Verfahrensgang
SG Lübeck (Urteil vom 29.08.1989) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 1989 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Berechtigung des Klägers, weiterhin bei der Beklagten mit einem erhöhten Krankengeldanspruch versichert zu sein.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger ist seit 1973 freiwilliges Mitglied der Beklagten mit Anspruch auf ein erhöhtes Krankengeld in der Versicherungsklasse 321. Im Dezember 1988 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das am 1. Januar 1989 in Kraft tretende Gesundheitsreformgesetz (GRG) nehme ihr die Möglichkeit, die Krankengeldhöhe in der Satzung zu bestimmen. Es sehe vor, das Krankengeld für nicht krankenversicherungspflichtige Angestellte auf 80 % des Höchstregelentgelts zu begrenzen, so daß sich für das Jahr 1989 ein Höchstkrankengeld von täglich 122,– DM ergebe.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch leitete die Beklagte als Klage an das Sozialgericht (SG) Lübeck weiter. Dieses wies die Klage durch Urteil vom 29. August 1989 ab mit der Begründung, das Recht der Beklagten, die Höhe des Krankengeldes für freiwillige Mitglieder durch Satzung zu regeln, sei durch das GRG entfallen. Diese Neuregelung sei nicht verfassungswidrig, weil dem Kläger eine wirtschaftliche Grundvorsorge verbleibe. Er habe einen Lohnfortzahlungsanspruch von einem halben Jahr und danach im Regelfall einen Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bzw dauernder Dienstunfähigkeit.
Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Kläger mit seiner Sprungrevision. Er hält die gesetzliche Neuregelung für verfassungswidrig, weil durch die alte Regelung ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, der nach Art 14 Grundgesetz (GG) schutzwürdig sei. Der Eigentumsschutz erstrecke sich auch auf sozialversicherungsrechtliche Positionen. Der hier streitige Anspruch auf ein erhöhtes Krankengeld sei durch eigene Beitragsleistungen erworben worden. Er diene auch zur Daseinsvorsorge bzw Existenzsicherung, weil diese Versicherung vielfach wegen hoher laufender Belastungen gewählt worden sei. Dem Kläger sei es heute nicht mehr möglich, ersatzweise in die private Krankenversicherung überzutreten. Wegen altersmäßiger Vorerkrankungen würde er nicht mehr aufgenommen werden. Im Gegensatz zur Entscheidung des Senats vom 26. Juni 1990 (3 RK 22/89) sei der Kläger nicht nur höchstens zwei Jahre, sondern über 15 Jahre mit einem Anspruch auf erhöhtes Krankengeld versichert gewesen. Für ihn bestehe die Notwendigkeit eines Krankenversicherungsschutzes über weitere 25 Jahre, der über die private Krankenversicherung nicht gewährt werden könne. Der vom SG für wesentlich gehaltene Gehaltsfortzahlungsanspruch bedeute im Ergebnis, daß der Kläger zur Fortführung seines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst verpflichtet werde. Dies könne nicht richtig sein. Er müsse nicht nach Wegfall des Gehaltsfortzahlungsanspruches zum Rentenfall werden, so daß durchaus ein Anspruch auf Krankengeld bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 1989 sowie den undatierten Bescheid der Beklagten vom Dezember 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger weiterhin in der bisherigen Beitragsklasse 321 mit Zusatzkrankengeld zu führen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und hinsichtlich der Verfassungsfragen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Wie der Senat im Urteil vom 26. Juni 1990 (3 RK 22/89 = SozR 3 5405 Art 79 Nr 1) entschieden hat, ist die auf der 12. Aufbauverordnung beruhende Befugnis der Beklagten, in ihrer Satzung ein höheres Krankengeld für freiwillige Mitglieder vorzusehen, durch Art 79 Nr 7 GRG aufgehoben worden. Die Höhe des Krankengeldes richtet sich nunmehr ausschließlich nach § 47 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Diese Begrenzung des Krankengeldanspruchs ist nicht verfassungswidrig. Art 14 GG ist nicht verletzt, weil keine Anwartschaftszeit zurückgelegt werden mußte und auch der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Soweit Art 79 Nr 7 GRG insofern eine unechte Rückwirkung enthält, als ein früher begründeter Anspruch für die Zukunft eingeschränkt wird, ist diese Einschränkung mit dem GG vereinbar, weil der Grundsatz der Gleichstellung aller Krankenkassen im Bereich des Leistungsrechts aus der Sicht des Gesetzgebers den Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Klägers haben darf. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und auch weiterhin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 GG nicht für erforderlich.
Die hiergegen vom Kläger vorgetragenen Einwände sind nicht überzeugend. Sie konzentrieren sich im wesentlichen darauf, daß ihm die Möglichkeit einer privaten Krankengeldversicherung nicht offenstehe, weil entsprechende Versuche in dieser Richtung gescheitert seien. Aus den vom Kläger hierzu vorgelegten Unterlagen ergibt sich indessen nicht, welchen konkreten (privaten) Versicherungsschutz er angestrebt hat. Angeboten wird vielfach eine Krankengeldzahlung ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Dies kann für den Versicherer mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sein, so daß er die Versicherungsfähigkeit eines Antragstellers besonders sorgfältig prüft. Es ist nicht auszuschließen, daß der Kläger wegen seines Gesundheitszustandes insoweit nicht versicherungsfähig wäre. Indessen ist er auf einen derartigen Versicherungsschutz nicht angewiesen. Ausreichend wäre für ihn ein Krankentagegeld in Höhe der Differenz zwischen dem bisherigen höheren und dem gesetzlichen Höchstkrankengeld für die Dauer seiner Gewährung durch die Beklagte nach Ablauf der Gehaltsfortzahlung. Im Hinblick auf den derzeitigen Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung des Gehaltes im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten (in einem anderen Beschäftigungsverhältnis für mindestens sechs Wochen) wird ein privater Versicherer die Gewährung des Versicherungsschutzes in aller Regel nur dann ablehnen, wenn wegen bestehender Vorerkrankungen anzunehmen ist, daß monatelange Zeiten der Arbeitsunfähigkeit häufiger eintreten werden. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welche Vorerkrankungen bei ihm bestehen sowie ob und gegebenenfalls wie lange er in letzter Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, so daß eine Prognose hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit nach den in der Privatversicherung herrschenden Gepflogenheiten nicht gestellt werden kann. Demzufolge ist nicht auszuschließen, daß der Kläger die Einschränkung des Versicherungsschutzes durch das GRG durch den Abschluß eines privaten Versicherungsvertrages hätte ausgleichen können. Besteht aber die Möglichkeit des Ausgleiches, dann erleidet der Kläger durch die gesetzliche Neuregelung keinen Nachteil in einem Ausmaß, der einen Verfassungsverstoß begründen kann.
Nach allem war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen