zeiten mit ihren Kindern keinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI).
Nach § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des SGB, soweit sich nicht aus seinen übrigen Büchern etwas anderes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I). Wegen des Vorbehalts abweichender Regelungen und der unterschiedlichen Funktion des Begriffs innerhalb einzelner Regelungsbereiche ist in der Rechtsprechung des BSG davon ausgegangen worden, daß der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" nur hinreichend unter Berücksichtigung des Zwecks des Gesetzes bestimmt werden kann, in welchem der Begriff gebraucht wird. Insbesondere die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet worden (vgl die ausführlichen Darstellungen in den Urteilen des BSG vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 24/91 - BSGE 71, 78 = SozR 3-2600 § 56 Nr 2, vom 9. August 1995 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 und vom 30. April 1997 - 12 RK 30/96 - SozR 3-2500 § 10 Nr 12).
Der erkennende Senat sieht § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I als grundlegende, einheitlich zu verstehende und anzuwendende Regelung an. Das Rentenrecht enthält keine hinreichende Regelung für ein spezifiziertes - dh von der grundsätzlich einheitlichen ("einsinnigen") Begriffsbedeutung gemäß § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I abweichendes - Verständnis des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts. Weder aus der Vorgeschichte, noch aus dem Zweck der Kindererziehungszeiten, noch aus dem Regelungszusammenhang des Rentenrechts läßt sich entnehmen, daß dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine andere Bedeutung zukommt, als sie mit der Definition des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I umschrieben ist. Nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis der dargelegten Rechtsprechung im Bundeskindergeldgesetz und im Bundeserziehungsgeldgesetz, nicht aber im SGB VI ergänzende Regelungen aufgenommen hat, die für Leistungen an Ausländer einen bestimmten ausländerrechtlichen Status verlangen (vgl § 1 Abs 3 BKGG und § 1 Abs 1a BErzGG), kann ein vergleichbarer ausländerrechtlicher Status auch dem Tatbestandsmerkmal der Erziehung im Bundesgebiet in § 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI nicht entnommen werden. Für die Auslegung der Worte "im Gebiet der Bundesrepublik ... gewöhnlich aufgehalten" in dieser Vorschrift ist daher § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I maßgebend.
Wenn der Senat in seinen Entscheidungen die Auffassung vertreten hat, für die Auslegung des Begriffs in § 56 Abs 3 SGB VI sei wie im BErzGG der ausländerrechtliche Aufenthaltsstatus eines Ausländers zu berücksichtigen, und damit den Eindruck erweckt haben sollte, als gehe er insoweit von einer von § 30 SGB I abweichenden Regelung durch das Rentenrecht aus, hält er daran nicht mehr fest. Nach Auffassung des Senats erfaßt bereits die Grundregelung des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I den ausländerrechtlichen Status mit. Denn ausgehend von der Definition des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I kommt es für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts auf eine Würdigung der gesamten im Erziehungszeitraum gegebenen Umstände an. Zu diesen Umständen, aus denen sich für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ergeben muß, daß der Ausländer nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, gehört ebenfalls der ausländerrechtliche Status. Darauf hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 14. September 1994 (5 RJ 10/94 - HVBG-Info 1995, 1571) hingewiesen. Auch der 13. Senat geht in seinem vom LSG zitierten Urteil vom 9. August 1995 (13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15) davon aus. Steht dieser ausländerrechtliche Status einem dauerhaften Verbleib entgegen, können die sonstigen tatsächlichen Verhältnisse und der Wille, auf Dauer im Bundesgebiet bleiben zu wollen, für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausschlaggebend sein. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen iS der Gesetzesvorschrift setzt voraus, daß die Aufenthaltsposition des Ausländers so offen ist, daß sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ermöglicht. Ist die Position hingegen auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts trotz faktisch andauerndem Verbleiben und einem entsprechendem Bleibewillen entgegen; denn der Ausländer hat es dann nicht in der Hand, über die Dauer seines Aufenthalts im Inland frei zu bestimmen. Wie bei allen anderen Umständen, die bei Anwendung des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I im Rahmen des § 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu würdigen sind, ist maßgeblich die Aufenthaltsposition des Ausländers, wie sie im Zeitraum der Kindererziehung vorlag. Von daher muß die der Klägerin erst später erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis außer Betracht bleiben.
Entgegen der Auffassung des LSG ist bei befristeten oder zweckgebundenen Aufenthaltsberechtigungen, Gestattungen oder Duldungen der Aufenthalt aber nicht erst dann auf Beendigung angelegt, wenn zusätzlich besondere ausländerbehördliche Maßnahmen dazu getroffen sind. Insoweit geht der Senat vielmehr in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, daß die Aufenthaltsposition eines Ausländers durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt wird, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt. Auf einen bestimmten ausländerrechtlichen Titel kommt es nicht an. Wenn wie im Fall der Klägerin für die Dauer des Asylverfahrens und danach aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen von einer Abschiebung abgesehen und eine Duldung erteilt wird, steht dieser Umstand der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I nach Auffassung des Senats jetzt allerdings nicht deswegen entgegen, weil ein solcher Aufenthalt nur formell rechtmäßig, aber materiell unberechtigt geduldet wäre (vgl Urteil vom 27. Januar 1994 - 5 RJ 16/93 - SozR 3-2600 § 56 Nr 7, S 33). Abgesehen davon, daß es fraglich erscheint, von einem rechtlich nicht gebilligten Aufenthalt zu sprechen, wenn die Vorgehensweise der Ausländerbehörde von der Rechtsordnung gestützt wird, kommt es für den gewöhnlichen Aufenthalt nach der Definition des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I entscheidend darauf an, daß diese Maßnahmen auf Beendigung des Aufenthalts bei Erledigung des Duldungszwecks ausgerichtet sind. Indem sie an einen vorübergehenden Zweck - die Herbeiführung einer Entscheidung über die Asylberechtigung - anknüpfen bzw in der Absicht erfolgen, den Aufenthalt mit Wegfall des Hindernisses zu beenden, sollen sie gerade keinen dauerhaften Aufenthalt ermöglichen. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt deshalb bei Asylbewerbern nur vor, wenn andere Umstände ergeben, daß sie sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Als solcher Umstand wäre zu werten, wenn von vornherein feststeht, daß eine Abschiebung auch bei Ablehnung des Asylgesuchs nicht in Betracht kommt, weil von einem Abschiebehindernis auf unabsehbare Zeit auszugehen ist. Ein Abschiebehindernis auf unabsehbare Zeit liegt aber nicht schon vor, wenn sich die dafür maßgebliche Situation insoweit nicht einschätzen läßt. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und daher nach § 163 SGG für das BSG bindenden Feststellungen des LSG wies der Erlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen die Ausländerbehörden wegen der krisenhaften Situation in Sri Lanka an, von der Abschiebung srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit - auch wenn deren Asylantrag rechtskräftig abgewiesen sein sollte - solange abzusehen, bis die dortige Lage ausländerbehördliche Maßnahmen wieder zulassen würde. Dem betroffenen Personenkreis war bis auf weiteres eine jeweils auf drei Monate befristete Duldung zu erteilen. Daß diese behördliche Duldungspraxis nicht von einer krisenhaften - und das heißt vorübergehenden - Situation, sondern von einer schon verfestigten Lage in Sri Lanka ausging, nach der ausländerrechtliche Maßnahmen auf unabsehbare Zeit nicht in Betracht kommen würden, hat das LSG nicht festgestellt. Damit stand aber - anders als in den vom BSG mit Urteilen vom 16. Dezember 1987 (11a REg 3/87 - SozR 7833 § 1 Nr 4), vom 23. Februar 1988 (10 RKg 17/87 - BSGE 63, 47 = SozR 5870 § 1 Nr 14) und vom 9. August 1995 (13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15) entschiedenen Fällen - im hier streitigen Zeitraum nicht fest, daß die Klägerin bei Ablehnung ihres Asylgesuchs nicht ausgewiesen würde. Der Erlaß des Innenministers begründete daher keine andere Aufenthaltsposition für die Klägerin, als sie sich aus der Aufenthaltsgestattung nach § 63 Asylverfahrensgesetz ergab. Auch die auf seiner Grundlage ausgesprochene Duldung war auf Beendigung des Aufenthalts der Klägerin ausgerichtet und ermöglichte somit lediglich ein vorübergehendes Verweilen im Bundesgebiet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
BSGE, 23 |
NVwZ 1999, 31 |
SGb 1998, 267 |
SozSi 1999, 38 |