Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeiten bei nichtdeutschen Versicherungsträgern. Nachkriegsbeitragszeiten. besondere Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff der „besonderen Härte” iS von Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG.
2. § 15 Abs. 1 S 3 FRG korrigiert lediglich eine bereits dem bisherigen Recht widersprechende Verwaltungspraxis und beinhaltet demgemäß keine Verschlechterung gegenüber dem vor dem 1.7.1990 geltenden Recht.
Normenkette
RRG 1992 Art. 15-16; FRG § 1 Buchst. b, § 15 Abs. 1 S. 3; FANG Art. 6 § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 14.12.1993; Aktenzeichen L 11 An 53/92) |
SG München (Entscheidung vom 14.02.1992; Aktenzeichen S 12 An 943/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Verfügungssatz über die Rentenhöhe im Altersruhegeldbescheid vom 9. Juli 1986 aufzuheben und zugunsten des Klägers eine Neufeststellung unter zusätzlicher Anrechnung der Zeiten vom 9. Mai bis 31. Oktober 1945 bzw 1. April 1948 bis 30. April 1969 als Beitragszeit vorzunehmen.
Der am 20. Juni 1921 in B. geborene Kläger hatte – zunächst als tschechoslowakischer Staatsangehöriger – ab dem 7. Juli 1970 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen der Ablehnung eines Antrages auf Herstellung der Versicherungsunterlagen über die in der CSSR zurückgelegten Versicherungszeiten mit Bescheid vom 14. Februar 1979 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1979) wies die nunmehrige Beklagte darauf hin, daß der Kläger mangels Vertriebeneneigenschaft nicht zum Personenkreis des § 1a Fremdrentengesetz (FRG) gehöre, bei Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft jedoch auf Antrag eine Überprüfung erfolge. Im Hinblick auf das fortbestehende Fehlen dieser Voraussetzung wurden Anträge auf Kontenklärung vom 21. Oktober 1980 und 18. Oktober 1985 nach Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 21. Juli 1981 bzw 12. Dezember 1985 jeweils nicht weiterbearbeitet. Der Kläger berichtete mit Schreiben vom 23. Dezember 1985, er habe seinen 1981 gestellten „ersten Einbürgerungsantrag” wieder zurückgezogen. Einen weiteren Antrag wolle er erst im Frühjahr 1986 stellen, da er dann als Rentner in der CSSR nur noch etwa 1.000,00 DM an Ausbürgerungsgebühr entrichten müsse und sich das dortige Verfahren in diesem Fall auf etwa ein Jahr verkürzen würde.
Entgegen dieser Erwartung wurde der Kläger jedoch nach erheblichen Verzögerungen erst zum 27. Juni 1990 aus dem Staatsverband der Tschechischen Republik entlassen und erhielt durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 25. Juli 1990 ab dem 2. August 1990 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Oktober 1990 stellte daraufhin die Beklagte das Altersruhegeld (ARG) gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ab dem 1. September 1990 unter zusätzlicher Anrechnung des Zeitraums vom 15. August 1942 bis 8. Mai 1945 als glaubhaft gemachte Beitragszeit iS von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG neu fest. Demgegenüber seien die Arbeitszeiten in der CSSR vom 9. Mai 1945 bis 31. Oktober 1945 und vom 1. Mai 1948 bis 30. April 1969 gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG in der seit 1. Juli 1990 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG) nicht zu berücksichtigen, da sie nach dem 8. Mai 1945 lägen. Derartige Zeiten hätten allein bei Vorliegen einer besonderen Härte iS von Art. 6 § 4 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) Berücksichtigung finden können. Weder habe der Kläger jedoch mangels Einbürgerung auf das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage und die sich hieraus ergebende Anrechenbarkeit von Beitragszeiten in größerem Umfang vertrauen dürfen, noch gerate er bei einer monatlichen Rente von 1.104,95 DM im Hinblick auf den ortsüblichen Sozialhilfesatz von 1.068,00 DM in eine wirtschaftliche Notlage. Die Dauer des Einbürgerungsverfahrens sei demgegenüber nicht maßgebend.
Die hiergegen am 29. November 1990 zum Sozialgericht München erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 14. Februar 1992 in der mit Beschluß vom 30. Juni 1992 berichtigten Fassung). Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 14. Dezember 1993 zurückgewiesen. Darüber hinaus hat es die Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid vom 20. Juli 1993, mit dem die Beklagte mittlerweile vom tschechischen Versicherungsträger mitgeteilte weitere Zeiten vor dem 9. Mai 1945 berücksichtigt und die bisher anerkannten Beitragszeiten nunmehr ungekürzt angerechnet hatte, abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Einer Anrechnung der geltend gemachten Zeiträume als Beitragszeiten iS von § 15 FRG stehe dessen Abs. 1 Satz 3 entgegen, der seit dem 1. Juli 1990 gelte. Bei Personen, die wie der Kläger von § 1 Buchst b FRG erfaßt würden, könnten demgemäß rentenrechtliche Zeiten nur noch bis 8. Mai 1945 anerkannt werden. Eine besondere Härte iS von Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG sei demgegenüber nicht gegeben. Bereits vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 2. August 1990 sei nämlich durch die Einfügung des Satzes 3 in § 15 Abs. 1 FRG mit Wirkung vom 1. Juli 1990 die bis dahin bestehende Rechtslage geändert worden, so daß vor Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 Buchst b FRG ein Vertrauenstatbestand überhaupt nicht habe entstehen können. Auch seien nach dem 8. Mai 1945 in der CSSR zurückgelegte Beitragszeiten nicht bereits vor dem 1. Juli 1990 rechtsverbindlich anerkannt gewesen. Selbst dann, wenn der Kläger die Voraussetzungen des § 1 Buchst b FRG vor inkrafttreten von § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG erfüllt hätte, fehle es jedenfalls an einem langjährigen Vertrauen auf die bestehende Rechtslage, so daß unverändert ein Fall besonderer Härte nicht gegeben sei. Weder die Rücknahme des ersten Einbürgerungsantrags noch die Stellung eines weiteren Antrags erst nach Erreichen des Rentenalters seien bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers der Bundesrepublik Deutschland oder speziell der Beklagten zuzurechnen. Die geschilderten Einkommensverhältnisse seien für sich allein ebenfalls nicht geeignet, einen Fall besonderer Härte zu begründen. Der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid vom 20. Juli 1993 sei nicht zu beanstanden gewesen.
Der Kläger hat am 16. Mai 1994 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt: Er sehe eine besondere Härte darin, daß es bei einer um einen Monat früheren Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zur Anrechnung der begehrten Zeiten gekommen wäre. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts habe er durchaus langjährig auf den Fortbestand der ihm bekannten bisherigen Regelung vertraut, da er sich bereits 20 Jahre in der Bundesrepublik aufhalte und hier gearbeitet habe. Ein derartiger Vertrauensschutz erfordere nicht zusätzlich die langjährige Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des früheren Rechts. Als Maßstab für den zeitlichen Umfang eines derartigen Vertrauens könne etwa auf § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung der Nachversicherung in Härtefällen (Nachversicherungs-Härte-Verordnung ≪NHV≫) vom 28. Juli 1959 (BGBl I S 550) zurückgegriffen werden, wo von einem Mindestzeitraum von fünf Jahren ausgegangen werde. Ebenso sei eine besondere Härte dann zu bejahen, wenn man die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Erstattung von Urteilsrenten auf den vorliegenden Fall übertrage; ausgehend von den Einkommensverhältnissen des Klägers ergebe sich nämlich unter Zugrundelegung der Verhältnisse in der Landeshauptstadt München für den Kläger und seine Ehefrau ein Sozialhilfeanspruch in Höhe von 1.428,00 DM, der von der Rente unterschritten werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 1993 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Februar 1992 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 23. Oktober 1990 und 20. Juli 1993 zu verurteilen, das Altersruhegeld des Klägers unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiten vom 9. Mai 1945 bis 31. Oktober 1945 sowie vom 1. April 1948 bis 30. April 1969 als Beitragszeiten neu festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt im wesentlichen aus, der Kläger, der vor dem 1. Juli 1990 noch nicht Deutscher iS von § 1 Buchst b FRG gewesen sei, habe aus diesem Grund auch nicht auf eine Berücksichtigung seiner nach dem 8. Mai 1945 in der CSSR zurückgelegten Beitragszeiten vertrauen können. Ausweislich der Gesetzesbegründung, nach der es darauf ankomme, daß Beitragszeiten in größerem Umfang „nicht mehr” anrechenbar sind, solle Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG nur bereits bestehende Rentenanwartschaften schützen. Vor dem 1. Juli 1970 hätten die Bestimmungen des FRG auf den Kläger jedoch keine Anwendung finden können. Darauf, ob bereits ein Verwaltungsakt unter Einbeziehung der fraglichen Zeiten ergangen sei, komme es demgegenüber entgegen der Revision nicht an. Die konkreten Umstände der Entlassung aus der tschechischen Staatsbürgerschaft seien für den erkennenden Senat unerheblich, da sie sich nicht aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergäben. Der auch nach Auffassung der Beklagten heranzuziehende § 2 NHV könne nach dem Gesagten im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen, da der Kläger vor dem 1. Juli 1990 auch nicht dem Grunde nach einen Anspruch auf Berücksichtigung der hier streitigen Beitragszeiten gehabt habe.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte Revision des Klägers erweist sich auch im übrigen als zulässig, sachlich jedoch in vollem Umfang als unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das ARG des Klägers unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiträume vom 9. Mai bis 31. Oktober 1945 bzw 1. April 1948 bis 30. April 1969 als Beitragszeiten iS von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG neu festzustellen und entsprechend höhere Rentenleistungen zu zahlen. Nach der letztgenannten Vorschrift stehen Beitragszeiten, die bei einem richtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Nach Satz 3 a.a.O. werden jedoch für Personen, die – wie der Kläger – zum Personenkreis des § 1 Buchst b FRG gehören, rentenrechtliche Zeiten bis zum 8. Mai 1945 berücksichtigt. Die streitigen Zeiten liegen nach dem 8. Mai 1945. Sie könnten daher allein nach Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG und nur dann berücksichtigt werden, wenn hierdurch eine besondere Härte vermieden wird. Dies ist aber hier nicht der Fall. Dazu im einzelnen wie folgt:
I. Der Kläger ist 1970 unabhängig von den Kriegsauswirkungen in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, ist aber infolge der unzweifelhaft kriegsbedingten (BSG SozR 5050 § 15 Nr. 19) Suspendierung des deutschtschechoslowakischen Sozialversicherungsvertrages vom 21. März 1931 (Bekanntmachung vom 8. Dezember 1933, RGBl I 1016) nicht mehr in der Lage, den früher für ihn zuständigen nichtdeutschen Versicherungsträger in Anspruch zu nehmen. Als Angehöriger des in § 1b FRG umschriebenen Personenkreises kann er bei der Berechnung seines ARG nach den unverändert maßgeblichen (§ 300 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nur die Berücksichtigung vor dem Krieg zurückgelegter Beitragszeiten begehren, § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG (eingefügt durch Art. 15 RRG, BGBl I S 2261). Die Vorschrift ist zum 1. Juli 1990 in Kraft getreten und mangels einschlägiger Übergangsvorschriften seither uneingeschränkt anzuwenden. Die Anrechnung von Nachkriegsbeitragszeiten ist im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil hierdurch eine besondere Härte vermieden werden könnte (Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG in der seit 1. Juli 1990 geltenden ≪Art. 85 Abs. 6 RRG ≫ Fassung durch Art. 16 RRG).
II.1. Der Terminus der „besonderen Härte” iS des Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG entzieht sich einer abstrakten Festlegung seines rechtlichen Inhalts. Er ist dem Bestand an Rechtsbegriffen zuzuordnen, der nach Inhalt und Umfang weitgehend ungewiß ist und folglich in besonderer Weise der Ausfüllung für – und durch – den Einzelfall bedarf. Der Vorgang seiner Konkretisierung bedingt dabei keine grundsätzlichen methodischen Besonderheiten und ist allein durch die spezifische Intensität der auch ansonsten im Rahmen der Normanwendung geforderten Interpretation abstrakt-genereller Vorgaben gekennzeichnet. Demgemäß kommen zunächst übliche Grundsätze der juristischen Normauslegung zum Tragen, wobei insbesondere der spezielle Kontext des in Frage stehenden Rechtsgebietes und die Funktion der Bestimmung innerhalb des jeweiligen Gesetzes- bzw Regelungszusammenhanges zu beachten sind. Ein am Leitbild eines übersituativen und äußerstenfalls für die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit maßgeblichen stets gleichen Begriffsinhalt orientierte Deutung verbietet sich schon deshalb. Bedürfen nämlich unbestimmte Rechtsbegriffe bereits dann einer jeweils bereichsspezifischen Konkretisierung, wenn sie – gleichsam vor die Klammer gezogen – allgemein Geltung für verschiedene Regelungsbereiche innerhalb eines Gesetzes beanspruchen (sog „Einfärbungslehre”; vgl hierzu Senat in BSGE 67, 243 ff, 246), so muß dies erst recht dann gelten, wenn ein Begriff in verschiedenen Gesetzen bzw Verordnungen Verwendung findet, die in keinem erkennbaren inneren Zusammenhang miteinander stehen oder aufeinander nicht Bezug nehmen.
Hiervon ausgehend hat etwa der 9. Senat des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (exemplarisch Urteil vom 28. Juni 1973 in SGb 1974, S 82 ff, 83 mit zustimmender Anmerkung von Getrost; ebenso Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ SozR 3100 § 89 Nr. 10) in seiner Rechtsprechung zum Begriff der besonderen Härte iS von § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) stets darauf hingewiesen, daß insofern allein der Vergleich mit sonstigen Leistungen im Rahmen des BVG bzw des Soldatenversorgungsgesetzes Auskunft darüber geben kann, was der Gesetzgeber auf der Basis der von ihm getroffenen Wertungen über die normierten Tatbestände hinaus zu entschädigen gewillt ist. Entsprechend muß auch im vorliegenden Zusammenhang der von den Beteiligten vorgeschlagene Rückgriff auf die Rechtsprechung des Senats zur Überführung sog Urteilsrenten (SozR 1300 § 50 Nr. 6) bzw die NHV Bedenken begegnen. Die zitierte Entscheidung ist nämlich allein vor dem besonderen Hintergrund verständlich, daß der Betroffene ausnahmsweise eine im Ergebnis zu Unrecht erbrachte Leistung deshalb behalten darf, weil diese als gesetzlich angeordnete Konsequenz des sozialgerichtlichen Urteils für einen vorübergehenden Zeitraum bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung zu erbringen war und die an sich zustehende Sozialhilfe für die Vergangenheit nicht mehr gefordert werden kann. Ebenso erfordert auch ein sachgerechtes Verständnis der NHV die Berücksichtigung ihrer speziellen Funktion als durch Art. 2 § 3 Abs. 2 Satz 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 45) bzw Art. 2 § 4 Abs. 2 Satz 3 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 88) gebotene Ausnahmeregelung; grundsätzlich ordnet nämlich § 141 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes ≪DBG≫ (BGBl I 1950 S 283) für die dort genannten Fälle der Gewährung einer lebenslänglichen Versorgung, Nichtigkeit der Ernennung (§ 32 DBG), Entfernung aus dem Dienst (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 DBG), Ausscheiden aus dem Dienst nach §§ 52, 53 DBG oder Entlassung nach § 63 DBG das Unterbleiben der Nachentrichtung von Beiträgen an. Dasselbe gilt schließlich für sonstige Fälle der Verwendung des Begriffs der „besonderen Härte” wie etwa in § 128 Abs. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) aF (vgl hierzu Buchner, Die Rechtslage zu § 128 AFG nach der Entscheidung des BVerfG vom 23. Januar 1990, ZIP 1990, S 211 ff, 212), § 140 Abs. 3 AVG (BSG SGb 1985, S 169 ff), § 2 Abs. 7 der Aufenthaltserlaubnisverordnung (BSGE 43, 153 und SozR 4100 § 19 Nr. 16) oder § 182c Satz 3 der Reichsversicherungsordnung aF (BSG SGb 1982, S 445 ff mit Anm. von Erichsen/Günniker). Allein auf der Basis des vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Regelanwendungsbereichs einer Vorschrift kann nämlich jeweils bestimmt werden, ob die sich im Einzelfall aus ihrer konkreten Anwendung ergebenden Folgen noch diesem zuzuordnen und daher hinzunehmen sind oder ob sie – als Ergebnis eines zusätzlichen Interpretations- und Wertungsakts – als „hart” bzw „besonders hart” anzusehen sind. Grundsätzlich ist daher die „besondere Härte” nur in ihrer jeweiligen normspezifischen Relativität bestimmbar (vgl zum Begriff der „sozialhilferechtlichen Härte” dementsprechend BVerwGE 29, 229 ff, 235 sowie 58, 209 ff, 211).
2. Den Besonderheiten des unbestimmten Rechtsbegriffs entsprechend kommt – innerhalb des auf diese Weise gewonnenen Rahmens – der Anwendung im Einzelfall eine herausgehobene Bedeutung auch für die Entwicklung des allgemeinen Verständnisses vom Inhalt der Norm zu. Bereits solche Begriffe, die Gegebenheiten der Umwelt bezeichnen, abstraktieren nämlich stets ausschnitthaft Bestandteile, die einer Vielzahl von Situationen gemeinsam sind und im Rahmen der Einzelfallanwendung notwendig wieder auf einen Lebenssachverhalt in seiner Gesamtheit treffen. Auf diese Weise stehen sie jeweils in einem neuen, für den Normgeber grundsätzlich nicht voraussehbaren Zusammenhang. Deshalb ergibt sich – jedenfalls in Randbereichen – eine Wechselwirkung in der Weise, daß das allgemeine Verständnis des Norminhalts erst mit der Subsumtion konkreter Einzelfälle eine Abrundung und umgekehrt der Einzelfall seine rechtliche Behandlung aus dem so gebildeten Verständnis der anzuwendenden Norm erfährt. Erst recht ist ein derartiger „Mechanismus” unverzichtbarer Bestandteil der Rechtserkenntnis dann, wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf bestehende Grenzen der Normierbarkeit von Wertungskriterien (Ossenbühl in Badura ua, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl, § 10 RdNr. 23) durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Tatbestand einer Vorschrift (Ossenbühl, a.a.O., RdNr. 24; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl, § 7 RdNr. 26) von vornherein zu erkennen gibt, daß er sich zu einer hinreichend bestimmten abschließenden Umschreibung derjenigen Sachverhalte, denen er eine Rechtsfolge zuordnen will, nicht in der Lage sieht.
3. Die im Ergebnis zutreffende Rechtsanwendung der Beklagten unterliegt auch insofern in vollem Umfang der Kontrolle durch den Senat. Eine der innerhalb des Bereichs der unbestimmten Rechtsbegriffe zu unterscheidenden (vgl Brocke, Der unbestimmte Rechtsbegriff im Sozialrecht, JuS 1987, S 874) Fallgestaltungen, in denen die Rechtsprechung der Verwaltung unter Zugrundelegung einer funktionell-rechtlichen Sichtweise einen – nur beschränkt überprüfbaren – eigenen Beurteilungsspielraum zuerkennt, liegt nicht vor: Weder enthält das Gesetz ausdrücklich eine derartige „Ermächtigung zur Letztentscheidungskompetenz” (Ossenbühl, a.a.O., RdNr. 33) noch handelt es sich um einen der in Lehre und Rechtsprechung herausgebildeten besonderen Entscheidungstypen (Ossenbühl, a.a.O., RdNrn 35 ff). Im Gegenteil ist für den vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, daß hinsichtlich der Einschätzung von Folgen der Normanwendung eine der Verwaltung zuzurechnende besondere Sachkunde grundsätzlich nicht gegeben ist (Brocke, a.a.O., S 875).
Unter den gegebenen Umständen liegt es allerdings von vornherein außerhalb der Reichweite auch obergerichtlicher Rechtsprechung, unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem der „besonderen Härte” auf der Basis eines oder weniger Einzelfälle im Interpretationswege einen abschließenden Inhalt zu geben. Bestünde diese Möglichkeit, wäre die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs durch den Gesetzgeber schlechthin unverständlich. Vielmehr muß sich das Revisionsgericht darauf beschränken, den von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalt in Relation zu den vom Gesetz eindeutig erfaßten Fallen zu setzen, und dann im Wege wertender Beurteilung feststellen, ob die sich ergebenden Folgen einer Anwendung im Einzelfall jenen geregelten Bereich so außergewöhnlich weit verlassen, daß sie sich für den Betroffenen deutlich nachteiliger als im Regelfall auswirken. Erst durch die Zusammenschau derartiger Entscheidungen kann möglicherweise im weiteren Gang des Interpretationsprozesses die Bildung von Fallgruppen erfolgen. Für die in Frage stehenden §§ 1 Buchst b, 15 Abs. 1 Satz 3 FRG, Art. 6 Abs. 1 FANG ergibt sich damit hinsichtlich des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts folgendes:
III. Der Kläger kann sich weder auf ein rechtlich geschütztes besonderes Vertrauen in den Fortbestand einer ihn gegenüber dem geltenden Recht begünstigenden Rechtslage über den 30. Juni 1990 hinaus noch erst recht darauf berufen, ihn träfen im Vergleich zu anderen von der fraglichen Norm Betroffenen außergewöhnlich belastende Folgen des Gesetzes.
1.a) Zwar können auch in den Fällen der sog unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung), dh bei Einwirkung einer gesetzlichen Bestimmung auf gegenwärtige noch nicht abgeschlossene Sachverhalte in der Weise, daß eine Rechtsposition nachträglich entwertet wird (BVerfGE 15, 313 ff) im Einzelfall verfassungsrechtlich Grenzen überschritten sein, wenn die vorzunehmende Abwägung das Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen Regelung gegenüber der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit als deutlich vorrangig erweist (BVerfGE 43, 242). Ua von derartigen Erwägungen geht offenbar auch Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG aus. Die Bestimmung, die nach dem ursprünglichen Vorschlag des Fraktionsentwurfs (BT-Drucks 11/4124, S 112) dahin ging, § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG nicht anzuwenden, „soweit die Anrechnung von rentenrechtlichen Zeiten verbindlich festgestellt ist”, hat ihre nunmehrige Fassung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß, BT-Drucks 11/5530 S 68) gefunden. Zur Begründung wurde dabei ausgeführt:
„Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG sollen Beitragszeiten, die nach dem 8. Mai 1945 zurückgelegt wurden, generell von der Berücksichtigung bei dem in § 1 Buchst b FRG genannten Personenkreis ausgeschlossen werden. Dies kann bei Personen, die langjährig auf die bestehende Rechtslage vertraut haben und bei denen Beitragszeiten in größerem Umfang nicht mehr anrechenbar sind, zu besonderen Härten führen. Abs. 1 dient dem Vertrauensschutz dieser Personen. Die Vorschrift ermöglicht es den Rentenversicherungsträgern, Beiträge dieser Zeiten zu berücksichtigen, wenn derartige Umstände vorliegen.”
Eine zu beachtende Rechtslage, wie sie diesen Ausführungen offenbar zugrunde liegt, hat indessen beim Kläger auch vor dem 1. Juli 1990 nicht bestanden.
Für ihn fehlt es daher bereits nach bisherigem Recht an einem Anspruch auf Berücksichtigung der Zeiten vom 9. Mai bis 31. Oktober 1945 und 1. April 1948 bis 30. April 1969 als Beitragszeit. Ein nachträgliches Entfallen der Anrechenbarkeit („nicht mehr”) ist unter diesen Umständen nicht vorstellbar.
b) § 1 Buchst b FRG hat seine heutige Fassung im wesentlichen durch Art. 1 FANG erhalten. Eine Änderung ist nachträglich nur insoweit erfolgt, als die ursprüngliche Zeitgrenze für die Aufenthaltsnahme (bis 31. Dezember 1952) durch Art. 1 § 4 Nr. 1 des 1. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (BGBl I S 476) ersatzlos aufgehoben wurde. Die Vorschrift schließt historisch an § 1 Abs. 2cc des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I S 848) an (vgl zur Entwicklung BSG SozR FRG § 1 Nr. 6 und Abendroth, Der Personenkreis des § 1 Buchst b FRG, DAngVers 1982, S 342 ff). Nach der damaligen Begründung des Bundesrats, auf dessen Ergänzungsvorschlag die Fassung des FAG zurückgeht (Anlage II zu BT-Drucks 4201 vom 19. März 1953, S 35; vgl auch BSG, a.a.O.), war damit die Begünstigung solcher Personen beabsichtigt, die bereits vor dem Krieg ihren Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder des Landes Berlin genommen hatten, aufgrund der damaligen Rechtslage zunächst mit der Erhaltung ihrer bereits erworbenen Anwartschaften rechnen konnten, dann aber infolge der Kriegsereignisse ihre Ansprüche gegen den früher für sie zuständigen ausländischen Träger nicht mehr geltend machen konnten oder früher bereits im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw des Landes Berlin gewohnt hatten, jedoch ihre bis zum Kriegsausbruch von einem nichtdeutschen Versicherungsträger gezahlte Rente nicht mehr erhielten. De Bundesrat hatte damals ausdrücklich hinzugefügt, daß bisher nur einige wenige Fälle bekannt geworden seien, in denen aufgrund der vorgeschlagenen Ergänzungen eine Rentenzahlung in Frage käme, so daß keine nennenswerten Mehrbelastungen entstehen dürften.
In dieser Tradition hat das BSG auch zu § 1 Buchst b FRG stets gefordert, daß der Betreffende vor dem Eintritt möglicher Kriegsauswirkungen gegen den nichtdeutschen Versicherungsträger eine Rechtsstellung erworben hatte, die er infolge des Kriegsausbruchs nicht mehr realisieren konnte (BSG SozR FRG § 1 Nrn 2, 4, 6). Ggf konnte diese Voraussetzung auch aufgrund der innerstaatlichen Nachversicherung vergleichbarer Sachverhalte in Betracht kommen, wenn zum Ende des in Frage stehenden Zeitraums mit Wirkung ex tunc die Einbeziehung in ein auf Beitragsleistung beruhendes System erfolgte (BSG SozR 5050 § 15 Nr. 19). Eine Berücksichtigung nach 1945 zurückgelegter Zeiten wurde unter diesen Voraussetzungen – ohne daß darüber zu entscheiden gewesen wäre – offenbar zunächst erwogen (SozR FRG § 1 Nr. 6, S Aa 7), dann aber ausdrücklich abgelehnt (SozR 5050 § 15 Nr. 19; in diesem Sinne auch Winchenbach, Rentenreformgesetz 1992, Die Änderungen im Fremdrentenrecht, MittLVA Oberfr 1990, S 351 ff, 360 mit Hinweis auf Bayerisches LSG vom 27. September 1984, L 16 Ar 289/84, die Existenz einer weitergehenden „Rechtsprechung des BSG” wird im Bericht des 11. Ausschusses, a.a.O. S 28, zwar behauptet, aber in keiner Weise näher belegt). Demgegenüber gelangten jedoch die Versicherungsträger auf Verwaltungsebene übereinstimmend zu einer weitergehenden Regelung (Abendroth, a.a.O., S 345) und gingen unter den vorstehend geschilderten Voraussetzungen der Rechtsprechung von einer uneingeschränkten Berücksichtigungsfähigkeit auch der nach dem 9. Mai 1945 bis zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bei einem ausländischen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten aus.
Offenbar im Hinblick hierauf geht der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG (BT-Drucks 11/4124) zur Begründung der dort vorgeschlagenen Ergänzung von § 15 Abs. 1 FRG, die unverändert Eingang in das Gesetz gefunden hat, von folgendem aus (a.a.O., S 216 f):
„Die Regelung des geltenden Rechts, nach der eine Anrechnung ausländischer Beitragszeiten auch für Personen möglich ist, die den früher für sie zuständigen Versicherungsträger infolge der Kriegsauswirkungen nicht mehr in Anspruch nehmen können, hat durch Auslegung einen Inhalt erhalten, der im Hinblick auf den immer größeren zeitlichen Abstand zu den Ereignissen des zweiten Weltkrieges dem ursprünglichen Regelungsgehalt zunehmend weniger entspricht. Die Regelung ermöglicht derzeit die Anrechnung aller nach dem Krieg in den Ostblockstaaten zurückgelegter Beitragszeiten und sonstiger rentenrechtlicher Zeiten, die aufgrund suspendierter Abkommen oder wegen geänderter innerstaatlicher Vorschriften seit Kriegsende keine Rente an die Bundesrepublik Deutschland zahlen, wenn der Berechtigte vor Kriegsende eine Rechtsposition besaß, deren Realisierung durch die Kriegsauswirkungen vereitelt wurde. Diese Rechtsposition konnte im Extremfall bereits durch Zahlung eines Beitrages erworben werden. Damit geht der Anwendungsbereich weit über das hinaus, was ihm ursprünglich zugedacht war: die Anrechnung vor dem Krieg im Herkunftsland verbrachter Beitragszeiten zu sichern. Dieser Regelungsinhalt soll wiederhergestellt werden …”.
Jede Begünstigung des Klägers iS einer Aussicht auf Anrechnung auch von Nachkriegsbeitragszeiten auf der Grundlage des vor dem 1. Juli 1990 geltenden Rechts hätte demgemäß ihre Grundlage allein auf einer mit Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Ziel des Gesetzes, kriegsbedingte Vertreibungsschäden in der gesetzlichen Rentenversicherung zu kompensieren (vgl etwa Senat in SozR 2200 § 1251a Nr. 2 S 7 mwN), nicht zu vereinbarenden Auslegung des Gesetzes durch die Verwaltungspraxis beruht; die zum 1. Juli 1990 in Kraft getretene Neufassung stellt sich demgemäß als bloße Bestätigung der bereits vorher bestehenden Rechtslage dar. Abgesehen davon jedoch, daß der Gedanke des Vertrauensschutzes den Bürger grundsätzlich nicht vor jeder Enttäuschung bewahren kann und muß (BVerfGE 24, 220 ff, 230), ist die Ausgestaltung einer sozialrechtlichen Leistung insbesondere dann allgemein nicht von einer ungünstigen inhaltlichen Neubestimmung geschützt, wenn die einschränkende Gesetzesregelung nur an die Stelle einer weitergehenden Verwaltungsübung tritt (BSG SGb 1974, S 82 ff, 83). Eine über die bloße Erwartung einer gleichbleibenden Praxis der Beklagten hinausgehende rechtlich gesicherte Position hatte der Kläger im übrigen bis zum 30. Juni 1990 auch nicht in der Weise erlangt, daß die abweichende Auffassung der Beklagten zur Anrechenbarkeit der streitigen Zeiträume bereits in eine den Kläger begünstigende Verwaltungsentscheidung Eingang gefunden hätte; die Auswirkungen von Art. 6 § 4 Abs. 1 FANG in derartigen Fällen bedürfen demgemäß im vorliegenden Zusammenhang keiner Erörterung.
c) Schließlich gehörte der Kläger zu keinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten von § 15 Abs. 1 Satz 3 FRG überhaupt zum Kreis der von Satz 1 der Norm potentiell Begünstigten. Vielmehr hat er die Voraussetzungen von § 1 Buchst b FRG erstmals durch den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft am 2. August 1990 erfüllt. Bis zum 30. Juni 1990 bestand folglich allenfalls die unbestimmte Möglichkeit, künftig einmal dem vom FRG erfaßten Personenkreis anzugehören. Derartige Positionen sind indessen als bloße Aussichten von dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Vertrauensschutzprinzip von vornherein nicht erfaßt.
Ohne Belang sind demgemäß auch die Geschehnisse bei der Einbürgerung des Klägers. Das vertrauen der Betroffenen kann sich in den Fällen der unechten Rückwirkung allein auf die Verläßlichkeit des bisherigen Rechtszustandes beziehen. Demgegenüber wird ein Vertrauen darin, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer gesetzlichen Bestimmung zu einem letzlich beliebigen Zeitpunkt herbeigeführt werden können, um dann zu einer unveränderten Begünstigung zu führen, von vornherein nicht geschützt. Auch haben nicht etwa die Bundesrepublik Deutschland oder die Beklagte die Verantwortung für eingetretene Verzögerung bei der Einbürgerung des Klägers zu tragen. Im Gegenteil hat die Beklagte seit dem Jahre 1979 in einer Vielzahl von Schreiben immer wieder auf die Erforderlichkeit dieses Umstandes für die Anrechnung von FRG-Zeiten hingewiesen. Wenn der Kläger dennoch das bereits 1981 begonnene erste Verfahren aufgrund persönlicher Erwägungen hinsichtlich der anfallenden Kosten und der zeitlichen Ausgestaltung durch Rücknahme des Antrages wieder beendet hat, fällt dies einzig in seinen Verantwortungsbereich.
2. Selbst wenn man ausgehend von der Rechtsauffassung der Beteiligten eine mit dem 1. Juli 1990 eingetretene materielle Rechtsänderung annehmen wollte, wäre der Kläger von der – dann erstmals angeordneten – beschränkten Anrechenbarkeit von Fremdbeitragszeiten nicht intensiver betroffen als vergleichbare Personen. Im Hinblick auf die in jedem Falle erforderliche Vorkriegsbeitragszeit sind nämlich denkbare Auswirkungen allein auf Rentner und rentennahe Jahrgänge beschränkt. Die hier regelmäßig fehlende Möglichkeit, auftretende Versorgungslücken durch anderweitige Vorsorge zu kompensieren, müßte dann als übliche Konsequenz des Gesetzes und dementsprechend gerade nicht als eine das Normalmaß übersteigende Härte angesehen werden.
3. Auch darauf, daß der Kläger ggf – wozu entsprechende Feststellungen fehlen – ohne Anrechnung der streitigen Zeiträume sozialhilfebedürftig ist, kann es entgegen der von der Beklagten ursprünglich vertretenen Auffassung und der Meinung der Revision nicht ankommen. Die Funktion der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht darin, bei Eintritt gesetzlich definierter Bedarfslagen dem Versicherten denjenigen Status zu erhalten, den er im Rahmen seines Erwerbslebens erworben hat. Demgemäß ist gleichermaßen unerheblich, ob er dieser Leistungen tatsächlich bedarf oder ob ihre Höhe einer konkreten Bedürftigkeit entspricht (Ruland in Sozialrechtshandbuch, herausgegeben von von Maydell, Abschnitt „Rentenversicherung”, RdNr. 26). Ebenso ist Rechtsgrund für die Anerkennung bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger zurückgelegter Beitragszeiten nicht, ob der Betroffene hierauf angewiesen ist, sondern allein der, daß anderenfalls eine kriegsbedingte Schlechterstellung einträte.
IV. Die in Frage stehenden Vorschriften des Fremdrentenrechts sind schließlich auch nicht verfassungswidrig. Soweit Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG – worüber hier nicht abschließend zu entscheiden ist – in der Konsequenz dazu führt, daß es bei der – auch von der bisherigen Gesetzesfassung nicht getragenen – Anrechnung von Nachkriegsbeitragszeiten nur bei denjenigen verbleibt, die bereits vor dem 1. Juli 1990 Anspruch auf eine Rentenleistung unter Berücksichtigung von FRG-Zeiten hatten, besteht der nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine Ungleichbehandlung rechtfertigende Differenzierungsgrund jedenfalls darin, daß die Betroffenen im Gegensatz zum Kläger bereits damals dem vom FRG erfaßten Personenkreis angehört hatten. Ebenso fehlt es am Eingriff in ein eigentumsgeschütztes Recht iS von Art. 14 Abs. 1 GG, da der Kläger bis zum 30. Juni 1990 allenfalls eine unbestimmte Aussicht auf Anrechnung von Nachkriegsbeitragszeiten hatte.
Nach alledem hat die Beklagte zutreffend das ARG des Klägers gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X unter Außerachtlassung der nach dem Krieg in der CSSR zurückgelegten Beitragszeiten neu festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen