Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte – Ausschluß – außerordentliche Befreiung – Weiterversicherung – Weiterentrichter – Versicherungspflicht – Landwirtsehegatte – Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Übergangsregelung des § 85 Abs 3 ALG eröffnet nur den erstmals ab 1.1.1995 neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten die Möglichkeit einer außerordentlichen Befreiung, nicht aber den gemäß § 27 GAL Weiterversicherten, deren Beitragspflicht frühestens zum 1.1.1995 endete (§ 84 Abs 2 S 1 Halbs 2 ALG).
Stand: 26. Februar 2001
Normenkette
GAL § 27 Abs. 1 S. 5; ALG § 1 Abs. 3 S. 1, § 84 Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 85 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 3a; GG Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Westfälische landwirtschaftliche Alterskasse |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte ab 1. Januar 1995.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Landwirts J. B.; die Ehegatten leben nicht dauernd getrennt. Bis 31. Dezember 1975 war die Klägerin als landwirtschaftliche Unternehmerin zur Beklagten beitragspflichtig. Zum 1. Januar 1976 gab sie den landwirtschaftlichen Betrieb an ihren Ehegatten ab und entrichtete fortan Beiträge an die Beklagte aufgrund der am 25. März 1976 abgegebenen Weiterversicherungserklärung (§ 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte ≪GAL≫). Mit Bescheid vom 25. April 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte mit Wirkung vom 1. Januar 1995 fest und beendete die Veranlagung als sogenannte Weiterversicherte mit dem 31. Dezember 1994. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Januar 1996 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 26. Oktober 1995 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil sie am 31. Dezember 1994 beitragspflichtig gewesen sei. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1996).
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat mit Urteil vom 20. März 1998 die Beklagte verurteilt, die Klägerin ab 1. Januar 1995 gemäß § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht zu befreien. Dies verhindere eine verfassungswidrige Benachteiligung der Klägerin im Vergleich zu sonstigen Weiterversicherten, die nicht mit einem Landwirt verheiratet seien.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 16. Dezember 1998 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung des Befreiungstatbestandes gemäß § 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG, denn sie sei am 31. Dezember 1994 als Weiterversicherte gemäß § 27 GAL beitragspflichtig gewesen. Eine planwidrige Gesetzeslücke sei nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) gegenüber den durch das ALG erstmals in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten liege nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung des § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 Nr 1 ALG. Die Vorschrift sei dem Sinn und Zweck nach auf sie nicht anzuwenden. Als von der Weiterversicherungspflicht befreite landwirtschaftliche Unternehmerin habe sie eine ausreichende Alterssicherung erworben. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs 3 ALG zu schließen sei. Ferner rügt sie eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) gegenüber solchen Weiterversicherten, die nicht Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers sind, und gegenüber erstmals zum 1. Januar 1995 versicherungs- und beitragspflichtig gewordenen Landwirtsehegatten.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt unter näherer Darlegung,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet.
Wie das LSG zu Recht entschieden hat, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung nach § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 Nr 1 ALG vom 29. Juli 1994 (verkündet als Art 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 ≪ASRG 1995≫, BGBl I 1890) idF durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 15. Dezember 1995 (≪ASRG-ÄndG≫, BGBl I 1814, berichtigt BGBl I 1996, 683) von der ab 1. Januar 1995 bestehenden Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte als Ehegattin eines Landwirts (§ 1 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 1 ALG).
Gemäß § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 ALG sind Versicherte nach § 1 Abs 3 ALG ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie vor dem 2. Januar 1945 geboren sind. Dieser Satz 1 gilt nach § 85 Abs 3 Satz 2 nur, wenn Versicherte nach § 1 Abs 3
- am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren,
- am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt in der Altershilfe für Landwirte beitragspflichtigen oder einem vor dem 1. Januar 1995 von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind und
- die Befreiung bis zum 31. März 1996 bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragen.
Zwar liegt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die Befreiungsvoraussetzung des fortgeschrittenen Lebensalters vor (§ 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 ALG). Die Klägerin war jedoch aufgrund der am 25. März 1976 abgegebenen Weiterversicherungserklärung noch am 31. Dezember 1994 beitragspflichtig gemäß § 27 GAL (idF des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes ≪3. ASEG≫ vom 20. Dezember 1985, BGBl I 2475). Die Befreiungsmöglichkeit scheitert daher an § 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG, da sämtliche Voraussetzungen der Nrn 1 bis 3 kumulativ (zusammen angehäuft) erfüllt sein müssen (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 11 zu den Voraussetzungen von § 85 Abs 3a ALG).
Die am 25. März 1976 abgegebene Weiterversicherungserklärung begründete die Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem GAL. Sie unterscheidet sich nicht von der gleichen Pflicht als (aktiver) landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 14 Abs 1 GAL). Bei den danach begründeten Beiträgen handelt es sich in beiden Fällen um Pflichtbeiträge (vgl BSG, Urteil vom 29. März 1990, SozR 3-5850 § 48 Nr 1 S 1, 5). Aufgrund der Unwiderruflichkeit der Weiterversicherungserklärung konnte die Versicherungspflicht während der Geltungsdauer des GAL vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder vor Beginn bestimmter Sozialleistungen wie dem Altersgeld (§ 27 Abs 1 Satz 5 GAL) nicht beendet werden (vgl BSG, Urteil vom 29. März 1990, SozR 3-5850 § 48 Nr 1 S 5 f; BVerfG, Beschluß des Dreier-Ausschusses vom 3. September 1982, SozR 5850 § 27 GAL Nr 5). Das GAL sah auch keine Befreiungsmöglichkeit von der Beitragspflicht gemäß § 27 GAL vor. Hieran änderte auch das zum 1. Januar 1995 in Kraft getretene ALG im Grundsatz nichts. Denn § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG normiert die fortbestehende Versicherungspflicht für „Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt … beitragspflichtig waren”. Das sind die bisher nach § 27 GAL Weiterversicherten (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7 S 84). Dieser Personengruppe wurde aber mit § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG ein außerordentliches Befreiungsrecht frühestens mit Wirkung vom 1. Januar 1995 eingeräumt, wenn der Befreiungsantrag bis zum 31. Dezember 1995 gestellt wurde und die Wartezeit von 15 Jahren für eine Altersrente (§ 11 Abs 1 Nr 2 ALG) bereits erfüllt war. Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist die Klägerin mit Bescheid vom 25. April 1995 rückwirkend zum 1. Januar 1995 von der Weiterversicherungspflicht befreit worden. Bis zur Bescheiderteilung hatte vorübergehend und vorrangig eine – die Weiterentrichtungspflicht nach § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG zurückdrängende – Beitragspflicht als Landwirtsehegattin vorgelegen; es bestand keine doppelte Beitragspflicht (vgl BSG, Urteil vom 29. Oktober 1985, SozR 5850 § 27 Nr 6 S 9, 11 f).
Entgegen der Ansicht der Revision besteht insofern keine planwidrige Gesetzeslücke, die durch die Rechtsprechung zu schließen wäre. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber der Rechtsprechung die Regelung der hier vorliegenden Fallgestaltung überlassen wollte oder daß deren Nichtberücksichtigung auf einem Versehen oder Übersehen beruht. Eine andere Betrachtung liefe darauf hinaus, daß das Gericht die Rolle des Gesetzgebers übernähme, was der Bindung an Recht und Gesetz (Art 20 Abs 2 und 3 GG) entgegenstände (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 12 mwN). Vielmehr hat der Gesetzgeber das Verhältnis beider Pflichtversicherungen zueinander hinreichend deutlich geregelt. Vorrang haben stets die Rechtsfolgen aus der aktiven Tätigkeit als Landwirt oder der ehelichen Gemeinschaft mit einem aktiven Landwirt. Einerseits wird die Versicherungspflicht einer ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmerin durch die neue, vorrangige Versicherungspflicht als Landwirtsehegattin überlagert. Andererseits sind dementsprechend die Befreiungsmöglichkeiten von den jeweiligen Versicherungspflichten voneinander unabhängig. In diesem Sinne regelt das Gesetz den Fall der Klägerin: Es besteht Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs 3 ALG, denn der Befreiungsgrund gemäß § 85 Abs 3 ALG liegt wegen der am 31. Dezember 1994 noch uneingeschränkt wirksamen Weiterversicherungspflicht schon dem Wortlaut nach nicht vor (§ 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG). Nichts anderes ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, den Gesetzgebungsmaterialien sowie dem Sinn und Zweck dieser einmalig und befristet eingeräumten Befreiungsmöglichkeit von der Ehegattenpflichtversicherung unter Berücksichtigung der außerordentlichen Befreiungsmöglichkeit von der Weiterversicherungspflicht nach § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG.
Das seitens der Revision vorgetragene Argument, die Klägerin habe als landwirtschaftliche Unternehmerin bereits eine hinreichende Altersabsicherung erworben, ist kein Grund, den Anwendungsbereich der Übergangsregelung des § 85 Abs 3 ALG zu erweitern. Die Befreiungsmöglichkeiten für die Weiterversicherten nach § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG und für die am 1. Januar 1995 nach § 1 Abs 3 ALG neu in die Versicherungspflicht aufgenommenen Landwirtsehegatten nach § 85 Abs 3 ALG dienen unterschiedlichen Zwecken.
Mit dem ASRG 1995 wollte der Gesetzgeber einerseits die Rechtsstellung der Bäuerin durch Einführung einer eigenständigen Alterssicherung verbessern. Andererseits setzte er sich die gerechtere Ausgestaltung und finanzielle Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems zum Ziel. Dem diente die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler durch Einbeziehung des neuen Personenkreises der Bäuerinnen und die Umgestaltung der Beitragszuschußregelung (vgl Entwurf eines ASRG, BT-Drucks 12/5700, S I, 62 f, 66; die Senatsurteile vom 12. Februar 1998, BSGE 81, 294, 297 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 1, 5; SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14). Das ASRG 1995 sieht reguläre Befreiungsmöglichkeiten vor (§ 3 Abs 1 Nrn 1 bis 4, Abs 3 ALG) sowie übergangsweise und befristet solche für besondere, unterschiedlich definierte Personenkreise wie die Weiterversicherten (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) oder die neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten (§ 85 Abs 3 und 4 ALG). Für letzteren Personenkreis sind mit dem ASRG-ÄndG eng begrenzte weitere Befreiungsmöglichkeiten (§ 85 Abs 3a und 3b ALG) geschaffen worden zur Vermeidung von Härten, die sich aus dem ASRG ergeben hatten (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14).
Die befristete Übergangsregelung des § 85 Abs 3 Satz 1 ALG bewahrt nur die erstmals zum 1. Januar 1995 neu in die Versicherungspflicht einbezogenen Landwirtsehegatten (§ 1 Abs 3 ALG) davor, zur landwirtschaftlichen Alterskasse beitragspflichtig zu werden (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 89 Abs 5, S 84; ferner Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 13/3057 zu Nr 17 Buchst a, S 27). Voraussetzung dafür ist, daß sie – wie die Klägerin – bereits ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht (Nr 1) oder eine anderweitige, außerhalb des landwirtschaftlichen Alterssicherungssystems öffentlich- oder privatrechtliche Alterssicherung erworben haben (Nrn 2 und 3). Dem letztgenannten Personenkreis unterfällt die Klägerin nicht. Nach Beendigung Ihrer Tätigkeit als landwirtschaftliche Unternehmerin war sie nicht wie die meisten Bäuerinnen, die lediglich Ehefrau des Allein-Unternehmers sind, am Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung gehindert (vgl dazu Senatsurteil vom 25. November 1998, BSGE 83, 145, 148 ff = SozR 3-5868 § 1 Nr 2 S 16, 20 ff). Sie hat sich vielmehr freiwillig zu einer Beitragspflicht im landwirtschaftlichen Alterssicherungssystem entschieden.
Das außerordentliche, befristete Befreiungsrecht für Weiterversicherte (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) wird dagegen dem Umstand gerecht, daß das ALG die Möglichkeit einer § 27 GAL entsprechenden Pflichtversicherung nicht mehr vorsieht (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7, S 84). Dem auslaufenden Modell der Weiterversicherung wurde durch die ausnahmsweise eingeräumte Befreiungsmöglichkeit bei Erfüllung der Wartezeit – eine Befreiungsvoraussetzung, die für pflichtversicherte aktive Landwirte und deren Ehegatten nicht gilt – Rechnung getragen. Für am 31. Dezember 1994 Weiterversicherte bestand keine Möglichkeit, vor dem 1. Januar 1995 befreit zu werden (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG). Die Befreiungstatbestände nach § 84 Abs 2 und § 85 Abs 3 ALG sind derart aufeinander abgestimmt, daß einerseits – auf Dauer – die Pflicht zur Weiterversicherung frühestens mit Wirkung zum 1. Januar 1995 beendet werden konnte; andererseits verhinderte dies nicht, daß mit Wirkung von eben diesem Tage (§ 1 Abs 3 ALG) die Versicherungspflicht erneut begründet wurde, wenn ein neuer versicherungspflichtiger Tatbestand erfüllt war. Dem Personenkreis der vormals Weiterversicherten blieb in diesem Falle die außerordentliche Befreiungsmöglichkeit versagt. Das dient dazu, daß die Beitragsbasis des landwirtschaftlichen Alterssicherungssystems langfristig gesichert bleibt. Dieses Ziel sollte vornehmlich durch die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler (§ 1 Abs 3 ALG) erreicht werden (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700, S 62 f, 66). Erst recht gilt das für Maßnahmen, die im Endeffekt dazu führen, die Zahl der Beitragszahler wenigstens zu erhalten.
Die in § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 Nr 1 ALG gewählten Abgrenzungskriterien sind nicht verfassungswidrig. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen iS von Art 3 Abs 1 GG besteht zwar insoweit, als die Gruppe der am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtigen Landwirtsehegatten bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen von der ab 1. Januar 1995 neu begründeten Versicherungspflicht befreit werden konnten (§ 85 Abs 3 Satz 2 ALG). Für die Gruppe der am 31. Dezember 1994 Weiterversicherten, die gleichzeitig Landwirtsehegatten waren, bestand dagegen diese Möglichkeit, wie dargelegt, nicht. Diese Ungleichbehandlung ist aber sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich. Hierauf beschränkt sich die Überprüfungsbefugnis des Senats. § 85 Abs 3 ALG ist eine Übergangsvorschrift im Rahmen der Agrarsozialreform, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 15 zu § 85 Abs 3a ALG unter Hinweis auf BVerfGE 44, 1, 21). Der Gesetzgeber hat diesen Spielraum sachgerecht genutzt. Er hat in Betracht kommende Anknüpfungspunkte für die einmalige Befreiungsmöglichkeit hinreichend und nachvollziehbar gewürdigt und dabei die Ziele der Finanzierbarkeit, Verwaltungspraktikabilität, Vermeidung unzumutbarer individueller Belastung und Härte sowie des Systemerhalts berücksichtigt. Ferner hat er in § 85 Abs 3 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 Nr 1 ALG klare Differenzierungskriterien aufgestellt. Sie werden insbesondere von den sachlichen Gesichtspunkten der Vermeidung von Härtefällen für neu in das Alterssicherungssystem einbezogene Landwirtsehegatten getragen, die entweder schon ein relativ hohes Lebensalter bzw eine außerhalb der Landwirtschaft erworbene Alterssicherung haben. Diese Gruppe unterscheidet sich von den Weiterversicherten, die zum Zeitpunkt der Agrarsozialreform bereits in das Alterssicherungssystem der Landwirte integriert waren und dies auch nach der Reform im Grundsatz blieben (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG). Bei den Weiterversicherten lag der Schwerpunkt ihrer Alterssicherung im landwirtschaftlichen Sondersystem. Sie wurden von der Neuregelung des § 1 Abs 3 ALG nicht überrascht, denn sie mußten bei Inkrafttreten der Reform von der weiteren Beitragspflicht bis zu den in § 27 Abs 1 Satz 5 GAL genannten Beendigungsgründen (Vollendung des 60. Lebensjahres bzw Beginn bestimmter Sozialleistungen) ausgehen. Gerade weil die Klägerin – wie typischerweise die Weiterversicherten – im Vergleich zur Gruppe der erstmals versicherungspflichtigen Landwirtsehegatten überdurchschnittlich lange Beitragszeiten aufweist, ist der Verbleib im System die angemessene Lösung; keinesfalls kann dies als „besondere Belastung” oder „Härte” qualifiziert werden.
Eine besondere Härte liegt auch nicht darin, daß der Klägerin im Gegensatz zu den erstmals am 1. Januar 1995 versicherungspflichtigen Landwirtsehegatten keine Zeiten des Ehegatten nach § 92 Abs 1 Satz 1 ALG beitragsfrei übertragen werden (vgl Senatsurteile vom 17. August 2000, B 10 LW 3/99 R, B 10 LW 5/99 R, B 10 LW 12/99 R – zur Veröffentlichung vorgesehen –). Sie ist von dieser Begünstigung ausdrücklich ausgeschlossen, weil sie als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin entsprechende Rentenanwartschaften aufgrund eigener Beitragszahlungen erworben hat. Werden ausnahmsweise einer Gruppe aus bestimmtem Anlaß besondere Begünstigungen zugestanden, läßt sich daraus kein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, für sich genau dieselben Vorteile in Anspruch zu nehmen oder anderweitig einen entsprechenden Ausgleich zu erhalten (vgl BVerfG, Beschluß des Dreier-Ausschusses vom 22. April 1985, SozR 5850 § 40 a GAL Nr 1 mwN).
Schließlich wird die Klägerin zu Recht anders behandelt als sonstige von der Weiterversicherungspflicht befreite ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG), denn sie ist zusätzlich Fiktivlandwirtin (§ 1 Abs 3 ALG). Damit ist die von der Beklagten ausgesprochene und auf § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG gestützte Befreiung von der Weiterversicherungspflicht nicht völlig ohne Rechtsfolgen. Auf die Befreiung kann sich die Klägerin berufen, sobald ihre Versicherungspflicht nach § 1 Abs 3 ALG endet (zB nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit durch den Ehemann oder bei dauerndem Getrenntleben der Eheleute) oder sie eine der regulären Befreiungsmöglichkeiten nach § 3 Abs 1 ALG in Anspruch nimmt, falls die Voraussetzungen hiefür vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen