Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeld. Einkommensanrechnung. Abzugspauschale. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Einkommensanrechnung beim Erziehungsgeld mit Hilfe einer Abzugspauschale.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BErzGG § 5 Abs. 2 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 10c Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6, 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. August 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin beansprucht höheres Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub – Bundeserziehungsgeldgesetz – (BErzGG).
Die Klägerin ist verheiratet und lebt mit ihrem Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt. Außer dem am 14. Juli 1993 geborenen Sohn L. … (L.) hatte sie im streitigen Zeitraum keine weiteren Kinder. Seit der Geburt von L. übt sie keine Berufstätigkeit aus. Auf ihren Antrag erhielt die Klägerin von dem beklagten Land Erzg für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes in der ungekürzten Höhe von 600,– DM. Der Beklagte bewilligte nach Einkommensanrechnung das Erzg für den siebten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von 282,– DM monatlich (Bescheid vom 1. Februar 1994 und Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1994) und nach Klageerhebung für den 13. bis 24. Lebensmonat in Höhe von 215,– DM monatlich (Bescheid vom 27. Juni 1994 und Widerspruchsbescheid vom 16. August 1994). Dabei nahm der Beklagte von den positiven Einkünften der Ehepartner jeweils den gesetzlichen Pauschalabzug in Höhe von 27 vH vor; die Klägerin sehe es zu Unrecht als verfassungsrechtlich geboten an, die tatsächlich erheblich höheren Abgaben zu berücksichtigen.
Die Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) keinen Erfolg (Urteile vom 28. September 1994 und 1. August 1995).
Hiergegen richtet sich die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. August 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. September 1994 aufzuheben sowie den Bescheid vom 1. Februar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 1994 und den Bescheid vom 27. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1994 abzuändern sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr Erziehungsgeld ab 14. Januar 1994 in Höhe von 436,– DM und ab 14. Juli 1994 in Höhe von 393,– DM monatlich zu zahlen, und zwar bis 13. Juli 1995.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen. Die angefochtenen Bescheide und die ihnen zugrundeliegende gesetzgeberische Entscheidung, bei der Gewährung von Erzg die Einkommensanrechnung grundsätzlich mit Hilfe einer Abzugspauschale von 27 vH vorzunehmen, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
1. Die Beklagte hat das der Klägerin für die Zeit vom 14. Januar 1994 bis zum 13. Juli 1995 bewilligte Erzg nach den maßgebenden Vorschriften des BErzGG, wenn von den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des dort vorgesehenen gesetzlichen Pauschalabzugs von 27 vH abgesehen wird, zutreffend berechnet, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. In welcher Fassung die mehrfach geänderten Vorschriften des BErzGG anzuwenden sind, bestimmt sich für die hier streitigen Bezugszeiten ab 14. Januar 1994 nach § 39 BErzGG in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung vom 31. Januar 1994 (BGBl I 1994, 180). Nach § 39 Abs 2 BErzGG gilt die Neufassung für Kinder, die, wie das am 14. Juli 1993 geborene Kind der Klägerin, ab dem 1. Juli 1993 und vor dem 1. Januar 1994 geboren wurden, mit Ausnahme der hier nicht betroffenen Vorschriften des § 7, der die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes betrifft, und des § 5 Abs 2 Satz 1, der das Erzg für die ersten 6 Lebensmonate regelt, die hier nicht streitig sind.
Das Erzg beträgt nach § 5 Abs 1 BErzGG monatlich 600,– DM. Es wird nach § 5 Abs 2 Satz 2 BErzGG für – die hier streitigen – Bezugszeiten vom siebten Lebensmonat an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von ihren Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, wie hier, 29.400,– DM übersteigt; nach Abs 3 der Vorschrift mindert sich das (monatliche) Erzg dann um den zwölften (dh monatlichen) Teil von 40 vH des die genannte Grenze übersteigenden Einkommens. Als Einkommen gilt nach § 6 Abs 1 BErzGG die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzüglich eines Pauschalabzuges von 27 vH dieser Einkünfte (bei Personen iS des § 10c Abs 3 EStG: 22 vH) sowie weiterer – hier unerheblicher – unterhaltsbedingter Beträge (Abs 1 Nrn 2 und 3). Zu berücksichtigen ist nach § 6 Abs 3 das Einkommen des Berechtigten und seines Ehepartners. Die Summe der positiven Einkünfte ist nach § 2 Abs 2 EStG bei allen anderen Einkunftsarten als bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a). Nach § 6 Abs 2 ist für die Minderung im siebten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt (hier: 1993), für die Minderung des 13. bis 24. Lebensmonats das folgende Jahr (hier: 1994) maßgeblich. Das LSG hat dazu festgestellt, daß die Einkommensberechnung der Beklagten den voraussichtlichen Einnahmen (abzüglich der pauschalen Werbungskosten) der Ehegatten nach Maßgabe der genannten Vorschriften entspricht und daß die Voraussetzungen eines Härtefalles iS des § 6 Abs 7 nicht vorliegen, der es erlauben würde, anstelle der voraussichtlichen Einkünfte später tatsächlich erzielte geringere Einkünfte zu berücksichtigen.
2. Die Revision rügt zu Unrecht, bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 5 und 6 BErzGG sei im Hinblick auf die Art 3 und 6 Grundgesetz (GG) nicht der pauschalierte Abzug von 27 vH, sondern der „tatsächliche Abzug” der Klägerin in Höhe von 35,64 vH (18,6 vH Sozialabgaben und 17,04 vH Lohn- und Kirchensteuer) zu berücksichtigen, was der Verwaltung auch zuzumuten sei und im Falle der Klägerin zu einem erheblich höherem Erzg führe, nämlich zu monatlich 436,– DM (statt 282,0–DM) und im Folgejahr zu monatlich 393,– DM (statt 215,– DM). Auch das Revisionsvorbringen macht nicht deutlich, ob sich die Zahlenangaben der Klägerin zu dem „tatsächlichen Abzug” auf die hier allein maßgebende endgültige Abgabenbelastung nach dem Einkommensteuerbescheid beziehen oder auf die zunächst nach Maßgabe der Steuerkarte einbehaltenen Abzüge. Hierauf kommt es letztlich jedoch nicht an, weil sich das Vorbringen auch iS der letztgenannten Auslegungsmöglichkeit als unbegründet erweist.
Auch wenn die Abgabenbelastung der Klägerin 35,64 vH beträgt und damit den gesetzlichen Pauschalabgabensatz von 27 vH erheblich überschreitet, hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, daß in ihrem Fall aufgrund verfassungskonformer Auslegung „ausnahmsweise” der wirkliche Abgabensatz abgezogen wird. Eine verfassungskonforme Auslegung setzt voraus, daß eine bestimmte, nach dem Gesetzeswortlaut in Betracht kommende, aber mit dem Gesetzeswillen nicht übereinstimmende Auslegung den Vorgaben der Verfassung besser entspricht und anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber eine Regelung in diesem Sinne getroffen hätte, wenn er die verfassungsrechtlichen Bedenken erkannt hätte. Hier fehlt es jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung. Nach dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber sich auch bei Kenntnis der von der Klägerin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken für die gewählte Lösung entschieden hätte, um die mit den von der Klägerin als gerechter angesehenen Lösungen verbundenen höheren Verwaltungskosten zu sparen. Die Revision macht hierzu zwar geltend, die Fälle einer so groben Abweichung wie bei der Klägerin seien selten und deshalb nicht besonders verwaltungsaufwendig. Sie übersieht dabei, daß der tatsächliche Abzugssatz für das laufende Kalenderjahr aufgrund der Angaben des Berechtigten zu den voraussichtlichen Einnahmen und der Steuerbescheide für Vorjahre nur aufgrund steuerrechtlicher Kenntnisse bestimmt werden kann, was schon hinsichtlich der Personalausbildung und der insoweit erforderlichen Verwaltungsvorschriften auch bei geringer Fallzahl zu erheblichen Verwaltungskosten führt. Überdies müßte in jedem Einzelfall die tatsächliche Abzugslast ermittelt werden, da der Tatbestand eines groben Mißverhältnisses zur Abzugspauschale von Amts wegen aufzuklären ist. Der Bundesrat hatte schon die gewählte Lösung als zu verwaltungsaufwendig angesehen. Im Hinblick auf das Ziel der Gesetzesänderung, Einsparungen zu erzielen, auf das noch näher einzugehen ist, ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber diesen Verwaltungsaufwand jedenfalls nicht noch steigern wollte.
3. Die Revision rügt zu Unrecht, es sei bei der Anwendung einer Gesetzesvorschrift stets verfassungsrechtlich geboten, die wesentliche Abweichung des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die hierfür angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) betrifft nicht die Anwendung einer Gesetzesvorschrift, sondern die Anwendung einer Verwaltungsübung (BVerwGE 16, 153, 155; 34,278, 281 und 44, 72, 74), die in den beiden zuletzt genannten Fällen aufgrund von Verwaltungsvorschriften entstanden war. Bei Verwaltungsvorschriften und bei einer Verwaltungsübung sind in der Tat wesentliche Abweichungen des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hiervon zu unterscheiden ist die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz, wenn er wie hier mit der Wahl der Abzugspauschale von 27 vH (22 vH) eine starre Regelung schafft, die für Abweichungen im Einzelfall keinen Raum lassen soll.
Auch Art 3 GG gibt keinen Anspruch darauf, daß bei der Anwendung des Gesetzes wesentliche Abweichungen des Einzelfalles berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht durch Art 3 GG verpflichtet, in jeder Rechtsvorschrift Raum für die Berücksichtigung einer wesentlichen Abweichung im Einzelfall zu lassen. Der Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot ungerechtfertigter Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen verwehrt es dem Gesetzgeber nur, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 81, 156, 205; stRspr). Werden einzelne Personen ohne sachgerechten Grund in die gesetzliche Regelung einbezogen oder von ihr ausgenommen, so verstößt die Regelung nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn die betroffene Gruppe so groß ist, daß sie der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt zulässiger Typisierung nicht vernachlässigen darf (BVerfGE 18, 85, 92). Nur bei der Anwendung von gesetzlichen Härteregelungen haben die Gerichte im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen (BVerfG 1. Senat 1. Kammer, vom 29. Oktober 1992 – 1 BvR 1962/91 – NJW 1993, 1059-1060). Art 3 GG verbürgt in seiner Anwendung auf den Gesetzgeber keine Einzelfallgerechtigkeit.
4. Die Abzugspauschale von 27 vH ist schließlich auch dann nicht verfassungswidrig, wenn sie in zahlreichen Fällen hinter der wirklichen Abgabenbelastung zurückbleibt. Ob der Abgabensatz insoweit allein unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung durch Typisierung und Pauschalierung aufgrund der durchschnittlichen Belastung gerechtfertigt werden kann, wie dies die Vorinstanzen angenommen haben, kann letztlich offenbleiben. Die Bezeichnung der Pauschalierung als „Typisierung der rechnerischen Grundlagen” (Tipke-Lang, Steuerrecht, 13. Aufl 1991, S 52; Rüfner in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Stand Dezember 1995, Art 3 RdNr 112 mit FN 346) verdeutlicht, daß es sich um zwei Bezeichnungen für denselben Gedanken handelt. Deshalb gelten die vom BVerfG für eine Typisierung entwickelten Kriterien auch für die Pauschalierung. Hiernach muß der Gesetzgeber sach- und realitätsgerecht typisieren und sich insbesondere am typischen und nicht am atypischen Fall orientieren (BVerfGE 27, 142, 150; BVerwG NVwZ 1983, 289, 290; BSGE 69, 285, 296 = SozR 3-4100 § 137 Nr 2). Die eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten dürfen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen treffen, und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz darf auch bei diesen Personen nicht sehr intensiv sein, wobei Härteregelungen die Gesamtbeurteilung mildern können (BVerfGE 26, 265, 275; 63, 119, 128 = SozR 2200 § 1255 Nr 17; BVerfGE 67, 231, 237 = SozR 2200 § 1252 Nr 4; BVerfGE 71, 39, 50; 79, 87, 100 = SozR 2200 § 183 Nr 54; BVerfGE 87, 234, 255 f = SozR 3-4100 § 137 Nr 3; zu Härteklauseln: BVerfGE 60, 16, 50 ff).
An einer Härteregelung fehlt es. Die bereits angesprochene Härteregelung des § 6 Abs 7 BErzGG meint die Härte, die mit der Maßgeblichkeit der „voraussichtlichen Einkünfte” verbunden ist, wenn die später tatsächlich erzielten Einkünfte weit geringer sind, und nicht die hier betroffene Härte, daß eine größere Differenz zwischen tatsächlichem Abzug und Pauschalabzug auftritt. Fehlt eine Härteregelung, so darf die Gruppe der erheblich Benachteiligten auch bei weiter Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers den Grenzwert von 7,5 bis 10 vH nicht überschreiten (vgl BVerfGE 17, 1, 25; BVerwGE 68, 36, 41 sowie NVwZ 87, 231, 232).
Das LSG hat angenommen, daß die Vorschrift der Verwaltungsvereinfachung dient und nicht verfassungswidrig sei, weil sie der durchschnittlichen Belastung der Bruttogehälter und -löhne von Arbeitnehmern durch Einkommen- und Lohnsteuer sowie Sozialbeiträge entspreche. Diese lag im Jahre 1993 bei 33 vH und entspricht nach den maßgebenden Abgabesätzen einem Bruttogehalt von 37.000,– DM. Die Einkommensverteilung nach der Lohn- und Einkommensteuerstatistik (Statistisches Bundesamt Datenreport 1994, Bonn 1994, S 237) belegt, daß jedenfalls mehr als ein Drittel der Steuerpflichtigen höhere Einkommen hatte. Gleichwohl führt die Regelung nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung, weil für ihre Rechtfertigung noch andere Gründe als die Verwaltungsvereinfachung durch Typisierung angeführt werden können.
5. Die für eine Typisierung zur Verwaltungsvereinfachung geltende Einschränkung, daß eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen treffen darf und daß der Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch bei diesen Personen nicht sehr intensiv sein darf, greift nicht ein, wenn der gewählte Anknüpfungspunkt auch durch andere sachliche Gründe gerechtfertigt wird. Die Einschränkung gilt also nur, wenn die Typisierung „an sich verfassungsrechtlich bedenklich ist” (BSG Urteil vom 27. Juni 1996 – 11 RAr 77/95 – für BSGE und SozR vorgesehen), weil sie ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung dient. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr will das Gesetz sowohl mit dem Übergang auf das „aktuelle Jahr” als auch mit der Höhe der Abzugspauschale Einsparungen erzielen. Die Pauschalierung der Abgabenlast auf 27 vH (22 vH) in § 6 BErzGG geht zurück auf das Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte – Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) – vom 23. Juni 1993 (BGBl I, 944), in Kraft getreten gemäß seinem Art 43 Abs 1 am Tage nach der am 26. Juni 1993 erfolgten Verkündung. Zuvor war die nach Steuerrecht im Einzelfall anfallende Steuer abzuziehen. Maßgebend war das vorletzte Kalenderjahr vor der Geburt oder auf Antrag das Kalenderjahr, in dem der 7. Lebensmonat des Kindes beginnt (aktuelles Kalenderjahr). Da das Einkommen im vorletzten Kalenderjahr schon infolge der jährlichen Lohnsteigerungen, bei den betroffenen Eltern kleiner Kinder aber auch infolge eines beruflichen Aufstiegs, regelmäßig niedriger ist als im aktuellen Kalenderjahr, wurde dieses nur in Ausnahmefällen gewählt. Es konnte damit regelmäßig auf die für das vorletzte Kalenderjahr bereits vorliegenden Steuerbescheide zurückgegriffen werden. Die hiermit gemachten Erfahrungen zeigten, daß mit der Berechnung des Erzg aufgrund des Einkommens im aktuellen Jahr erhebliche Verwaltungsaufwendungen verbunden waren, daß ein Übergang allein auf das aktuelle Kalenderjahr der Geburt für die Bezugszeit bis zum Ende des ersten Lebensjahres und auf das nächste Kalenderjahr für die restliche Bezugszeit zwar zu erheblichen Einsparungen bei dem auszuzahlenden Erzg führen würde, daß damit aber ohne Pauschalierung der Steuerabzugsbeträge ein unverhältnismäßiger Verwaltungsmehraufwand verbunden war. Das galt um so mehr, weil mit der Berücksichtigung auch des folgenden Kalenderjahrs eine doppelte Festsetzung erforderlich wird.
Das FKPG hatte schon im Entwurf (BT-Drucks 12/4401) in Art 5 (§ 6 Abs 1 Nr 1 BErzGG) die Streichung des vorletzten Kalenderjahres und die vereinfachte Einkommensberechnung mit Hilfe von Pauschalabzügen vorgeschrieben, die in der Regel 27 vH betrugen, bei Personen iS des § 10c Abs 3 EStG 22 vH. Die Materialien lassen erkennen, daß Ziel dieser Gesetzesänderung die Einkommensberechnung aufgrund aktuellerer Daten war. Zum Ausgleich für die Erschwernis, daß damit eine Benutzung der Steuerunterlagen ausschied, wurde gleichzeitig der Pauschalabzug ermöglicht (BT-Drucks 12/4401, Seite 75).
Mit der Abzugspauschale von 27 vH hat der Gesetzgeber im Ergebnis einmal festgelegt, daß nicht mehr das wirkliche Nettoeinkommen nach Abzug der im Einzelfall anfallenden Abgaben und Steuern maßgebend sein soll, sondern das Bruttoeinkommen, vermindert um die üblichen Abzüge. Eine insoweit vergleichbare Regelung gilt für die Bemessung des Arbeitslosengeldes (Alg) nach § 111 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Berücksichtigung nur der „gewöhnlich anfallenden Abzüge” ist verfassungsgemäß (vgl BSG Urteil vom 27. Juni 1996 – 11 RAr 77/95 – für BSGE und SozR vorgesehen). Sie bewirkt für das Erzg ua, daß das Baukindergeld nicht mehr zu einer Minderung des Erzg führt, wie dies bei der früher vorgeschriebenen Berücksichtigung der tatsächlichen Abgabenlast der Fall sein konnte (vgl hierzu BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 7). Die Berücksichtigung nur der gewöhnlich anfallenden Abzüge kann damit unabhängig von einer Verwaltungsvereinfachung mit sachlichen Gründen gerechtfertigt werden.
Zum anderen führte die Entscheidung, daß die übliche Abgabenlast auf 27 vH und nicht höher angesetzt wurde, zu Einsparungen. Soweit die Abzugspauschale erheblich hinter dem Prozentsatz der tatsächlich zu entrichtenden Abgaben zurückbleibt, führt dies neben der Umstellung auf das aktuelle Jahr zu einer weiteren Einsparung, die damit zusammenhängt, daß mit steigendem Einkommen die Abgabenpauschale von 27 vH gleich bleibt, also die berücksichtigten Abgaben linear steigen, während der Steuerprozentsatz zunimmt, die tatsächlich zu entrichtenden Steuern also progressiv steigen.
Der von dieser zusätzlichen Einsparung betroffene Personenkreis ist ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz umschrieben. Der Abzugsprozentsatz von 27 vH gilt für Arbeitnehmer und für Selbständige. Er entspricht auch bei Arbeitnehmern trotz der von diesen zu entrichtenden Sozialabgaben bei den Nettogehältern, bei denen die Einkommensanrechnung beginnt, den tatsächlich zu entrichtenden Abgaben und bleibt mit steigendem Einkommen bis zur völligen Aufzehrung des Erzg zunehmend hinter den tatsächlichen Abgaben zurück. Bei Erzg-Empfängern mit einem Kind, für das Erzg begehrt wird, für die also kein zusätzlicher Freibetrag in Frage kommt, findet die Einkommensanrechnung in den Nettogehältern ab 29.400,– DM statt. Da das übersteigende Einkommen nur zu 40 vH angerechnet wird, ergeben weitere 18.000,– DM einen Anrechnungsbetrag von (180 × 40 =) 7.200,– DM, der den Jahresbetrag des Erzg von (12 × 600,– =) 7.200,– DM zum Erlöschen bringt. Die Anrechnung findet damit bei Nettogehältern zwischen 29.400,– DM und 47.400,– DM statt. Das entspricht bei der Gruppe der Erzg-Berechtigten, zu der die Klägerin gehört, den Verheirateten mit einem Kind, grob den Jahreseinkünften von 40.000 bis 70.000,– DM.
Auf die Sozialversicherungsbeiträge entfallen für 1993, wie ausgeführt, 18,6 vH. Die Steuerabzüge bestimmen sich nach der Jahreslohnsteuertabelle 1993 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr 230 vom 8. Dezember 1992). Zugrunde zu legen ist die Steuerklasse III mit einem Kind, da der Erziehende in der Regel nicht berufstätig ist. Weitere, in diese Steuerklasse nicht eingearbeitete Steuerfreibeträge können zugunsten der Berechtigten unberücksichtigt bleiben. Bei Jahreseinkünften von 40.285,99 DM betragen die Sozialversicherungsabgaben 7.493,19 DM, die Lohnsteuer 2.972,– DM, die Kirchensteuer 213,76 DM (also Steuern: 3.233,28 DM), das Nettogehalt 29.559,52 DM. Die Steuern machen 8,02 vH der Einkünfte aus. Der tatsächliche Abzugsprozentsatz beträgt (18,6 + 8,02 =) 27,02 vH. Der pauschale Abzugssatz von 27 vH wird damit im Eingangsbereich der Erzg-Kürzung dem tatsächlichen Abgabesatz gerecht, insbesondere weil sich in aller Regel die individuelle Steuerbelastung durch weitere Freibeträge mindert, die in die Jahreslohnsteuertabelle nicht eingerechnet sind. Bei Jahreseinkünften von 80.407,99 DM betragen die Sozialversicherungsabgaben 14.955,88 DM, die Lohnsteuer 12.344,– DM, die Kirchensteuer 963,52 DM (Steuern 13.307,52 DM), das Nettogehalt 52.144,59 DM. Die Steuern machen 16,5 vH der Einkünfte aus. Der tatsächliche Abzugsprozentsatz beträgt (18,6 + 16,5 =) 35,1 vH. Der tatsächliche Abzugsprozentsatz erreicht damit erst nach dem Ende des Anrechnungsbereichs 35,1 vH und übersteigt damit den gesetzlichen Abzugsprozentsatz von 27 vH im Anrechnungsbereich um höchstens 8,1 vH.
Dem Berechtigten wird ein Einkommen angerechnet, das bei Übersteigen des Eingangsbereiches bis zu 8,1 vH höher ist als das tatsächlich verfügbare Einkommen. Würde diese Regelung dazu führen, daß ein Mehreinkommen (Einkommen, soweit es 29.400,– DM übersteigt) den Anspruch auf Erzg um einen größeren Betrag mindert, als tatsächlich zufließt, so könnte hierfür schwerlich ein am Gerechtigkeitsgedanken orientierter Grund angeführt werden. Die Anrechnung des Mehreinkommens kann indes nicht bewirken, daß das Erzg auch um einen nur fiktiven Anteil des Mehreinkommens gemindert wird. Die Schere zwischen dem tatsächlich verfügbaren Einkommen und dem fiktiven „Anrechnungseinkommen” beginnt bei Einkünften über 29.400,– und weist bei Aufzehrung des Erzg einen Umfang von maximal 8,1 vH auf. Da von dem 29.400,– DM übersteigenden Betrag 60 vH anrechnungsfrei bleiben, kann eine zusätzliche Mark Einkommen auch unter Berücksichtigung dieser Schere nicht dazu führen, daß mehr als der wirkliche Einkommenszuwachs angerechnet wird.
Die Abzugspauschale dient nicht nur der Verwaltungsvereinfachung für einen allein aus Gründen größerer Gerechtigkeit beschlossenen Übergang zum aktuellen Jahr. Der Gesetzgeber ist vielmehr mit dem Ziel einer Leistungseinsparung zum aktuellen Jahr übergegangen. Die Abzugspauschale sollte verhindern, daß die damit erzielte Einsparung durch zusätzliche Verwaltungskosten weitgehend aufgezehrt wird, und die Wahl einer niedrigen Abzugspauschale ist geeignet, selbst eine zusätzliche Einsparung zu bewirken. Das FKPG sollte durch die Änderung des BErzGG in den Haushaltsjahren 1993 bis 1996 Einsparungen bewirken, und zwar 1993: 146 Mio DM, 1994: 575 Mio DM sowie 1995 und 1996: 660 Mio DM; davon entfielen auf die Aktualisierung der Einkommensberechnung 1994: 330 Mio DM sowie 1995 und 1996: je 370 Mio DM (BT-Drucks 12/4401 Seite 64; BT-Drucks 12/4748 Seite 108). Danach dienen sowohl die Aktualisierung als auch die Wahl des Abzugsprozentsatzes (27 bzw 22 vH) der Leistungseinsparung, obgleich die erhofften Einsparungen für den Übergang zum aktuellen Jahr und für die Festsetzung der Abzugspauschale auf 27 vH (22 vH) nicht gesondert ausgewiesen werden. In der Einzelbegründung im Entwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 12/440 Seite 75) heißt es: „Das aktuelle Einkommen als Maßstab für die Minderung von Erzg ist notwendig geworden, um die Einkommensabhängigkeit von Erzg gerechter zu gestalten. In vielen Fällen war es von Zufällen abhängig, ob ein maßgebendes Einkommen über oder unterhalb der Einkommensgrenze anzunehmen war … Die Berechnung des aktuellen Einkommens wird den Aufwand bei den Erzg-Stellen gegenüber dem bisherigen Verfahren nur geringfügig erhöhen”. In der späteren Stellungnahme des BR heißt es demgegenüber (BT-Drucks 12/4748, S 145): „Das Sparziel … soll erhalten bleiben. Dazu ist auch die Berechnung aufgrund jeweils aktueller Unterlagen erforderlich. Die Bundesregierung wird gebeten zu prüfen, ob dazu ein sehr viel weniger aufwendiges Verwaltungsverfahren möglich ist”.
Die Wahl der niedrigen Abzugspauschale, die nur im Eingangsbereich der Anrechnung zu realitätsnahen Werten führt, bewirkt, daß die höheren Einkünfte progressiv und damit vergleichsweise stärker als Einkünfte im Eingangsbereich zur Einsparung herangezogen werden. Das kann bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als unsachlich bezeichnet werden.
6. Die Revision sieht den Übergang zur „formalisierten Berechnungsmethode des § 6 BErzGG” insbesondere deshalb als Verstoß gegen die Art 3 und 6 GG an, weil der Anspruch auf Erzg erheblich verschlechtert worden sei und nunmehr auch aufgrund der festen Abzugspauschale mit jeder Anhebung der Steuer- und Abgabensätze schleichend sinke. Der „Entscheidung für das Kind” werde jedenfalls nicht „zugearbeitet”, wenn statt des tatsächlichen nur ein pauschalierter Abzug berücksichtigt werde. Das Anliegen der Revision wird durch die Einschätzung verdeutlicht, die Abgabenlast steige ständig und habe 1980 28,6 vH, 1992 32,8 vH und 1995 36,1 vH betragen (SozSich 1995, 174; vgl auch ErsK 1996, 396).
Indes hat der Staat aus Art 6 GG, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, zwar die Pflicht, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen zu schützen, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern, insbesondere den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familien zu gewährleisten (BVerfGE 6, 55, 76; 55, 114, 126 f = SozR 2200 § 1302 Nr 4; BVerfGE 87, 1, 35 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Dabei kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit aber grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will (BVerfGE 21, 1, 6; 62, 323, 333 = SozR 2200 § 1264 Nr 6). Insbesondere die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht „unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann” (BVerfGE 87, 1, 35 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Der Staat ist daher nicht verpflichtet, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen (BVerfGE 55, 114, 127 = SozR 2200 § 1302 Nr 4; BVerfGE 75, 348, 360 = SozR 2200 § 555a Nr 3). Regelmäßig erwachsen daher aus Art 6 GG keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (BVerfGE 39, 316, 326 = SozR 2200 § 555a Nr 3; BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Auch darf eine unterschiedliche Förderungsbedürftigkeit berücksichtigt werden (BVerfGE 17, 210, 219 f; 43, 108, 125).
Im Bereich des Erzg war bereits die im Jahre 1985 getroffene grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zur Einführung eines Erzg verfassungsrechtlich nicht geboten, sondern Ausdruck seiner im Bereich gewährender Sozialleistungen, vor allem bei fehlendem Bezug zu Eigentumsrechten, besonders weiten Gestaltungsfreiheit. Daraus folgt, daß der Staat verfassungsrechtlich auch nicht verpflichtet ist, das Erzg – oder eine vergleichbare Sozialleistung – auf alle Zeiten beizubehalten. Daher stand es ihm auch unter dem Blickwinkel des Art 6 GG frei, zur Verwirklichung eines Sparzieles das Erzg ganz zu streichen oder im Wege einer schonenderen Lösung lediglich Kürzungen des Erzg vorzunehmen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Kürzungen nur gestaffelt nach Einkommenshöhe zur Auswirkung kommen. Bei alledem ist zu beachten, daß es beim Erzg nicht um die vom Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG erfaßten „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger” (vgl dazu BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1) oder konkret das – steuerlich freizuhaltende – „Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder” (vgl dazu BVerfGE aaO, 85 ff) geht, sondern „nur” um eine zusätzliche Sozialleistung zur Verhaltenssteuerung „Entscheidung für das Kind” – vgl BT-Drucks 10/3792, 13), bei welcher der Staat mithin viel eher „zu- und abgeben” darf als bei entsprechenden Steuerfreibeträgen (vgl dazu BVerfGE aaO). Wenn das BVerfG in seiner Entscheidung zur Kürzung des Kindergeldes dem Gesetzgeber engere Grenzen gesetzt hat, dann gilt dies nur im Hinblick auf die gebotene Steuerfreiheit des Existenzminimums kinderreicher Familien, bei der das Kindergeld gegengerechnet wurde, nicht aber auch das Erzg (BVerfGE 82, 60, 80 bzw 85 ff = SozR 3-5870 § 10 Nr 1).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, also dem Rechtsstaatsprinzip in Gestalt der Rechtssicherheit (Art 20 GG). Die durch den „zu geringen” Pauschalabzug indirekt bewirkten Kürzungen des Erzg gelten nur für die Zukunft und stellen daher keinen Eingriff iS einer echten Rückwirkung dar. Die Klägerin könnte jedoch geltend machen, ihre „Entscheidung für das Kind” (BT-Drucks aaO) mit den entsprechenden familiären Dispositionen, auch finanzieller Art, habe sie zumindest auch im Hinblick auf die Höhe des zu erwartenden Erzg getroffen; auch eine nur für die Zukunft vorgesehene Kürzung entwerte ihre „Entscheidung für ein Kind” mittelbar rückwirkend. Eine derartige „unechte” Rückwirkung wird in der Rechtsprechung des BVerfG in der Regel als zulässig angesehen, eine der vom BVerfG postulierten Ausnahmen liegt nicht vor (BVerfGE 63, 152, 175 = SozR 2200 § 1236 Nr 39; BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78): Denn ein Vertrauen auf den dauernden Fortbestand gesetzlicher Vorschriften wird nicht geschützt (BVerfGE 38, 61, 83; 68, 193, 222 = SozR 5495 Art 5 Nr 1). Insbesondere bei Leistungen der gewährenden Staatstätigkeit ohne vorherige eigene finanzielle Leistungen kann nicht erwartet werden, daß sie grundsätzlich und in gleicher Höhe weitergewährt werden (BVerfGE 60, 16). Auch ergibt eine Abwägung zwischen dem Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der Erzg-Leistungen in voller Höhe einerseits und dem mit dem Gesetz verfolgten Anliegen andererseits (vgl zu dieser Abwägung BVerfGE 24, 220, 230 f = SozR Nr 16 zu Art 14 GG; BVerfGE 68, 287, 307; 72, 175, 196), daß den Betroffenen ein Umstellen ihrer Dispositionen zugemutet werden muß, um das überragend wichtige Ziel der Haushaltskonsolidierung zu ermöglichen.
7. Auch der Revisionsangriff, die gesetzliche Unterscheidung, daß § 6 Abs 1 Nr 1 BErzGG bei „Personen iS des § 10c Abs 3 des EStG” den Pauschalabzug auf 22 vH und für andere Personen auf 27 vH festgesetzt hat, sei durch Unterschiede im Sachverhalt nicht ausreichend gerechtfertigt, kann keinen Erfolg haben.
Das SG hat hierzu Zweifel am Rechtsschutzinteresse geäußert, weil die Klägerin zu der Gruppe mit dem höchstzulässigen Abzug gehöre. Nicht nur die eigene Benachteiligung, sondern auch die ungleiche Begünstigung eines Dritten kann eine Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundrechtes darstellen (BVerfGE 17, 210, 216 f; 79, 1, 17). Maßgeblich ist dabei, daß zwischen dem Betroffen und dem Dritten keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Begünstigung des Dritten rechtfertigen könnten (BGVerfGE 72, 141, 150 = SozR 2200 § 1265 Nr 78; BVerfGE 52, 256, 263; 55, 72, 88). Die Klägerin kann deshalb, wenn ein Verstoß gegen Art 3 GG vorliegt, geltend machen, daß der Gesetzgeber, solange er an dem Abzugssatz von 22 vH für Personen iS des § 10c Abs 3 des EStG festhält, den Abzugssatz für andere Personen und damit auch für die Klägerin auf deutlich über 27 vH festsetzen müsse.
Die gesetzliche Unterscheidung, daß § 6 Abs 1 Nr 1 BErzGG bei „Personen iS des § 10c Abs 3 des EStG” den Pauschalabzug auf 22 vH und für andere Personen auf 27 vH festgesetzt hat, führt bei einer alle Begleitumstände berücksichtigenden Betrachtung nicht zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Beamten. Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, daß die zum Personenkreis des § 10c Abs 3 EStG gehörenden Beamten (sowie die Richter und Soldaten) sich bei der nur um 5 vH niedrigeren Abzugspauschale viel zu günstig stünden, weil bei ihnen die Beiträge zur SV entfielen, die weit höher seien. Denn die Gruppe der Beamten unterscheidet sich von der Gruppe der versicherungspflichtig Beschäftigten nicht nur durch den Wegfall der Beiträge zur SV.
Hinsichtlich des Beitrags zur KV ist vielmehr zusätzlich zu berücksichtigen, daß der Beihilfeanspruch des Beamten hinter dem Sachleistungsanspruch der Versicherten zurückbleibt, was regelmäßig zum Abschluß einer privaten KV führt. Zu berücksichtigen ist ferner, daß den Beamten insoweit eine höhere Steuerlast trifft, weil ihm nach der Bezugsvorschrift des § 10c Abs 3 des EStG nur eine gekürzte Vorsorgepauschale zusteht. Deshalb bestimmt § 38c EStG, der bei Erlaß des FKPG in der Fassung durch das Gesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl I 297) galt, daß der Bundesminister der Finanzen auf der Grundlage der diesem Gesetz beigefügten Einkommensteuertabellen eine allgemeine Jahreslohnsteuertabelle für Arbeitnehmer mit nicht mehr als sechs Kinderfreibeträgen aufzustellen und bekanntzumachen hat (Abs 1) und eine besondere Jahreslohnsteuertabelle für den Steuerabzug vom Arbeitslohn derjenigen Arbeitnehmer, die zu dem Personenkreis des § 10c Abs. 3 gehören (Abs 2). Bei Jahreseinkünften von 40.285,99 DM, also im Eingangsbereich der Kürzung, beträgt die Lohnsteuer nach der besonderen Lohnsteuertabelle 3.692,–, nach der allgemeinen Tabelle indes nur 2.972,– DM.
Ferner durfte der Gesetzgeber bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise auch im Zusammenhang mit dem Abzugsprozentsatz des § 6 BErzGG berücksichtigen, daß die Höhe der Beamtenbesoldung die fehlenden SV-Abgaben berücksichtigt. Die Angemessenheit der Besoldung ist einschließlich vorgenannter Aspekte anders als bei den übrigen Arbeitnehmern an der verfassungsrechtlichen Alimentationspflicht (Art 33 Abs 5 GG) zu messen (BVerfGE 8, 1, 14 ff; 71, 39, 62). Nach dem Alimentationsprinzip sind Besoldung und Versorgung nicht an dem Gesichtspunkt eines Entgelts für geleistete Dienste zu orientieren (BVerfGE 21, 329, 344; 55, 207, 241; 71, 39, 63), sondern müssen dem Beamten und seiner Familie einen angemessenen Lebensunterhalt entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards gewähren (BVerfGE 8, 1, 14; 39, 196, 201; 71, 39, 62 f). Es ist deshalb zulässig, daß Ehegatten, die beide als Beamte teilzeitbeschäftigt sind, zusammen weniger als den vollen ehegattenbezogenen Bestandteil des Ortszuschlags erhalten, obgleich sie zusammen vollschichtig oder mehr als vollschichtig beschäftigt sind (BVerfGE 71, 39 ff). Auch darf der Gesetzgeber – wie 1996 geschehen – eine für Angestellte und Arbeiter getroffene Vergütungsregelung für Beamte und Richter nur mit zweimonatiger Verzögerung übernehmen, was einem Abschlag von 16 vH entspricht. Der Gesetzgeber durfte deshalb davon ausgehen, daß die Beitragsfreiheit schon weitgehend im Besoldungsrecht ausgeglichen wird. Tatsächlich ist die Besoldung der Beamten um etwa 7 vH niedriger angesetzt als die vergleichbarer Angestellter, um damit ihre Versorgung zu finanzieren (vgl hierzu BVerfGE 54, 11, 32; BVerwGE 12, 284, 294; Finanzpol Mitt 1955, 1880 f; Dt Beamtenbund, Die Beamtenversorgung, Bonn, 1996, S 15). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß die Beamtenpensionen weit stärker als die Renten der Besteuerung unterliegen. Bei einer Berücksichtigung aller Unterschiede kann der nur um 5 vH unterschiedliche Pauschalabzug nicht als unrichtig angesehen werden, jedenfalls nicht mit der für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit erforderlichen Eindeutigkeit.
Selbst wenn Beamte beim Erzg begünstigt würden, wäre dies nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber darf dem Gebot familiengerechter Besoldung (vgl dazu BVerfGE 81, 363, 376 ff) zusätzlich zu allgemeinen Kindergeldregelungen und Steuervergünstigungen auf weitere Art Genüge tun, wie etwa mit einer höheren Besoldung des kinderreichen Beamten (BVerfGE 81, 363, 376) oder durch einen besoldungsrechtlichen „Erziehungsgeldzuschlag”. Dabei ist der Gesetzgeber nicht gehalten, eine solche zusätzliche Leistung in das Besoldungsrecht einzuordnen. Er darf auch im Sachleistungsrecht eine solche Vergünstigung für Beamte vorsehen. Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber für diese einem eigenen System unterstehenden Personenkreise eine günstigere Abzugspauschale bei der Einkommensanrechnung zum Erzg einführt, die im Effekt auch nur wie eine höhere Besoldung von Beamten in der Erziehungsphase wirkt.
Eine Ungleichbehandlung der normalen Arbeitnehmer zu den übrigen unter § 10c Abs 3 EStG fallenden Personenkreisen ist nicht erkennbar. Diese übrigen Personengruppen, auf die nach § 38c EStG die besondere Lohnsteuertabelle anzuwenden ist, werden in § 10c Abs 3 EStG und in Abschnitt 120 der Lohnsteuer-Richtlinie 1993 (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Steuerabzug vom Arbeitslohn – LStR 1993 –) vom 7. Oktober 1992 (BStBl I 1992, Sondernummer 3/1992) umschrieben (vgl hierzu auch Günther in: Dankmeyer/Giloy, ESt, Bd 2, Stand Juni 1996, RdNrn 38 ff; Zimmermann in Frotscher, Kommentar zum EStG, Stand März 1996, RdNrn 20 ff). Insoweit wird auch von der Klägerin eine Ungleichbehandlung nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung, die auch die Nichtzulassungsbeschwerde umfaßt, folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1173280 |
SozR 3-7833 § 6, Nr.13 |
SozSi 1997, 320 |