Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung - Versicherungspflicht - Eintritt in die Beschäftigung - Nichtaufnahme - Arbeit - Arbeitsunfähigkeit - Begrüßungsschreiben der Krankenkasse - kein Verwaltungsakt
Leitsatz (redaktionell)
In die versicherungspflichtige Beschäftigung tritt nicht ein, wer sich arbeitsunfähig krank zur Arbeitsstätte begibt und die vereinbarte Arbeit nicht aufnimmt (Fortführung von BSG vom 15.12.1994 - 12 RK 17/92 = BSGE 75, 277 = SozR 3-2500 § 186 Nr 2 und von BSG vom 15.12.1994 - 12 RK 7/93 = SozR 3-2500 § 186 Nr 3).
Orientierungssatz
Das Schreiben einer Krankenkasse, mit dem dem Mitglied der Beginn seiner Mitgliedschaft mitgeteilt wird (Begrüßungsschreiben), stellt keinen Verwaltungsakt dar, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wird (vgl BSG vom 16.10.1968 - 3 RK 8/65 = SozR Nr 61 zu § 165 RVO).
Normenkette
RVO §§ 504-505, 518, 213, 383, 517 Abs. 2, § 214 Abs. 1, § 183 Abs. 2, 1; SGB X § 31 S. 1; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt nur noch über die Mitgliedschaft bei der beklagten Ersatzkasse und über hierauf beruhende Ansprüche.
Die Klägerin ist die Mutter und Erbin zu 1/2 des 1964 geborenen und am 7. September 1989 verstorbenen M. N. . Dieser war aufgrund einer vom 18. Januar bis 20. März 1988 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Krankenpflegerpraktikant im I. -Krankenhaus in Berlin Pflichtmitglied, danach freiwilliges Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin. Am 28. März 1988 beantragte er die Aufnahme als Mitglied der beklagten Ersatzkasse, weil er vom 1. April 1988 an im Krankenhaus Spandau als Auszubildender für den Beruf des Krankenpflegers versicherungspflichtig beschäftigt werden sollte. Einen dementsprechenden schriftlichen Ausbildungsvertrag schloß er "vorbehaltlich der gesundheitlichen Eignung" am 29. März 1988 mit dem Land Berlin ab. Die Beklagte teilte ihm in einem vorgedruckten Schreiben unter dem "Datum des Poststempels" mit, seine Mitgliedschaft beginne am 1. April 1988. Die Ausbildung sollte wegen der Osterfeiertage (3./4. April 1988) am Dienstag, dem 5. April 1988 beginnen. An diesem Tage erschien M. N. auf der Dienststelle des Spandauer Krankenhauses, wurde jedoch vor Dienstaufnahme von einer Betriebsärztin zum Hausarzt geschickt und noch am selben Tage in das A. - V. -Krankenhaus eingewiesen, wo er bis zum 6. Juni 1988 stationär behandelt wurde.
Das Land Berlin leistete an M. N. vom 1. April bis zum 16. Mai 1988 Entgeltfortzahlung. Die Beklagte gewährte vom 17. Mai bis 29. November 1988 Krankengeld, stellte aber auch Ermittlungen darüber an, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen sei. Unter Berufung auf eine ärztliche Stellungnahme kündigte die Beklagte M. N. mit Schreiben vom 9. März 1989 an, sie werde "die Mitgliedschaft annullieren", weil von einem "mißglückten Arbeitsversuch" auszugehen sei, und gab ihm Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Sodann teilte sie ihm mit Bescheid vom 23. März 1989 unter Bezug auf ihr vorangegangenes Schreiben mit, die Mitgliedschaft bei ihr werde zum 1. April 1988 wieder "annulliert". Möglicherweise stünden ihm gegen die AOK Berlin nachgehende Leistungsansprüche zu. M. N. , der gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegte, wurde vom 29. August 1989 bis zu seinem Tode am 7. September 1989 wieder im A. -V. -Krankenhaus stationär behandelt; hierfür entstanden Behandlungskosten in Höhe von 3.681 DM. Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Medizinischen Dienstes, der ebenfalls von einem "mißglückten Arbeitsversuch" ausging, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 1990, der an den Bevollmächtigten der Klägerin adressiert war, den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben und mit Wirkung für die aus ihr und dem Vater von M. N. , R. N. , bestehende Erbengemeinschaft beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids festzustellen, daß M. N. seit dem 1. April 1988 in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) beitragspflichtig war, sowie die Beklagte, hilfsweise auch die AOK Berlin, zu verurteilen, die Krankenhauskosten in Höhe von 3.681 DM zu erstatten und Krankengeld über den 29. November 1988 hinaus zu gewähren. Das SG hat nach Beiladung der AOK Berlin (Beigeladene zu 1), des R. N. (Beigeladener zu 2), der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 3), der BA (Beigeladene zu 4) und des Landes Berlin (Beigeladener zu 5) der Klage mit Urteil vom 17. September 1992 nach dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. M. N. sei gemäß § 306 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in die versicherungspflichtige Beschäftigung eingetreten und damit nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO krankenversicherungspflichtig, nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) rentenversicherungspflichtig und nach § 168 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zur BA beitragspflichtig geworden. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten habe sich gemäß den §§ 504 und 505 RVO durch Beitritt ergeben. Er sei zwar am Tage der vereinbarten Arbeitsaufnahme, dem 5. April 1988, arbeitsunfähig krank gewesen. Für die Tage davor lasse sich dies jedoch nicht feststellen. Insbesondere habe er das Praktikum als Krankenpfleger vom 18. Januar bis zum 20. März 1988 ohne Leistungseinschränkungen absolviert. Für den Eintritt in die Beschäftigung sei die Arbeitsaufnahme nicht erforderlich gewesen. Vielmehr genüge es, wenn sich der Arbeitnehmer der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers unterstelle. Dies sei hier der Fall gewesen; denn M. N. habe seinen Arbeitgeber am für die tatsächliche Arbeitsaufnahme frühestmöglichen Werktag aufgesucht und seine Dienste persönlich angeboten. Der Beigeladene zu 5) habe sodann sein Direktionsrecht in der Weise ausgeübt, daß er eine betriebsärztliche Untersuchung anordnete. Mit der Entgeltfortzahlung habe dieser gezeigt, daß er das Vertragsverhältnis auch in Kenntnis der gesundheitlichen Defizite fortsetzen wollte. Auch liege kein "mißglückter Arbeitsversuch", sondern mit Rücksicht auf das vorangegangene Praktikum die Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor. Aber auch bei Verneinung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Die Beklagte habe nämlich die Mitgliedschaft M. N. bei ihr durch Bescheid bestätigt und dürfe diesen Bescheid nur unter den Voraussetzungen des § 45 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren (SGB X) zurücknehmen. Dies habe sie aber nicht beachtet, insbesondere habe sie nicht das bei § 45 Abs 2 SGB X erforderliche Ermessen ausgeübt.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 306 Abs 1 RVO. Sie hat klargestellt, daß sich ihre Revision nur auf die Versicherungspflicht und die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung sowie die sich hieraus abgeleiteten Leistungsansprüche bezieht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 6. Juli 1994 und das Urteil des SG vom 17.
September 1992 aufzuheben, soweit sie die Versicherungspflicht in der
Krankenversicherung, die Mitgliedschaft bei der Beklagten, die Erstattung
von Krankenhauskosten und die Zahlung von Krankengeld über den 29.
November 1988 hinaus betreffen, und in diesem Umfang die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 2), 3), 4) und 5) haben sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die auf die Krankenversicherungspflicht, die Mitgliedschaft bei der Beklagten, die Erstattung von Krankenhauskosten und die Zahlung von Krankengeld über den 29. November 1988 hinaus beschränkte Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben den angefochtenen Bescheid insoweit zu Unrecht aufgehoben.
Die Klägerin ist iS des § 54 Abs 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) klagebefugt, weil der Widerspruchsbescheid vom 10. April 1990 an ihren Prozeßbevollmächtigten adressiert, also an sie gerichtet war. Damit hat die Beklagte aber unmittelbar in die Rechte der Klägerin eingegriffen. Auch ist die Klägerin hinsichtlich der Krankenhauskosten sachlich-rechtlich befugt, den Rechtsstreit zu führen. Soweit sie nämlich zugunsten der Erbengemeinschaft die Erstattung der Krankenhausbehandlungskosten und als Vorfrage dazu die Feststellung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und die Mitgliedschaft ihres verstorbenen Sohnes bei der Beklagten begehrt, ist sie hierzu als Miterbin nach § 1922 Abs 1 und § 2039 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) iVm § 58 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) berechtigt; denn bei einer solchen Erstattungsforderung handelt es sich nicht um laufende Geldleistungen, für die die Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 SGB I eintritt (vgl BSG SozR 3-2200 § 176b Nr 1). Dagegen fällt der Anspruch auf Krankengeld als laufende Geldleistung unter § 56 SGB I. Ob eine Sonderrechtsnachfolge iS dieser Vorschrift überhaupt eingetreten ist und ob die Klägerin alleinige oder anteilsmäßige Sonderrechtsnachfolgerin geworden ist, kann offenbleiben, weil ihrem Sohn ein Anspruch auf Krankengeld weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene zu 1) zustand.
Zur Übernahme der Krankenhauskosten von 3.681 DM ist nicht die Beklagte, wohl aber die Beigeladene zu 1) verpflichtet.
M. N. war nach Beendigung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung als Krankenpflegerpraktikant seit dem 21. März 1988 bei der beigeladenen AOK freiwillig krankenversichert. Diese freiwillige Mitgliedschaft ist weder durch eine auf einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beruhenden, noch durch eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten beendet worden.
Die Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung setzte nach dem hier maßgeblichen Rechtszustand vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) am 1. Januar 1989 neben der satzungsgemäßen Zugehörigkeit zum Personenkreis der in der Ersatzkasse Versicherten und der Beitrittserklärung (§§ 504, 505 RVO) eine Beschäftigung voraus (§ 165 Abs 1 Nr 1 und 2, Abs 2 Satz 1 RVO). Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter begann nach § 306 Abs 1 RVO mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung. Hierunter wurde im Regelfall die Aufnahme der Arbeit verstanden. Von letzterem hat das Bundessozialgericht (BSG) bestimmte Ausnahmen zugelassen und trotz Nichtaufnahme der tatsächlichen Arbeit eine Versicherungspflicht bejaht: Bei einem Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme (BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306 RVO), bei einem Gastarbeiter, der nach Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitgeber und nach Unterbringung auf dem Werksgelände einen Unfall erlitten hatte (BSGE 29, 30 = SozR Nr 4 zu § 306 RVO), bei fristgerechter Kündigung durch den Arbeitgeber vor Arbeitsantritt und Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit bis zur Wirksamkeit der Kündigung (BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165 RVO), bei nahtloser Überführung eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in ein beim selben Arbeitgeber bestehendes reguläres und ebenfalls versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Beginn jedoch Arbeitsunfähigkeit bestand (BSGE 48, 235 = SozR 2200 § 306 Nr 5). Ein vergleichbarer Sachverhalt lag beim Sohn der Klägerin nicht vor. Er ist am Dienstag, dem 5. April 1988 (erster Werktag nach Ostern), zwar auf der Dienststelle der Beigeladenen zu 5) erschienen, hat aber die vereinbarte Tätigkeit (hier Teilnahme an dem zunächst vorgesehenen Schulbetrieb) nicht aufgenommen. Vielmehr wurde er stattdessen einer betriebsärztlichen Untersuchung zugeführt, anschließend zu seinem Hausarzt geschickt und noch am selben Tage stationär behandelt. Zwar hat er sich insofern der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers untergeordnet, als er sich der betriebsärztlichen Untersuchung unterzogen hat. Dieses kann aber die für den Beginn der Versicherungspflicht notwendige Aufnahme der vereinbarten Tätigkeit jedenfalls dann nicht ersetzen, wenn die Anordnung der betriebsärztlichen Untersuchung - wie hier - Klarheit darüber verschaffen sollte, ob von vornherein krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorlag oder nicht. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war M. N. jedenfalls bei der geplanten Aufnahme seiner Tätigkeit, also bereits am Morgen des 5. April 1988, arbeitsunfähig. Scheitert aber wie hier die grundsätzlich erforderliche Arbeitsaufnahme daran, daß der Arbeitnehmer bzw Auszubildende arbeitsunfähig krank ist, so beginnen in einem solchen Fall Versicherungspflicht und Mitgliedschaft nicht (so: BSG SozR 2200 § 306 Nr 10; BSG USK 8201). In diesem Sinne hat das BSG auch § 186 Abs 1 SGB V, die im wesentlichen inhaltsgleiche Nachfolgevorschrift des § 306 Abs 1 RVO, ausgelegt (BSGE 75, 277, 281 = SozR 3-2500 § 186 Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 186 Nr 3). Diese Auslegung trägt dem Versicherungsprinzip Rechnung. Denn dazu, daß die Versicherung in der Regel erst mit der Arbeitsaufnahme beginnen und erst danach bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld begründen kann, steht es in Widerspruch, eine Versicherung entstehen zu lassen, wenn die Arbeitsaufnahme an Arbeitsunfähigkeit scheitert.
Etwas anderes gilt nicht deswegen, weil an der Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuches möglicherweise nicht mehr festzuhalten ist. Zwar hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. Mai 1993 (BSGE 72, 221, 224, 225 = SozR 3-2200 § 165 Nr 10) die Kritik an dieser Rechtsfigur als gewichtig bezeichnet und die Frage offengelassen, ob an ihr festzuhalten ist. Selbst wenn die Rechtsprechung zum mißglückten Arbeitsversuch aber aufgegeben würde, wäre das für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ohne Einfluß. Beim mißglückten Arbeitsversuch wird nämlich der Eintritt der Versicherungspflicht verneint, obwohl - anders als im vorliegenden Fall - die Arbeit tatsächlich aufgenommen worden ist. Jedenfalls hierauf kann nach dem Gesetz für das Eintreten in die Versicherungspflicht grundsätzlich nicht verzichtet werden. Da M. N. nicht in die Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 5) eingetreten ist, ist er auch nicht dadurch versicherungspflichtig geworden, daß er in der Zeit vom 18. Januar bis 20. März 1988 ein versicherungspflichtiges Krankenpflegerpraktikum ausgeübt hat. Denn die einheitliche Betrachtung mehrerer, zeitlich nahe beieinanderliegender Beschäftigungen führt nur dann zur Bejahung der Versicherungspflicht trotz Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeit in der weiteren Beschäftigung auch tatsächlich aufgenommen worden ist.
Das Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, daß das Ausbildungsverhältnis laut Ausbildungsvertrag am 1. April 1988, dem arbeitsfreien Karfreitag, beginnen sollte, der tatsächliche Beginn aber auf den 5. April 1988, den ersten Werktag nach den Ostertagen, fiel. Wie der Senat bereits zu § 186 Abs 1 SGB V entschieden hat (BSG SozR 3-2500 § 186 Nr 3), beginnen in den Fällen, in denen wie hier das Beschäftigungsverhältnis an einem arbeitsfreien Tag beginnen soll, Versicherungspflicht und Mitgliedschaft in entsprechender Anwendung des § 186 Abs 1 SGB V nur, wenn der Arbeitnehmer am nächstfolgenden Arbeitstag in die Beschäftigung eintritt. Nach dem hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht ist § 306 Abs 1 RVO mit dem gleichen Ergebnis entsprechend anzuwenden. Da der Sohn der Klägerin an dem auf die Osterfeiertage folgenden Dienstag nicht in die Beschäftigung eingetreten ist, konnte er selbst dann nicht versicherungspflichtig und Mitglied der Beklagten werden, wenn er am Karfreitag, dem 1. April 1988, an dem das Ausbildungsverhältnis beginnen sollte, arbeitsfähig war.
An dieser versicherungsrechtlichen Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß der Sohn der Klägerin vom Zeitpunkt der beabsichtigten Aufnahme der Ausbildung bis zum 16. Mai 1988 Entgeltfortzahlung erhalten hat. Dabei kann offenbleiben, nach welchen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen diese Zahlung gewährt wurde und ob im Hinblick auf die Vorbehaltsklausel im Ausbildungsvertrag ("vorbehaltlich der gesundheitlichen Eignung") ein Rechtsanspruch darauf bestanden hat. Selbst wenn arbeitsrechtlich ein Anspruch auf Entgeltzahlung etwa nach dem bis Ende 1994 geltenden § 616 Abs 2 BGB bestanden hat, führt dieses nicht zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Wie der Senat in seinen Urteilen BSGE 75, 277, 281 = SozR 3-2500 § 186 Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 186 Nr 3 bereits entschieden hat, ist der Gesetzgeber in der Krankenversicherung dieser arbeitsrechtlichen Lösung nicht gefolgt, sondern verlangt nach wie vor den Eintritt in die Beschäftigung. Scheitert diese an krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, so kann sie durch die arbeitsrechtliche Entgeltzahlung nicht ersetzt werden.
M. N. ist auch nicht durch einen Bescheid der Beklagten, der nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 45 SGB X hätte zurückgenommen werden dürfen, versicherungspflichtig und deren Mitglied geworden. Entgegen der Auffassung des LSG stellt das ohne Datumsangabe versehene Schreiben der Beklagten, mit dem ihm der Beginn seiner Mitgliedschaft mitgeteilt wurde (Begrüßungsschreiben), keinen Verwaltungsakt dar, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wurde. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ua Voraussetzung für einen Verwaltungsakt, daß er zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erlassen wird. Entscheidendes Merkmal der "Regelung" ist, ob die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, dh ob durch sie Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte mit Außenwirkung abgelehnt wird (vgl BVerwGE 55, 280, 285; 69, 374, 377; 77, 268, 271 mwN). Das BSG hat in dem Begrüßungsschreiben einer Ersatzkasse an einen vermeintlichen, in Wirklichkeit aber nicht Versicherungspflichtigen nicht die Regelung eines Einzelfalles und damit keinen Verwaltungsakt gesehen (BSG USK 68107). Dementsprechend hat es auch ähnliche Schreiben der Versicherungsträger bei freiwilliger Weiterversicherung in der Krankenversicherung (BSGE 14, 104, 106, 107) und bei freiwilligem Beitritt zur Unfallversicherung (BSGE 23, 248, 251 = SozR Nr 2 zu § 539 aF RVO) nicht als Verwaltungsakte gewertet. Auch durch das vorliegende Begrüßungsschreiben wurde die Versicherungspflicht nicht geregelt. Die Aufnahme als Mitglied bei einer Ersatzkasse wird häufig - wie auch hier - vor Eintritt in eine versicherungspflichtige Beschäftigung beantragt. In der Regel bestätigt die Ersatzkasse daraufhin schriftlich die Mitgliedschaft, ohne den Zeitpunkt des Eintritts in die Beschäftigung abzuwarten oder gar zu überprüfen, ob diese Voraussetzung der Versicherungspflicht tatsächlich erfüllt worden ist. Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Schreiben eine die Ersatzkasse bindende Bestätigung über die Zugehörigkeit des Betreffenden zum aufnahmeberechtigten Personenkreis gesehen werden kann. Jedenfalls liegt darin kein Verwaltungsakt über das Vorliegen der Versicherungspflicht, wenn es - wie hier - zur Aufnahme der vorgesehenen Beschäftigung nicht gekommen ist und die Kasse hiervon damals keine Kenntnis hatte. Für diesen Fall ergibt sich auch aus der Sicht des die Mitgliedschaft Beantragenden keine Regelung über das Bestehen von Versicherungspflicht, auf die er sich später berufen kann. Sähe man in derartigen Bestätigungen der Mitgliedschaft einen Verwaltungsakt über das Vorliegen der Versicherungspflicht, wären die Ersatzkassen - seit dem 1. Januar 1996 auch die übrigen Krankenkassen - erst nach verwaltungsaufwendigen, länger dauernden Verfahren zur Bestätigung einer beantragten Mitgliedschaft in der Lage. Solches würde den Anforderungen an eine Massenverwaltung nicht gerecht.
M. N. ist auch nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden. Er hat die Mitgliedschaft bei der Beklagten nur bei Eintritt der Versicherungspflicht begründen wollen. Die Klägerin hat eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht hilfsweise geltend gemacht, sondern im Falle einer Ablehnung des Hauptantrages wegen Nichtbestehens der Versicherungspflicht beantragt, die beigeladene AOK (Beigeladene zu 1) zur Erstattung der Krankenhauskosten und zur Gewährung von Krankengeld über den 29. November 1988 hinaus zu verurteilen.
M. N. standen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche nach § 213 RVO zu. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die auch für die Ersatzkassen galt (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Band 2, 18. Aufl, Stand: 31. Januar 1988, § 213 Anm 1 S 17/690 mwN), sind hier nicht erfüllt, weil Beiträge an die Beklagte nur für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 1988 entrichtet worden sind. Zwar hat M. N. vom 17. Mai bis 29. November 1988 Krankengeld von der Beklagten bezogen. In dieser Zeit sind für ihn aber wegen der nach § 383 RVO bestehenden Beitragsfreiheit Beiträge nicht entrichtet worden. Wie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist, waren im Rahmen des § 213 RVO Zeiten der Beitragsfreiheit wegen Leistungsbezugs den Zeiten, für die Beiträge entgegengenommen worden waren, nicht gleichgestellt (vgl BSG SozR 2200 § 165 Nr 66 S 94; BSG SozR 2200 § 306 Nr 14 S 24).
Ansprüche gegen die Beklagte sind somit nicht gegeben. Die Klägerin kann jedoch aus der freiwilligen Versicherung ihres Sohnes, die bis zu dessen Tode fortbestand, von der Beigeladenen zu 1) die Übernahme der Krankenhauskosten von 3.681 DM verlangen.
Weitere Ansprüche gegen die Beigeladene zu 1) scheiden aus. So konnte ein Anspruch auf Krankengeld aus der freiwilligen Versicherung nicht entstehen, weil M. N. ohne Krankengeldanspruch versichert war. Auch aus seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung als Krankenpflegerpraktikant (18. Januar bis 20. März 1988) kann das begehrte Krankengeld nicht gefordert werden. Ein Anspruch hierauf nach § 214 Abs 1 Satz 1 RVO war einmal wegen der in diesem Falle vorrangigen freiwilligen Versicherung (vgl BSG SozR 2200 § 214 Nr 2), zum anderen deshalb ausgeschlossen, weil nach der genannten Vorschrift Krankengeld nur für 26 Wochen gewährt wurde (vgl Peters, aaO, § 214 Anm 7b S 17/710), die am 29. November 1988 bereits abgelaufen waren. Schließlich sind Ansprüche auf Krankengeld nicht unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit des Versicherungsfalles begründet; denn nach den von der Revision nicht gerügten Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), war M. N. vor dem 5. April 1988 nicht behandlungsbedürftig und hat das frühere Praktikum ohne Leistungseinschränkungen absolviert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, der Beitragspflicht zur BA und der Übernahme der Krankenhauskosten der Klage in den Vorinstanzen stattgegeben worden ist und daß die Beklagte und die Beigeladene zu 1) die Übernahme der Krankenhauskosten abgelehnt haben, obwohl insofern eine vorläufige Leistung nach § 43 SGB I nahelag.
Fundstellen
RegNr, 22573 (BSG-Intern) |
DOK 1997, 692 (Leitsatz) |
EEK, I/1187 (red. Leitsatz 1-2 und Gründe) |
USK 9618, (Leitsatz 1 und Gründe, red. Leitsatz 1 und Gründe) |
WzS 1997, 121 (Gründe) |
WzS 1997, 281 (red. Leitsatz) |
AuA 1997, 173-175 (Leitsatz 1 und Gründe) |
Die Beiträge 1997, 114-121 (red. Leitsatz 1 und Gründe) |
NZA-RR 1997, 361 (Leitsatz 1) |
RV 1996, 177 (Kurzwiedergabe) |
SozR 3-2200 § 306, Nr 2 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SozR 3-2500 § 186, Nr 4 (Leitsatz) |
SozSich 1997, 230-231 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZfSH/SGB 1997, 546-549 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZfS 1996, 249-250 (Kurzwiedergabe) |
SozSi 1997, 230 |