Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 1999 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 3. Februar 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte (ALG) ab 1. Juni 1999.
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Nebenerwerbslandwirts E. F., der von der Beitragspflicht zur Beklagten befreit worden war. Die Eheleute leben nicht dauernd getrennt. Vom 1. Mai 1984 bis zum 31. Dezember 1991 war die Klägerin als landwirtschaftliche Unternehmerin zur Beklagten beitragspflichtig. Zum 1. Januar 1992 übernahm der Ehegatte die überwiegende Leitung des landwirtschaftlichen Betriebes. Für die Zeit von diesem Datum an entrichtete die Klägerin Beiträge an die Beklagte aufgrund der mit Schreiben vom 6. Februar 1994 abgegebenen Weiterversicherungserklärung (§ 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte ≪GAL≫).
Mit Schreiben vom 8. August 1995 teilte die Beklagte mit, daß sie die Klägerin mit Ablauf des Monats Dezember 1994 aus dem Mitgliederverzeichnis als sogenannte Weiterversicherte aufgrund der zum 1. Januar 1995 neu begründeten Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin (§ 1 Abs 3 ALG) streichen werde. Mit Bescheid vom 23. August 1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin ab 1. Januar 1995 fest, weil sie Ehegattin eines Unternehmers sei, der ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibe, das die festgesetzte Mindestgröße erreicht habe (§ 1 Abs 1 bis 6 ALG). Mit ihrem Widerspruch gegen das Schreiben der Beklagten vom 8. August 1995 und den Bescheid vom 23. August 1995 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht zum 31. Mai 1999. Im Dezember 1995 widerrief die Klägerin die Weiterversicherungserklärung vom 6. Februar 1994. Mit Bescheid vom 25. März 1996 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin ab, weil die Klägerin am 31. Dezember 1994 als Weiterversicherte beitragspflichtig gewesen sei. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. April 1997).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut hat die Beklagte mit Bescheid vom 2. Oktober 1997 die Klägerin ab 1. September 1997 befristet für die Dauer der Erziehung ihres Kindes von der Versicherungspflicht befreit (§ 3 Abs 1 Nr 2 ALG). Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß die Weiterversicherungspflicht gemäß § 84 Abs 2 ALG nicht mehr auflebe, da die Wartezeit für eine Altersrente unter Anrechnung von Zeiten gemäß § 17 Abs 1 Nr 1 ALG erfüllt sei. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 3. Februar 1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung des Befreiungstatbestandes von § 85 Abs 3a iVm § 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG, weil sie aufgrund der Unwiderruflichkeit der Weiterversicherungserklärung am 31. Dezember 1994 beitragspflichtig gewesen sei. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor. Verfassungsrecht (Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) sei nicht verletzt.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 28. April 1999 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten vom 25. März 1996, vom 8. und 23. August 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1997 abgeändert und festgestellt, die Klägerin sei ab 1. Juni 1999 auf Dauer von der Versicherungspflicht befreit. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß die Klägerin ab 1. Januar 1995 sowohl als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin wie auch als Ehegattin eines Landwirts zur Beklagten versicherungspflichtig gewesen sei. Die Weiterversicherungspflicht sei mit Wirkung vom 1. September 1997 beendet worden (Bescheid vom 2. Oktober 1997). Bis dahin habe eine vorrangige Beitragspflicht als Landwirtsehegattin bestanden. Die Befreiung von der Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin ab 1. Juni 1999 ergebe sich nicht aus einer ausdrücklich geregelten Befreiungsmöglichkeit, insbesondere nicht aus § 85 Abs 3a ALG. Am 31. Dezember 1994 habe Beitragspflicht zur Beklagten aufgrund der unwiderruflichen Weiterversicherungserklärung bestanden (§ 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG). Der Klägerin stehe aber ein Befreiungsrecht in analoger Anwendung von § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG zu. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, weil der Gesetzgeber die Regelung der hier vorliegenden Konstellation übersehen habe. Zwischen der Ehegattenpflichtversicherung (§ 1 Abs 3 ALG) und der Befreiungsmöglichkeit für Weiterversicherte (§ 84 Abs 2 ALG) bestehe ein nicht anders aufzulösender Wertungswiderspruch. Die Ehegattenpflichtversicherung verliere dort ihren Sinn, wo die Versicherte bereits eine hinreichende Alterssicherung als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin erworben habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in früheren Entscheidungen die Befreiung von der Versicherungspflicht in einem Versicherungszweig auch auf andere Versicherungszweige erstreckt. Dies müsse erst recht gelten, wenn die Befreiungstatbestände – wie hier – dieselbe Pflichtversicherung betreffen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung von § 84 Abs 2 iVm § 1 Abs 3 ALG. Es bestehe kein Grund, die Befreiungsmöglichkeit für Weiterversicherte (§ 84 Abs 2 ALG) auch auf Landwirtsehegatten (§ 1 Abs 3 ALG) analog anzuwenden. Das ALG sehe für die jeweilige Personengruppe ausdrücklich geregelte, unterschiedliche Befreiungstatbestände vor. Das Aufrechterhalten dieser Differenzierung entspreche Sinn und Zweck der Befreiungsmöglichkeiten und folge auch der Gesetzessystematik. Verfassungsrecht (Art 3 Abs 1 GG) sei nicht verletzt. Die vom LSG zitierten Urteile des BSG seien mangels Vergleichbarkeit mit dem landwirtschaftlichen Alterssicherungssystem nicht relevant.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪ SGG ≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage besteht ungeachtet der Tatsache, daß die Klägerin ab 1. September 1997 befristet für die Dauer der Erziehung ihres Kindes von der Versicherungspflicht für Landwirte befreit wurde. Die angefochtenen Bescheide belasten die Klägerin nach wie vor, denn sie begehrt ab 1. Juni 1999 die dauerhafte Befreiung von der Ehegattenpflichtversicherung. Beide Befreiungsmöglichkeiten haben unterschiedliche Voraussetzungen und können unabhängig voneinander verfolgt werden.
Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, daß die Klägerin als Ehegattin eines Landwirts auch über den 1. Juni 1999 hinaus versicherungspflichtig ist; sie ist nicht auf Dauer nach § 85 Abs 3a ALG vom 29. Juli 1994 (verkündet als Art 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 ≪ASRG 1995≫, BGBl I 1890) idF durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 15. Dezember 1995 (≪ASRG-ÄndG≫ BGBl I 1814, berichtigt BGBl I 1996, 683) von der ab 1. Januar 1995 bestehenden Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts (§ 1 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 1 ALG) in der Alterssicherung der Landwirte befreit.
Nach § 85 Abs 3a Satz 1 ALG sind Versicherte nach § 1 Abs 3, die die Voraussetzung nach Abs 3 Satz 2 Nr 1 erfüllen, dh die „am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren”, ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind (Nr 1), der Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft nach den betrieblichen Verhältnissen am 1. Januar 1995 20.000 DM nicht überschritten hat (Nr 2), der befreite Unternehmer im Jahre 1994 Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000 DM erzielt hat (Nr 3) und die Befreiung bis zum 30. Juni 1996 bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt wird (Nr 4).
Dieser Befreiungstatbestand scheitert bereits an § 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG, denn die Klägerin war aufgrund der am 6. Februar 1994 abgegebenen, unwiderruflichen Weiterversicherungserklärung am 31. Dezember 1994 beitragspflichtig gemäß § 27 GAL (idF des Dritten agrarsozialen Ergänzungsgesetzes ≪3. ASEG≫ vom 20. Dezember 1985, BGBl I 2475). Die am 6. Februar 1994 abgegebene Weiterversicherungserklärung begründete ein Versicherungspflichtverhältnis und führte zur Beitragspflicht am 31. Dezember 1994. Die Beitragspflicht nach § 27 GAL unterscheidet sich nicht von der gleichen Pflicht als (aktiver) landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 14 Abs 1 GAL). Bei den danach begründeten Beiträgen handelt es sich in beiden Fällen um Pflichtbeiträge (vgl BSG, Urteil vom 29. März 1990, SozR 3-5850 § 48 Nr 1 S 1, 5). Aufgrund der Unwiderruflichkeit der Weiterversicherungserklärung konnte die Versicherungspflicht während der Geltungsdauer des GAL vor Vollendung des 60. Lebensjahres bzw bis zum Beginn bestimmter Sozialleistungen wie dem Altersgeld (§ 27 Abs 1 Satz 5 GAL) nicht beendet werden (vgl BSG, Urteil vom 29. März 1990, SozR 3-5850 § 48 Nr 1 S 5 f; BVerfG, Beschluß des Dreier-Ausschusses vom 3. September 1982, SozR 5850 § 27 GAL Nr 5). Das GAL sah auch keine Befreiungsmöglichkeit von der Beitragspflicht gemäß § 27 GAL vor. Hieran änderte auch das zum 1. Januar 1995 in Kraft getretene ALG im Grundsatz nichts. § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG normiert die fortbestehende Versicherungspflicht für „Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt … beitragspflichtig waren”. Das sind die bisher nach § 27 GAL Weiterversicherten (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7 S 84). Dieser Personengruppe wurde in § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG ein außerordentliches Befreiungsrecht eingeräumt, frühestens mit Wirkung vom 1. Januar 1995 oder, soweit zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit von 15 Jahren für eine Altersrente noch nicht erfüllt war, mit Wirkung vom Ablauf des Monats an, in dem die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist. Die Befreiung mußte bis zum 31. Dezember 1995 beantragt werden (§ 84 Abs 2 Satz 2 ALG). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Weiterversicherungspflicht der Klägerin spätestens mit Wirkung vom 1. September 1997 an beendet wurde (Bescheid vom 2. Oktober 1997). Bis dahin hat vorübergehend und vorrangig eine – die Weiterentrichtungspflicht zurückdrängende – Beitragspflicht als Landwirtsehegattin vorgelegen (s das Urteil des Senats vom 19. Oktober 2000 – B 10 LW 1/99 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Jedenfalls hat keine doppelte Beitragspflicht bestanden (vgl BSG, Urteil vom 29. Oktober 1985, SozR 5850 § 27 Nr 6 S 9, 11 f).
Entgegen der Ansicht der Revision besteht insofern keine planwidrige Gesetzeslücke, die durch die Rechtsprechung zu schließen wäre. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Regelung der hier vorliegenden Fallgestaltung überlassen wollte oder daß deren Nichtberücksichtigung auf einem Versehen oder Übersehen beruht. Eine andere Betrachtung liefe darauf hinaus, daß das Gericht die Rolle des Gesetzgebers übernähme, was der Bindung an Recht und Gesetz (Art 20 Abs 2 und 3 GG) entgegenstände (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 12 mwN). Vielmehr hat der Gesetzgeber das Verhältnis beider Pflichtversicherungen zueinander hinreichend deutlich geregelt. Vorrang haben stets die Rechtsfolgen aus der aktiven Tätigkeit als Landwirt oder der ehelichen Gemeinschaft mit einem aktiven Landwirt. Einerseits wird die Versicherungspflicht einer ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmerin durch die neue, vorrangige Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin überlagert. Andererseits sind dementsprechend die Befreiungsmöglichkeiten von den jeweiligen Versicherungspflichten voneinander unabhängig. In diesem Sinne regelt das Gesetz den Fall der Klägerin: Es besteht Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs 3 ALG, denn der Befreiungsgrund gemäß § 85 Abs 3a ALG liegt wegen der am 31. Dezember 1994 noch uneingeschränkt wirksamen Weiterversicherungspflicht schon dem Wortlaut nach nicht vor (§ 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG). Nichts anderes ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, den Gesetzgebungsmaterialien sowie dem Sinn und Zweck dieser einmalig und befristet eingeräumten Befreiungsmöglichkeit von der Ehegattenpflichtversicherung unter Berücksichtigung der außerordentlichen Befreiungsmöglichkeit von der Weiterversicherungspflicht nach § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG.
Das vom LSG herangezogene Argument, die Klägerin habe als landwirtschaftliche Unternehmerin bereits eine hinreichende Alterssicherung erworben, ist kein Grund, den Anwendungsbereich der Übergangsregelung des § 85 Abs 3a ALG, der klar auf den Personenkreis der Landwirtsehegatten (§ 1 Abs 3 ALG) begrenzt ist, zu erweitern. Auch für eine analoge Anwendung der Befreiungsmöglichkeit von § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG auf die nach § 1 Abs 3 ALG Versicherten ist mangels Vorliegens einer Regelungslücke kein Raum. Beide Befreiungsmöglichkeiten dienen unterschiedlichen Zwecken.
Mit dem ASRG 1995 wollte der Gesetzgeber einerseits die Rechtsstellung der Bäuerin durch Einführung einer eigenständigen Alterssicherung verbessern. Andererseits setzte er sich die gerechtere Ausgestaltung und finanzielle Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems zum Ziel. Dem diente die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler durch Einbeziehung des neuen Personenkreises der Bäuerinnen und die Umgestaltung der Beitragszuschußregelung (vgl Entwurf eines ASRG, BT-Drucks 12/5700, S I, 62 f, 66; die Senatsurteile vom 12. Februar 1998, BSGE 81, 294, 297 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 1, 5; SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14).
Das ASRG 1995 sieht reguläre Befreiungsmöglichkeiten vor (§ 3 Abs 1 Nrn 1 bis 4, Abs 3 ALG) sowie übergangsweise und befristet solche für besondere, unterschiedlich definierte Personenkreise wie die Weiterversicherten (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) oder die neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten (§ 85 Abs 3 und 4 ALG). Für letzteren Personenkreis sind mit dem ASRG-ÄndG eng begrenzte weitere Befreiungsmöglichkeiten geschaffen worden (§ 85 Abs 3a und 3b ALG) zur Vermeidung von Härten, die sich aus dem ASRG ergeben hatten (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14).
Die befristete Übergangsregelung von § 85 Abs 3 Satz 1 ALG bewahrt nur die erstmals zum 1. Januar 1995 neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten (§ 1 Abs 3 ALG) davor, Pflichtmitglied der landwirtschaftlichen Alterskasse zu werden (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 89 Abs 5, S 84; ferner Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 13/3057 zu Nr 17 Buchst a, S 27). Mit § 85 Abs 3a ALG hat der Gesetzgeber die Befreiungsmöglichkeiten innerhalb der bereits bestehenden Übergangsregelung erweitert. Unter den Voraussetzungen des § 85 Abs 3a ALG sollten die erstmals in die Versicherungspflicht nach § 1 Abs 3 ALG einbezogenen Ehefrauen von Nebenerwerbslandwirten mit Wirkung vom 1. Januar 1995 auf Dauer von der Versicherungspflicht befreit sein dürfen. Diese einmalig und zeitlich begrenzte Befreiungsmöglichkeit sollte aber nur bestimmte, umschriebene Härten mildern und dadurch die allgemeine Akzeptanz der neuen Versicherung erhöhen, ohne die allgemeinen Grundsätze der eigenständigen Sicherung der Bäuerinnen aufzugeben (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14).
Die Klägerin unterfällt danach nicht dem Personenkreis, der von § 85 Abs 3a ALG geschützt wird. Als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin war sie nicht wie die meisten Bäuerinnen, die nur Ehefrau des Allein-Unternehmers sind, am Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung gehindert (vgl dazu Senatsurteil vom 25. November 1998, BSGE 83, 145, 148 ff = SozR 3-5868 § 1 Nr 2 S 16, 20 ff). Vielmehr war sie als landwirtschaftliche Unternehmerin bereits bei Inkrafttreten des ALG zum landwirtschaftlichen Alterssicherungssystem beitragspflichtig.
Das außerordentliche, befristete Befreiungsrecht für Weiterversicherte (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) wird dagegen dem Umstand gerecht, daß das ALG die Möglichkeit einer § 27 GAL entsprechenden Pflichtversicherung nicht mehr vorsieht (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7, S 84). Dem auslaufenden Modell der Weiterversicherung wurde durch die ausnahmsweise eingeräumte Befreiungsmöglichkeit bei Erfüllung der Wartezeit – eine Befreiungsvoraussetzung, die für pflichtversicherte aktive Landwirte und deren Ehegatten nicht gilt – Rechnung getragen. Für am 31. Dezember 1994 Weiterversicherte bestand keine Möglichkeit, vor dem 1. Januar 1995 befreit zu werden (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG). Die Befreiungstatbestände nach § 84 Abs 2 und § 85 Abs 3 ALG sind derart aufeinander abgestimmt, daß einerseits – auf Dauer – die Pflicht zur Weiterversicherung frühestens mit Wirkung zum 1. Januar 1995 beendet werden konnte; andererseits verhinderte dies nicht, daß mit Wirkung von eben diesem Tage (§ 1 Abs 3 ALG) die Versicherungspflicht erneut begründet wurde, wenn ein neuer versicherungspflichtiger Tatbestand erfüllt war. Dem Personenkreis der vormals Weiterversicherten blieb in diesem Falle die außerordentliche Befreiungsmöglichkeit versagt. Das dient dazu, daß die Beitragsbasis des landwirtschaftlichen Alterssicherungssystems langfristig gesichert bleibt. Dieses Ziel sollte vornehmlich durch die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler (§ 1 Abs 3 ALG) erreicht werden (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700, S 62 f, 66). Erst recht gilt das für Maßnahmen, die im Endeffekt dazu führen, die Zahl der Beitragszahler wenigstens zu erhalten.
Die in § 85 Abs 3a Satz 1 iVm Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG gewählten Abgrenzungskriterien sind nicht verfassungswidrig. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen iS von Art 3 Abs 1 GG besteht zwar insoweit, als die Gruppe der am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtigen Landwirtsehegatten bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen von der ab 1. Januar 1995 neu begründeten Versicherungspflicht befreit werden konnten (§ 85 Abs 3a Satz 1 ALG). Für die Gruppe der am 31. Dezember 1994 Weiterversicherten, die gleichzeitig Landwirtsehegatten waren, bestand dagegen diese Möglichkeit, wie dargelegt, nicht. Diese Ungleichbehandlung ist aber sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich. Hierauf beschränkt sich die Überprüfungsbefugnis des Senats. § 85 Abs 3a ALG ist eine Übergangsvorschrift im Rahmen der Agrarsozialreform, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 15 unter Hinweis auf BVerfGE 44, 1, 21). Der Gesetzgeber hat diesen Spielraum sachgerecht genutzt. Er hat in Betracht kommende Anknüpfungspunkte für die einmalige Befreiungsmöglichkeit hinreichend und nachvollziehbar gewürdigt und dabei die Ziele der Finanzierbarkeit, Verwaltungspraktikabilität, Vermeidung unzumutbarer individueller Belastung und Härte sowie des Systemerhalts berücksichtigt. Ferner hat er in § 85 Abs 3a Satz 1 iVm Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG klare Differenzierungskriterien aufgestellt. Sie werden insbesondere von den sachlichen Gesichtspunkten der Vermeidung von Härtefällen für neu in das Alterssicherungssystem einbezogene Landwirtsehegatten getragen. Diese Gruppe unterscheidet sich von den Weiterversicherten, die zum Zeitpunkt der Agrarsozialreform bereits in das Alterssicherungssystem integriert waren und dies auch nach der Reform im Grundsatz blieben (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG). Bei den Weiterversicherten lag der Schwerpunkt ihrer Alterssicherung im landwirtschaftlichen Sondersystem. Sie wurden von der Neuregelung des § 1 Abs 3 ALG nicht überrascht, denn sie mußten bei Inkrafttreten der Reform von der weiteren Beitragspflicht bis zu den in § 27 Abs 1 Satz 5 GAL genannten Beendigungsgründen (Vollendung des 60. Lebensjahres bzw Beginn bestimmter Sozialleistungen) ausgehen. Gerade weil die Klägerin – wie typischerweise die Weiterversicherten – im Vergleich zur Gruppe der erstmals versicherungspflichtigen Landwirtsehegatten überdurchschnittlich lange Beitragszeiten aufweist, ist der Verbleib im System die angemessene Lösung; keinesfalls kann dies als „besondere Belastung” oder „Härte” qualifiziert werden.
Eine besondere Härte liegt auch nicht darin, daß der Klägerin im Gegensatz zu den erstmals am 1. Januar 1995 versicherungspflichtigen Landwirtsehegatten keine Zeiten des Ehegatten nach § 92 Abs 1 Satz 1 ALG beitragsfrei übertragen werden (vgl Senatsurteile vom 17. August 2000, B 10 LW 3/99 R, B 10 LW 5/99 R, B 10 LW 12/99 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Sie ist von dieser Begünstigung ausdrücklich ausgeschlossen, weil sie als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin entsprechende Rentenanwartschaften aufgrund eigener Beitragszahlungen erworben hat. Werden ausnahmsweise einer Gruppe aus bestimmtem Anlaß besondere Begünstigungen zugestanden, läßt sich daraus kein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, für sich genau dieselben Vorteile in Anspruch zu nehmen oder anderweitig einen entsprechenden Ausgleich zu erhalten (vgl BVerfG, Beschluß des Dreier-Ausschusses vom 22. April 1985, SozR 5850 § 40 a GAL Nr 1 mwN).
Schließlich wird die Klägerin zu Recht anders behandelt als sonstige von der Weiterversicherungspflicht befreite ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG), denn sie ist zusätzlich Fiktivlandwirtin (§ 1 Abs 3 ALG). Damit ist die von der Beklagten ausgesprochene und auf § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG gestützte Befreiung von der Weiterversicherungspflicht nicht ohne Rechtsfolgen. Auf die Befreiung kann sich die Klägerin berufen, sobald ihre Versicherungspflicht nach § 1 Abs 3 ALG endet (zB nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit durch den Ehemann oder bei dauerndem Getrenntleben der Eheleute) oder sie wie im vorliegenden Fall eine der regulären Befreiungsmöglichkeiten nach § 3 Abs 1 ALG in Anspruch nimmt.
Die vom LSG Bezug genommenen Urteile (BSG, Urteil vom 1. Juli 1966, 5 RKn 32/63, SozR Nr 1 zu Art 2 § 1 KnVNG; BSG, Urteil vom 12. November 1969, 4 RJ 531/68, SozR Nr 13 zu § 1227 RVO) rechtfertigen keine andere Entscheidung. Sie betreffen Befreiungen und Wanderbewegungen in den Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung. Mangels Vergleichbarkeit mit dem geschlossenen Sondersystem der landwirtschaftlichen Alterssicherung ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 519194 |
AuS 2001, 63 |