Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. November 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Kostenübernahme für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung eines Kraftfahrzeuges (Kfz).
Der 1940 geborene Kläger ist erheblich gehbehindert (Merkzeichen „G”). Er fährt mit seinem Kfz zur Arbeit. Zwischen seiner Wohnung und seinem 20 km entfernten Arbeitsort verkehren öffentliche Verkehrsmittel, deren Haltestelle am Arbeitsort 3 bis 3,5 km vom Arbeitsplatz entfernt ist. Eine regelmäßige Fahrbereitschaft zwischen Haltestelle und Arbeitsplatz wird auch von der Arbeitgeberin des Klägers nicht unterhalten.
Den Antrag des Klägers vom 4. Dezember 1995 auf – im Revisionsverfahren allein noch streitige – Kostenübernahme für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung (Servolenkung, automatisches Getriebe, orthopädischer Sitz) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1996 mit der Begründung ab, er sei auf die Benutzung eines Kfz nicht behinderungsbedingt angewiesen; es fehlten die Voraussetzungen des § 3 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV). Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm zumutbar; er könne im Arbeitsleben übliche Wegstrecken zu einer Haltestelle (ca 1.000 m) noch zurücklegen. Die tatsächlichen Verhältnisse seien ohne Bedeutung.
1997 erwarb der Kläger ein mit serienmäßiger Servolenkung ausgestattetes Neufahrzeug ohne Automatikgetriebe und orthopädischen Sitz.
Auf die Klage hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Antrag des Klägers auf Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 27. Januar 1998). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 3. November 1999) und – unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung – ausgeführt: Wegen des zuerkannten Merkzeichens „G” und der beim Kläger vorliegenden Behinderungen ergebe sich, daß er allein wegen dieser auf die Benutzung eines Kfz angewiesen sei, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Es genüge – im Anschluß an die Entscheidung des BSG vom 26. August 1992 (9b RAr 14/91 – SozR 3-5765 § 3 Nr 1) –, wenn der Versicherte allein wegen seiner körperlichen Behinderungen und damit unabhängig von weiteren Hindernissen zur Erreichung der Arbeitsstelle auf ein Kfz angewiesen sei. Ob auch nicht behinderte Arbeitnehmer wegen der schlechten Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ein eigenes Kfz benutzen würden, sei ohne Bedeutung.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil des LSG verletze § 16 Abs 1 Nr 1 SGB VI, § 11 Abs 1 Nr 1 Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG), § 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV. Das LSG habe unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 26. August 1992 (aaO) die Zuerkennung des Merkzeichens „G” als präjudiziell für die Annahme der Behinderteneigenschaft iS von § 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV angesehen und damit die Begriffe „Behinderung” iS von § 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV und „Behinderung” iS von §§ 59, 60 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) im wesentlichen mit gleichem Sinngehalt versehen. Dies sei unzutreffend, denn das Merkzeichen „G” werde unabhängig von der Frage zuerkannt, ob die Erreichung des Arbeitsplatzes gefördert werde. Bei § 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV komme es aber auf die üblicherweise zur Erreichung des Arbeitsplatzes zu erbringende Gehleistung an. Diese betrage ca 1.000 m. Könne sie erbracht werden, so liege keine Behinderung iS von § 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. November 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. Januar 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger die Voraussetzungen für Leistungen im Rahmen der Kfz-Hilfe erfüllt. Die Beklagte hat noch das ihr zustehende Ermessen hinsichtlich der Art und des Umfanges der Gewährung von Kfz-Hilfe gemäß §§ 9 Abs 1 und 2, 13 Abs 1 iVm 16 Abs 1 Nr 1 SGB VI, §§ 2 und 9 Abs 2 RehaAnglG und §§ 3 Abs 1 sowie 7 Satz 1 KfzHV auszuüben.
1. Die Entscheidung der Frage, ob dem Kläger berufsfördernde Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog Eingangsprüfung), steht dabei nicht im Ermessen der Beklagten, sondern ist davon abhängig, ob neben den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen von § 10 (persönliche Voraussetzungen), § 11 (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und § 12 SGB VI (kein Leistungsausschluß) die in der KfzHV genannten, zusätzlichen (ua persönlichen, § 3 KfzHV) Voraussetzungen vorliegen. Ein Anspruch auf Ausübung des Ermessens besteht nämlich nur, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht zur Ermessensbetätigung vorliegen. Dem steht nicht entgegen, daß im Gesetz (vgl § 9 Abs 2 SGB VI) die Formulierung gebraucht wird, berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation „können” erbracht werden. Gemäß gesetzessystematischer Auslegung steht nur die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, „wie” die Rehabilitation nach Art, Dauer, Umfang und Begründung durchzuführen ist, dh welche Leistungen in Betracht kommen, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (vgl zum Ganzen BSG Urteile vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 8/99 R – BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 mwN; vom 16. November 1993 – 4 RA 22/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 1, 3 f und vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 44/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 3 S 13, 15 f). Davon ausgehend haben die Vorinstanzen zu Recht die erhobene sog Verpflichtungsbescheidungsklage für zulässig erachtet (BSG Urteile vom 16. November 1993 – 4 RA 22/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 1 ff; vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 44/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 3 S 13 f; vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94 – SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 2 und BSG vom 29. April 1997 – 8 RKn 31/95 – SozR 3-5765 § 3 Nr 2 S 3, 5). Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Ermessensbetätigungspflicht vorliegen, hat der Versicherte keinen Anspruch auf eine bestimmte Leistung (§ 54 Abs 4 SGG) – ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor –, sondern nur Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I; vgl BSG Urteile vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 44/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 3 S 13, 16 mwN und vom 29. April 1997 – 8 RKn 31/95 – SozR 3-5765 § 3 Nr 2 S 3, 5).
2. Die Beklagte hat diese Voraussetzungen zu Unrecht verneint. Die vorgenannten allgemeinen Leistungsvoraussetzungen liegen vor. Die Beklagte ist zuständiger Leistungsträger gemäß §§ 9 und 16 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB VI umfassen die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation insbesondere Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes. Zu diesen Leistungen gehört auch die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe, die auf der Grundlage ua von § 9 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG vom 7. August 1974, BGBl I 1881, idF durch Art 16 RAG 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl I 1205) in der KfzHV vom 28. September 1987 (BGBl I 2251), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. September 1991 (BGBl I 1950) geregelt ist. Die in der KfzHV genannten zusätzlichen Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
a) Nach § 2 Abs 1 Nr 2 KfzHV umfaßt die Kfz-Hilfe Leistungen für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung.
Daß der Kläger nach seinem Antrag vom Dezember 1995 zwischenzeitlich (1997) ein Neufahrzeug erwoben hat, steht einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung seines Antrages nicht entgegen. Denn er hat den Antrag zur Übernahme der Kosten für die Zusatzausstattung – auch hinsichtlich der nunmehr zur Serienausstattung gehörenden Servolenkung – rechtzeitig gemäß § 10 KfzHV gestellt, nämlich vor Abschluß des Kaufvertrages über das Neufahrzeug 1997. Die Beklagte hätte – soweit sie den Antrag nicht aus rechtlichen Gründen zurückgewiesen hätte – ausreichend Zeit gehabt, um den Antrag zu prüfen und ihr Ermessen auszuüben (vgl hierzu BSG Urteil vom 16. November 1993 – 4 RA 22/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 1, 5). Das 1997 angeschaffte Neufahrzeug ist zwar mit einer Servolenkung ausgestattet; insoweit kann eine Kostenübernahme trotz dieser Selbstbeschaffung in Betracht kommen, denn die Beklagte hatte die Erbringung jener beantragten Leistung bereits abgelehnt (vgl hierzu BSG Urteil vom 29. April 1997 – 8 RKn 31/95 – SozR 3-5765 § 3 Nr 2 S 3, 7). Die Selbsthilfe des Klägers darf diesem in bezug auf die „geldlichen Leistungen” zur Rehabilitation „weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen” (vgl BSG Urteile vom 31. Mai 1989 – 4 RA 50/88 – SozR 2200 § 1236 Nr 50 S 107, 111 und vom 12. August 1982 – 11 RA 62/81 – BSGE 54, 54, 56 = SozR 2200 § 1237 Nr 18). Die Frage, ob die „Kosten” für eine serienmäßige Ausstattung überhaupt erstattungsfähig sind, ist erst im Rahmen der von der Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung zu klären.
b) Der Kläger erfüllt auch die in § 3 Abs 1 KfzHV genannten persönlichen Voraussetzungen. Danach setzen die Leistungen der Kfz-Hilfe ua voraus, daß der Behinderte infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort zu erreichen (§ 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV). Der Kläger ist erheblich gehbehindert und damit jedenfalls Behinderter im Sinne dieser Regelung. Unter Behinderung im Sinne der Rentenversicherung ist eine medizinisch bedeutsame Abweichung vom Normalzustand zu verstehen (BSG Urteile vom 21. Januar 1993 – 13 RJ 53/91 – nicht veröffentlicht – und vom 31. Januar 1979 – 11 RA 19/78 – SozR 2200 § 1237b Nr 3 S 2 f mwN). Dies entspricht auch der in § 3 Abs 1 SchwbG verwendeten Definition. Hiernach ist eine „Behinderung” die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Regelwidrig ist dabei ein Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht. Im Rahmen der Rentenversicherung ist dabei der im SchwbG verwendete Behindertenbegriff an die rentenversicherungsrechtlichen Problemlagen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit der Versicherten anzupassen. Dies kommt durch die dort verwendeten Formulierungen – zB bei der Aufgabenbeschreibung der Rehabilitation laut § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI: „Auswirkungen einer … Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit” – zum Ausdruck. Die KfzHV hat sich dabei in das für den jeweils zuständigen Rehabilitationsträger geltende Rehabilitationsrecht einzupassen (§ 9 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG). Die Regelungen der KfzHV müssen deshalb innerhalb des für die Beklagte verbindlichen, durch Gesetz geschaffenen und damit vorrangigen Rahmens – hier des SGB VI – ausgelegt werden (BSG Urteil vom 16. November 1993 – 4 RA 22/93 – SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3). In der KfzHV selbst wird kein eigener, gar abweichender Behindertenbegriff definiert.
Der Kläger ist infolge seiner Behinderung auf ein Kfz angewiesen, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen (§ 3 Abs 1 Nr 1 KfzHV). Dies beurteilt sich grundsätzlich nach dem Einzelfall. Schon der Wortlaut der Regelung „um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort” zu erreichen, legt ein solches Verständnis nahe. Auch die Materialien zu dieser Regelung (BR-Drucks 266/87 S 14, 16), wonach die vorgesehenen Hilfen im „Einzelfall” wegen Art und Schwere der Behinderung zur Eingliederung ins Arbeitsleben erforderlich sein müssen und im „Einzelfall” geprüft werden muß, ob der Behinderte sein Fahrziel nicht auf eine andere kostengünstigere und ihm zumutbare Weise erreichen kann, machen dies deutlich. Dementsprechend ist auch in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur die Förderung von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig gemacht worden (vgl BSG Urteile vom 26. August 1992 – 9b RAr 14/91 – SozR 3-5765 § 3 Nr 1 S 1, 3 und vom 15. Oktober 1981 – 5b/5 RJ 96/79 – SozR 2200 § 1236 Nr 35 S 66; zur Literatur: Niesel in Kasseler Komm, § 16 SGB VI, Anhang 1 RdNr 28, Stand: Dezember 1995; Noftz in Hauck, SGB III, Stand: Juni 2000, K § 114 RdNr 34; Lueg in GemeinschaftsKomm, SGB VI, Stand: Juni 1994, § 16 Anhang 1 RdNr 16; Körsten in Jahn, SGB III, Stand: November 1999, § 114 RdNr 9; Trachte, BG 1988, 212, 214). Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem im konkreten Fall zurückzulegenden Weg, nicht aber – wie die Beklagte meint – nach abstrakten Maßstäben, wie etwa einer angeblich üblichen Wegstrecke im Arbeitsleben von 1.000 m (zur Bestimmung einer „üblichen Wegstrecke” im Rahmen des Merkzeichens „G” ausführlich: BSG Urteil vom 10. Dezember 1987 – 9a RVs 11/87 – BSGE 62, 273, 277 ff = SozR 3870 § 60 Nr 2).
Im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 26. August 1992 (9b RAr 14/91 = SozR 3-5765 § 3 Nr 1) ist allerdings auch für den Bereich des Rentenversicherungsrechts jedenfalls bei Behinderten mit dem Merkzeichen „G” und – wie hier – einer zurückzulegenden Wegstrecke von ca 3 bis 3,5 km nicht zu prüfen, ob sie auch ohne die Behinderung auf ein Kfz angewiesen wären oder ob auch andere Ursachen (etwa ungünstige Verkehrs- oder Arbeitsplatzlage) nicht die sich aus der Behinderung ergebende Notwendigkeit verdrängen, ein Kfz zu benutzen. Dies versteht sich im Gegenteil bei einem erheblich Gehbehinderten, dem das Merkzeichen „G” zuerkannt worden ist, dh der eine übliche Wegstrecke (von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde) nicht mehr bewältigen kann (vgl BSG Urteil vom 10. Dezember 1987 – 9a RVs 11/87 – BSGE 62, 273, 275 f = SozR 3870 § 60 Nr 2) ohne nähere Kausalitätsprüfung von selbst; abgesehen davon, daß hier zusätzlich die Vorinstanzen bei dem Kläger – nach entsprechender medizinischer Beweiserhebung – ein eingeschränktes Gehvermögen unangefochten festgestellt haben. Bei erheblich Gehbehinderten, die – wie der Kläger – bis zum Arbeitsort mehr als zwei Kilometer zurückzulegen haben, ist lediglich im Einzelfall zu prüfen, ob sie tatsächlich auf ein Kfz angewiesen sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn es öffentliche Verkehrsverbindungen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz oder Beförderungsdienste des Arbeitgebers oder sonstige Transportmöglichkeiten gibt, die trotz der Behinderung benutzt werden können. Dieser Rspr ist teilweise auch die Literatur gefolgt (vgl Niesel in Kasseler Komm, § 16 SGB VI, Anhang 1 RdNr 28, Stand: Dezember 1995; VerbandsKomm, § 16 Anlage 1, § 3 KfzHV, RdNr 3, Stand: Januar 1997; demgegenüber stellen Lueg in GemeinschaftsKomm, SGB VI, Stand: Juni 1994, § 16 Anhang 1 RdNr 16, 19 und Noftz in Hauck, SGB III, Stand: Juni 2000, K § 114 RdNr 34 trotz des Merkzeichens „G” auf eine Einzelfallprüfung ab; Körsten in Jahn, SGB III, Stand: November 1999, § 114 RdNr 9 ff bezieht sich zwar auf diese Rspr, jedoch nur für den Fall des Fehlens öffentlicher Verkehrsverbindungen; aA wohl Götz in MittLVA Oberfr 1989, 1, 4 im Rahmen eines Beispielfalles, allerdings zeitlich vor dem Urteil des BSG vom 26. August 1992 – 9b RAr 14/91 – SozR 3-5765 § 3 Nr 1).
Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegt die nächste Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel ca 3 bis 3,5 Kilometer vom Arbeitsplatz des Klägers entfernt; es ist ihm gesundheitlich nicht zumutbar, diese Strecke zu Fuß zurückzulegen. Er kann die vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel nicht benutzen, ist auf ein Kfz zur Erreichung seines Arbeitsplatzes angewiesen und erfüllt somit die Voraussetzungen für Leistungen im Rahmen der Kfz-Hilfe. Über deren Art und Umfang wird die Beklagte noch im Rahmen ihres Ermessens zu entscheiden haben. Hierbei kann sich ua ergeben, daß „Kosten” für die selbstbeschaffte Servolenkung bereits deshalb nicht zu übernehmen sind, weil sie beim Kfz des Klägers serienmäßig vorhanden ist (vgl zu der entsprechenden Problematik bei der Orthopädie-Verordnung BSG Urteile vom 29. September 1993 – 9 RV 12/93 – BSGE 73, 142 ff = SozR 3-3100 § 11 Nr 1 und vom 20. Oktober 1999 – B 9 V 23/98 R – BSGE 85, 75 ff = SozR 3-3100 § 11 Nr 5). Hinsichtlich des automatischen Getriebes könnte eine Übernahme der Kosten auch daran scheitern, daß die Nachrüstung technisch unmöglich oder jedenfalls wirtschaftlich sinnlos ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NWB 2001, 1737 |
SozVers 2002, 105 |
br 2002, 26 |