Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Aufwendungsersatzanspruch des Geldinstituts für Rücküberweisung von Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten - Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Überweist das Geldinstitut auf Aufforderung des Rentenversicherungsträgers die nach dem Tod des Versicherten geleisteten Rentenbeträge zurück, so steht ihm kein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zu.
Normenkette
BGB §§ 662, 670, 675, 677, 683; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14; SGB VI § 118 Abs. 3 S. 2, Abs. 4; SGB X § 21 Abs. 3 S. 4, §§ 93, 97 Abs. 2
Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. September 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Zweckverbandssparkasse berechtigt ist, mit einem Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen einen (Rest-)Erstattungsanspruch der klagenden BfA aufzurechnen.
Die bei der Klägerin versicherte A.-M. A. verstarb am 24. Juli 1997. Ihre Altersrente für den Monat August 1997 in Höhe von 2.592,44 DM überwies die Klägerin in Unkenntnis des Todes der Versicherten auf ein Konto bei der Beklagten. Auf das Rückforderungsbegehren der Klägerin zahlte die Beklagte einen Betrag von 2.572,44 DM zurück und „behielt” die restlichen 20,00 DM ein. Sie gab an, sie erfülle mit der Rücküberweisung eine im SGB VI vorgeschriebene und von der Klägerin in Anspruch genommene Dienstleistung; diese verursache einen erheblichen Arbeitsaufwand, den sie mit einer Gebührenpauschale von 20,00 DM teilweise in Rechnung stelle.
Vor dem SG hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mangels rechtlicher Grundlage keinen Anspruch, mit dem sie gegen ihren Erstattungsanspruch aufrechnen könne. § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI, die Norm über die Erstattungspflicht, enthalte keine Regelung über eine Entschädigung oder einen Anspruch auf Aufwendungsersatz.
Durch Urteil vom 7. September 2000 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 20,00 DM zu zahlen; die Widerklage der Beklagten auf Zahlung von 20,00 DM hat das SG abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ua ausgeführt: Der restliche Rückforderungsanspruch der Klägerin sei nicht in Höhe von 20,00 DM erloschen. Der Beklagten stehe keine aufrechenbare Forderung zu. § 118 Abs 3 SGB VI enthalte keine Anspruchsgrundlage für einen Aufwendungsersatz. § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X könne für einen derartigen Anspruch nicht entsprechend herangezogen werden, weil die Vorschrift nur für die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen gelte, die zur Ermittlung des Sachverhalts herangezogen worden seien. Eine analoge Anwendung von §§ 91, 93 SGB X bzw §§ 670, 683 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Eine Gesetzeslücke sei insoweit nicht feststellbar. Der Gesetzgeber habe bewußt keine Entschädigungsregelung zugunsten des Kreditinstituts getroffen. Die vor Normierung des Erstattungsanspruchs geltende Vereinbarung zwischen (ua) dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes habe weder eine Entschädigung noch eine Aufwandsentschädigung der Geldinstitute für die Rücküberweisung in diesen Fällen vorgesehen.
Die Beklagte hat die vom SG mit Beschluß vom 24. November 2000 zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt sinngemäß eine Verletzung von § 118 Abs 3 SGB VI und trägt vor:
Es sei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art, ob das Kreditinstitut, dem im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten Handlungspflichten auferlegt worden seien, diese unter Einsatz eigenen Vermögens erfüllen müsse, ohne einen Anspruch auf Ersatz des hiermit verbundenen Aufwandes zu haben. Entgegen der Auffassung des SG spreche der Wortlaut der Vorschrift nicht gegen einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen. Wäre dies beabsichtigt gewesen, hätte es nahe gelegen, in die Vorschrift die Worte unentgeltlich bzw kostenlos einzufügen. Öffentlich-rechtliche Hilfestellung sei nur dort „umsonst”, wo der Gesetzgeber dies ausdrücklich regele; infolgedessen seien die Vorschriften über den Auftrag bzw die Geschäftsbesorgung auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen anzuwenden. Sie werde im übrigen nicht im eigenen, sondern ausschließlich im Interesse des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung tätig. Die Grundsätze zur Auskunftspflicht des Drittschuldners (§ 840 ZPO) sowie diejenigen zur Berechnungs-, Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers bezüglich Lohnsteuer und Sozialabgaben könnten nicht entsprechend herangezogen werden. Entscheidend sei, daß die Leistungspflicht nach § 840 ZPO im Gegensatz zu ihrer Pflicht nach § 118 Abs 3 SGB VI nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse eines einzelnen Gläubigers angeordnet worden sei. In gleicher Weise gelte dies auch bezüglich der Pflichten des Arbeitgebers, die diesem im Interesse des Arbeitnehmers auferlegt worden seien. Schließlich dränge sich eine entsprechende Anwendung von §§ 91 Abs 2, 93 SGB X auf, da sie als Verrichtungsgehilfe eines Leistungsträgers tätig werde. Ihr Aufwand werde auch nicht durch die den Erben des Versicherten auferlegte Postengebühr abgegolten. Denn diese betreffe allein ein Entgelt für Leistungen des Kreditinstituts aus dem Girovertragsverhältnis, während mit dem geltend gemachten Aufwendungsersatz eine Tätigkeit für die Versichertengemeinschaft abgegolten werde.
Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. September 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
- hilfsweise, die Klägerin zu verurteilen, an sie 20,00 DM zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor:
Die Regelung in § 118 Abs 3 SGB VI sei eindeutig und abschließend. Sie ermögliche im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung überzahlter Rentenleistungen, damit die Beträge den Rentenversicherungsträgern möglichst umgehend zur Erfüllung ihrer Aufgaben wieder zur Verfügung stünden. Ihrem Erstattungsanspruch könne das Geldinstitut lediglich die in § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI genannten Einwendungen entgegensetzen. Auch eine historische Auslegung spreche gegen eine Regelungslücke. § 118 Abs 3 SGB VI habe lediglich eine bis dahin bestehende Verfahrensweise auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Eine Aufwandsentschädigung sei danach weder vorgesehen gewesen noch von den Geldinstituten geltend gemacht worden.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 22. November 2001 Auskünfte von dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband, dem Bundesverband Deutscher Banken, dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, der Klägerin und der Beklagten eingeholt; auf die jeweiligen Auskünfte (bzw diejenige des Zentralen Kreditausschusses) wird Bezug genommen.
II
Die (Sprung-)Revision der Beklagten ist unbegründet.
1. Zutreffend hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 20,00 DM zu zahlen und zu Recht auch die Widerklage der Beklagten abgewiesen.
a) Die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) hat Erfolg. Die Beklagte ist gemäß § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI verpflichtet, der Klägerin auch die restlichen 20,00 DM aus der fehlgeschlagenen Überweisung der Altersrente für den Monat August 1997 zu erstatten. Denn der Beklagten steht kein Anspruch zu, mit dem sie gegen die restliche Erstattungsforderung der Klägerin aufrechnen könnte. Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob § 118 Abs 3 Satz 4 SGB VI ein generelles Aufrechnungsverbot im Verhältnis des Geldinstituts zum Rentenversicherungsträger enthält.
b) Im Hinblick darauf, daß der Beklagten bereits keine Forderung gegen die Klägerin zusteht, ist auch die von ihr erhobene – grundsätzlich zulässige (vgl hierzu BGHZ 132, 390, 397 f) – Eventual(leistungs-)widerklage auf Zahlung von 20,00 DM unbegründet.
2. Die Beteiligten streiten letztlich nicht darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der im Hinblick auf den Tod der Versicherten fehlgegangenen Überweisung des Rentenbetrages für August 1997 hat. Unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin als Überweisender und dem Geldinstitut des Überweisungsempfängers bestehen zwar nicht; einen sog „Netzvertrag” des gesamten Verbundes des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gibt es nach der Rechtsordnung nicht (vgl hierzu Canaris in Staub, HGB, 4. Aufl, Bankenvertragsrecht, RdNr 315; Schimansky, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl, § 49 RdNr 33). Jedoch ist in § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI ein spezieller öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut normiert, der dem Rentenversicherungsträger einen unmittelbaren Zugriff auf den zu erstattenden Betrag einräumt (vgl hierzu BSGE 82, 239, 244). Begründet ist der Anspruch, weil die Überweisung des Rentenbetrages nach dem Tod des Versicherten rechtsgrundlos und die Vermögensverschiebung aus dem Vermögen des Rentenversicherungsträgers – als dessen Auszahlungsbeauftragter die Deutsche Post AG als „überweisende Stelle” tätig wird (§ 119 SGB VI) – in das Vermögen des Geldinstituts erfolgt war, auch wenn es den Betrag dem Konto des Rentners gutgeschrieben hatte. Diese Rechtshandlung des Geldinstituts ist (jedoch) mit dem Tod des Rentenberechtigten unwirksam geworden, weil die Geldleistungen nur unter dem Vorbehalt (§ 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI) auflösend bedingt (§ 158 Abs 2 BGB) erbracht werden, daß der Rentenberechtigte den Bezugsmonat der Rente erlebt (vgl BSGE 82, 239, 248 f). Im Hinblick hierauf gilt im Falle des Todes des Versicherten die Gutschrift des Geldinstituts gegenüber dem Konteninhaber „als nicht erfolgt”, so daß das Geldinstitut insoweit ungerechtfertigt bereichert ist und den Rentenbetrag an den Rentenversicherungsträger zurückzuüberweisen hat; es sei denn, die Voraussetzungen einer „Entreicherung” nach § 118 Abs 3 Satz 3 und Abs 4 Satz 1 SGB VI würden vorliegen. Hintergrund für die Haftung des Geldinstituts ist, wie der Senat bereits ausgeführt hat (vgl BSGE 82, aaO, 244), dessen faktische Verfügungsmacht über den Betrag und seine im Rahmen des Bankvertrages mit dem Kunden sich ergebenden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
3. Streit – hingegen – besteht zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte gegen den Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe einer Restforderung von 20,00 DM aufrechnen durfte und dieser (Rest-)Anspruch der Klägerin hierdurch erloschen ist (§§ 387 ff BGB). Eine Rechtsgrundlage für einen derartigen, sich aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsverhältnis ergebenden Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen (bzw auf Entschädigung) ist jedoch nicht ersichtlich.
a) § 118 Abs 3 und 4 SGB VI enthalten keine Regelung, die das Geldinstitut berechtigt, von dem Rentenversicherungsträger Ersatz (oder Entschädigung) seiner durch das Rückforderungsbegehren entstandenen bzw entstehenden Aufwendungen zu fordern.
Ein Rückgriff auf andere Anspruchsgrundlagen des öffentlichen Rechts im Wege der Analogie kommt nicht in Betracht, weil insoweit nichts für eine lückenhafte Regelung in § 118 Abs 3 und 4 SGB VI spricht. Eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie setzt gerade eine Gesetzeslücke voraus, dh eine (planwidrige) Unvollständigkeit der ausgeformten Rechtssätze (vgl hierzu Larenz, Methodenlehre des Rechts, 6. Aufl, S 370, 373). An einer derartigen planwidrigen Gesetzeslücke fehlt es bereits im Hinblick auf den Grundsatz, daß jeder Rechtsunterworfene seine gesetzliche Pflicht zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Wenn ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten im Gesetz nicht vorgesehen ist, können diese demnach grundsätzlich nicht abgewälzt werden (vgl hierzu BGHZ 141, 380, 385 f; BGH NJW 2000, 651; BVerwG NVwZ-RR 1994, 698, 699). Im Einklang damit steht, daß die von dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und den Spitzenverbänden getroffene Vereinbarung vor Normierung des § 118 Abs 3 SGB VI aus dem Jahre 1982/1983 keine entsprechende Kostenbelastung der Rentenversicherungsträger vorgesehen hat (vgl Terpitz, WM 1987, 393 f; WM 1992, 2041) und nach den Materialien (vgl BT-Drucks 11/5530, S 46 f) insoweit eine bereits bestehende Praxis (s oben) lediglich umgesetzt werden sollte. Diese „Umsetzung” erfolgte schließlich durch Normierung des § 118 Abs 3 SGB VI. Die Erläuterungen des Zentralen Kreditausschusses (ua) zu § 118 Abs 3 SGB VI aus dem Jahre 1992 (abgedruckt in WM 1992, 2078 f) enthalten ebenfalls keinen Hinweis darauf, daß die Geldinstitute davon ausgegangen sind, sie könnten Ersatz ihrer Aufwendungen von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung verlangen.
b) Ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung ihrer Aufwendungen bzw auf Entschädigung ergibt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen des öffentlichen Rechts.
aa) Die im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Vorschriften über einen Anspruch auf Aufwendungsersatz (§§ 675, 670 BGB; §§ 662, 670 BGB; §§ 677, 683 BGB) greifen bereits deshalb nicht ein, weil die Rücküberweisung nicht auf Grund einer Dienstleistung oder eines Auftrags, sondern kraft Gesetzes (und daher auch nicht ohne Auftrag) zu erfolgen hat. Das Kreditinstitut nimmt gemäß der ihm nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI übertragenen Verpflichtung eine eigene Aufgabe wahr. Mit der Erstattung (Rücküberweisung) der ihm (ohne Rechtsgrund) erbrachten Leistung handelt das Geldinstitut infolgedessen vorrangig im eigenen Interesse, in Erfüllung der ihm vom Gesetz auferlegten Verpflichtung (s oben; vgl hierzu BGH NJW 2000, 651, 652).
bb) Die Beklagte kann sich zur Begründung eines Anspruchs auch nicht auf § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X berufen. Die Vorschrift sieht eine Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vor, die zur Ermittlung des Sachverhalts herangezogen werden; insoweit wird zur Höhe des Entschädigungsanspruchs auf das ZSEG verwiesen. Eine analoge Anwendung der Vorschrift kommt bereits im Hinblick auf die gesetzlich normierte Verpflichtung des Geldinstituts und auch auf den in der Vorschrift genannten, eng begrenzten Personenkreis nicht in Betracht (vgl hierzu entsprechend BVerwG NWvZ-RR 1994, 698, 699).
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen (bzw auf Entschädigung) auch nicht aus §§ 93, 91 Abs 2 bzw aus § 97 Abs 2 SGB X. § 93 betrifft allein das Verhältnis der verschiedenen Leistungsträger iS von § 12 SGB I (iVm §§ 18 bis 29 SGB I) zueinander, zu denen die Beklagte nicht zählt; § 97 Abs 2 SGB X schließt eine Anwendung auf gesetzlich übertragene eigene Aufgaben des „Dritten” aus.
4. Der in § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI normierte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, mit dem dem Geldinstitut die Verpflichtung auferlegt worden ist, fehlgegangene Rentenüberweisungen nach dem Tode des Versicherten unentgeltlich (zurück-) zu überweisen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei der Frage, ob die von der Beklagten unentgeltlich vorzunehmende „Rücküberweisung” verfassungsgemäß ist, können die insoweit geltenden Grundsätze für die zulässige Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben herangezogen werden. Denn selbst wenn die Beklagte keine eigene, zu ihren originären Aufgaben gehörende Pflicht erfüllt und insoweit (durch „Übertragung” von Verwaltungsaufgaben) eine zulässige Indienstnahme vorgelegen hätte, so wäre die Unentgeltlichkeit der übertragenen Aufgabe verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Denn auch eine zulässige Indienstnahme Privater (wozu auch die Beklagte durch ihre Teilnahme am Privatrechtsverkehr zählt) für öffentliche Aufgaben, löst nicht schon als solche einen Anspruch auf Vergütung aus (vgl hierzu BVerfGE 22, 380, 383 ff; 30, 292, 310 f; 44, 103 f; BVerfG ZIP 2000, 1769, 1770 ff; BGHZ 136, 261, 266; BGH NJW 2000, 651; vgl zur Indienstnahme Privater: Breuer in Handbuch des Staatsrechts, VI, § 148 RdNr 28; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S 197 ff; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl, § 42 IV RdNr 11 f; Depenheuer, Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, 1218). Denn jeder Rechtsunterworfene hat grundsätzlich die Aufwendungen, die durch die Erfüllung seiner ihm dem Staat gegenüber bestehenden Pflichten erwachsen, als Teil seiner Gemeinkosten zu tragen (vgl hierzu BVerfGE 30, 292, 311; NJW 2001, 1269 f). Ob die damit verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastungen noch angemessen und zumutbar sind, ist – sodann – eine verfassungsrechtliche Frage, die die Wirksamkeit der diese Pflichten begründenden Norm betrifft (vgl BVerfGE 22, 380, 383 ff).
a) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab in diesen Fällen ist das Grundrecht des Art 12 Abs 1 GG, das dem Grundrechtsträger die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung gewährleistet und auch auf juristische Personen wegen des nicht personalgebundenen Berufsbegriffs gemäß Art 19 Abs 3 GG anwendbar ist (vgl hierzu BVerfGE 97, 228, 252 f mwN). Das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung umschließt die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit denen, die an dieser Leistung interessiert sind, auszuhandeln (vgl hierzu BVerfG ZIP 2000, aaO). Ein Gesetz, das die Berufsausübung regelt, ist jedoch erst dann verfassungswidrig, wenn es bei der betroffenen Berufsgruppe generell das Übermaßgebot verletzt (vgl hierzu BVerfGE 30, 292, 315 f). Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 118 Abs 3 und 4 SGB VI, die es den Geldinstituten verwehrt, bei fehlgeschlagenen Überweisungen infolge des Todes des Versicherten für die Bearbeitung der Rücküberweisungsaufträge Aufwendungsersatz zu verlangen, greift (bei unterstellter Indienstnahme) in diese Freiheit ein (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 47, 285, 321; 101, 331, 347). Um eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl der Beklagten würde es sich hingegen nicht handeln. Denn nicht dargetan und auch nicht ersichtlich ist, daß durch die übertragene Pflicht sich der Gewinn der einzelnen Geldinstitute so weit mindert, daß diese sich zur Aufgabe ihres bisherigen Berufs veranlaßt sehen (vgl hierzu BVerfGE 30, 292, 313 f).
Mit Art 12 Abs 1 GG ist eine unentgeltliche (hier unterstellte) Indienstnahme nur vereinbar, wenn der (unterstellte) Eingriff auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Regelungsziels geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl BVerfGE 94, 372, 390). Diesen Anforderungen genügt § 118 Abs 3 SGB VI.
aa) Die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit der Geldinstitute bei Erstattung fehlgeschlagener, dh ohne Rechtsgrund (auch gegenüber dem Kontoinhaber) erfolgter Überweisungen dient in erster Linie dem Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an einem schnellen Rückfluß der Beträge, aber – auch – der Verwaltungsvereinfachung und damit der Effizienz der Arbeit der Rentenversicherungsträger. Hierin liegt der Gemeinwohlbelang, der die Regelung (bei unterstelltem Eingriff) hinreichend rechtfertigt.
bb) Die Regelung wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn sie ist zur Erreichung des Regelungsziels geeignet und erforderlich, da sie einen umgehenden Rückfluß der der Solidargemeinschaft zustehenden Leistungen gewährleistet, und damit zur Erhaltung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung beiträgt. Ein gleich wirksames, weniger belastendes Mittel ist nicht erkennbar. Dies gilt auch bezüglich der – hier nicht streitigen – Pflichten des Geldinstituts aus § 118 Abs 4 SGB VI; insbesondere wäre ein vom Rentenversicherungsträger mit Hilfe der Gerichte durchsetzbarer Anspruch ausschließlich gegen den jeweiligen Konteninhaber zeitraubend, da dem Rentenversicherungsträger die zur Durchsetzung des Anspruchs notwendigen Angaben (Name des Kontoinhabers bzw des Rechtsnachfolgers des Versicherten, Kontenstand und Kontenbewegung) nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen. Im Gegensatz dazu kann das Geldinstitut, bei dem das Konto geführt wird, die nötigen Angaben aus dem bereits vorhandenen Datenbestand leicht entnehmen. Außerdem würden dadurch die in das Vermögen des Geldinstituts gelangten Rentenbeträge nicht erfaßt.
cc) Die Belastung der betroffenen Geldinstitute mit der Erstattung rechtsgrundlos erlangter Geldzahlungen ist weder unangemessen noch unzumutbar. Es kann zwar davon ausgegangen werden, daß die Verpflichtung zu einem Mehraufwand führt. Dieser ist jedoch erträglich, da die Verpflichtung sich an die übliche Banktätigkeit anlehnt. Infolgedessen können die beim Geldinstitut nach § 118 Abs 3 (und 4) SGB VI anfallenden Aufgaben in der Regel leicht und ohne größeren Zeitaufwand wahrgenommen werden. Die Verpflichtung zur Rücküberweisung erstreckt sich im wesentlichen auf das formelle Rückforderungsbegehren (sowie – falls „Entreicherung” geltend gemacht wird ≪oder nach Abs 4 aaO≫ – auf die Auskunft über die aus den „Unterlagen” erkennbaren Kontenbewegungen). Eigene Ermittlungen hat das Geldinstitut nicht anzustellen (vgl hierzu auch Erläuterungen des Zentralen Kreditausschusses zu § 118 Abs 3 SGB VI, aaO).
dd) An der Pflicht, die entstehenden Kosten selbst zu tragen, würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Erstattung mit einem darüber hinausgehenden Mehraufwand verbunden sein sollte oder das Geldinstitut häufiger (Rück-)Erstattungsbegehren ausgesetzt wäre. Eine allgemeine Pflicht des Gesetzgebers, die Adressaten – hier unterstellter – öffentlicher Lasten durch positive Maßnahmen vor Rentabilitätsminderungen zu schützen, läßt sich verfassungsrechtlich nicht begründen (so BVerfGE 30, 292, 325). Den Geldinstituten ist es im übrigen nicht verwehrt, die Kosten – soweit es die Marktlage zuläßt – in die Berechnung der Entgelte mit einzubeziehen, die von den Kunden insgesamt verlangt werden. Ein Entgelt (Gebühr) für die „Rücküberweisung”, soweit sie dem Kontoinhaber in Rechnung gestellt wird, stellt einen Beitrag zu den Gemeinkosten des Giro- und Einlagengeschäfts dar, die grundsätzlich aus den im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreisen erwirtschaftet werden können (vgl hierzu entsprechend BGHZ 136, 261, 266; 141, 380, 388 f).
ee) Auch im Hinblick hierauf kann dahinstehen, ob und inwieweit die Rentenbeträge den Kreditinstituten – typisierend betrachtet – in dem Zeitraum zwischen dem effektiven Abgang der Beträge bei der „Zahlstelle” (Postrentendienst), dem effektiven Zugang bei der Empfängerbank und der Gutschrift auf dem Konto des Renteninhabers sowie danach zur Anlage zur Verfügung stehen (vgl hierzu Pleyer/Huber, Wertstellungen und Überweisungslaufzeiten im Giroverhältnis, ZIP 1987, 424, 433; Canaris, aaO, RdNr 317; Schimansky, aaO, § 47 RdNr 34). Ebenfalls kann offen bleiben, inwieweit Kreditinstitute unabhängig von der zurückvalutierten Wertstellung (vgl BGHZ 135, 316, 319, dazu aber auch Art 228 Abs 3 EGBGB) die Möglichkeit haben, mit Eingang der Rentenbeträge bei der Empfängerbank bis zur Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers höhere Zinsen zu erzielen, indem sie diese Beträge als Tagesgelder mit einem höheren Zinssatz als dem mit dem jeweiligen Kontoinhaber vereinbarten zur Verfügung stellen. Denn jedenfalls ist davon auszugehen, daß ein Teil der jeweiligen Rentenbeträge auf den Konten der Geldinstitute verbleibt und deren Erträge erhöht (sog Bodensatz; vgl hierzu entsprechend BVerfG ZIP 2000, 1769, 1772; Canaris, aaO, RdNr 317; Derleder/Metz, Die Nebenentgelte der Banken – Zur Zulässigkeit der einzelnen Gebühren –, ZIP 1996, 621, 624).
b) Ebenfalls kann dahinstehen, ob (auch) der Schutzbereich des Art 14 GG berührt wäre, wenn die einem Geldinstitut auferlegten Erstattungspflichten (bei unterstellter Indienstnahme) so weit gingen, daß sie sich im wirtschaftlichen Ergebnis als Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebes darstellten. Denn ein solcher Fall liegt hier erkennbar nicht vor.
c) Nicht ersichtlich ist, daß die Beklagte als Mitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zu einer abgrenzbaren Gruppe von Kreditinstituten gehört, die durch die Pflicht zur unentgeltlichen Rücküberweisung der in ihr Vermögen gelangten oder auf den bei ihr geführten Konten vorhandenen Rentenbeträge im Falle des Todes von Versicherten im Vergleich zu anderen, in einem anderen Verband zusammengeschlossenen Kreditinstituten ungleich schwerer belastet wird. Bereits im Hinblick auf die Gesamtsumme der von ihr selbst genannten Renteneingänge von 4,6 Mio Euro ist auch insoweit davon auszugehen, daß ein Teil des Geldes auf den jeweiligen Konten verbleibt und ihre Erträge erhöht (vgl hierzu entsprechend BVerfG ZIP 2000, 1769, 1772).
Die Revision hat mithin keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
EWiR 2002, 729 |
NZA 2002, 438 |
WM 2002, 2144 |
WuB 2003, 9 |
ZIP 2002, 517 |
NZS 2003, 41 |
SozR 3-2600 § 118, Nr. 8 |
SozVers 2002, 334 |
ZBB 2002, 120 |