Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrente. Spätaussiedler. Entgeltpunkte. Begrenzung. RV-Nachhaltigkeitsgesetz. Echte Rückwirkung. Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Verfassungsmäßigkeit. Vertrauensschutz. Sprungrevision
Leitsatz (redaktionell)
- § 22b Abs. 1 S. 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes ist mit Art. 3 und Art. 14 GG vereinbar. Die Ungleichbehandlung der betroffenen Versicherten gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine Entgeltpunkte für FRG-Zeiten zu Grunde liegen, beruht wie die übrigen Begrenzungen des § 22b FRG darauf, dass dem FRG-Anteil ihrer Renten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, sondern die entsprechenden Leistungen vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt werden. Dies ist ein sachgerechtes Kriterium.
- Bei dem rückwirkenden In-Kraft-Treten von § 22b Abs. 1 S. 1 FRG zum 07.05.1996 handelt es sich um eine verfassungsrechtlich grundsätzlich verbotene sogenannte echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Sie ist jedoch – auch ohne Übergangsregelung –ausnahmsweise zulässig, weil sich bei den Betroffenen ein schutzwürdiges Vertrauen in die ihnen günstige Rechtslage nicht bilden konnte.
Normenkette
FRG § 22b Abs. 1; RV-Nachhaltigkeitsgesetz Art. 9 Nr. 1, Art. 15 Abs. 3; SGB VI § 300; SGG § 44; GG Art. 3, 14
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
In einem Überprüfungs- und Neufeststellungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist streitig, in welcher Höhe die Klägerin einen Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres im Jahre 1922 geborenen und im Jahre 1980 im Ausland verstorbenen Ehemannes J… S… (Versicherter) beanspruchen kann.
Die Klägerin reiste am 20. November 1998 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde als Spätaussiedlerin anerkannt. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 1. März 2000, korrigiert mit Bescheid vom 3. Mai 2001, – mit Begrenzung der Entgeltpunkte (EP) nach § 22b Abs 1 Fremdrentengesetz (FRG) – eine Regelaltersrente auf der Grundlage von 16,9344 EP in der Angestelltenversicherung und 6,0494 EP in der knappschaftlichen Versicherung (mit dem Faktor 1,333 bewertet sind dies 8,0638 EP, dh unter Zusammenrechnung mit den EP aus der Angestelltenversicherung ergibt sich der Höchstsatz von 25 EP nach § 22b Abs 1 FRG). Mit Bescheid vom 14. Juni 2001 stellte die Beklagte auch die Witwenrente der Klägerin fest, allerdings mit dem Zahlbetrag “Null”: Der Versicherte hätte nach dem fiktiv gebildeten Rentenkonto zwar 16,8620 EP nach Maßgabe des FRG erworben, es sei aber keine davon abgeleitete Witwenrente auszuzahlen, weil die Klägerin nach § 22b Abs 1 FRG aus der eigenen sowie der abgeleiteten Rente keine insgesamt 25 EP übersteigende Gesamtleistung beanspruchen könne. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Den unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 – B 4 RA 118/00 R – BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2 gestellten Rücknahme- und Neufeststellungsantrag vom 26. Februar 2002 lehnte die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 19. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 ab, weil sie dem angeführten Urteil des BSG nicht folge und an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalte.
Mit Urteil vom 29. März 2004 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Klage, mit der begehrt wurde, die Hinterbliebenenrente “dem Grunde nach zur Auszahlung zu bringen”, zurückgewiesen. Das SG hat den Ausgangsbescheid für rechtmäßig gehalten. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 14. Juni 2001 zurückzunehmen; denn sie habe darin zutreffend entschieden, dass für das Recht der Klägerin auf große Witwenrente gemäß § 22b FRG kein Geldwert (mehr) festzusetzen sei, weil bereits für deren eigene Rente 25 (einfache) EP zu Grunde gelegt worden seien. Der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BSG könne nicht gefolgt werden. § 22b FRG sei vielmehr eindeutig dahin zu verstehen, dass er Anspruchsinhaber aus abgeleitetem Recht nicht ausschließe, und zwar durch Verwendung des Begriffs des Berechtigten, der unabhängig vom Ursprung des Rechts den Inhaber eines Rechts bezeichne und schon in § 22b FRG aF keinen anderen Inhalt habe als zB in § 14 FRG und §§ 110 ff Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), wo er auch Hinterbliebene erfasse. Der mit § 22b FRG beabsichtigte Systemwechsel wäre andernfalls gegenüber Hinterbliebenen (mit Ausnahme des § 22 Abs 4 FRG) rechtspraktisch nicht vollzogen, die damit verbundene Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Hinterbliebenen und lebenden Verheirateten auch verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen. Die vom BSG gefundene Auslegung überzeuge auch im Hinblick auf die Funktion der Hinterbliebenenrente nicht, das von der Klägerin zitierte Urteil lasse zudem – wie auch die weiteren Urteile des BSG vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) zeigten – völlig offen, auf welcher Grundlage der Rentenversicherungsträger die dem Grunde nach anerkannte Witwenrente der Höhe nach sonst berechnen solle. Das Eigentumsrecht der Klägerin aus Art 14 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt, weil ihr Anspruch keine eigentumsrechtliche Position iS des Art 14 GG darstelle; es handele sich bei einer FRG-Witwenrente nicht um durch Beitragsleistungen erbrachte Sozialversicherungspositionen im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Auch die dem Grunde nach erfolgte Bewilligung der Rente begründe kein Eigentumsrecht, weil gerade bei abgeleiteten Ansprüchen die Anrechnung eigenen Einkommens die Auszahlung verhindern könne. Die Anerkennung eines Rentenanspruchs dem Grunde nach schaffe schon vom Regelungsgehalt des Verwaltungsakts her keine eigentumsrechtliche Position.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung von § 22b FRG sowie die Verletzung von Art 3 und 14 GG. Sie trägt vor, es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb ein deutscher Staatsangehöriger bzw ein Vertriebener oder Spätaussiedler als Deutscher iS des Art 116 GG hinsichtlich der Zuerkennung einer Hinterbliebenenrente anders behandelt werden dürfe als die übrigen in Deutschland lebenden Deutschen. Die Zuerkennung der Hinterbliebenenrente ergebe sich aus dem Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten, der sich nach dem Tode des einen Ehegatten fortsetze. Solange der Gesetzgeber die Hinterbliebenenrentenregelungen nicht ganz abschaffe, dürfe nach Art 3 GG keine Diskriminierung von dem Personenkreis der Vertriebenen/Spätaussiedler angehörenden deutschen Staatsangehörigen stattfinden. Des Weiteren habe die Klägerin mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 20. Dezember 2001 bereits eine von Art 14 GG geschützte, verfestigte Rechtsposition erworben. Die Anerkennung der Beschäftigungszeiten nach dem FRG ersetze die Beitragszahlungen zur deutschen Rentenversicherung, an denen der berührte Personenkreis auf Grund der Kriegsereignisse nicht habe partizipieren können und beruhe auf dem Gedanken des von ihm zu erleidenden “Sonderopfers”. Es könne dahinstehen, ob § 22b FRG idF des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (§ 22b FRG nF) im Übrigen verfassungsmäßig sei; diese Vorschrift könne hier gemäß § 300 Abs 1 und 2 SGB VI keine Anwendung finden. Die von der Rechtsprechung des BSG abweichende Auslegung des § 22b FRG aF durch das SG sei aber auch unzutreffend. Wenn dieser Norm nicht entnommen werden könne, dass sie nicht auf Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei, hätte es nicht zu der vorgenommenen Änderung kommen müssen. Allerdings sei nicht nachvollziehbar, überhaupt mit dem Begriff des “Berechtigten” zu argumentieren. Bei den Hinterbliebenenrentenansprüchen handele es sich gerade nicht um Beitragszeiten des “Berechtigten” im Sinne des FRG, sondern um Beitragszeiten seines verstorbenen Ehegatten; Witwe oder Witwer müssten nicht zwangsläufig auch dem Personenkreis des FRG zuzuordnen sein. Die vom SG behauptete sachwidrige Privilegierung bei Nichtanwendung des § 22b FRG aF auf Hinterbliebene sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon sei das Inkrafttreten von § 22b FRG nF rückwirkend zum 7. Mai 1996 verfassungswidrig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2004 aufzuheben, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2003 zu verurteilen, den Bescheid vom 14. Juni 2001 abzuändern und der Klägerin Witwenrente auf der Grundlage von 16,862 für ihren verstorbenen Ehemann zu berücksichtigenden Entgeltpunkten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und führt ergänzend – und im weiteren in näherer Erläuterung eines von ihr vorgelegten Rechenwerks des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) – aus: Bei dem Anspruch der Klägerin, deren Ehemann bereits im Vertreibungsgebiet gestorben sei, handele es sich um einen eigenständigen Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 1 Buchst a FRG in Verbindung mit der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG (Beschluss vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79), bei dem – wie auch bei der eigenen Altersrente der Klägerin – bereits für die Erfüllung der Wartezeit ausschließlich FRG-Zeiten anzurechnen seien. Hierin liege auch der große und zu differenzierender Betrachtungsweise berechtigende Unterschied zu einer hiesigen Witwe. Während letztere eine Rente aus bundesdeutschen oder im Rahmen des SGB VI gleichgestellten Beitragszeiten erhalte, begründe sich der Anspruch eines FRG-Berechtigten aus fremdstaatlichen Zeiten, deren Anrechnung und Bewertung im weitestgehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege. Zumindest habe die bisherige Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG nicht in Frage gestellt und betont, dass der Gesetzgeber damit für Spätaussiedler eine Sozialrente geschaffen habe, die als Fürsorgeleistung nur dem äußeren Schein nach noch dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen sei. Eigentumsrechte der Klägerin aus Art 14 GG seien nicht verletzt, denn die nach dem FRG zu gewährenden Leistungen beruhten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG nicht auf erheblichen Eigenleistungen zu einem deutschen Sozialversicherungsträger. Dies werde weder durch die Gleichstellung der nicht nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gemäß § 15 Abs 1 FRG noch auf Grund des in Art 116 GG enthaltenen Integrationsversprechens fingiert. Als öffentlich-rechtliche Leistung sozialen Charakters unterfalle der ausschließlich auf FRG-Zeiten beruhende Anspruch vielmehr nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie. Mit § 22b FRG nF habe der Gesetzgeber lediglich klargestellt, dass auch für den einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten auf insgesamt 25 EP begrenzt werde. Das rückwirkende Inkrafttreten gemäß Art 15 Abs 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz zum 7. Mai 1996 sei hier zu beachten. Es handele sich um eine authentische Interpretation. Eine solche rückwirkende Klarstellung sei nach der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG von den Gerichten in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer rückwirkenden Gesetzesänderung auch bei einer zusätzlichen Belastung des Bürgers zu beachten, wenn das Vertrauen auf die zuvor bestehende Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig gewesen sei, insbesondere, wenn das durch die Norm veränderte geltende Recht unklar und verworren gewesen sei oder sich der Bürger ohnedies nicht auf den von der Norm erzeugten Rechtsschein habe verlassen können. Hier sei die Rechtslage durch die Entscheidung des 4. Senats des BSG unklar und verworren geworden. Dies ergebe sich aus zahlreichen gegensätzlichen obergerichtlichen Entscheidungen sowie der differierenden Rechtsprechung des BSG zu der Frage, in welcher Anzahl die EP beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen seien. Allen Beteiligten seien im Übrigen die deutlichen Verschlechterungen der Rentenleistungen für die nach dem 6. Mai 1996 zuziehenden Personen bekannt gewesen; die Betroffenen hätten gewusst, dass sich der pauschal zugebilligte Bedarf nach der Zahl der Berechtigten richte und ein(e) Alleinstehende(r) generell nur eine Leistung aus maximal 25 EP erhalten könne. Hierauf hätten sie sich eingerichtet und insbesondere die Entscheidungen der Rentenversicherungsträger über diese Begrenzung und über die Nichtzahlung einer ggf dem Grunde nach bestehenden Hinterbliebenenrente bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des 4. Senats in der Regel auch akzeptiert. § 22b FRG nF sei aber auch dann verfassungskonform, falls § 22b FRG aF nach seinem Wortlaut tatsächlich nicht eindeutig der beabsichtigten Regelung entsprochen haben sollte. Denn insoweit handele es sich dann um eine zulässige echte Rückwirkung, weil die Betroffenen nach der rechtlichen Situation im dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen werde, wegen des allen Beteiligten und Betroffenen bewussten Gesetzeszwecks damit hätten rechnen müssen, dass der Gesetzgeber die Vorschrift, wie geschehen, neu fassen werde. Weiter sei die Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes übergeordneten zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Diese Gründe lägen hier in den großen finanziellen Belastungen, die der Bund zusätzlich hätte tragen müssen, wenn die RV-Träger dem Verständnis des BSG von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF gefolgt wären. Ausgehend von den entsprechenden Rentenanträgen ab dem 7. Mai 1996 bis zum Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes und dem Finanzvolumen für die Rentenzugänge aus den Jahren 1997 bis 2003 hätte sich unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsdauer einer Hinterbliebenenrente von 8,8 Jahren nach Ermittlungen des VDR bereits eine finanzielle Mehrbelastung der RV-Träger von 243.673.767 € ergeben; unter Berücksichtigung auch der Zeiträume vom 7. Mai bis 31. Dezember 1996 sowie vom 1. Januar bis 31. Juli 2004 dürfte sich ein Mehrbedarf von rd 270 Millionen € ergeben. Bei der erforderlichen Abwägung dieses Volumens mit dem Vertrauen der Klägerin in die bestehende Rechtslage müsse Letzteres zurückstehen. Die Klägerin habe zunächst akzeptiert, dass sie aus allen ihr zustehenden Renten nur eine Leistung aus maximal 25 EP erhalten könne. Dieses Verständnis von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF habe durch die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 30. August 2001 nicht nachhaltig so erschüttert werden können, dass nunmehr sogleich ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand in die vom 4. Senat gefundene Gesetzesauslegung geschaffen worden sei. Vielmehr hätten die in der Folgezeit erlassenen vielfältigen obergerichtlichen Entscheidungen gezeigt, dass dieses Normverständnis nicht akzeptiert worden sei. Im Fall der Klägerin komme hinzu, dass sie bei der Entscheidung über ihren Zugunstenantrag darauf hingewiesen worden sei, dass der Rechtsprechung des 4. Senats nicht gefolgt werden könne. In Anbetracht des bei der Klägerin nicht gegebenen schutzwürdigen Vertrauens in die Geltung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF nach dem Verständnis des 4. Senats des BSG seien die finanziellen Belastungen des Bundes als zwingende Gründe des Gemeinwohls anzusehen. Auch wenn diese zusätzlichen Belastungen in Relation zum insgesamt für FRG-Leistungen zu tragenden Bundeszuschuss nicht als überragend hoch angesehen werden könnten, reiche ihr Umfang gleichwohl aus, um ihnen bei Abwägung mit der Position der Klägerin Vorrang zu geben. Dies habe auch deshalb zu gelten, weil die an die Klägerin zu erbringende Rentenleistung nicht auf eigenen Versicherungsleistungen beruhe und weil auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin durch eigene Steuerzahlungen wieder Leistungen an den Bund zurückführe.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2003, mit dem die Beklagte über den im Februar 2002 gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin entschieden und eine Änderung ihres bindend gewordenen Bescheids vom 14. Juni 2001 abgelehnt hat. Der Ausgangsbescheid ist rechtmäßig und die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, den Bescheid vom 14. Juni 2001 dahingehend abzuändern, dass an die Klägerin eine Witwenrente auf der Grundlage von 16,862 EP auszuzahlen ist.
1. Der zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage verfolgte Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Zugunstenbescheids richtet sich nach § 44 SGB X. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Verfassungsmäßige Rechte der Klägerin werden dadurch nicht verletzt.
a) Was den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente als solchen angeht, ist dieser von der Beklagten bindend anerkannt und steht nicht im Streit. Die Klägerin sei aber darauf hingewiesen, dass sich ihr Anspruch auf Witwenrente nicht aus der allgemeinen rentenrechtlichen Regelung des § 46 SGB VI ableiten lässt. Danach besteht Anspruch auf Witwenrente und Witwerrente nach dem Tod des versicherten Ehegatten, “wenn der versicherte Ehegatte die Wartezeit erfüllt hat”. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat in der Bundesrepublik Deutschland keine Versicherungszeiten zurückgelegt und gehört auch nicht zu den Berechtigten iS des § 1 FRG, insbesondere nicht des § 1 Buchst a FRG in der hier maßgeblichen Fassung durch Art 12 Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2094). Diese Vorschrift erfasst ausdrücklich nur Personen, die selbst als Vertriebene iS von § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) oder als Spätaussiedler iS von § 4 BVFG anerkannt sind und erstreckt sich demgemäß nicht auch auf diejenigen, die als Ehegatte eines Spätaussiedlers lediglich unter § 7 BVFG fallen oder überhaupt nicht in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind (vgl BSG, Urteile vom 23. Juni 1999 – B 5 RJ 44/98 R – SozR 3-5050 § 1 Nr 4, vom 16. Mai 2001 – B 8 KN 2/00 KR R – veröffentlicht in JURIS, vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 39/98 R – veröffentlicht in JURIS und vom 30. August 2001 – B 4 RA 118/00 R – BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2). Allerdings haben die Rentenversicherungsträger nach Inkrafttreten des KfbG (am 1. Januar 1993 – vgl Art 22 Abs 1 KfbG) weiterhin die Rechtsprechung des BSG beachtet, wonach als Vertriebene iS des § 1 BVFG anerkannte Personen einen (eigenständigen) Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben mit der Folge, dass für diesen Anspruch die bis zur Vertreibung des Hinterbliebenen vom Verstorbenen zurückgelegten Beitragszeiten nach §§ 14, 15 FRG zu berücksichtigen sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dessen Tod vor oder nach der Vertreibung des Hinterbliebenen eingetreten ist (Beschluss des Großen Senats vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 – BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr 13), und sie haben diese Rechtsprechung ungeachtet der Frage, inwieweit sie durch das KfbG überholt war, auch auf Personen bezogen, die – wie die Klägerin – die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 verlassen haben und daher nach dem ab 1. Januar 1993 geltenden Recht nicht mehr als Vertriebene nach § 1 BVFG, sondern nur noch als Spätaussiedler nach § 4 BVFG anerkannt werden können. Dem trägt § 14a FRG, eingefügt durch Art 7 des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl I, 403) für die Zeit bis 31. Dezember 2001 Rechnung (vgl BSG, Urteile vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2 jeweils RdNr 17 f und vom 21. Juni 2005 – B 8 KN 1/05 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach § 14a FRG werden bei Renten wegen Todes an Witwen und Witwer von Personen, die nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehören, Zeiten nach diesem Gesetz nicht angerechnet; dies gilt jedoch nicht für Berechtigte, die vor dem 1. Januar 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Ehegatte vor diesem Zeitpunkt verstorben ist (§ 14a Satz 2 FRG). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die vor dem 1. Januar 2002 übergesiedelten Berechtigten weiterhin die der früheren Verwaltungspraxis entsprechende “Hinterbliebenenrente nach einer fiktiven FRG-Rente des Verstorbenen” (so BT-Drucks 14/4595 S 78 zu Art 11 Nr 1 = § 14a FRG) erhalten.
b) Die Frage, inwieweit bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem bei Erlass des Verwaltungsakts anwendbaren Recht. Dieses ergab sich zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheides vom 14. Juni 2001 hinsichtlich der Obergrenze der EP für FRG-Zeiten noch aus § 22b Abs 1 FRG aF, eingefügt durch Art 3 Nr 5 Abs 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz – WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I, 1461) und ergänzt um Satz 3 durch Art 12 Nr 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I, 2998). Entgegen der Ansicht der Beklagten und des LSG hat diese Vorschrift die einer Rente für FRG-Zeiten zu Grunde zu legenden EP nicht in der Weise begrenzt, dass die Höchstgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF von 25 EP (“Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt”) auch für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente gilt, wenn für beide Renten FRG-Zeiten berücksichtigt sind. Der Senat hat dies bereits mit Urteil vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) im Anschluss an das Urteil des 4. Senats vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R – BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) und die Urteile des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R, jeweils nicht veröffentlicht) entschieden und hält nach erneuter Prüfung daran fest (vgl dazu Urteil vom heutigen Tag – B 8 KN 1/05 R – zur Veröffentlichung bestimmt).
Die unrichtige Rechtsanwendung durch die Beklagte begründet aber noch keinen Rücknahme-anspruch. Denn dieser ist nur gegeben, wenn auch die weitere Voraussetzung erfüllt ist, dass deswegen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Diese Frage beantwortet sich nach der materiellen Rechtslage, wie sie sich für den im November 1998 entstandenen Rentenanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung ergibt (vgl auch BSG, Urteile vom 25. Oktober 1984 – 11 RAz 3/83 – BSGE 57, 209, 210 = SozR 1300 § 44 Nr 13 S 21 f und vom 13. September 1994 – 5 RJ 30/93 – HVBG-INFO 1995, 424 und vom 21. März 1996 – 11 RAr 101/94 – BSGE 78, 109, 113 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 112 ff mwN zum Fall nachträglicher Änderung der Rechtsprechung). Insoweit gilt für den mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage verfolgten Anspruch auf Erlass eines Zugunstenbescheids nach § 44 SGB X nichts anderes als für eine sonstige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei der maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, nach welchem Recht die Begründetheit des Anspruchs zu prüfen ist, grundsätzlich die mündliche Verhandlung ist und daher Rechtsänderungen, die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreits eintreten, zu beachten sind, wenn das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst (stRspr vgl BSG, Urteile vom 14. Juli 1993 – 6 RKa 71/91 – BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26, vom 2. Juli 1997 – 9 RVs 9/96 – veröffentlicht in JURIS und vom heutigen Tag – B 8 KN 1/05 R – zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils mwN). Letzteres ist hier der Fall, weil § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des WFG (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF) durch Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 7. Mai 1996 durch eine Neufassung (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF) ersetzt worden ist, die bestimmt, dass für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden.
c) Eine gesetzliche Bestimmung, welche die Anwendung des neuen Rechts im vorliegenden Fall ausschließen könnte, existiert nicht. Der rückwirkenden Anwendung von § 22b FRG nF steht insbesondere nicht § 300 SGB VI entgegen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Vorschrift in Bezug auf Änderungen des FRG generell – etwa auf Grund des allgemeinen Verweises in § 14 FRG (so BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 – B 13 RJ 46/03 R – BSGE 93, 15 RdNr 13) oder speziell für die hier in Rede stehende Rechtsänderung grundsätzlich anwendbar ist.
Nach § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften “dieses Gesetzbuchs” von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme davon bestimmt § 300 Abs 2 SGB VI, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Ungeachtet, ob aus § 300 Abs 1 SGB VI eine “Vorwirkung” für Zeiträume vor Inkrafttreten neuen Rechts abgeleitet werden kann (BSG, Urteile vom 8. November 1995 – 13 RJ 5/95 – SozR 3-2600 § 300 Nr 5 S 10 und vom 18. Juni 1997 – 5 RJ 36/96 – SozR 3-2600 § 300 Nr 11 S 47) oder sich die Anwendung neuen Rechts nur auf nach seinem Inkrafttreten liegende Zeiträume beschränkt (so BSG, Urteile vom 18. Juli 1996 – 4 RA 108/94 – SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 28 und vom 30. Januar 1997 – 4 RA 55/95 – SozR 3-2600 § 300 Nr 10 S 38), ist Voraussetzung der den Grundsatz des § 300 Abs 1 SGB VI einschränkenden Regelung in § 300 Abs 2 SGB VI, dass der Anspruch während der Geltung des alten Rechts entstanden und bis zum Inkrafttreten neuen Rechts (hier: bis zum 6. Mai 1996) bestanden hat. Das war hier eindeutig nicht der Fall. Denn der Rentenanspruch der Klägerin konnte erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich mit ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im November 1998, entstehen. Im Verhältnis von § 300 Abs 1 zu Abs 2 SGB VI bezeichnet der Begriff “Aufhebung” in § 300 Abs 2 SGB VI nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung im Sinne der Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, wie er durch Gesetz ausdrücklich oder durch den Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem altes Recht ersetzende neue Vorschriften iS von Art 82 Abs 2 GG in Kraft treten (BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 – B 13 RJ 46/03 R – BSGE 93, 15 RdNr 19); dieser Zeitpunkt – hier der 7. Mai 1996 – ist dann nach § 300 Abs 2 SGB VI auch maßgeblich für den Beginn der dreimonatigen Frist (zum Inkrafttretenszeitpunkt als maßgeblichem Zeitpunkt für den Fristbeginn iS des § 300 Abs 2 SGB VI vgl auch BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R – SozR 3-2600 § 300 Nr 14 S 63 mwN).
2. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF einzubeziehen.
a) Das BSG hat die Begrenzungsregelungen in § 22b Abs 1 FRG aF und § 22b Abs 3 FRG bereits für verfassungsmäßig erachtet (Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 87/00 R – BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1 ≪zu § 22b Abs 1 FRG aF≫; Urteile vom 3. Juli 2002 – B 5 RJ 22/01 R – SozR 3-5050 § 22b Nr 3 und vom 19. Mai 2004 – B 13 RJ 46/03 R – BSGE 93, 15 sowie Senatsurteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 28 ≪zu § 22b Abs 1 und Abs 3 FRG≫). Der in weitgehender Abkehr von dem das frühere Fremdrentenrecht beherrschenden Eingliederungsprinzip erfolgte Systemwechsel hin zu an der Höhe der Eingliederungshilfe orientierten Rentenleistungen für neu zuziehende Spätaussiedler ist sowohl mit Art 116 als auch mit Art 14 und Art 3 GG vereinbar; der Senat verweist insoweit auf die eingehenden Begründungen in den Urteilen des BSG vom 3. Juli 2002 (B 5 RJ 22/01 R – SozR 3-5050 § 22b Nr 3 S 26 ff) und vom 19. Mai 2004 (B 13 RJ 46/03 R – BSGE 93, 15 RdNr 23 ff). Die Abkehr vom Eingliederungsprinzip in der Rentenversicherung spiegelt letztlich die Änderungen des BVFG durch das KfbG im Hinblick auf die ab 1. Januar 1993 zugezogenen Spätaussiedler. Der frühere § 90 BVFG, wonach Vertriebene in der Sozialversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des Gesetzes gleichgestellt waren, entfiel (Art 1 Nr 30 Buchst b KfbG); nach § 7 Abs 1 BVFG idF des KfbG ist ihnen die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik nur noch “zu erleichtern”, durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind “zu mildern”.
b) § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF führt den mit Einfügung des § 22b FRG durch das WFG vorgenommenen Systemwechsel in dem Sinne fort, dass einem Berechtigten durch eine Rente wegen Todes Leistungen der Rentenversicherung für FRG-Zeiten nur noch gewährt werden, soweit die FRG-Anteile in seiner eigenen Rente den Wert der Eingliederungshilfe noch nicht erreichen. Daher ist die Erweiterung der Begrenzungsregelung durch Einbeziehung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht anders zu beurteilen als die bisherige Regelung. Im Übrigen fällt auch der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach einem ausschließlich in der bundesdeutschen Rentenversicherung Versicherten nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht unter den Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318, 1484/86 – BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1). Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine EP für FRG-Zeiten zu Grunde liegen, beruht wie die übrigen Begrenzungen des § 22b FRG darauf, dass dem FRG-Anteil ihrer Renten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, die entsprechenden Leistungen vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt werden; dies ist ein sachgerechtes Kriterium. Wenn der Gesetzgeber bei seiner Wahl, Rentenleistungen an Spätaussiedler höchstens nur noch zur Deckung eines (pauschalierten) Bedarfs zu erbringen, frei war, verstößt es auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, durch Einbeziehung des Hinterbliebenenrentenanspruchs zu verhindern, dass die Berechtigten infolge des Tods ihres Ehegatten weitergehende Rentenleistungen erhalten. Die Klägerin wird damit gegenüber deutschen hinterbliebenen Ehefrauen, deren Ehemänner ihr Berufsleben in Deutschland verbracht haben, und bei denen ein durch eigene Beiträge erworbener Rentenanspruch lediglich als sonstiges Einkommen gemäß § 97 SGB VI angerechnet wird, nicht ungerechtfertigt benachteiligt.
3. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF ist auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor Verkündung dieser Vorschrift bestehenden Anspruch der Klägerin vom Zeitpunkt seines Entstehens an erfasst. Zwar handelt es sich dabei im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG um eine verfassungsrechtlich grundsätzlich verbotene so genannte echte Rückwirkung bzw Rückbewirkung von Rechtsfolgen (zur Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 242, 255, 257). Sie ist hier jedoch ausnahmsweise zulässig.
a) Die rückwirkende Anwendung rechtfertigt sich allerdings nicht wegen einer “authentischen Interpretation” des früheren Rechts durch den Gesetzgeber. Ungeachtet, welche Vorstellungen mit diesem Begriff verbunden werden und ob er für die Gesetzgebung im demokratischen Rechtsstaat überhaupt Sinn macht (vgl dazu Meyer in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 221 ff), ist bei Anwendung eines Gesetzes, das ein bestehendes Gesetz rückwirkend aufhebt, stets von Verfassungs wegen zu prüfen, ob sich die Rechtslage objektiv geändert hat, und wenn ja, ob dem verfassungsmäßige Rechte der Betroffenen entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 – 2 BvL 17/63 – BVerfGE 18, 429, 436 ff = SozR Nr 5 zu Art 28 GG); denn der Deutsche Bundestag ist bei allen seinen legislativen Akten an die Verfassung gebunden. Der erkennende Senat versteht auch die Verwendung des genannten Begriffs im Sinne einer rückwirkenden Inhaltsbestimmung in der bisherigen Rechtsprechung der anderen Senate des BSG (vgl Urteile vom 11. Juli 1985 – 5b/1 RJ 92/84 – BSGE 58, 243, 246 = SozR 2200 § 182 Nr 98 S 208, vom 27. September 1989 – 11 RAr 53/88 – SozR 4100 § 168 Nr 22, vom 23. März 1994 – 5 RJ 40/92 – BSGE 74, 112 = SozR 2200 § 1259 Nr 15, vom 16. Oktober 2002 – B 10 LW 10/02 R – veröffentlicht in JURIS, vom 17. Dezember 2002 – B 7 AL 18/02 R – SozR 3-4300 § 202 Nr 3 S 6 und vom 11. Dezember 2003 – B 10 LW 17/02 R – SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 13) nicht dahin, dass ein nachfolgendes, nach der Behauptung des Gesetzgebers nur interpretierendes Gesetz bereits aus diesem Grund verfassungsrechtlich geringeren Anforderungen unterworfen wäre.
Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber des in der laufenden Legislaturperiode erlassenen RV-Nachhaltigkeitsgesetzes wegen der personellen Diskontinuität nicht identisch ist mit dem Gesetzgeber des WFG, das in der vorvergangenen Legislaturperiode erlassen wurde, kommt im demokratischen, auf Gewaltenteilung beruhenden Rechtsstaat eine Kompetenz zur verbindlichen Interpretation des Gesetzes durch den Gesetzgeber selbst nicht in Betracht. Der Bundestag kann seinen Gesetzesbeschluss nicht einmal innerhalb einer Legislaturperiode und vor der Gesetzesverkündung “zurückholen”. Änderungen in der vom Bundestag angenommenen Fassung eines Gesetzes sind ohne eine neue Gesetzesinitiative nur bei Feststellung offenbarer Unrichtigkeiten möglich (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 1962 – 2 BvL 4/62 – BVerfGE 14, 245, 250 und vom 15. Februar 1978 – 2 BvL 8/74 – BVerfGE 48, 1, 18 f; zum Berichtigungsverfahren s § 122 Abs 3 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags idF der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 – BGBl I, 1237, § 61 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien idF der Bekanntmachung der Neufassung vom 9. August 2000 – GMBl S 526); ansonsten sind die Gesetzesbeschlüsse des jeweiligen Bundestags unverrückbar (vgl Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestags, 2. Aufl 1977, Anhang A 1, 4.2 zu § 54 und Anhang A 10 zu § 88 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags; Stettner in Dreier, GG-Komm, 1998, Art 77 RdNr 9; Rubel in Umbach/Clemens, GG-Komm, 2002, Art 77 RdNr 18; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG-Komm, 7. Aufl 2004, Art 77 RdNr 3). Im Übrigen steht aber der Wille des Gesetzgebers auch nicht neben dem Gesetzesbeschluss; er manifestiert sich in ihm und kann nur durch Gesetzesauslegung erschlossen werden (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 1963 – 2 BvL 8/63 – BVerfGE 16, 82, 88 und vom 27. Mai 1964 – 1 BvL 4/59 – BVerfGE 18, 38, 45 = SozR Nr 54 zu Art 3 GG). Letztere ist nach Verkündung eines Gesetzes indes Aufgabe der Rechtsprechung, wobei die Rechtsprechung des zuständigen höchsten Fachgerichts (ggf des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung bewirken soll. Die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmte Rechtslage – hier § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF in der Auslegung durch das BSG – kann daher vom Gesetzgeber nur in den durch die Verfassung gezogenen Grenzen rückwirkend geändert werden (vgl BSG, Urteil vom 27. September 1989 – 11 RAr 53/88 – SozR 4100 § 168 Nr 22 S 55 f; BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 – 2 BvL 17/63 – BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art 28 GG). Hiervon ist im Blick auf das seinerzeit noch nicht verkündete RV-Nachhaltigkeitsgesetz der Senat in seinem Urteil vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 24) auch ausgegangen (ebenso der 13. Senat im Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1 RdNr 25 ff). Allerdings gibt eine vermeintlich “authentische Interpretation” des bisherigen Rechts durch eine beabsichtigte oder bereits erlassene Neuregelung immer Anlass, die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu erwägen und dabei die Überlegungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Wie im Urteil vom heutigen Tag (B 8 KN 1/05 R – zur Veröffentlichung bestimmt) dargelegt, führt diese Prüfung hier aber nicht zu einer anderen Gesetzesauslegung.
b) Das Verbot rückwirkender belastender Gesetze folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Rechtsstaatsgebot des GG. Zu dessen wesentlichen Elementen gehört die Rechtssicherheit, der auf Seiten des Einzelnen das Vertrauen in den Bestand von Rechtsnormen und Rechtsakten bis zu ihrer ordnungsgemäßen Aufhebung entspricht (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 257 f; stRspr).
Das Verbot der echten Rückwirkung kann nach dieser Rechtsprechung allerdings ausnahmsweise durchbrochen werden; die echte Rückwirkung ist zulässig, (1) wenn es sich um eine Bagatelle handelt (BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua – BVerfGE 30, 367, 388, vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75 – BVerfGE 45, 142, 173 und vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 259), (2) wenn das geltende Recht in einem Maß systemwidrig und unbillig ist, dass ernsthafte Zweifel an dessen Verfassungsmäßigkeit bestehen (Beschlüsse vom 14. November 1961 – 2 BvR 345/60 – BVerfGE 13, 215, 224, vom 16. November 1965 – 2 BvL 8/64 – BVerfGE 19, 187, 197 und vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua – BVerfGE 30, 367, 388), oder wenn sich die Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist (Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261, 272), (3) wenn der Betroffene zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz bezogen wird, mit der Neuregelung rechnen musste (Beschlüsse vom 31. März 1965 – 2 BvL 17/63 – BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art 28 GG, vom 25. Juni 1974 – 2 BvF 2, 3/73 – BVerfGE 37, 363, 397 = SozR 5724 Allg Nr 1 S 14, vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75 – BVerfGE 45, 142, 173, vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509, 1648/91 – BVerfGE 88, 384, 404 und vom 23. Juni 1993 – 1 BvR 133/89 – BVerfGE 89, 48, 67), (4) wenn das geltende Recht unklar und verworren war, sodass eine baldige Klärung erwartet werden musste (Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua – BVerfGE 30, 367, 388, vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75 – BVerfGE 45, 142, 173, vom 17. Januar 1979 – 1 BvR 446, 1174/77 – BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 25 und vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 259), und schließlich (5) wenn zwingende Belange des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine echte Rückwirkung rechtfertigen (Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261, 272; Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua – BVerfGE 30, 367, 390 f, vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 260 und vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509, 1648/91 – BVerfGE 88, 384, 404).
Abgesehen von dem Bagatellvorbehalt sind diese vom BVerfG falltypisch und nicht abschließend (vgl Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 258) entwickelten Gründe für eine zulässige echte Rückwirkung sämtlich Ausprägungen des Grundgedankens, dass allein zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht – oder nicht mehr – vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern können (BVerfG aaO, BVerfGE 72, 200, 258). Normativer Anknüpfungspunkt für das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot ist mithin die Existenz einer Vertrauensgrundlage und eine schützenswerte Vertrauensbildung (vgl auch Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S 295 f, 302). Das BVerfG hat dazu im Beschluss vom 25. Mai 1993 (1 BvR 1509, 1648/91 – BVerfGE 88, 384, 404) ausgeführt: “Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das Rückwirkungsverbot aber nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt dort nicht, wo sich ausnahmsweise kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.” Letzteres war hier der Fall, und zwar auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die mit § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF gegebene Rechtslage bei Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes geklärt war. Denn schutzwürdiges Vertrauen in diese ihnen günstige Rechtslage hat sich bei den Betroffenen nicht bilden können. Das gilt auch unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes, aus dem das BVerfG Bedenken gegen die nachträgliche Besteuerung bereits steuerfrei zugeflossener Einkünfte hergeleitet hat (vgl Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 258, 263 f). Solange umstritten ist, ob eine Norm einen Rentenanspruch begründet und darüber zahlreiche Prozesse anhängig sind, greifen Gesichtspunkte des Eigentumsschutzes nicht ein, die bei einer unstreitig zuzusprechenden Rente ähnlich wie bei unstreitig steuerfrei zugeflossenen Einkünften zu beachten wären (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – B 10 LW 17/02 R – SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 12). Mangels schutzwürdigen Vertrauens kann dahinstehen, inwieweit zwingende Belange des Gemeinwohls die Einbeziehung der Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG erfordern könnten.
aa) Schutzwürdiges Vertrauen auf einen bestimmten Gesetzesinhalt kann sich nur bilden, wenn er für die Betroffenen auch erkennbar ist. Daran fehlt es bei einer unklaren oder verworrenen Rechtslage (vgl nochmals BVerfG aaO, BVerfGE 72, 200, 259; in diesem Sinne bereits BSG vom 11. Dezember 2003 – B 10 LW 17/02 R – SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 13; der Senat misst der Formulierung “unklar und verworren” ua im Beschluss vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509, 1648/91 – BVerfGE 88, 384, 404 keinen wesentlich anderen Inhalt bei). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt, wenn die ursprüngliche Norm von vornherein Anlass zu Auslegungsproblemen gibt, “deren Lösung nur in einer Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung” möglich ist (Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvR 446, 1174/77 – BVerfGE 50, 177, 194 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8). In diesem Fall entsteht Rechtssicherheit hinsichtlich des Norminhalts erst durch die Rechtsprechung, insbesondere die des zuständigen höchsten Fachgerichts und/oder eine ständige Praxis der Gesetzesanwendung, die dann Grundlage für eine schutzwürdige Vertrauensbildung wird. Schutzwürdiges Vertrauen kann sich zudem immer nur in einer konkreten Situation bilden. Der Regelungsinhalt einer Vorschrift bestimmt sich zwar nach dem objektiven Normverständnis, repräsentiert durch die das Gesetz auslegende Rechtsprechung (vgl dazu BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, jeweils RdNr 26), nicht erst ab dem Zeitpunkt einer höchstrichterlichen Entscheidung, sondern auch für den vergangenen Zeitraum, in dem nach diesem Normverständnis Ansprüche begründet worden sind (vgl BSG, Urteile vom 21. März 1996 – 11 RAr 101/94 – BSGE 78, 109, 114 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 115 und vom 28. April 1999 – B 9 V 16/98 R – veröffentlicht in JURIS, jeweils mwN). Bei einer unklaren Rechtslage, die erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt wird, ist Rechtssicherheit hinsichtlich des Normverständnisses aber bis zu dieser Klärung nicht vorhanden, und dementsprechend kann sich berechtigtes Vertrauen der Betroffenen als Gegenstück der Rechtssicherheit erst mit und ab dieser Klärung bilden (vgl BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1968 – 1 BvR 537/65 – BVerfGE 24, 75, 98). Nicht anders ist im Ergebnis die Situation zu beurteilen, wenn erst durch die Rechtsprechung ein Norminhalt erschlossen wird, der zuvor wegen der besonderen Auslegungsprobleme nicht erkannt wurde (vgl BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1986 – 2 BvL 5/80, 17/82 und 2 BvR 635/80 – BVerfGE 72, 302, 325 f). Die an anderer Stelle getroffene Aussage des BVerfG, der Gesetzgeber dürfe die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ins Unrecht setzen und korrigieren (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 – 2 BvL 17/63 – BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art 28 GG, Blatt A b 2), bezieht sich auf eine “völlig klare” Rechtslage bzw ein “zutreffend angewandtes Gesetz” und nicht auf die hier erörterten Fallgestaltungen (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – B 10 LW 17/02 R – SozR 4-5868 § 92 Nr 2).
Die Bildung schutzwürdigen Vertrauens ist des Weiteren nicht (mehr) möglich, wenn mit der Änderung einer Rechtslage gerechnet werden muss. Letzteres ist – wie der Senat bereits zur rückwirkenden Änderung von § 93 Abs 5 SGB VI durch Art 1 Nr 17 iVm Art 12 Abs 8 WFG ausgeführt hat – regelmäßig ab dem Gesetzesbeschluss über eine Rechtsänderung der Fall, hier ab 11. März 2004, an dem das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde (s BR-Drucks 191/04); damit entfällt dann auch ein zu dem Zeitpunkt bereits vorhandenes berechtigtes Vertrauen in die alte Rechtslage (Teilurteil und Vorlagebeschluss vom 28. Mai 1997 – 8 RKn 27/95 – SozR 3-2600 § 93 Nr 3 sowie Senatsurteile vom 13. März 2002 – B 8 KN 4/00 R – SozR 3-2600 § 93 Nr 11 S 106 und vom 26. Februar 2003 – B 8 KN 11/02 R – SozR 4-2600 § 93 RdNr 10 mwN; vgl auch BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 1971 – 2 BvL 3/68 – BVerfGE 30, 272, 287 mwN, vom 25. Juni 1974 – 2 BvF 2, 3/73 – BVerfGE 37, 363, 397 = SozR 5724 Allg Nr 1 S 14 und vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 260 ff).
bb) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das RV-Nachhaltigkeitsgesetz schutzwürdiges Vertrauen in den für die Betroffenen günstigen Norminhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF nicht verletzt; denn ein solches Vertrauen konnte sich vor dem Gesetzesbeschluss nicht bilden. Es bedurfte daher auch keiner Übergangsregelung.
Bis zum Urteil des 4. Senats vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R – BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) wurde die Vorschrift von den Rentenversicherungsträgern durchgehend dahin verstanden, dass der Höchstwert von 25 EP alle für FRG-Zeiten ermittelten EP erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten, also auch beim Zusammentreffen einer eigenen mit einer Rente wegen Todes (vgl Heller in DAngVers 1997, 1, 7; Bönisch in MittLVA Oberfr 2000, 149, 153; Moser in Kompass 1996, 499, 500; Spegel in MittLVA Württemberg 1996, 384, 385; Silber in MittLVA Württemberg 1997, 11, 12; Stockhaus in AmtlMittLVA Rheinprovinz 1997, 325, 327; Krohm in Kompass 1998, 212; Polster in DRV 1998, 97, 99; Verbandskomm § 22b FRG Anm 4.5, Stand Januar 1998), und dieses Verständnis wurde, soweit ersichtlich, von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz und den Betroffenen nicht in Frage gestellt. Auch in dem Fall, der dem Urteil des 4. Senats zu Grunde liegt, war es nach den Ausführungen des Berufungsgerichts zwischen den Beteiligten unstreitig (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2000 – L 12 RA 2663/99 – veröffentlicht in JURIS); gestritten wurde darüber, ob die Begrenzung verfassungsgemäß sei. Der objektive Regelungsinhalt der Norm, wie ihn das BSG festgestellt hat, war mithin den Betroffenen zunächst nicht erkennbar. Das BSG hat ihn auch nur mit einem erheblichen Interpretationsaufwand unter rechtssystematischen und übergeordneten Gesichtspunkten der Rechtsklarheit bestimmen können (vgl BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, jeweils RdNr 7 ff und Senatsurteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 11 ff). Die Auslegung des 4. Senats überraschte daher und stieß auf erhebliche Kritik.
Die Rentenversicherungsträger verabredeten, ihr nicht zu folgen (vgl Göhde in MittLVA Rheinprovinz 2002, 316, 317 mwN). Die Gerichte der unteren Instanzen schlossen sich der Auslegung des 4. Senats nur zum Teil an, so: LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 1. Juli 2003 – L 11 RJ 511/03 – und vom 15. Juli 2003 – L 13 KN 974/03 – jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 26. August 2003 – L 2 RJ 78/03 – veröffentlicht in JURIS), LSG Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 26. August 2003 – L 18 KN 27/03 – und vom 13. Oktober 2004 – L 8 RJ 68/03 – jeweils veröffentlicht in JURIS sowie vom 13. Oktober 2004 – L 8 RA 58/03 und L 8 RJ 107/04 – jeweils nicht veröffentlicht), ferner SG Detmold (Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2003 – S 2 RA 46/03 – nicht veröffentlicht), SG Frankfurt/Oder (Urteil vom 26. März 2003 – S 9 RJ 273/02 – nicht veröffentlicht), SG Freiburg (Urteil vom 30. Januar 2003 – S 2 KN 440/02 – nicht veröffentlicht), SG Gelsenkirchen (Gerichtsbescheid vom 25. August 2004 – S 14 RJ 57/04 – nicht veröffentlicht), SG Heilbronn (Urteil vom 5. Juni 2003 – S 5 RJ 2780/02 – nicht veröffentlicht), SG Karlsruhe (Urteil vom 11. Februar 2003 – S 2 RA 4039/02 – veröffentlicht in JURIS), SG Kiel (Urteile vom 25. März 2002 – S 4 KN 26/99 – sowie vom 4. Juni 2003 – S 4 KN 8/02 – jeweils nicht veröffentlicht), SG Köln (Urteile vom 13. Februar 2003 – S 15 KN 55/02 –, vom 21. März 2003 – S 11 RJ 237/02 – und vom 27. März 2003 – S 15 KN 43/02 – jeweils nicht veröffentlicht) und SG Saarbrücken (Urteil vom 5. November 2002 – S 15 RJ 418/02 – und Gerichtsbescheid vom 2. April 2003 – S 15 RJ 596/02 – jeweils nicht veröffentlicht).
Wie das SG Berlinim vorliegenden Fall (und ebenso in seinen Urteilen vom 24. Juli 2003 – S 30 RJ 526/03 –, vom 8. Januar 2004 – S 30 RJ 824/03 – und vom 11. Oktober 2004 – S 18 KN 13/04, 18/04 und 21/04 – jeweils veröffentlicht in JURIS sowie vom 28. Juli 2003 – S 3 RA 5529/02 –, vom 11. März 2004 – S 30 RJ 323/03 – und vom 22. Juni 2004 – S 26 RJ 737/04 – jeweils nicht veröffentlicht) widersprachen hingegen andere Gerichte der Auslegung des 4. Senats und hielten an ihrem Widerspruch teilweise auch noch nach Bestätigung dieser Auslegung durch die Urteile des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1; B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R – jeweils nicht veröffentlicht) und des erkennenden Senats vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) fest; so: LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 29. Oktober 2003 – L 3 RJ 2485/03 und L 3 RJ 2585/03 – jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG Berlin (Urteil vom 17. September 2004 – L 5 RJ 23/04 – veröffentlicht in JURIS), Hessisches LSG (Urteil vom 16. Dezember 2004 – L 8 KN 13/04 – veröffentlicht in JURIS), LSG Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 30. Juli 2003 – L 8 RJ 64/03 – und vom 26. Februar 2004 – L 2 KN 42/03 – jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG für das Saarland (Urteile vom 29. Oktober 2004 – L 7 RJ 199/03 und L 7 RJ 155/03 – veröffentlicht in JURIS) und Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteile vom 12. Dezember 2002 – L 5 KN 2/02 – und vom 12. August 2004 – L 5 KN 5/03 – jeweils veröffentlicht in JURIS); ferner SG Altenburg (Urteil vom 2. September 2003 – S 17 RJ 2055/02 – veröffentlicht in JURIS), SG Düsseldorf (Urteile vom 27. März 2003 – S 15 RJ 209/02 – nicht veröffentlicht und vom 9. September 2003 – S 15 RJ 275/02 – veröffentlicht in JURIS), SG Freiburg (Urteil vom 29. April 2003 – S 9 RJ 2625/02 – veröffentlicht in JURIS), SG Gießen (Urteil vom 25. Mai 2004 – S 6 KN 5/04 – nicht veröffentlicht) und SG Mannheim (Urteil vom 27. November 2002 – S 9 RJ 2074/02 – veröffentlicht in JURIS).
Hinzu kommt, dass die Entscheidung des 4. Senats noch keine Antwort darauf gab, welche Begrenzung der EP für FRG-Zeiten bei der Hinterbliebenenrente gilt, wenn sich § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF nicht auf das Zusammentreffen einer eigenen Rente mit einer Hinterbliebenenrente bezieht. Wie die nachfolgenden Urteile des 13. und des erkennenden Senats zeigen, ergeben sich insoweit Unterschiede, je nachdem, ob der verstorbene Ehegatte bereits vor oder nach der Übersiedlung verstorben ist bzw die Ehegatten zu Lebzeiten bereits Renten auf der Grundlage von nach § 22b Abs 1 Satz 1 und Abs 3 FRG begrenzten EP bezogen haben. Im Hinblick auf den bedeutsamen Widerspruch gegen die Auslegung des 4. Senats und die damit verbundenen weiteren Fragen war das Ergebnis der ausstehenden Prüfung durch die anderen Rentensenate des BSG offen. Auf eine entsprechende Beschwerde hin hätte zB die Revision auch durch das BSG zugelassen werden müssen (zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, die höchstrichterlich bereits entschieden ist, vgl BSG, Beschlüsse vom 21. November 1983 – 9a BVi 7/83 – SozR 1500 § 160 Nr 51 und vom 30. September 1992 – 11 BAr 47/92 – SozR 3-4100 § 111 Nr 1; BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – 5 B 155/96 – Buchholz 310 § 132 Abs 2 Ziff 1 VwGO Nr 15; Fichte in NzS 1998, 1 ff). Von der Entscheidung des 4. Senats konnte daher noch keine Rechtssicherheit ausgehen. Erst mit den bereits erwähnten Urteilen des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R – BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R – jeweils nicht veröffentlicht) und des erkennenden Senats vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R – BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) konnte erwartet werden, dass es bei dieser Auslegung bleiben werde. Ein berechtigtes Vertrauen in den ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF konnte sich daher bei den Betroffenen vor dem Gesetzesbeschluss über das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 11. März 2004 nicht bilden. Ob wegen des anhaltenden Widerspruchs gegen die Rechtsprechung des BSG auch nach dem Urteil des 13. Senats noch Klärungsbedarf bestand, kann deshalb dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen