Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der im Jahr 1947 in Jugoslawien geborene Kläger, jugoslawischer Staatsangehöriger, war nach seiner Einreise in das Bundesgebiet als Montierer und Werkzeugmacher beschäftigt. Am 11. Mai 1977 nahm er eine Tätigkeit als Maschinenbediener in Köln auf. Mit Bescheid vom 19. Juli 1977 bewilligte ihm die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme als stationäre Heilbehandlung in der E… in M…. Am 5. August 1977 kündigte ihm der Arbeitgeber zum 19. August 1977. Vom 16. August bis 16. Oktober 1977 hielt sich der Kläger in seiner Heimat in Jugoslawien auf. Für die Zeit vom 20. August bis 17. September 1977 zahlte ihm die S… Ersatzkasse Krankengeld. Am 18. Oktober 1977 trat der Kläger die Kur in M… an; er wurde am 15. November 1977 als arbeitsfähig mit Schonungszeit bis 22. November 1977 entlassen. Vom 23. November 1977 bis 4. Januar 1978 bezog er Arbeitslosengeld.
Den im Januar 1978 gestellten Antrag des Klägers auf Übergangsgeld für die Dauer der Kur lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 1978 ab; der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Sozialgericht Köln hat mit Urteil vom 30. November 1979 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 3. Februar 1982 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen des LSG ist ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Übergangsgeld nach § 1240 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nicht erfüllt, weil der Kläger keiner der in den §§ 1241 bis 1241 f. RVO (a.F.) erfaßten Fallgruppen angehöre. Insbesondere greife § 1241 b RVO nicht ein, weil der Kläger zwar Krankengeld bezogen habe, aber die Maßnahme zur Rehabilitation nicht im Anschluß daran durchgeführt worden sei. Wenn auch aus dem Gesetz eine feste zeitliche Grenzziehung für den Begriff "im Anschluß" nicht hergeleitet werden könne, so sei doch hier zu berücksichtigen, daß der Kläger für einen anfänglich unbefristeten, nachträglich auf mehr als vier Wochen begrenzten Zeitraum freiwillig den Lebensstandard desjenigen gewählt habe, der von seinem privaten Vermögen lebe.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 1241 Abs. 1 Satz 1 und 1241 b RVO (a. .F) und trägt vor: Er sei vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe deshalb einen Anspruch nach § 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO; auf die Länge der Arbeitsunfähigkeit komme es nicht an. Erst später sei das Wort"unmittelbar" in § 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO eingefügt worden. Im übrigen sei § 1241 b RVO ausschließlich eine Berechnungsvorschrift und keine anspruchsvernichtende Norm, so daß sein, des Klägers, Anspruch auf Übergangsgeld nicht dadurch berührt werden könne, daß etwa die Voraussetzung des "im Anschluß" nicht gegeben sei. Schließlich habe das LSG den Begriff "im Anschluß" falsch ausgelegt.
Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 1978 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 18. Oktober bis 15. November 1977 Übergangsgeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auf ihren Schriftsatz vom 10. August 1982 wird Bezug genommen.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht nicht.
Der Kläger begehrt Übergangsgeld für eine im Herbst 1977 von der Beklagten durchgeführte medizinische Maßnahme zur Rehabilitation. Der Anspruch richtet sich, da die Maßnahme im Juli 1977 angeordnet worden ist, nach § 1240 RVO in der am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen Fassung des Art 2 § 1 Nr. 6 des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I 1040). Das 20. RAG hatte in § 1240 Satz 1 die Worte "nach Maßgabe der §§ 1241 bis 1241 f." eingefügt und (Nr. 7 a.a.O.) in § 1241 Abs. 4 RVO das sog. Mindest-Übergangsgeld für die sonstigen Betreuten beseitigt. § 1240 Sätze 1 und 2 RVO i.d.F. des 20. RAG gelten heute noch, diese Vorschriften sind im vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden; die nach 1977 getroffenen Änderungen des § 1241 Abs. 1 Satz 1 und des § 1241 b RVO sind nicht anwendbar, da der streitige Anspruch einen Zeitraum vom 18. Oktober bis zum 15. November 1977 betrifft und die Gesetzesänderungen erst später in Kraft getreten sind und ihnen auch keine rückwirkende Kraft beigelegt worden ist.
Nach § 1240 Satz 1 RVO wird dem Betreuten während einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation Übergangsgeld nach Maßgabe der §§ 1241 bis 1241 f. RVO gewährt, wenn er arbeitsunfähig ist oder wegen Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. Bis zum 30. Juni 1977 entsprach der Grund-Vorschrift des § 1240 RVO eine lückenlose Reihe von Berechnungsvorschriften, die an verschiedene Sachverhalte (versicherungspflichtige Beschäftigung, freiwillige Versicherung, Arbeitslosengeld, Krankengeld u.a.) anknüpften, dann aber in § 1241 Abs. 4 RVO einen Auffangtatbestand für den "sonstigen Betreuten", bei dem keiner dieser Sachverhalte vorlag, enthielten. Dabei handelte es sich im wesentlichen um Hausfrauen ohne Arbeitseinkommen, um nicht erwerbstätige Rentner und um freiwillig Versicherte, die die Voraussetzungen des § 1241 Abs. 2 RVO a.F. nicht erfüllten (Verbands-Kommentar zur RVO, Anm. 1 zu § 1241, Stand: 1. Januar 1982). Der Fall, daß ein Betreuter einen Anspruch auf Übergangsgeld dem Grunde nach hatte, daß aber für ihn keine der verschiedenen Berechnungsvorschriften zutraf, war nicht vorgesehen. Das hat sich mit dem 20. RAG geändert. Seit dem 1. Juli 1977 gibt es den Auffangtatbestand nicht mehr. Für eine Gruppe von Betreuten, bei denen nicht die üblichen Sachverhaltsvoraussetzungen vorliegen, fehlt eine Regelung, nach der das - möglicherweise nach § 1240 Satz 1 RVO an sich zustehende - Übergangsgeld berechnet werden könnte.
Das 20. RAG, das nach seiner vollständigen Bezeichnung die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung verbessern sollte, hat Einsparungen u.a. dadurch zu erreichen versucht, daß es das Übergangsgeld bei den als kurzzeitig empfundenen medizinischen Maßnahmen nicht mehr für alle Betreuten, sondern nur für diejenigen vorsah, die als besonders schutzwürdig galten. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich mit genügender Deutlichkeit, daß die bisherigen Empfänger des Mindestübergangsgeldes in Zukunft kein Übergangsgeld mehr erhalten sollten. In der amtlichen Begründung zum 20. RAG (BT-Drucks. 8/165, S. 44) heißt es dazu, die Änderung des § 1240 RVO stehe im Zusammenhang mit der Streichung des § 1241 Abs. 4 RVO und solle klarstellen, daß der Personenkreis, der bisher das Mindestübergangsgeld erhalten habe, während der Kur keinen Anspruch auf eine Bargeldleistung des Rentenversicherungsträgers habe …. Durch die Streichung des § 1241 Abs. 4 RVO falle der Anspruch auf das sog. Mindestübergangsgeld weg, das … an Rehabilitanden gezahlt werde, die vor der Maßnahme kein in der Rentenversicherung versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten und auch keine freiwilligen Beiträge entrichtet hätten.
§ 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO a.F. führt entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einem Anspruch des Klägers. Denn nach Sinn und Zweck der Regelung soll § 1241 RVO a.F. nur dann eingreifen, wenn die einzelnen, in der Vorschrift genannten Perioden (Beschäftigung, Arbeitsunfähigkeit, Maßnahme) einigermaßen nahtlos, mindestens aber im jeweiligen "Anschluß" aneinander ablaufen. Für die Gewährung von Übergangsgeld soll es ersichtlich nicht ausreichen, daß der Betreute irgendwann vor dem Beginn der Maßnahme beschäftigt oder arbeitsunfähig gewesen ist. § 1241 Abs. 1 RVO a.F. regelt die Ansprüche für zwei Gruppen von Betreuten, und zwar diejenigen, die vor der Maßnahme zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt waren, und diejenigen, die vor der Maßnahme zuletzt arbeitsunfähig und davor versicherungspflichtig beschäftigt waren. Bei der ersten Gruppe muß der Anschluß der Maßnahme an die Beschäftigung, bei der zweiten Gruppe muß der Anschluß der Arbeitsunfähigkeit an die Beschäftigung sowie - das ergibt sich aus § 1241 b RVO a.F. - der Anschluß der Maßnahme an die Arbeitsfähigkeit gewahrt sein. Daß die Worte "im Anschluß" nur in § 1241b RVO a.F. beim Übergang vom Krankengeldbezug zur Maßnahme, nicht aber in § 1241 Abs. 1 RVO a.F. erwähnt sind, schadet nicht. Wenn in einem Fall der Anschluß die Voraussetzung für den Übergangsgeldanspruch bildet, ist davon auszugehen, daß im anderen, nahezu gleich gelagerten Fall ebenfalls der Anschluß erforderlich ist (vgl. Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl., Anm. 3 zu § 1241 RVO a.F.).
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht der Umstand, daß erst mit dem Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) durch die Einfügung des Wortes "unmittelbar" die Bedingung der Nahtlosigkeit (des Anschlusses) in § 1240 Abs. 1 RVO aufgenommen worden wäre. Denn dabei handelte es sich, wie der Verbands-Kommentar, Anm. 3 zu § 1241 RVO, unter Hinweis auf die amtliche Begründung des AFKG darlegt, nur um eine andere Wortfassung, nicht dagegen um eine inhaltliche Änderung.
Allerdings geben weder § 1241 Abs. 1 a.F. RVO noch das Wort unmittelbar in § 1241 Abs. 1 RVO noch schließlich die Worte "im Anschluß daran" in § 1241 b a.F. einen Hinweis darauf, wie lang der Zeitraum sein darf, der noch die Nahtlosigkeit, die Unmittelbarkeit oder den Anschluß wahrt.
Für diesen Zeitraum muß es eine Grenze geben. Es widerspräche dem System der sozialen Sicherung, daß der Betreute sich von dem Beschäftigungsverhältnis, der mit Arbeitslosengeld verbundenen Arbeitslosigkeit oder der mit Krankengeld verbundenen Arbeitsunfähigkeit für längere Zeit löst, um - wie es im angefochtenen Urteil heißt - freiwillig den Lebensstandard desjenigen zu wählen, der von seinem privaten Vermögen lebt, und dann aus Anlaß einer später durchgeführten Maßnahme Übergangsgeld bezieht, obwohl er doch den vom Übergangsgeldbezug ausgeschlossenen Personen (Hausfrauen, nicht erwerbstätige Rentner, freiwillig Versicherte ohne Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen) wirtschaftlich gleichsteht.
Diese Grenze könnte, wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts, allerdings in einem wesentlich anderen Zusammenhang, erwogen hat, bei vier Wochen liegen (BSGE 51, 193, 196 = SozR 2200 § 1241b Nr. 4), wobei als Anknüpfungspunkt der Bemessungszeitraum nach § 182 Abs. 5 Satz 1 RVO (so der 1. Senat), aber auch der Zeitraum des § 214 Abs. 1 Satz 1 RVO (so die Rentenversicherungsträger, vgl. Verbands-Kommentar, Anm. 3 zu § 1241 RVO) in Frage kämen; sie könnte auch in Anlehnung an die Frist des § 311 Abs. 1 Nr. 1 RVO schon nach dem Ablauf von drei Wochen zu ziehen sein. Dabei ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, zu berücksichtigen, daß die Berechnung des Übergangsgeldes nach dem vorherigen Krankengeld den Betreuten unter Umständen deutlich besser stellen kann, als wenn dieser sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe erhalten hätte. Der Betreute, der nach Krankengeldbezug und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einen langen unbezahlten Urlaub einlegt, soll während der späteren Maßnahme nicht ein höheres aus dem Krankengeld berechnetes Übergangsgeld (§ 1241 b RVO a.F.) erhalten als derjenige, der sich - ordnungsmäßig im Sinn der sozialen Sicherung - arbeitslos gemeldet hat und dann nur ein aus dem Arbeitslosengeld berechnetes Übergangsgeld (§ 1241 Abs. 3 RVO i.V.m. § 158 Abs. 1 und 2 AFG) beziehen kann.
Ob der die Nahtlosigkeit wahrende Zeitraum vier Wochen oder kürzer ist, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Länger als vier Wochen kann er jedenfalls nicht andauern, weil im Fall des Übergangsgeldes wie auch in vergleichbaren Fällen eine längere Frist den Begriff des unmittelbaren Anschlusses nicht mehr erfüllen kann. Da im vorliegenden Fall der Kläger erst später als vier Wochen nach dem Ende des Krankengeldbezuges die Kur angetreten hat, können weder § 1241 Abs. 1 RVO a.F. noch § 1241b RVO a.F. angewendet werden. Die Vorinstanzen haben zu Recht den Anspruch auf Übergangsgeld abgelehnt.
Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.4 RJ 39/82
Bundessozialgericht
Verkündet am
21. Juni 1983
Fundstellen