Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten. Sonstige Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Kosten eines stationären Aufenthaltes.
Die beklagte Krankenkasse (KK) lehnt es ab, die Kosten eines (voll-) stationären Aufenthaltes der bei ihr durch den Sozialhilfeträger versicherten Beigeladenen im Klinikum der klagenden Universität in der Zeit vom 1. bis 14. Februar 1990 in Höhe von DM 5.821, 20 zu übernehmen, da der Aufenthalt medizinisch nicht erforderlich gewesen sei. Die 1962 geborene Beigeladene leidet an dem sog. Mimikry- oder Münchhausen-Syndrom („Krankenhauswandern”): Seit 1984 läßt sie sich unter Vortäuschung von Krankheitssymptomen immer wieder in Krankenhäuser aufnehmen, was zu über 300 nicht erforderlichen Krankenhausaufenthalten in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz mit Gesamtkosten von DM 500.000,– für die Beklagte geführt hat. Die Beigeladene steht in den Wirkungskreisen „Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Gesundheitsfürsorge” unter Pflegschaft, seit 1. Januar 1992 unter Betreuung. Die Beklagte (bzw deren Rechtsvorgängerin) hat über die Kassenärztliche Vereinigung die zugelassenen Ärzte in Hessen sowie selbst eine Vielzahl von Krankenhäusern über die besondere Problematik der Beigeladenen informiert, nicht jedoch die Klägerin. Eine Warnung der Krankenhausträger wurde von der Hessischen Krankenhausgesellschaft aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht weitergegeben. – Zuletzt war die Beigeladene im Psychiatrischen Krankenhaus in H. untergebracht, wo sie am 31. Januar 1990 entwich.
Am 1. Februar 1990, 8.15 Uhr, stellte sich die Beigeladene in der Chirurgischen Klinik/Poliklinik der Klägerin vor und klagte über krampfartige Schmerzen seit 2.00 Uhr nachts, besonders rechts im Unterbauch, mit Übelkeit und Erbrechen. Der letzte Stuhlgang sei am Vortag gewesen. Sie sei wegen Illeus bereits viermal operiert worden. Nach weiteren Untersuchungen und der vorläufigen Verdachtsdiagnose „Gastroenteritis” wurde noch am selben Tage gegen 17.30 Uhr die Bauchhöhle geöffnet; Verwachsungen der Dünndarmschlingen wurden gelöst, Anzeichen für eine Krebserkrankung fanden sich nicht. Der Kostenübernahmeantrag der Klägerin vom 1. Februar 1990 ging am 5. Februar 1990 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein. Nach einem Telefonat mit dieser erfuhr die Klägerin von der psychiatrischen Vorgeschichte und verlegte die Beigeladene noch am selben Tage (5. Februar 1990) in die Psychiatrische Abteilung, wo sie bis zum 14. Februar 1990 blieb. Eine Kostenübernahme lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab (Schreiben vom 9. Februar 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage bezüglich der nunmehr allein noch streitigen Kosten der stationären Aufnahme vom 1. bis 14. Februar 1990 in Höhe von DM 5.821, 20 stattgegeben (Urteil vom 15. September 1993). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 23. Juni 1995).
Die Beklagte rügt mit der vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung von § 39 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V).
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juni 1995 sowie des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. September 1993 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat nichts vorgetragen und keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen. Wie das LSG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Kosten der (voll-) stationären Aufnahme der Beigeladenen in der Zeit vom 1. bis 14. Februar 1990 in Höhe von DM 5.821, 20 zu zahlen.
1. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn es geht um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt der Beklagten gegen die Klägerin nicht ergehen mußte (und durfte) und auch nicht ergangen ist. Dieses Gleichordnungsverhältnis entsteht bereits durch den Sicherstellungsvertrag (SV) nach § 372 Abs. 1 – 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V sowie den öffentlich-rechtlichen koordinationsrechtlichen Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V (vgl. im einzelnen unten), so daß auch die Ablehnung einer Kostenübernahme nicht als Ausdruck eines Über-/Unterordnungsverhältnisses angesehen werden kann (so aber Krauskopf, SozKV und PflegeVers, Stand Oktober 1995, § 39 Rdnr. 9; zur Rechtslage vor dem SGB V entsprechend auch Heberlein SGb 1985, 12). Die die Zahlung ablehnenden Schreiben der Beklagten können auch nach Form und Inhalt nicht als Verwaltungsakte angesehen werden und sind von den Beteiligten auch nicht so verstanden worden. Auch ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Frist einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht einzuhalten (vgl. zum Ganzen BSGE 12, 65, 67 = SozR Nr. 1 zu § 1739 RVO; BSGE 13, 94, 96 = SozR Nr. 1 zu § 290 Lastenausgleichsgesetz; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 41).
2. Die Klage ist auch begründet.
Das LSG nimmt zur Begründung des klägerischen Zahlungsanspruchs für den gesamten Zeitraum vom 1. bis 14. Februar 1990 im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Dieses sieht die Rechtsgrundlage des gesamten Anspruchs in dem bei Hochschulkliniken fingierten Versorgungsvertrag (§§ 108 Nr. 1, 109 Abs. 1 Satz 2 SGB V), der ein „Grundverhältnis” mit direktem Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegen die KK schaffe. Wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 21. November 1991, 3 RK 32/89 (BSGE 70, 20 = SozR 3-2500 § 39 Nr. 1), entschieden habe, entstehe die Zahlungsverpflichtung dann unabhängig von einer Kostenzusage der KK unmittelbar durch die Inanspruchnahme der Sachleistung durch den Versicherten. Dieser Vergütungsanspruch reiche zwar grundsätzlich nur so weit wie der Behandlungsanspruch des Versicherten gegen seine KK, der bei Erschleichen einer medizinisch nicht notwendigen Behandlung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – wie hier – nicht bestehe. Hätten die behandelnden Ärzte aufgrund der Beschwerdeschilderung des Versicherten aber von der Notwendigkeit der stationären Behandlung ausgehen dürfen, habe das Krankenhaus gleichwohl einen Vergütungsanspruch gegen die KK. Diese „Ausnahme” wird damit begründet, daß das Fehlverhalten des Versicherten in den Verantwortungsbereich der KK falle, dessen Mitglied der Patient ist. Das LSG ergänzt dazu lediglich, daß auch ein Scheitern des Rückgriffs auf den Versicherten ein Risiko sei, das die KKn zu tragen hätten. Auf die wegen der vom LSG unterstellten Geschäftsunfähigkeit der Beigeladenen an sich notwendige Zustimmung des Betreuers komme es bei einem Notfall nicht an.
Diese Ausführungen greift die Revision damit an, daß § 39 SGB V von der Abhängigkeit des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses vom Sachleistungsanspruch des Versicherten keine Ausnahme vorsehe und eine solche auch nicht im Wege der Auslegung geschaffen werden könne. Weshalb das Fehlverhalten der Versicherten in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallen solle, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar.
3. Die Ausführungen des LSG (und diejenigen des in Bezug genommenen SG) halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs der Klägerin ist der SV, der als Rahmenvertrag nach § 372 Abs. 1 – 3 RVO am 14. November 1986 zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und (ua) dem Landesverband der Ortskrankenkassen Württemberg-Baden abgeschlossen wurde.
Seit Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 ergibt sich der grundsätzliche Leistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK auf Krankenhausbehandlung aus den §§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 (jetzt Satz 2) SGB V. In dem Dreiecksverhältnis zwischen Versichertem, KK und Krankenhaus ist weiterhin zwischen „Behandlungsverhältnis” und „Abrechnungsverhältnis” zu unterscheiden. Wie bisher ist für die Behandlungsbeziehungen zwischen Patient und Krankenhaus von einer zivilrechtlichen Prägung und einer Zuständigkeit der Zivilgerichte, für die hier maßgeblichen Abrechnungsbeziehungen zwischen KK und Krankenhaus von einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung und – worüber allerdings gemäß § 17a Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht mehr zu entscheiden war – der Zuständigkeit der Sozialgerichte auszugehen, und zwar inzwischen kraft der ausdrücklichen Regelung in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG (vgl. für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 1988: Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichte des Bundes in BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr. 2 sowie die herrschende Meinung im Schrifttum, Nachweise bei Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand August 1995, Bd 2, § 39 Rdnr. 334 ff., 341 – für die Rechtslage seit dem 1. Januar 1989: BT-Drucks 11/2237, 197 f.; Schmidt a.a.O. Rdnr. 338 ff.; Krauskopf a.a.O. § 109 Rdnr. 18; Hess in Kasseler Komm, Stand August 1995, § 109 Rdnr. 8; Jung in GK-SGB V, § 109 Rdnr. 6, 7, 20; Heinze in Schulin: Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, § 38 Rdnrn. 1 ff.; Estelmann/Eicher DOK 1992, 134, 135; Metzger SGb 1992, 438, 439 f.n 5). Wie bisher (vgl. § 372 RVO) schließen auch nach neuem Recht (§ 112 SGB V) die Landesverbände der KKn und die Verbände der Ersatzkassen (ErsKn) gemeinsam einerseits mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land andererseits Verträge, um „sicherzustellen”, daß Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen. Das einzelne Krankenhaus wird dann durch einen mit den Landesverbänden der KKn und den Verbänden der ErsKn geschlossenen sog. Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V in die Versorgung der Versicherten eingebunden.
4. Nach § 112 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB V hat der SV u.a. die Aufnahme und Entlassung der Versicherten (Satz 1 Nr. 1a), die Kostenübernahme und Abrechnung der Entgelte (Satz 1 Nr. 1b) sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (Satz 1 Nr. 2) zu regeln. Hierzu war in der streitigen Zeit auf den SV (Rahmenvertrag) nach § 372 Abs. 1 – 3 RVO vom 14. November 1986 zurückzugreifen, der mangels Kündigung und (rechtzeitigem) Neuabschluß eines Vertrages nach § 112 SGB V vorläufig noch weitergegolten hat. Insoweit ist § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V entsprechend anzuwenden. Trotz der in § 112 Abs. 3 SGB V vorgesehenen Konfliktlösung (ersatzweise Festsetzung des Vertragsinhalts) durch eine unabhängige Landesschiedsstelle (vgl. hierzu BT-Drucks 11/2237 zu § 120) kann auch für den Bereich der SVe nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber anstelle einer vorläufigen Fortgeltung der konkreten und vom Willen der Vertragsparteien umfaßten bisherigen Verträge ein vertragsloses „Interregnum” in Kauf nehmen wollte, da die Konfliktlösung nur auf Antrag und erst ab 1. Januar 1990 „greifen” konnte, hier eine Festsetzung jedenfalls nicht erfolgt und das „Krankenhauswandern” schon vom 1. – 14. Februar 1990 verwirklicht worden war. Die in Baden-Württemberg nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB V abgeschlossenen Verträge vom 25. April 1994 können auf den hier streitigen Zeitraum auch nicht rückwirkend angewendet werden.
Die Regelungen des SV vom 14. November 1986 waren gemäß § 112 Abs. 2 Satz 2 SGB V für die zugelassenen Krankenhäuser im Land (§ 108 SGB V), also auch für Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser, mithin – unstreitig – auch für die Klägerin unmittelbar verbindlich. Allerdings müssen dazu die Krankenhäuser des jeweiligen Bundeslandes in die Kassenversorgung eingebunden sein, was sich für die Hochschulklinik der Klägerin daraus ergibt, daß der Abschluß des Versorgungsvertrages gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 108 Nr. 1 SGB V fingiert wird, und zwar durch die Aufnahme der Hochschule in das Hochschulverzeichnis nach § 4 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen” (Hochschulbauförderungsgesetz) vom 1. September 1969 (BGBl. I, 1556). Der SV vom 14. November 1986 war im streitigen Zeitraum auch für die beklagte hessische AOK verbindlich, obwohl weder sie noch ein übergreifender Verband, etwa der AOK-Bundesverband, vertragsschließende Partei war, sondern der AOK-Landesverband eines anderen Bundeslandes. Denn ähnlich wie bei den Landesverträgen zwischen KKn/ErsKn einerseits und Apothekerverbänden andererseits (§ 129 Abs. 5 SGB V – vgl. dazu Urteil des Senats vom 17. Januar 1996, 3 RK 26/94 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1) ist auch hier davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit der Regelung in § 112 Abs. 1 SGB V eine Verbindlichkeit des SV länderübergreifend für diejenigen jeweiligen KKn mitangestrebt hat, die den vertragschließenden KKn in Baden-Württemberg entsprechen. Denn auch hier kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber, dem die hohe berufliche und private Mobilität der Bevölkerung auch 1986 schon bekannt war, das Verhältnis zwischen den Krankenhäusern in Baden-Württemberg und den KKn außerhalb dieses Bundeslandes allein auf der Basis einer Geschäftsführung ohne Auftrag hat abwickeln wollen. Entsprechendes gilt für den Willen derjenigen Vertragsparteien, die den Vertrag vom 14. November 1986 geschlossen haben. Da der Senat die (landesrechtlichen) Vorschriften des SV erstmalig im Verfahren anwendet, war er insoweit auch nicht gehindert, ihren Inhalt selbst festzustellen (BSGE 66, 150, 156 m.w.N. = SozR 2200 § 1248 Nr. 1).
Der SV vom 14. November 1986 regelt den Fall des „Krankenhauswanderns” allerdings nicht ausdrücklich. Nach § 3 Abs. 2 SV wird Krankenhauspflege durchgeführt, wenn sie – von Notfällen abgesehen – von einem Kassen-/Vertragsarzt verordnet ist; bei der Aufnahme des Patienten – auch bei einem Notfall – wird von einem Krankenhausarzt geklärt, ob die Krankenpflege notwendig ist. Nach § 10 Abs. 1 SV ist der KK spätestens am 3. Werktag nach der Aufnahme eine Anzeige zuzusenden. Nach § 21 SV haftet das Krankenhaus nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Nach § 3 Abs. 5 SV begründet die Aufnahme in das Krankenhaus keinen Anspruch auf Krankenpflege zu Lasten der KK, wenn sie nicht erforderlich ist; medizinische Notwendigkeit fehlt insbesondere bei einem Pflegefall, bei sozialer Indikation, bei Maßnahmen, die nicht der Behandlung einer Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne dienen, und bei einer Unterbringung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (es sei denn, daß zugleich eine krankenhauspflegebedürftige Erkrankung vorliegt). Zu den Maßnahmen, die der Behandlung einer Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne dienen (§ 3 Abs. 5 3. Alternative SV), gehört aber auch die Symptomabklärung bei Unterbauchbeschwerden. Ob dies auch bei unrichtigen Angaben, vorgetäuschten Unterbauchschmerzen und überhaupt „Münchhausen-Fällen” gilt, bleibt unklar, also ungeregelt.
5. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, also einer Vertragsauslegung mit dem Zweck, die Lücken der vertraglichen Regelung zu schließen; sie knüpft an die im Vertrag objektivierten Regelungen an und versteht diese als eine selbständige Rechtsquelle, aus der Regelungen für die offen gebliebenen Punkte abgeleitet werden können (vgl. – auch zum folgenden: BGHZ 125, 7, 17 f.; 90, 69, 73 ff.; 77, 301, 304; 40, 91, 103 ff.; 9, 273, 277; BGH NJW 1995, 1212, 1213; BGH NJW-RR 91, 177; BGH NJW 1978, 695 f.; BGH WM 64, 234, 235; Münchener Komm/Mayer-Maly, Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], Bd 1, 3. Aufl. 1993, § 157 Rdnr. 24 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl. 1996, § 157, Rdnr. 2 ff.). Dieses aus dem Zivilrecht (§ 157 BGB) stammende Auslegungsverfahren ist auch für den hier vorliegenden öffentlich-rechtlichen SV einsetzbar. Es setzt eine Regelungslücke voraus, die oben bereits bejaht wurde und die darauf beruht, daß die Parteien an einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt („Krankenhauswanderer”) nicht gedacht haben. Die vertragliche Regelung ist dann für den Bereich der Lücke durch Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens zu ergänzen. Es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung Ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist an den Vertrag, an die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, seinen Sinn und Zweck, zugleich aber auch an Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte anzuknüpfen. Die ergänzende Vertragsauslegung muß sich innerhalb des Rahmens der Vereinbarung halten, darf also den Vertragsgegenstand nicht erweitern und nicht zu einer freien richterlichen Rechtsschöpfung ausufern.
Zutreffend hat das LSG dabei angesetzt, daß sich die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und KK, wenn ein Versicherter das Krankenhaus auf die Sachleistung der KV in Anspruch nimmt, nach dem Rahmenvertrag – hier also nach dem SV vom 14. November 1986 – richten und daß die Zahlungsverpflichtung der Beklagten unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar durch diese Inanspruchnahme der Sachleistung durch den Versicherten entsteht. Ob der Vergütungsanspruch dabei grundsätzlich oder stets nur soweit wie der Behandlungsanspruch des Versicherten gegen seine KK reicht, kann dahinstehen, weil die Beigeladene einen Behandlungsanspruch erworben hatte. Denn das Krankenhaus konkretisiert mit der Festlegung der Behandlung den zunächst nur abstrakten Sachleistungsanspruch des Versicherten. Geschieht dies – wie hier – im Ergebnis fehlerhaft, so kommen Schadensersatzansprüche der KK gegen das Krankenhaus und/oder den Versicherten in Betracht, wenn diese die unrichtige Behandlung zu vertreten haben. Die Konkretisierung indessen bleibt, von Fällen eines bewußten Zusammenwirkens abgesehen, wirksam. Damit ist der Revisionsrüge, die mit dem LSG einen Behandlungsanspruch der Beigeladenen verneint und nur die vom LSG konstruierte Ausnahme von der grundsätzlichen Deckungsgleichheit des Behandlungsanspruchs des Versicherten mit dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses bekämpft, der Boden entzogen. Denn der im Gesetz global zugesagte (Rahmen-) Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (vgl. oben: §§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 [jetzt: 2] SGB V), wird durch die Entscheidung des Krankenhausarztes über die Aufnahme erstmalig und durch die jeweils geplanten und durchgeführten Behandlungsschritte fortlaufend konkretisiert und erfüllt, so daß die KK aufgrund des Sachleistungsprinzips verpflichtet ist, den Versicherten von den dadurch entstandenen Aufwendungen freizustellen (vgl. – auch zum folgenden – BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 3). Die Krankenhausbehandlung wird – in der Regel – vom Vertragsarzt verordnet und vom zugelassenen Krankenhaus auf ihre Notwendigkeit überprüft, wobei die ausdrückliche Regelung „nach Prüfung durch das Krankenhaus” in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V (idF des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung [Gesundheitsstrukturgesetz] vom 21. Dezember 1992 = BGBl. I, 2266) nur eine Klarstellung des auch schon vorher bestehenden Rechtszustandes darstellt. Wie bei der ambulanten Behandlung dem Vertragsarzt (vgl. BSGE 73, 271, 278 ff. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4), so kommt im Bereich der Krankenhausbehandlung dem Krankenhausarzt eine „Schlüsselstellung” zu. Denn das zugelassene Krankenhaus und dessen Ärzte sind aufgrund des Sachleistungsprinzips gesetzlich ermächtigt, mit Wirkung für die KK über die Aufnahme sowie die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und damit konkludent auch über den Leistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden; die KK ist dann grundsätzlich an diese Entscheidung gebunden. Stellt sich die Entscheidung nachträglich – vollständig oder in einzelnen Teilen – als unrichtig heraus, ist die KK nur dann nicht an die Entscheidung des Krankenhausarztes gebunden, wenn dieser vorausschauend („ex ante”) hätte erkennen können, daß die geklagten Beschwerden nicht die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründeten, de lege artis also eine Fehlentscheidung getroffen hat, wobei im vorliegenden Fall nach § 21 SV die Haftung des Krankenhauses gegenüber der KK auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Auf das Fehlen einer Kostenübernahmeerklärung der KK kommt es nicht an (BSGE 70, 20, 22 = SozR 3-2500 § 39 Nr. 1). Soweit zum „Krankenhauswandern” eine Kostenübernahmeerklärung als erforderlich angesehen wurde (so LSG Niedersachsen NJW 1989, 1566), wird dem nicht zugestimmt.
Das LSG hat – nach Anhörung der Beigeladenen und Vernehmung von vier Ärzten der Klägerin – von der Revision unangegriffen festgestellt, daß die Beigeladene gegenüber den Ärzten der Klägerin den Notfall eines Darmverschlusses zwar vorgetäuscht hat, dies diesen jedoch nicht erkennbar war, und zwar gerade weil sich die Beigeladene vier einschlägigen Voroperationen unterzogen hatte und die geklagten Krankheitssymptome objektiv nicht ohne Bauchöffnung überprüfbar sind. Zu Recht hat das LSG daher ein Verschulden der Ärzte der Klägerin verneint und dabei den allein möglichen Maßstab einer vorausschauenden Betrachtung („ex ante”) zugrunde gelegt. Denn ein Verschuldensvorwurf kann wie im Strafrecht auch im ärztlichen Haftungsrecht und daher auch hier stets nur das Anders-Handeln-Können im Augenblick des Handelns meinen. Die Revisionsrüge, das LSG habe zu Unrecht keine Ex-post-Betrachtung vorgenommen, geht daher fehl.
6. Aus dem Täuschungsverhalten der Beigeladenen und deren vom LSG unterstellten Geschäftsunfähigkeit ergibt sich nichts anderes. Zum einen kann offenbleiben, ob im konkreten Fall ein Behandlungsvertrag oder eine Aufnahme/Behandlung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zustande gekommen ist. Denn für das Verhältnis zwischen Krankenhaus und KK ist in jedem Fall der SV maßgeblich, der auch bei fehlender Geschäftsfähigkeit den Behandlungsanspruch des Versicherten nicht ausschließt und für den Fall des Täuschungsverhaltens – wie oben ausgeführt – ergänzend auszulegen ist. Hierzu kann dahinstehen, wie sich ein Rechtsmißbrauch i.S. eines vom Krankenhausarzt erkannten bewußten Täuschungsverhaltens eines Schuldfähigen auf den Leistungsanspruch des Versicherten, das Abrechnungsverhältnis und damit die ergänzende Auslegung des SV auswirken würde (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 3 und § 129 Nr. 1). Hat das Krankenhaus die Fehlentscheidung nicht zu vertreten, dann ist die KK zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Dafür ist es ohne Bedeutung, ob die KK die mit der Konkretisierung erfolgte rechtswidrige Leistungsbewilligung gegenüber dem Versicherten nach § 45 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) zurücknehmen und nach § 50 Abs. 1 SGB X Erstattung der Leistung verlangen kann oder ob ein solcher Rückgriff wegen der vom LSG unterstellten Geschäftsunfähigkeit ausgeschlossen ist.
Das gefundene Ergebnis entspricht im Verhältnis zwischen KK und Krankenhaus – nur darum geht es hier – auch der Billigkeit. Durch die Erstattungspflicht des Krankenhauses bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Krankenhausarztes sind die Interessen der Beklagten in ausreichendem Maße gewahrt. Das gilt auch, wenn – wie hier – die psychische Erkrankung des Versicherten auch bei vorübergehender zwangsweiser Unterbringung nicht heilbar ist, wenn eine langfristige Dauerunterbringung in einer geschlossenen Anstalt vom Amtsgericht als unverhältnismäßig abgelehnt wird und wenn der Krankenhauswanderer geschäftsunfähig ist, so daß ihm gegenüber eine Rückforderung der Kosten der gewährten Krankenhausbehandlung nicht in Frage kommt, obgleich der Versichertengemeinschaft dann fortlaufend erhebliche und von ihr nicht vermeidbare Aufwendungen drohen. Dabei ist auch berücksichtigt, daß der einzelne Aufnahmearzt in der Regel den Täuschungsmanövern des „geübten” Krankenhauswanderers im Vergleich mit der KK relativ ahnungslos gegenübersteht, weil er anders als die KK dessen „Daten” nicht zur Verfügung hat. Demgegenüber hat die KK immerhin die Möglichkeit zum Sammeln optimal vieler Daten und zur Information vieler – wenn auch kaum aller – Krankenhäuser. Diese Informationsmöglichkeit der KK schafft allerdings, abgesehen von Fragen des Datenschutzes, keine Sicherheit, was gerade der vorliegende Fall zeigt. Die Klägerin hätte die Beigeladene auch bei vorheriger Benachrichtigung kaum abweisen können, sondern hätte sie – sowohl aus versicherungs- wie strafrechtlichen (§ 323c Strafgesetzbuch: Unterlassene Hilfeleistung) Gründen – wohl in derselben Art und Weise aufnehmen und behandeln müssen. Denn auch eine am Mimikry- oder Münchhausen-Syndrom leidende Patientin kann tatsächlich von „krampfartigen Schmerzen seit 2.00 Uhr nachts, besonders im rechten Unterbauch, mit Übelkeit und Erbrechen” befallen werden, was nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG medizinisch wiederum die Krankenhausbehandlung für vierzehn Tage rechtfertigt. Die KK hat aufgrund ihrer Daten-Kenntnis anders als das Krankenhaus auch die Möglichkeit, auf eine Zwangsunterbringung des Versicherten hinzuwirken. Sie steht auch insoweit dem „Risiko” näher als das Krankenhaus. Jedes andere Ergebnis würde bedeuten, die wirkliche Notfall-Behandlung (einschließlich der Notfall-Behandlung zur Symptomabklärung) von Patienten mit Münchhausen-Syndrom außerhalb des gesetzlichen Auftrags der KKn anzusiedeln, solchen Personen also gerade im Hinblick auf eine Krankheit den Solidarschutz der Versichertengemeinschaft zu versagen – ein sozial- und verfassungsrechtlich nicht vertretbares Ergebnis. Letztlich fällt daher, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, bei Versagen aller Kontroll-, Informations- und Regreßmöglichkeiten das finanzielle Risiko des Krankenhauswanderns eines Versicherten in die Risikosphäre der Beklagten und nicht der Klägerin. Ob andere Stellen, etwa das Psychiatrische Krankenhaus in H. wegen des Entweichens aus der Unterbringung, in Regreß genommen werden können, war hier nicht zu entscheiden.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG i.d.F. von Art 15 Nr. 2 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 2266) i.V.m. § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG („Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch entstehen … aufgrund der Beziehungen zwischen … Krankenhäusern und Krankenkassen einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände”), wobei es auf die Unselbständigkeit des Klinikums als Teileinrichtung der Klägerin nicht ankommen kann. Da die Vorschrift erst am 1. März 1993 in Kraft getreten ist, kann sich die Kostenerstattung aus Gründen der Rechtssicherheit (Art 20 Grundgesetz) allerdings nicht auf das zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleitete Verfahren erster Instanz beziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 15 Nr. 1; Urteil des Senats vom 10. Juli 1996, 3 RK 11/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf das Berufungs- und Revisionsverfahren findet § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG hingegen Anwendung, da die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG im Oktober 1993 Beschwerde eingelegt hat. Die Kostenentscheidung umfaßt auch die Kosten der Beschwerdeverfahren auf Zulassung der Berufung und der Revision. – Eine Kostenerstattung zugunsten der Beigeladenen, die in keinem Stadium des Verfahrens eine Äußerung gemacht oder einen Antrag gestellt hat, entspricht nicht der Billigkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 605847 |
NJW-RR 1998, 273 |
KHuR 1997, 33 |
KHuR 1997, 7 |
R&P 1998, 36 |
SozSi 1997, 118 |
SozSi 1997, 390 |