Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 30.06.1994)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 1994 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 4. März 1991 Anwaltsgebühren in Höhe weiterer DM 296,69 (statt: DM 932,01) zu erstatten.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kostenerstattung für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren.

Die N. … GmbH, B. … bei M., … deren Konkursverwalter der Kläger ist, wurde mit Bescheid vom 4. März 1991 ab 1. November 1990 (auch) hinsichtlich der bei ihr beschäftigten Tischler zur Winterbau-Umlage gemäß § 186a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) herangezogen. Im Verfahren über den durch einen Rechtsanwalt hiergegen erhobenen Widerspruch hob die Beklagte den Umlagebescheid vom 4. März 1991 auf (Abhilfebescheid vom 20. Februar 1992).

Am 3. März 1992 wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Der Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin beantragte unter dem 5. März 1992, ihm seine Kosten in Höhe von DM 1250,58 zu überweisen; den Wert des Streitgegenstandes hatte er gemäß § 8 Abs 1 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) und § 9 Zivilprozeßordnung (ZPO) wie folgt berechnet: Bei einem Monatsverdienst von durchschnittlich DM 3.800,– für durchschnittlich sechs Mitarbeiter ergab sich ein Jahresbezug von insgesamt DM 273.600,– und eine entsprechende Umlagepflicht von (2 % hiervon) DM 5.472,–; diesen Betrag vervielfältigte er mit 25 und ermittelte daraus den Gegenstandswert von DM 136.800,–, aus dem sich wiederum unter Ansetzung einer 5/10-Gebühr gemäß den §§ 11, 119 und 118 Abs 1 Satz 1 BRAGebO, der Pauschgebühr nach § 26 BRAGebO und der Mehrwertsteuer der geforderte Betrag ergab. Dem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 1992 gegenüber dem Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin nur in Höhe eines Erstattungsbetrages von DM 395,29 statt, wobei sie von einem Gegenstandswert von DM 7.296,– ausging (Umlage für die 16 Monate von November 1990 bis zum Februar 1992 ≪Datum des Abhilfebescheides≫). Insoweit bestehe ein eindeutig abgrenzbarer streitbefangener Zeitraum; die Kostenberechnung habe nach den §§ 63, 62 des Sozialgesetzbuchs – Zehntes Buch – (SGB X), § 193 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 116 Abs 2 BRAGebO stattzufinden; unter Ansatz einer 7,5/10 Gebühr, unter Einbeziehung der Pauschale nach § 26 BRAGebO und der Mehrwertsteuer ergab sich der angeführte Erstattungsbetrag. Der Widerspruch, in welchem der Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin seine Kostenforderung auf DM 1.853,07 berichtigte (Ansatz einer 7,5/10 statt einer 5/10 Gebühr), brachte keine Abhilfe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 1993 abgewiesen und ausgeführt, der Gegenstandswert betrage nach § 8 Abs 2 BRAGebO richtigerweise nur DM 6.000,–, den ungefähren Jahresbetrag der Winterbau-Umlage. Der 25fache Jahresbetrag nach § 24 Kostenordnung (KostO) sei nicht einschlägig.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 30. Juni 1994 eine Kostenerstattung in Höhe weiterer DM 932,01 zugesprochen. Nach § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO iVm § 24 Abs 1 Buchst b KostO sei ein Recht auf wiederkehrende Leistungen von unbestimmter Dauer mit dem 12 1/2-fachen des Jahreswertes zu bewerten. Hieraus ergebe sich ein Gegenstandswert von DM 68.400,–. Auf der Grundlage einer Vorverfahrensgebühr von 7,5/10, der Auslagenpauschale sowie der Mehrwertsteuer errechne sich ein Erstattungsbetrag von DM 1.327,30, wovon die bereits geleistete Erstattung abzuziehen sei.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung der Vorschriften des SGG und macht darauf aufmerksam, daß der Verfahrens- bzw Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in den Verfahren, die den Streitgegenstand beträfen, seit der Eröffnung des Konkursverfahrens als vollmachtloser Vertreter gehandelt habe. Seine Vollmacht sei mit der Konkurseröffnung erloschen. Eine Bevollmächtigung durch den Konkursverwalter der Klägerin sei nicht ersichtlich. Danach seien sowohl der Widerspruch nicht wirksam eingereicht worden als auch die Klage nicht wirksam erhoben und die Berufung nicht wirksam eingelegt. Mangels wirksamer Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbescheides vom 31. März 1992 habe es bereits an der Klagevoraussetzung eines anfechtbaren Verwaltungsakts gefehlt; aus denselben Gründen sei das Vorverfahrenserfordernis nicht erfüllt. Der Mangel dieser Sachurteilsvoraussetzungen sei auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Im übrigen verletze die Entscheidung § 116 Abs 2, § 118 sowie § 8 Abs 2 BRAGebO. Das LSG habe zu Unrecht § 24 Abs 1 Satz 2 Buchst b KostO angewandt. Zwar gälten für den Gegenstandswert nach § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO in erster Linie die Vorschriften der KostO. Diese seien jedoch wegen der privatrechtlichen Sachverhalte, deren Kosten dieses Gesetz regele, im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 28. Januar 1983, SozR 1930 § 8 Nr 6). Deshalb sei hier nach § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO auf den feststehenden Gegenstandswert in Höhe von DM 7.296,– abzustellen. Nichts anderes gelte, wenn man nach § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO iVm § 13 Gerichtskostengesetz ≪GKG≫ (Hinweis auf BSG vom 27. August 1981, SozR 1930 § 8 Nr 5) auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Sache abstelle. Insoweit sei hier zu berücksichtigen, daß die Umlagepflicht mit dem Ausscheiden der Mitarbeiter und der Konkurseröffnung auch bei Aufrechterhaltung des Bescheides mit dem Monat Februar 1992 weggefallen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 1994 abzuändern und die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 30. Juli 1993 in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe mit Schriftsatz vom 21. August 1992 dem SG eine Prozeßvollmacht überreicht, die den Mangel der Vollmacht ab Konkurseröffnung geheilt habe.

Der Berichterstatter hat den Kläger darauf hingewiesen, mit dem Schriftsatz vom 21. August 1992 sei dem SG eine Prozeßvollmacht des Klägers vom 17. August 1992 überreicht worden. Diese Vollmacht sei jedoch – wenn auch unter Beidrükung eines Stempels des Klägers – mit einem Namenszug unterzeichnet, der augenscheinlich nicht seinen Namen wiedergebe. Eine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht nach § 73 Abs 2 SGG setze jedoch eine „geschlossene Vollmachtkette” vom Vollmachtgeber zum Bevollmächtigten voraus. Der Kläger wurde gebeten, bis zum 12. Mai 1995 eine Vollmacht auf seinen Prozeßbevollmächtigten vorzulegen oder nachzuweisen, daß der Unterzeichner der Vollmacht vom 17. August 1992 durch ihn bevollmächtigt war. Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 27. April 1995 dem Senat bestätigt, daß der Unterzeichner der Vollmacht vom 17. August 1992 hierzu seinerseits bevollmächtigt gewesen sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Das BSG ist nicht bereits durch die von der Beklagten gerügten Vollmachtsmängel an einer Sachentscheidung gehindert (1). Dem Kläger steht die ihm vom LSG zugesprochene zusätzliche Kostenerstattung nicht in voller Höhe zu (2).

(zu 1) Die von der Beklagten gerügten Vollmachtsmängel sind jedenfalls durch die im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegte Vollmacht iVm der Bestätigung des Klägers vom 27. April 1995 geheilt.

Aus einer fehlenden Bevollmächtigung können für den Kläger nachteilige prozessuale Folgerungen nur dann gezogen werden, wenn er gerichtlich unter Fristsetzung zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmacht aufgefordert wurde (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17. April 1984, SozR 1500 § 73 Nr 4). Denn der Mangel der Vollmacht bei Einlegung eines Rechtsmittels kann durch Genehmigung des Vertretenen, die auch in der Erteilung einer Prozeßvollmacht liegen kann, mit rückwirkender Kraft geheilt werden, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozeßurteil vorliegt. Sowohl SG als auch LSG haben jedoch in der Sache entschieden und den Mangel der ordnungsgemäßen Vollmacht nicht zum Anlaß eines Prozeßurteils genommen.

Mit der im Revisionsverfahren vorgenommenen Vervollständigung der Vollmachtkette, aufgrund derer sich die dem SG überreichte Prozeßvollmacht auf den Kläger zurückführen läßt (vgl Bundesfinanzhof ≪BFH≫ vom 30. November 1988, BFHE 156, 1, 4; BFH vom 16. Februar 1990, BFHE 160, 387, 390 f), sind auch die von der Beklagten angesprochenen Zustellungsmängel im Verwaltungsverfahren geheilt. Derartige Vertretungsmängel können grundsätzlich dadurch geheilt werden, daß der Beteiligte die Handlungen des Nichtvertretungsberechtigten genehmigt (vgl zB BFH vom 18. Oktober 1988, BFHE 154, 446, 453 mwN). Dies aber geschieht in der Regel durch eine – auch im Gerichtsverfahren – nachgereichte Vollmacht (zB Kopp, VwVfG, 5. Aufl 1991, § 14 RdNr 13).

(zu 2) Die Beklagte hat dem Kläger nach § 63 SGB X die aus dem Tenor ersichtlichen weiteren Gebühren und Auslagen des im Vorverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten.

Der Widerspruch der Gemeinschuldnerin war erfolgreich iS dieser Vorschrift. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts hat die Beklagte – konkludent – erst bei der Kostenfestsetzung und nicht schon im Abhilfebescheid anerkannt; dies ist im vorliegenden Fall unschädlich (BSG vom 29. Oktober 1987, SozR 1300 § 63 Nr 11 S 38).

Gemäß § 63 Abs 2 SGB X sind „die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren” erstattungsfähig. Damit ist der gesetzliche Vergütungsanspruch gemeint, der sich für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in dem (dem Rechtsstreit vorausgehenden) Vorverfahren nach § 118 iVm § 119 BRAGebO richtet. In § 118 BRAGebO ist bestimmt, daß der Rechtsanwalt 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr als Geschäftsgebühr, Besprechungsgebühr und Beweisaufnahmegebühr erhält; die volle Gebühr muß dabei nach dem Gegenstandswert errechnet (§ 7) und der Tabelle zu § 11 entnommen werden. Eine solche Gebührenberechnung ist in den im SGB X unterfallenden Verwaltungsverfahren dann angemessen, wenn auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren die Gebühren gemäß § 116 Abs 2 BRAGebO nach dem Gegenstandswert berechnet werden; anders verhält es sich in den Angelegenheiten, für die dem Rechtsanwalt im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 116 Abs 1 BRAGebO nur Rahmengebühren zustehen. Die Voraussetzungen des § 116 Abs 2 Nr 3 BRAGebO (idF des Gesetzes vom 20. August 1990, BGBl I 1765), nach dem ua bei Verfahren zwischen Arbeitgebern und juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich die Gebühr nach dem Gegenstandswert berechnen, sind erfüllt. Ebenso gehen beide Beteiligten übereinstimmend zu Recht davon aus, daß für die Tätigkeit des Rechtsanwalts der Gemeinschuldnerin im Widerspruchsverfahren die Mittelgebühr nach § 118 Abs 1 BRAGebO, also 7,5/10 einer vollen Gebühr, zusteht. Im vorliegenden Fall jedoch ist streitig, nach welchem Gegenstandswert sich die genannte Gebühr bemißt. Hierfür gelten außer den sinngemäß anwendbaren Vorschriften des dritten Abschnitts (§ 116 Abs 2 Satz 2 BRAGebO) die allgemeinen Vorschriften des ersten Abschnitts der BRAGebO und damit auch deren § 8 (BSG vom 25. November 1992, SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 2 mwN).

Nach § 8 Abs 1 BRAGebO bestimmt sich im gerichtlichen Verfahren der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften. Sind jedoch – wie im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit (vgl §§ 183 ff SGG) – für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen, ist der Gegenstandswert nach bestimmten sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der KostO zu bestimmen (§ 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO); solange er sich aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO).

Das LSG hat im vorliegenden Fall über § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO die Bestimmung des § 24 Abs 1 Buchst b KostO angewandt; hiernach ist der „Wert des Rechts auf wiederkehrende oder dauernde Nutzungen oder Leistungen” dann mit dem 25fachen des Jahreswerts zu bewerten, wenn es sich um ein „Bezugsrecht von unbeschränkter Dauer” handelt, hingegen mit dem 12 1/2-fachen des Jahreswerts bei „Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer”. Beide Begriffe werden danach unterschieden, ob gewiß ist, daß das Bezugsrecht einmal wegfallen wird und lediglich der Zeitpunkt des Wegfalls ungewiß ist „unbestimmte Dauer”), oder ob ungewiß ist, ob das Bezugsrecht überhaupt wegfallen wird „unbeschränkte Dauer”: Hartmann, Kostengesetze, 25. Aufl 1993, § 24 KostO RdNrn 8, 10 f).

Die im vorliegenden Fall vom LSG befürwortete sinngemäße Anwendung des § 24 KostO scheidet jedoch aus. Diese Regelung gilt für „wiederkehrende oder dauernde Nutzungen oder Leistungen”. Damit sind vor allem sachenrechtliche, typischerweise dinglich gesicherte Institute gemeint, wie der Nießbrauch, die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die Reallast, das Dauerwohnrecht oder zB ein Rentenanspruch bei Überbau oder Notweg (vgl Göttlich/Mümmler, KostO, 10. Aufl 1990, S 1241 sowie die Beispiele bei Hartmann, Kostengesetze, 25. Aufl 1993, § 24 KostO RdNrn 3 und 4). Dagegen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, wenn die, wenn auch wiederkehrenden, Leistungen von zahlreichen unvorhersehbaren und dem Einfluß der Vertragsschließenden weitgehend entzogenen Umständen abhängen, zB auch von der Entwicklung der Marktverhältnisse in der jeweiligen Branche (so BGH vom 8. Mai 1973, LM Nr 3 zu § 24 KostO, Bl 1107 Rs für einen Lizenzvertrag mit umsatzabhängigem Honorar). Dieser Gesichtspunkt aber ist auch für die Winterbau-Umlage eines – wie der Umfang der Tischlereiabteilung zeigt – mittelständischen Bauunternehmens maßgebend. Denn dessen Geschäftserfolg und damit auch sein Umfang, dh die Zahl der dort Beschäftigten, ist stark vom allgemeinen wirtschaftlichen Geschehen abhängig. Dies schließt es aus, die Umlageforderung der Beklagten als – im wesentlichen feststehende – wiederkehrende Nutzung oder Leistung wie bei Renten oder rentenähnlichen Rechten aufzufassen und daher § 24 KostO – sinngemäß – anzuwenden.

Wenn aber die Umlageforderung der Beklagten monatlich nach einem Vomhundertsatz der Bruttoarbeitsentgelte der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu erheben ist (§ 186a Abs 1 Satz 2 AFG; zur Zeit 2 vH: § 1 der Winterbau-Umlageverordnung vom 13. Juli 1972 idF der Verordnung vom 3. November 1986, BGBl I 1728), so bietet es sich an, zur Bestimmung des Gegenstandswerts diejenige Regelung der KostO nach § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO sinngemäß anzuwenden, die für Arbeitsverträge gilt. Nach § 25 Abs 2 KostO bestimmt sich der Wert eines Dienstvertrags nach dem Wert aller Bezüge des zur Dienstleistung Verpflichteten während der ganzen Vertragszeit, höchstens jedoch nach dem dreifachen Jahresbetrag der Bezüge. Dabei ist ein dreifacher Jahresbetrag auch dann anzusetzen, wenn ein Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, jedoch schon zu einem vor Ablauf von drei Jahren liegenden Zeitpunkt gekündigt werden kann (Göttlich/Mümmler, KostO, 10. Aufl 1990, S 261 unter Hinweis auf Kammergericht, Deutsche Notar-Zeitschrift 1940, 205).

Diesem Ergebnis kann nicht die Erwartung entgegengehalten werden, daß der Beschäftigtenstand der Tischlereiabteilung eines Bauunternehmens doch von dauerhafterem Bestand sein dürfe als der Bestand eines einzelnen Arbeitsvertrags. Denn zum einen gilt die Vorschrift des § 25 Abs 2 KostO typischerweise für den (Neu-)Abschluß eines Arbeitsvertrags, der – ebenfalls typischerweise – eine längere (Rest-)Laufzeit aufweist als ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis. Zum anderen waren – ohne auf die individuelle Situation abstellen zu müssen – bei der Gemeinschuldnerin zwei Merkmale vereint, die bereits statistisch das Risiko einer Geschäftseinstellung (zB aufgrund einer Insolvenz) besonders groß erscheinen lassen mußte: Es handelte sich um eine GmbH der Baubranche (s hierzu zB Doehring, KTS 1991, 55, 60 f sowie die Insolvenzstatistik 1990, ZIP 1991, 410 f). Schließlich stellt zB § 25 Abs 1 Satz 2 KostO auch für die Bewertung einer weiteren typischen Dauerbeziehung, nämlich von Miet- und Pachtverhältnissen von unbestimmter Dauer, auf den Drei-Jahres-Wert ab.

Dieser Wert erweist sich auch dann als angemessen, wenn man eine sinngemäße Anwendung des § 25 Abs 2 KostO auf die Winterbau-Umlage ablehnt, so daß nach § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte ist hier von einem geringeren Wert auszugehen als zB bei kassenärztlichen Zulassungsstreitigkeiten (dort sind im Normalfall 5-10 Jahreseinnahmen anzusetzen: BSG vom 14. November 1977, SozR 1930 § 8 Nr 2) oder bei Beiträgen eines Blutspendedienstes zur Unfallversicherung (8-facher Jahresbetrag: BSG vom 27. August 1981, SozR 1930 § 8 Nr 5).

Auf jeden Fall verbietet es sich, im Rahmen des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO lediglich auf die 16 Monate zwischen dem Beginn der Umlagepflicht nach dem angefochtenen Bescheid und dem Abhilfebescheid (bzw dem Konkurs der Gemeinschuldnerin) abzustellen. Denn nach § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO ist § 18 Abs 1 KostO, wonach der Wert im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren maßgebend ist, gerade von der sinngemäßen Geltung von Vorschriften der KostO ausgenommen. Für die Wertberechnung ist hier vielmehr der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Rechtsanwalt seine Gebühr verdient (Gerold/Schmidt/Madert, BRAGebO, 11. Aufl 1991, § 8 RdNr 21). Anhaltspunkte dafür, daß bereits beim Tätigwerden des Bevollmächtigten der Gemeinschuldnerin im März 1991 der Abhilfebescheid der Beklagten vom Februar 1992 (oder der Konkurs im März 1992) absehbar war, fehlen.

Insgesamt folgt damit auf der Grundlage der bereits vom LSG angeführten Beträge folgende Berechnung: Bruttoarbeitsentgelt von monatlich DM 3.800,– × 6 (Arbeitnehmer) × 36 (Monate) × 2 vH = DM 16.416,–. Daraus ergibt sich eine 7,5/10 Gebühr nach § 118, § 11 BRAGebO (idF der Gebührentabelle lt Gesetz vom 9. Dezember 1986, BGBl I 2326, 2342) in Höhe von DM 567,–, zzgl der Pauschale nach § 26 BRAGebO also eine Gebühr von DM 607,– und unter Einschluß der Mehrwertsteuer (in Höhe von 14 %) ein Gesamtbetrag von DM 691,98. Abzüglich des von der Beklagten bereits geleisteten Betrages von DM 395,29 steht dem Kläger noch ein Restbetrag in Höhe von DM 296,69 zu.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172655

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