Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.11.1990; Aktenzeichen L 4 J 168/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1990 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Zwischen den Beteiligten ist insbesondere umstritten, ob die Wartezeit von 60 Kalendermonaten aufgrund der in der Türkei, der Schweiz und in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten erfüllt ist.

Der 1929 geborene und am 28. September 1991 verstorbene Ehemann der Klägerin (im folgenden: Versicherter) war früher türkischer Staatsangehöriger und wurde am 18. März 1983 in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert. Vom 30. Mai 1955 bis 30. November 1956 leistete der Versicherte in der türkischen Armee Wehrdienst. Während der ersten sechs Monate absolvierte er eine Offiziersschule und war danach bis zu seiner Entlassung (Werk-)Leutnant. Bei der türkischen Pensionskasse ist insoweit die Zeit von Dezember 1955 bis November 1956 (= 12 Monate) als Versicherungszeit vorgemerkt. Außerdem ist nach der Bescheinigung der Generaldirektion der Pensionskasse in Ankara vom 8. November 1983 ein „Zuschlag auf effektive Dienste” von drei Monaten anrechenbar. Weder vor noch nach dem Wehrdienst sind für den Versicherten Beiträge zur türkischen Sozialversicherung entrichtet worden.

Vom 20. Juni 1963 bis 30. März 1965 arbeitete der Versicherte in der Schweiz versicherungspflichtig als Plattstichweber. In der schweizerischen Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung sind nach Mitteilung der Schweizerischen Ausgleichskasse in Genf vom 16. Dezember 1984 Beiträge für 21 Kalendermonate nachgewiesen.

In der Bundesrepublik Deutschland war der Versicherte von Juli 1965 bis Juni 1967 (= 24 Monate) versicherungspflichtig beschäftigt. Danach betrieb er bis April 1982 in B. O. … einen Handel mit Kunstgewerbearbeiten und war gleichzeitig als Kunstmaler tätig. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden insoweit nicht abgeführt.

Im Dezember 1983 beantragte der Versicherte bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Das daraufhin eingeholte medizinische Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, daß der Versicherte seit 1983 zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Mit Bescheid vom 8. Januar 1985 lehnte die als Verbindungsstelle zur Schweiz eingeschaltete Beigeladene den Rentenantrag mit der Begründung ab, daß die erforderliche Wartezeit von mindestens 60 Kalendermonaten Versicherungszeit auch unter Anrechnung der schweizerischen Beitragszeiten nicht erfüllt sei. Da der Versicherte auch eine Beitragsleistung zur türkischen Rentenversicherung angegeben hatte, wurden die Akten zur Überprüfung an die Beklagte weitergeleitet. Diese erteilte unter dem 20. Februar 1985 ebenfalls einen ablehnenden Bescheid, weil es an dem Erfordernis der Wartezeit fehle. Dabei berücksichtigte sie neben den in der deutschen Sozialversicherung zurückgelegten 24 Kalendermonaten eine türkische Versicherungszeit von 12 Monaten. Die hiergegen erhobene Klage blieb ebenso wie die Berufung ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Detmold vom 13. Juli 1989 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1990). Das LSG hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

Im Gegensatz zur Auffassung des SG sowie der Beklagten und Beigeladenen sei die türkische Versicherungszeit von 12 Monaten um einen Zuschlag von drei Monaten zu erhöhen, weil nach der für den deutschen Versicherungsträger bindenden Feststellung der Generaldirektion der Pensionskasse der Türkei in Ankara nach dortigem Recht insgesamt 15 Monate angerechnet würden. Wenn daher rein rechnerisch – die Versicherungszeiten in der Türkei, der Schweiz und in Deutschland zusammengenommen – 60 Kalendermonate vorhanden seien, so sei gleichwohl die Wartezeit nicht erfüllt, denn eine kumulative oder multilaterale Zusammenrechnung aller Zeiten sei mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht möglich. Ihr stehe insbesondere Nr 2 des Schlußprotokolls (SP) zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit (DSSVA) entgegen. Die darin enthaltene sogenannte Ausschluß- oder Abwehrklausel sei sowohl völkerrechtlich zulässig als auch verfassungsgemäß.

Gegen dieses Urteil hat der Versicherte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Nach seinem Tode hat die Klägerin den Rechtsstreit aufgenommen. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:

Das LSG habe die fragliche Schlußbestimmung zum DSSVA in rechtlich unrichtiger Weise gewertet. Sinn und Zweck der Bestimmungen über die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten sei es, daß die Bürger der jeweiligen Staaten, zwischen denen solche bilateralen Verträge bestünden, ungehindert in der Lage sein sollten, grenzüberschreitend zu arbeiten, ohne dabei berücksichtigen zu müssen, daß die jeweiligen Rentenanwartschaften gefährdet seien. Ein Ausschluß der Möglichkeit, die in verschiedenen Vertragsstaaten erworbenen Zeiten zusammenzurechnen, stehe diesem Ziel entgegen. Im übrigen habe der Versicherte vorrangig von dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit (DTSVA) ausgehen müssen, das bei Rentenantragstellung keine Abwehrklausel enthalten habe. Die erstrebte multilaterale Zusammenrechnung würde auch keine unerwünschte Belastung anderer Vertragsstaaten bewirken, da es hier lediglich um eine Belastung der deutschen Rentenversicherung gehe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 30. November 1990, das Urteil des SG vom 13. Juli 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Januar 1984 zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie halten das angegriffene Urteil für zutreffend.

Um die Bedeutung der Abwesenheitsklauseln in den hier einschlägigen Sozialversicherungsabkommen zu klären, hat der Senat eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 21. September 1992 eingeholt und sich von Assessor R., … Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München, ein schriftliches Sachverständigengutachten zum ausländischen Recht erstatten lassen, das vom 10. November 1992 datiert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 1993 sind Ministerialrat K., … BMA, und Assessor R. … zu den vorliegenden schriftlichen Äußerungen sowie den damit in Zusammenhang stehenden Fragen als Sachverständige gehört worden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Der Eintritt der Klägerin in das Verfahren (vgl § 202 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ iVm §§ 239, 250 der Zivilprozeßordnung) beruht auf ihrer Rechtsnachfolge als Witwe des Versicherten gemäß § 56 Abs 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I).

Die Revision ist nicht begründet. Dem Versicherten stand keine Rente wegen EU zu, denn die Wartezeit war nicht erfüllt. Der Anspruch des Versicherten richtet sich noch nach § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil er sich auf einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261, ber 1990 I S 1337) am 1. Januar 1992 bezieht und bis zum 31. März 1992 geltend gemacht worden ist (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches ≪SGB VI≫). Da Antragstellung und Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bereits im Jahre 1983 lagen, ist noch die bis zum 31. Dezember 1983 geltende Fassung des § 1247 RVO (aF) anwendbar (vgl auch Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes). Nach § 1247 Abs 1 RVO aF erhält Rente wegen EU der Versicherte, der eu ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Letzteres ist ua der Fall, wenn vor Eintritt der EU eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt ist (§ 1247 Abs 2 Buchst a RVO aF). Auf die Wartezeit für die Rente wegen EU werden nach § 1249 Satz 1 RVO aF die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten iS von § 1250 RVO aF angerechnet. Gemäß § 1250 Abs 1 RVO aF sind anrechnungsfähige Versicherungszeiten

  1. Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten),
  2. Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten).

Allein aufgrund dieser Bestimmungen erreichte der Versicherte die erforderlichen 60 Kalendermonate nicht. An danach anrechnungsfähigen Versicherungszeiten sind bei ihm nämlich lediglich 24 Kalendermonate nachgewiesen, da nur von Juli 1965 bis Juni 1967 Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind (§ 1250 Abs 1 Buchst a RVO aF). Weitere nach dieser Vorschrift anrechenbare Versicherungszeiten liegen nach den Feststellungen des LSG, an die das Bundessozialgericht (BSG) mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (vgl § 163 SGG), nicht vor.

Allerdings könnte der Versicherte die Wartezeit erfüllt haben, wenn seinen 24 deutschen Beitragsmonaten aufgrund der einschlägigen Sozialversicherungsabkommen die von ihm im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten hinzugerechnet werden dürften. Neben 21 schweizerischen Monaten kommt dabei die Berücksichtigung von 15 türkischen Monaten in Betracht, womit sich rechnerisch der erforderliche Gesamtbetrag von 60 Kalendermonaten ergeben würde.

Die Anrechnung der vom Versicherten in der Türkei zurückgelegten Zeiten richtet sich nach dem DTSVA vom 30. April 1964 (BGBl 1965 II S 1169) idF des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 (BGBl 1986 II S 1038). Denn dieses Zusatzabkommen gilt nach seinem Art 2 Abs 1 auch für die vor seinem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfälle. In Art 27 DTSVA ist geregelt:

Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsparteien anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden, so werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei anrechnungsfähig sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen. In welchem Ausmaß Versicherungszeiten anrechnungsfähig sind, richtet sich nach den Rechtsvorschriften, die die Anrechnungsfähigkeit bestimmen.

Nach der Definition in Art 1 Nr 12 DTSVA bedeutet der Ausdruck „Versicherungszeiten” in bezug auf die Türkei die Versicherungszeiten iS der anzuwendenden Rechtsvorschriften.

Aufgrund dieser Vorschriften kann bei dem Versicherten, der als früherer türkischer und späterer deutscher Staatsbürger zu dem vom DTSVA erfaßten Personenkreis gehörte (vgl Art 3 DTSVA), jedenfalls eine Wehrdienstzeit von 12 Monaten (Dezember 1955 bis November 1956) zur Erfüllung der deutschen Wartezeit berücksichtigt werden. Ob dies auch für die dreimonatige „Zuschlagszeit” gilt, die von dem türkischen Träger bescheinigt worden ist, läßt sich nicht ohne weiteres beantworten.

Zunächst ist dem DTSVA nicht zu entnehmen, daß die Beklagte – wie das LSG annimmt – bei der Feststellung der türkischen Versicherungszeiten an die Mitteilung des türkischen Versicherungsträgers zur Anrechenbarkeit dieser Zeiten gebunden ist. Die bisherige Rechtsprechung des BSG gibt dazu keine eindeutigen Hinweise (vgl einerseits BSG SozR 6675 Art 27 Nr 2 S 3; andererseits BSGE 64, 303, 304 f; allgemein auch Gobbers, Gestaltungsgrundsätze des zwischenstaatlichen und überstaatlichen Sozialversicherungsrechts, 1980, S 76). Nach der Aussage des Sachverständigen K. … ist eine Übernahme der Mitteilungen ausländischer Verbindungsstellen zwar üblich, jedoch ist eine Überprüfung dieser Angaben durch deutsche Versicherungsträger nicht ausgeschlossen.

Eine eigenständige Prüfung der Anrechenbarkeit der Zuschlagszeit wirft weitere Fragen auf. Der Regelung des Art 27 DTSVA ist zu entnehmen, daß für die Berücksichtigung türkischer Zeiten bei der Erfüllung der deutschen Wartezeit die Anrechenbarkeit dieser Zeiten nach türkischem Recht maßgebend sein soll (vgl BSGE 64, 303, 304 f; allgemein auch Frank, in: von Maydell/Ruland, Sozialrechtshandbuch ≪SRH≫, D 31 RdZiffn 70 ff). Wie in Art 27 Satz 2 DTSVA ausdrücklich geregelt, hat sich gerade auch das Ausmaß der Anrechnung hier nach türkischem Recht zu richten.

Nach § 32 Buchst a des türkischen Rentenversicherungsgesetzes Nr 5434 werden für jedes volle Jahr, das Offiziere in der türkischen Armee als aktive Dienstzeit zurücklegen, drei Monate als zusätzliche Versicherungszeit hinzuaddiert. Der Senat kann diese Feststellung zum – nicht revisiblen – ausländischen Recht hier trotz § 162 SGG treffen, weil das LSG, indem es nur auf die Bindung der Bescheinigung des türkischen Trägers abgestellt hat, auf den Inhalt des türkischen Rechts nicht eingegangen ist (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1992 – 13 RJ 9/91 – Umdruck S 9 mwN).

Angesichts des in Art 27 DTSVA niedergelegten Grundsatzes kann der Anrechnung des hier streitigen Dienstzeitzuschlages nicht allgemein entgegengehalten werden, daß es derartige fiktive Zeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht gibt. Nach der ratio legis der gegenseitigen Gleichbehandlung der jeweiligen Versicherten beider Vertragsparteien ist es dem jeweils zuständigen Versicherungsträger verwehrt, den Leistungsanspruch mit der Begründung abzulehnen, das eigene nationale Recht sehe die im anderen Recht gegebene Anrechnungsfähigkeit so nicht vor (vgl BSGE 64, 303, 305). Diese Beurteilung widerspricht nicht der vom erkennenden Senat in seiner Entscheidung vom 23. April 1992 – 13 RJ 9/91 – vertretenen Auffassung. Danach kann eine Rechtsposition, die im Erwerb jugoslawischer Zeiten „in erhöhter Dauer” liegt, den nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten nicht in vollem Umfang gleichgestellt werden. Vielmehr sind derartige Zeiten nach § 15 des Fremdrentengesetzes nur in der tatsächlichen Dauer der ihnen zugrunde liegenden Beschäftigung anzurechnen. Diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf das vom Eingliederungsprinzip geprägte Fremdrentenrecht, sie kann nicht auf die Auslegung zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen erstreckt werden, die anderen Grundsätzen zu folgen hat.

Einer Berücksichtigung der türkischen Zuschlagszeit könnte jedoch Art 38 DTSVA entgegenstehen. Dieser lautet:

Sind bei Anwendung der Rechtsvorschriften der einen Vertragspartei nach den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei zurückgelegte Beitragszeiten zu berücksichtigen, so gelten sieben nach den türkischen Rechtsvorschriften zurückgelegte Beitragstage als ein nach den deutschen Rechtsvorschriften entrichteter Wochenbeitrag und umgekehrt und dreißig nach den türkischen Rechtsvorschriften zurückgelegte Beitragstage als ein nach den deutschen Rechtsvorschriften entrichteter Monatsbeitrag und umgekehrt. Die während eines Kalenderjahres nach den türkischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Beitragstage können bei Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften höchstens als ein Versicherungsjahr oder als zwölf Kalendermonate gelten.

Es handelt sich dabei um Umrechungsbestimmungen, die eingreifen, wenn – wie hier – für eine eigene Leistung Beitragszeiten des anderen Vertragsstaates zu berücksichtigen sind (vgl RVO-Gesamtkommentar/Baumeister, Türkei/Abkommen, Art 38 Anm 1). Ihrem Wortlaut nach beziehen sie sich zunächst nur auf die wechselseitige Übertragung der nach unterschiedlichen Maßeinheiten (Beitragstage, Wochenbeiträge, Monatsbeiträge) gemessenen Versicherungszeiten von einem Versicherungssystem in das andere. Die dabei erforderliche Umrechnung hat unter Beachtung der Höchstbetragsregelung des Satzes 2 zu erfolgen. Nach Ansicht des Sachverständigen K. … kann sich diese Höchstbetragsgrenze darüber hinaus auch gegenüber der Anrechnung von Zuschlagszeiten auswirken, wenn diese zusammen mit den ansonsten anrechenbaren türkischen Versicherungszeiten ein Jahr überschreiten (vgl auch RVO-Gesamtkommentar/Baumeister, aaO, Anm 2). Diese Auslegung erscheint jedoch nicht als zwingend. Denkbar wäre auch ein am Wortlaut orientiertes Verständnis. Danach würde Satz 2 lediglich verhindern, daß bei der Umrechnung türkischer Beitragstage in „deutsche” Versicherungsmonate oder -jahre die während eines Kalenderjahres zurückgelegten Beitragstage mehr als zwölf Kalendermonate oder ein Versicherungsjahr ergeben. Abgesehen davon wäre hier im Versicherungsverlauf des Versicherten – mangels anderer anrechenbarer Zeiten – in den Kalenderjahren 1955 und 1956 noch „Platz” für die Unterbringung der dreimonatigen Zuschlagszeit: Im Jahre 1955 sind 11, im Jahre 1956 ist 1 Monat frei. Falls die Zuschlagszeit – wie der Versicherte in den Vorinstanzen geltend gemacht hat – auch als ein Ausgleich für den versicherungsfreien Besuch der während des Wehrdienstes absolvierten Offiziersschule gedacht war, liegt es sogar nahe, sie dem Zeitraum von Mai bis November 1955 zuzuordnen. Sollte Art 38 Satz 2 DTSVA dagegen so gemeint sein, daß Zuschlagszeiten – wie offenbar der Sachverständige K. … annimmt – nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie zusammen mit den dazugehörigen „regulären” Versicherungszeiten nicht mehr als 1 Jahr ergeben, so bestünden gegen eine solche Regelung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes des Grundgesetzes (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedenken. Denn es ist nicht erkennbar, welchen sachlichen Grund eine solche Beschränkung haben könnte, die zB gerade länger dienende Offiziere benachteiligen würde.

Letztlich braucht die Frage, ob die hier streitige Zuschlagszeit beim Versicherten zur Erfüllung der deutschen Wartezeit zu berücksichtigen ist, vom erkennenden Senat jedoch nicht entschieden zu werden. Allerdings liegen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG keine weiteren in der Türkei zurückgelegten und dort anrechenbaren Zeiten vor, die ein Zurückgreifen auf den Zuschlag von drei Monaten als überflüssig erscheinen lassen könnten. Selbst wenn die Zuschlagszeit hier zu berücksichtigen wäre und dem Versicherten damit insgesamt 15 Monate als türkische Versicherungszeit gutgebracht werden könnten, scheitert die Erfüllung der Wartezeit bei ihm jedenfalls daran, daß die unter Berücksichtigung der 24 deutschen Beitragsmonate noch fehlenden 21 Kalendermonate nicht durch die von ihm in der Schweiz zurückgelegte Versicherungszeit abgedeckt werden können. Eine derartige mulitlaterale Zusammenrechnung der hier betroffenen Versicherungszeiten ist entgegen der Auffassung der Klägerin rechtlich nicht möglich.

Im Zeitpunkt seiner Rentenantragsstellung wurde der Versicherte als (eingebürgerter) Deutscher vom personellen Anwendungsbereich des DSSVA erfaßt (vgl Art 3 DSSVA). Zur Anrechnung von Versicherungszeiten enthält Art 11 Abs 1 DSSVA vom 24. Februar 1964 (BGBl 1965 II S 1293) idF des Zusatzabkommens vom 9. September 1975 (BGBl 1976 II S 1371) folgende Regelung:

Sind nach den deutschen Rechtsvorschriften für den Erwerb von Leistungsansprüchen anrechnungsfähige Versicherungszeiten von mindestens 12 Kalendermonaten vorhanden, so werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den deutschen Rechtsvorschriften auch die nach den schweizerischen Rechtsvorschriften anrechnungsfähigen Versicherungszeiten berücksichtigt, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen.

Diese Bestimmung spricht zunächst für eine unbeschränkte Berücksichtigung der in der Schweiz zurückgelegten Zeiten bei der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die Erfüllung von Anspruchsvoraussetzungen. Jedenfalls ergibt sich aus ihrer Rechtsnatur als „Abkommenszeiten” noch nicht, daß die türkischen und die schweizerischen Zeiten des Versicherten nicht gleichzeitig mit den deutschen Versicherungszeiten bei der Prüfung des Wartezeiterfordernisses berücksichtigt werden können. Vielmehr hat der deutsche Versicherungsträger nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats des BSG vom 29. Mai 1984 (GS 1 bis 3/82 – BSGE 57, 23) dabei außer den deutschen Versicherungszeiten grundsätzlich alle Versicherungszeiten anzurechnen, die nach zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik mit anderen Staaten zu berücksichtigen sind. Dieser multilaterale Effekt wird vor allem damit begründet, daß die völkerrechtlichen Vertragsbestimmungen über die Anrechnung ausländischer Versicherungszeiten durch die jeweiligen deutschen Zustimmungsgesetze in das innerstaatliche Recht „transformiert” werden (vgl zB BSGE 34, 90, 91 f; 51, 5, 9; 57, 23, 28 f; allgemein zur Transformationswirkung von Zustimmungsgesetzen: BVerfGE 6, 290, 294; 29, 348, 360 f). Damit erlangt jede anrechenbare Abkommenszeit in bezug auf ihre Fähigkeit, in die innerstaatliche deutsche Wartezeit einzugehen, im Prinzip die gleiche Qualität wie eine deutsche Versicherungszeit iS von § 1249 Satz 1, § 1250 RVO (vgl BSGE 57, 23, 30). Allerdings bewirkt die Transformation keine inhaltliche Änderung der betreffenden Vertragsnorm, diese wird vielmehr nur mit ihrem jeweiligen Regelungsgehalt innerstaatlich anwendbar (vgl zB von Maydell, DRV 1983, 186, 198; derselbe, SGb 1985, 516, 517). Eine völkerrechtlich vereinbarte Sperre gegen die Verknüpfung mehrerer Abkommenszeiten setzt sich daher auch im innerstaatlichen Recht gegen den allgemeinen Grundsatz einer Zusammenrechnung aller berücksichtigungsfähigen Versicherungszeiten durch (vgl BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 6; ähnlich auch Baumeister, RV 1985, 64, 65; Wanders, DRV 1982, 60, 73 f; zweifelnd Gobbers, Grundsätze, aa0 S 139). Ob eine derartige Verknüpfungssperre hier eingreift, ist im Wege der Auslegung der einschlägigen Abkommen zu ermitteln.

Zunächst enthalten beide hier einschlägigen Sozialversicherungsabkommen Klauseln, wonach sich das jeweilige Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland ua auf die Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung der Arbeiter bezieht, soweit sie sich nicht aus zwischenstaatlichen Verträgen und überstaatlichem Recht ergeben oder zu deren Ausführung dienen (vgl Art 2 DTSVA und DSSVA). Zu entsprechenden Bestimmungen hat das BSG bereits entschieden, daß sie einer multilateralen (kumulativen) Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten nicht im Wege stehen (vgl BSG SozR 2200 § 1250 Nr 11 S 11 f; BSGE 34, 90, 92 ff; 57, 23, 30; BSG SozR 6675 Art 26 Nr 2 S 5; SozR 6710 Art 4 Nr 7 S 17 f; SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 4). Zweck dieser Klauseln soll es lediglich sein, die Belastung eines Vertragsstaates durch vom anderen Vertragsstaat mit dritten Staaten abgeschlossene Abkommen zu verhindern. Ob diese enge Auslegung zwingend ist (kritisch dazu zB Marten, SozVers 1975, 205, 208; Wanders, DRV 1982, 60, 67), braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, denn es sind im vorliegenden Fall noch andere, deutlichere Vertragsbestimmungen zu beachten.

Durch Art 1 Nr 20 des Zusatzabkommens vom 9. September 1975 erhielt Nr 2 SP zum DSSVA folgende Fassung:

Sind außer den Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens auch die Voraussetzungen für die Anwendung eines anderen Abkommens oder einer überstaatlichen Regelung erfüllt, so läßt der deutsche Träger bei Anwendung des Abkommens das andere Abkommen oder die überstaatliche Regelung unberücksichtigt, soweit diese nichts anderes bestimmen.

Eine ähnliche Klausel wurde durch Art 1 Nr 32 des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 als Nr 2 Buchst b in das SP zum DTSVA aufgenommen. Beide SP sind Bestandteil des dazugehörigen Abkommens (Art 56 DTSVA, Art 45 DSSVA).

Zur Ermittlung der Bedeutung der genannten „Abwehrklauseln” sind trotz ihrer Transformation in das innerstaatliche Recht grundsätzlich völkerrechtliche Auslegungsregeln heranzuziehen (vgl zB Boehmer, Der völkerrechtliche Vertrag im deutschen Recht, 1965, S 88). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung bei zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen engere Auslegungskriterien zugrunde gelegt als bei innerstaatlichen Gesetzen (vgl zB BSGE 36, 125, 126; 39, 284, 287; BSG SozR 6580 Art 5 Nr 1 S 3; BSGE 55, 131, 134). Nach Art 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (Wiener Vertragskonvention – WVK) vom 23. Mai 1969 (BGBl 1985 II S 926; für die Bundesrepublik in Kraft getreten am 20. August 1987, BGBl II S 757), der insoweit bereits zuvor geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert (vgl Brötel, Jura 1988, 343 ff mwN), ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (ebenso BSGE 63, 282, 284; vgl allgemein Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 6. Aufl 1987, RdZiffn 332 ff).

Dem Vertragstext eines Sozialversicherungsabkommens kommt im allgemeinen bei der Auslegung eine größere Bedeutung zu, als sonst dem Gesetzeswortlaut (vgl BSGE 36, 125, 126; 39, 284, 287; BSG SozR 2200 § 1233 Nr 7 S 4; BSGE 55, 131, 134; BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 11 S 26). Ausgehend vom Wortlaut kann dabei aber auch der Vertrag in seiner Gesamtheit mit seinen Grundgedanken und seinem Zweck Berücksichtigung finden, soweit diese im Text Niederschlag gefunden haben (vgl Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, 1963, S 58 ff). Wenn der deutsche Träger nach Nr 2 SP zum DSSVA bei der Anwendung dieses Abkommens andere Abkommen unberücksichtigt lassen soll, bedeutet dies im vorliegenden Zusammenhang, daß er bei der Prüfung der Wartezeiterfüllung neben schweizerischen Versicherungszeiten (vgl Art 11 DSSVA) nicht auch andere ausländische Versicherungszeiten heranziehen darf, deren Berücksichtigungsfähigkeit sich aus einem anderen Sozialversicherungsabkommen (zB Art 27 DTSVA) ergibt. Dementsprechend wird in der Literatur die Auffassung vertreten, Nr 2 SP stelle iVm Art 2 DSSVA klar, daß eine multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten nicht zulässig sei (vgl Kammerer, Nbl LVA Baden 1976, 261, 267; Preiß, Mitt LVA Oberfranken und Mittelfranken 1980, 362, 369; Reich, DAngVers 1976, 345, 350; Schuler/Schulte, SGb 1981, 314, 315; Wanders, DRV 1982, 60, 67 f). Auch der erkennende Senat hat diese Klausel des DSSVA – jedenfalls soweit es aus anderen von der Bundesrepublik abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen begünstigte Drittstaater betrifft – als „Verknüpfungssperre” angesehen, die einer Zusammenrechnung von verschiedenen Abkommenszeiten entgegensteht, wenn das andere Abkommen – wie hier das DTSVA – nichts anderes bestimmt (vgl BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 5 f). Entsprechendes muß für Nr 2 Buchst b SP zum DTSVA gelten (vgl Ebenhöch, Kompaß 1987, 118, 119; Költzsch, DAngVers 1985, 239, 240; Schieffer, Amtl Mitt LVA Rheinprovinz 1987, 46, 47; Wißmeyer, Mitt LVA Oberfranken und Mittelfranken 1987, 129, 150, 160).

Im vorliegenden Fall bleibt daher zu entscheiden, ob sich die fraglichen Abwehrklauseln in dieser Weise auch auf das Verhältnis der durch die Verträge begünstigten deutschen Staatsangehörigen zum deutschen Versicherungsträger auswirken. Die Auslegung der Abwehrklauseln bereitet in diesem Punkt besondere Schwierigkeiten, weil es sich hierbei um eine innerstaatliche Frage handeln könnte, auf die sich möglicherweise der Vertrag nicht bezieht (vgl Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 28. August 1991 – 13/5 RJ 40/89 –, Umdruck S 14). Dies zeigen auch die Aussagen der in diesem Verfahren gehörten Sachverständigen, die aufgezeigt haben, daß die multilaterale Zusammenrechnung im Recht der hier betroffenen Vertragspartner ohnehin ausscheidet (R. …) und die Abwehrklauseln allein auf Wunsch der deutschen Seite eingefügt wurden (K. …). Zu dieser Frage hat der 11. Senat des BSG bereits in seinem Urteil vom 8. März 1972 (BSGE 34, 90, 93) die Auffassung vertreten, daß es nicht Gegenstand eines zweiseitigen Abkommens sein könne, wie zu verfahren ist, wenn anrechnungsfähige ausländische Versicherungszeiten zusammentreffen. Andererseits hat es der Große Senat des BSG ausdrücklich offen gelassen, ob eine multilaterale Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten in den Abkommen der Bundesrepublik mit ausländischen Staaten wirksam ausgeschlossen werden kann (vgl BSGE 57, 23, 31).

Betrachtet man die Bedeutung der Abwehrklauseln zunächst einmal unabhängig von ihrer Zulässigkeit, so können sie unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände nicht anders ausgelegt werden, als daß sie sich auch auf die durch die Verträge begünstigten Deutschen erstrecken. Der Wortlaut legt keine Differenzierung nach dem betroffenen Personenkreis nahe, da er sich allgemein auf die Anwendung anderer Abkommen bezieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Sozialversicherungsabkommen, soweit er den Vertragstexten entnommen werden kann. Das allgemeine Ziel derartiger Abkommen, Wanderarbeiter zu begünstigen und deren Freizügigkeit abzusichern (vgl dazu BSGE 57, 23, 31 f; BSG SozR 6675 Art 26 Nr 2 S 3), reicht nicht aus, um gerade deutsche Staatsangehörige aus dem Anwendungsbereich der Abwehrklauseln herauszunehmen. Denn diese Intentionen der Vertragsparteien beziehen sich aus Gründen der Gleichbehandlung und Gegenseitigkeit regelmäßig auf die Staatsangehörigen beider beteiligten Staaten. Darüber hinaus lassen die Abwehrklauseln deutlich erkennen, daß der genannte Vertragszweck nicht uneingeschränkt verwirklicht werden sollte. Denn es bestand das Bedürfnis, die versicherten Risiken und damit die finanziellen Belastungen zu begrenzen (vgl BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 5). Zwar mögen die Risiken und Belastungen, die sich aus einer auf deutsche Staatsangehörige beschränkten multilateralen Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ergeben können, leichter überschaubar sein als diejenigen, die bei einer Einbeziehung von solchen Drittstaatern auftreten würden, die von Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten begünstigt werden. Aus dem Inhalt der Abkommen läßt sich jedoch eine entsprechende Begrenzung der Abwehrklauseln nicht entnehmen. Auch eine diesbezügliche spätere einvernehmliche Übung der Vertragsparteien (vgl Art 31 Abs 3 Buchst b WVK) ist nicht ersichtlich.

Zieht man bei weiterhin bestehenden Zweifeln auch außerhalb des Vertragstextes liegende Umstände zur Ermittlung des von den Vertragspartnern gewollten Regelungsinhaltes heran (vgl BSG SozR 2200 § 1233 Nr 7 S 4; BSGE 55, 131, 134; BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 11 S 26; allgemein dazu Bernhardt, aa0 S 109 ff), so ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Entstehungsgeschichte der Abwehrklauseln zeigt, daß sie auf Betreiben der Bundesrepublik mit dem ausschließlichen Ziel in die Abkommen eingefügt wurden, den für unerwünscht gehaltenen multilateralen Effekt bei der Anwendung mehrerer Abkommen abzuwenden, wie er sich seit der Entscheidung des BSG vom 8. März 1972 (BSGE 34, 90 ff) aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergab (vgl dazu BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 5 f mwN). Auch den im Gesetzgebungsverfahren vorgelegten Denkschriften der Bundesregierung läßt sich diese Absicht entnehmen. In bezug auf das Zusatzabkommen vom 9. September 1975 zum DSSVA wurde ausgeführt, daß die neugefaßte Bestimmung unter Nr 2 SP zum DSSVA iVm Art 2 dieses Abkommens für die deutsche Seite klarstelle, daß neben diesem nur innerstaatliches Recht anzuwenden sei (BT-Drucks 7/5029, S 11). Noch deutlicher sagt es die Denkschrift zum Zusatzabkommen vom 2. November 1984 zum DTSVA. Danach soll die in Nr 2 Buchst b SP zum DTSVA enthaltene Regelung klarstellen, daß die gleichzeitige Anwendung weiterer Abkommen oder überstaatlicher Regelungen (EG-Recht) einschließlich der sogenannten multilateralen Zusammenrechnung der Versicherungszeiten ausgeschlossen sei (BT-Drucks 10/6023 S 25). Diese Ausführungen enthalten keinen Hinweis darauf, daß deutsche Staatsangehörige im Verhältnis zu deutschen Versicherungsträgern insofern eine Sonderbehandlung erfahren sollten. Schließlich hat der BMA, dessen Auffassung als zuständige, an den Vertragsverhandlungen beteiligte Stelle von nicht geringer Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 S 14; BSGE 55, 131, 134), in seiner Stellungnahme vom 21. September 1992 ausdrücklich hervorgehoben, daß auch deutsche Staatsangehörige von den Abwehrklauseln erfaßt werden sollten. Eine davon abweichende Rechtsanschauung der schweizerischen oder der türkischen Seite konnte auch der Sachverständige R., … den der Senat zur Ermittlung des ausländischen Rechts zur Hilfe genommen hat, nicht ermitteln (Gutachten vom 10. November 1992). Es kann also nicht festgestellt werden, daß eine vom Wortlaut abweichende Bedeutung der Klauseln von den Vertragsparteien beabsichtigt gewesen ist (vgl Art 31 Abs 4 WVK).

Die Abwehrklauseln in Nr 2 SP zum DSSVA und in Nr 2 Buchst b SP zum DTSVA sind auch in zeitlicher Hinsicht auf den Versicherten anwendbar. Das Zusatzabkommen vom 9. September 1975 zum DSSVA, welches die Abwehrklausel in dieses Abkommen eingeführt hat, ist lange vor dem Eintritt der EU des Versicherten und vor seiner Rentenantragstellung (1983), nämlich am 1. November 1976 in Kraft getreten (vgl Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Anm 2 zu Art 3 des Zusatzabkommens vom 9. September 1975/Schweiz). Eine einschränkende Auslegung dahin, daß die Abwehrklausel sich nicht auf bereits zurückgelegte Versicherungszeiten oder bestehende Anwartschaften beziehen sollte, ist nicht möglich. Schon der Ort der Regelung im SP und die dazu in der Denkschrift der Bundesregierung enthaltenen Hinweise (vgl BT-Drucks 7/5029 S 11) lassen den gesetzgeberischen Willen erkennen, daß lediglich das frühere Recht klargestellt und damit auch Fälle wie der vorliegende erfaßt werden sollten. Entsprechend verhält es sich mit Nr 2 Buchst b SP zum DTSVA, zumal das Zusatzabkommen vom 2. November 1984 zum DTSVA nach seinem Art 2 Abs 1 auch für die vor seinem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfälle gilt (vgl auch BT-Drucks 10/6023, S 25).

Das Ergebnis der Auslegung, nämlich daß sowohl Nr 2 SP zum DSSVA als auch Nr 2 Buchst b SP zum DTSVA eine gleichzeitige Zusammenrechnung der schweizerischen und der türkischen Versicherungszeiten des Versicherten mit dessen deutschen Beitragszeiten ausschließen, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit hat die Prüfung beim innerstaatlichen Recht anzusetzen, also bei den Gesetzen vom 2. August 1976 (BGBl II S 1371) und vom 11. Dezember 1986 (BGBl II S 1038), durch welche die Abwehrklauseln in das innerstaatliche Recht transformiert worden sind (vgl allgemein BVerfGE 29, 348, 358; Boehmer, Der völkerrechtliche Vertrag im deutschen Recht, 1965, S 73).

Der Umstand, daß die Abwehrklauseln den innerstaatlichen Grundsatz einer Zusammenrechnung aller anrechenbaren Versicherungszeiten auch im Verhältnis deutscher Versicherter zu deutschen Versicherungsträgern einschränken, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Allerdings paßt eine solche Regelung innerstaatlicher Rechtsbeziehungen schwerlich in ein zwischenstaatliches Abkommen. Interessen des Vertragspartners werden davon weder in dem Sinne unmittelbar berührt, daß hier Leistungen der dortigen Sozialversicherung in Betracht kämen, noch in der Weise, daß Leistungen für dessen Staatsangehörige betroffen wären. Auch wenn die innerstaatliche Gesetzgebung (insbesondere das Ratifizierungsgesetz) als zutreffender Ort für die Regelung innerstaatlicher Folgen zwischenstaatlicher Abkommen erscheint, ist hier noch nicht die Grenze zu einem – etwa aus Art 20 GG herleitbaren – verfassungswidrigen Formenmißbrauch (vgl dazu allgemein Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S 1 ff, 152 ff) überschritten. Unter Berücksichtigung der in diesem Bereich bestehenden Unsicherheiten und des engen Sachzusammenhanges mit dem Vertragsgegenstand hat sich der Gesetzgeber jedenfalls noch im Rahmen seiner Gestaltungsmöglichkeiten gehalten.

Durch die Einführung der Abwehrklauseln sind auch keine Rechte des Versicherten aus Art 14 Abs 1 GG verletzt worden. Diese Verfassungsnorm gewährleistet das Eigentum und das Erbrecht. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Zum Schutzbereich des Art 14 GG gehören auch Anwartschaften auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfGE 53, 257, 289 ff; 75, 78, 96 f). Insofern ist in Erwägung zu ziehen, daß der Versicherte, der bereits 1967 aus seinen Tätigkeiten in der Türkei, der Schweiz und in Deutschland zusammengenommen 60 Kalendermonate mit anrechenbaren Versicherungszeiten vorweisen konnte, hier nach dem damaligen Rechtszustand eine eigentumsähnlich geschützte Rechtsposition erlangt hatte, in die durch die hier anwendbaren, später eingeführten Abwehrklauseln eingegriffen worden sein könnte.

Der erkennende Senat läßt es dahingestellt, ob die Wartezeit für die Gewährung einer Rente wegen EU beim Versicherten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur kumulativen Zusammenrechnung ausländischer Versicherungszeiten damals als erfüllt anzusehen war. Zwar hatte der 11. Senat des BSG durch Urteil vom 8. März 1972 entschieden, daß im Ausland zurückgelegte Zeiten, die der deutsche Versicherungsträger nach mehreren zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen (dort das DSSVA und das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit vom 20. April 1960, BGBl 1961 II S 241) für die Entstehung des Rentenanspruchs zu berücksichtigten hat, zusammengerechnet werden müssen, wenn erst auf diese Weise die Wartezeit erfüllt wird (vgl BSGE 34, 90). Der Versicherte gehörte damals als türkischer Staatsangehöriger jedoch noch nicht zu dem aus dem DSSVA begünstigten Personenkreis, da dieses Abkommen nur für die Staatsangehörigen der Vertragsparteien sowie für ihre Angehörigen und Hinterbliebenen gilt, soweit diese ihre Rechte von den Staatsangehörigen ableiten (vgl Art 3 DSSVA). Der Versicherte hätte seinerzeit also nur durch die Gleichstellungsklausel in Art 4 Abs 2 DTSVA in den Genuß der Vorteile des DSSVA gelangen können. Ob dies der Fall war, läßt sich jedoch nicht zweifelsfrei bejahen. Nach dieser Klausel stehen die in Art 3 DTSVA genannten Personen, also insbesondere deutsche und türkische Staatsangehörige, in ihren Rechten und Pflichten aus den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien einander gleich, soweit das DTSVA nichts anderes bestimmt. Eine Einschränkung dieser Gleichstellung könnte aus Art 2 DTSVA zu entnehmen sein. Danach bezieht sich das Abkommen in der Bundesrepublik ua nur auf die Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung der Arbeiter, soweit sie sich nicht aus zwischenstaatlichen Verträgen oder überstaatlichem Recht ergeben. Eine derartige (Abwehr-)Klausel hatte der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 29. März 1973 (SozR Nr 2 zu Art IV Abk USA), in welchem einer Gleichstellungsklausel multilaterale Wirkung zuerkannt wurde, nicht zu berücksichtigen. Auch der Beschluß des Großen Senats des BSG vom 29. Mai 1984 (BSGE 57, 23) hat zu dieser Frage keine eindeutige Klärung gebracht, weil die dortigen Versicherten, ohne Gleichstellungsklauseln in Anspruch nehmen zu müssen, unmittelbar die Anrechnungsvorschriften mehrerer Sozialversicherungsabkommen erfüllten. Demgegenüber hat der 5. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 1985 eine vergleichbare Regelung im deutsch-spanischen Sozialversicherungsabkommen vom 4. Dezember 1973 (BGBl 1977 II S 685) – bezogen auf eine andere Fallkonstellation (in Spanien waren überhaupt keine Versicherungszeiten zurückgelegt worden) – dahin ausgelegt hat, daß dadurch die Gleichstellung allein auf das deutsch-spanische Abkommen begrenzt ist, der spanische Versicherte also über die Gleichstellungsklausel keine Anrechnung von Beitragszeiten in Drittländern beanspruchen kann, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, das sich nur auf die beiderseitigen Staatsangehörigen bezieht (vgl BSG SozR 6375 Art 9 § 1 Nr 1 S 2; ähnlich auch zu Nr 2 SP zum DSSVA BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 4).

Eine abschließende Klärung, ob auch bei der hier vorliegenden Fallgestaltung entsprechend der Auffassung des 5. Senats zu entscheiden wäre oder ob die damals geltende Abwehrklausel in Art 2 DTSVA die (kumulative) Anrechnung der schweizerischen Versicherungszeiten des Ehemanns der Klägerin nicht ausschloß, kann indes dahinstehen. Selbst wenn man die Erfüllung der Wartezeit unterstellt, liegt nämlich kein Verstoß gegen Art 14 GG vor. Zwar ist diese Rechtsposition dann durch die Einführung der Abwehrklausel in Nr 2 SP zum DSSVA wieder beseitigt worden, da nunmehr eine kumulative Zusammenrechnung der Versicherungszeiten aus der Türkei, der Schweiz und aus Deutschland ausgeschlossen war. Der Gesetzgeber ist dabei jedoch, soweit der Ehemann der Klägerin betroffen war, noch innerhalb seiner Befugnis geblieben, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (vgl Art 14 Abs 1 Satz 2 GG; dazu allgemein BVerfGE 72, 9, 22 ff; 74, 203, 214; 76, 220, 238; 83, 201, 212 f).

Die Maßnahme war unter Berücksichtigung einer gewissen Beurteilungsfreiheit des Gesetzgebers geeignet und erforderlich, um das angestrebte Ziel einer strikten Bilateralität des Abkommensrechts zu erreichen. Sie ist auch – soweit sie den Ehemann des Klägers betraf – als verhältnismäßig anzusehen. Die ihn treffenden Belastungen standen in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten öffentlichen Interessen (vgl BVerfGE 31, 275, 290; 58, 81, 121).

Gerade in bezug auf Drittstaater, die durch Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik mit anderen Staaten begünstigt wurden (zu diesem Personenkreis gehörte der Versicherte damals als Türke noch), bestand auf der deutschen Seite ein erhebliches Bedürfnis, die zusätzlichen Risiken und Belastungen zu begrenzen, die sich bei der Anwendung des DSSVA aus der Rechtsprechung des BSG zur multilateralen Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (vgl BSGE 34, 90) ergaben. Wie der BMA in seiner Stellungnahme vom 21. September 1992 und ergänzend dazu der Sachverständige K. … in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt haben, wurden durch diese Rechtsprechung die begünstigten Personenkreise und – wegen der Erleichterung der Wartezeiterfüllung – auch die versicherten Risiken stark erweitert, was zu kaum überschaubaren finanziellen Auswirkungen führte. Weitere Probleme traten zB bei der zwischenstaatlich vereinbarten Proratisierung fester Rentenbestandteile (vgl zB Art 11 Abs 2 DSSVA) auf, weil es an Regelungen fehlte, wie bei der Anwendung mehrerer Abkommen zu verfahren war.

Demgegenüber wurde der Ehemann der Klägerin durch die 1976 erfolgte Einführung der Abwehrklausel in das DSSVA nicht besonders schwer beeinträchtigt. Die Anrechenbarkeit der von ihm zurückgelegten Versicherungszeiten blieb als solche unberührt; lediglich die kumulative Zusammenrechnung der türkischen und der schweizerischen Zeiten mit den deutschen Versicherungszeiten wurde ausgeschlossen (vgl insofern allgemein BVerfGE 58, 81, 115). Mit der Wartezeiterfüllung entfiel allerdings die Möglichkeit, bereits aus den vorhandenen 24 deutschen Monatsbeiträgen eine Kleinrente zu erhalten. Um allein aus den schweizerischen und den deutschen Zeiten (zusammen 45 Kalendermonate) die Wartezeit zu erfüllen, fehlten ihm jedoch nur 15 Monate, die er im Wege der seit 1972 möglichen freiwilligen Versicherung (vgl § 1233 RVO idF des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972, BGBl I S 1965) mit Beiträgen belegen konnte. Die Notwendigkeit einer derartigen zusätzlichen Beitragsentrichtung belastete den Versicherten nicht übermäßig, da es sich nur um einen relativ kleinen Betrag handelte, der sich zudem vorteilhaft auf die Rentenhöhe ausgewirkt hätte. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob ein Eingriff in geschütztes Eigentum auch bei denjenigen verneint werden könnte, die keine Möglichkeit zur Entrichtung freiwilliger Beiträge hatten oder bei denen es um lange Versicherungszeiten zur Erfüllung der Wartezeit für vorgezogenes Altersruhegeld (vgl § 1248 Abs 7 S 1 und 2 RVO) geht.

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Versicherte hinsichtlich der Möglichkeit einer multilateralen Zusammenrechnung keinen Vertrauensschutz beanspruchen kann. Als er im Jahre 1967 seinen letzten Versicherungsmonat zurücklegte, entsprach eine kumulative Berücksichtigung von Abkommenszeiten nicht der Praxis der Versicherungsträger. Erst durch das Urteil des BSG vom 8. März 1972 (BSGE 34, 90) trat insofern eine Änderung ein. Angesichts der starken Gegenwehr der Versicherungsträger gegen die Rechtsprechung des BSG zum multilateralen Effekt von Abkommensrecht sowie im Hinblick auf die vom BMA umgehend in Angriff genommenen Vertragsergänzungsbemühungen (vgl Schuler/Schulte, SGb 1981, 314, 315; Wanders, DRV 1982, 60, 69) konnten die betroffenen Versicherten nicht auf einen dauernden Bestand ihrer Rechtsposition vertrauen, sondern mußten vielmehr mit einer alsbaldigen „Klarstellung” in den einschlägigen Sozialversicherungsabkommen rechnen.

Soweit der Versicherte als deutscher Staatsangehöriger durch die Abwehrklauseln von einer multilateralen Zusammenrechnung seiner deutschen, türkischen und schweizerischen Versicherungszeiten ausgeschlossen wurde, sind auch seine Rechte aus Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt. Diese Vorschrift gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz will vielmehr ausschließen, daß eine Gruppen von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88). Entsprechendes gilt für eine sachwidrige Gleichbehandlung von Normadressaten (vgl BVerfGE 72, 141, 150).

Der Ehemann der Klägerin wird gegenüber solchen Versicherten ungleich behandelt, die neben deutschen Zeiten nur in einem anderen Vertragsstaat Versicherungszeiten zurückgelegt haben. Dies läßt sich hinreichend rechtfertigen. Im Vergleich zu Versicherten, die bereits durch die Anrechnung von ausländischen Zeiten aus einem Vertragsstaat die Wartezeit erfüllen, ist die versicherungsrechtliche Situation des Versicherten im vorliegenden Fall eine wesentlich andere. Denn eine multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aus mehreren Abkommen wirft – wie der BMA in seiner Stellungnahme vom 21. September 1992 im einzelnen dargelegt hat – soviele zusätzliche Probleme auf, daß die Einführung einer Abwehrklausel nachvollziehbar erscheint. Soweit der Ehemann der Klägerin im Verhältnis zu ausländischen Versicherten mit einer der seinen entsprechenden Versicherungsbiographie (türkische, schweizerische und deutsche Zeiten im Umfang von insgesamt 60 Kalendermonaten) gleichbehandelt wird, ist ebenfalls keine Sachwidrigkeit ersichtlich. Immerhin hat der BMA auch insoweit einige sachliche Gründe für die Einbeziehung deutscher Versicherter in den Anwendungsbereich der Abwehrklauseln angeführt. Zu nennen sind vor allem das Bemühen um Überschaubarkeit des betroffenen Personenkreises sowie die Begrenzung der finanziellen Auswirkungen und versicherten Risiken aus zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen. Bei dieser Beurteilung fällt im übrigen das weite außenpolitische Handlungsermessen der zuständigen Stellen der Bundesrepublik besonders ins Gewicht (BVerfGE 53, 164, 182; BVerfG SozR 5070 § 10a Nr 8 S 22 f). Dieser Gesichtspunkt würde es auch rechtfertigen, wenn der Ehemann der Klägerin gegenüber solchen Versicherten benachteiligt wäre, die in Staaten gearbeitet haben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, in die entsprechende Abwehrklauseln (noch) nicht aufgenommen worden sein sollten. Denn der Inhalt eines solchen Abkommens ist immer von den besonderen Gegebenheiten der beiderseitigen Interessen und letztlich auch von der Zustimmung der anderen Vertragspartei abhängig.

An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Abwehrklauseln ändert auch das Sozialstaatsprinzip des GG (Art 20 Abs 1 GG) nichts. Denn dieses erfordert kein lückenloses System der sozialen Absicherung durch Einbeziehung aller in mehreren Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten (vgl bereits BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 6, mwN). Es besteht von Verfassungs wegen weder eine Verpflichtung des Staates, mit allen ausländischen Staaten Abkommen abzuschließen, noch den Inhalt dieser Abkommen so zu gestalten, daß die Rechte der Versicherten optimal abgesichert sind. Es kann dem Sozialstaatsprinzip allenfalls der Auftrag entnommen werden, dieses unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten, der bilateralen Probleme und der finanziellen Möglichkeiten anzustreben (vgl allgemein BVerfGE 59, 231, 263; 82, 60, 80).

Ebensowenig ergeben sich aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG verfassungsrechtliche Bedenken. Daß die Abwehrklauseln kein verfassungswidriges Rechtsanwendungsverbot enthalten, hat der erkennende Senat bereits in seinem Teilurteil vom 28. August 1991 (BSG SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 6) entschieden. Soweit Art 20 Abs 3 GG auch eine – hier in Betracht kommende – tatbestandliche Rückanknüpfung von Normen beschränkt (sog unechte Rückwirkung, vgl BVerfGE 72, 200, 242 f) tritt er gegenüber der weitergehenden Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG zurück (vgl BVerfGE 58, 81, 121; 70, 101, 114).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173229

BSGE, 25

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