Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Anerkennung einer Hepatitis-B-Infektion als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten. ehrenamtliches Mitglied der freiwilligen Feuerwehr. besonders erhöhte Infektionsgefahr. Übertragungsgefahr in Gestalt einer hohen Infektiosität. Vergleichbarkeit mit Infektionsrisiko im Gesundheitsdienst und in der freien Wohlfahrtspflege. typisierter Ursachenzusammenhang. möglicher Gegenbeweis
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung von Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten tritt an die Stelle der Einwirkungen die besonders erhöhte Infektionsgefahr, die anhand der Durchseuchung des beruflichen Umfelds und der Übertragungsgefahr bei der versicherten Tätigkeit zu beurteilen ist.
2. Liegen die Infektionskrankheit und die besondere Infektionsgefahr vor, ist typisierend zu unterstellen, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat.
3. Diese Typisierung gilt allerdings nicht, wenn ausgeschlossen ist, dass die Infektion während oder aufgrund der versicherten Tätigkeit eingetreten sein kann.
4. Versicherte sind einer Infektionsgefahr in ähnlichem Maße wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium besonders ausgesetzt, wenn die versicherte Tätigkeit ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfelds mit einer abstrakten Gefahrenlage verbunden ist und sich diese Gefahrenlage infolge der konkret ausgeübten Verrichtungen der Versicherten auch tatsächlich realisiert haben kann.
Orientierungssatz
Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei einer Rettungsmaßnahme gering ist, kommt eine tätigkeitsbedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr in Betracht, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in der Allgemeinbevölkerung noch geringer ist (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4).
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 12, § 9 Abs. 1; BKV Anl 1 Nr. 3101; SGG § 136 Abs. 2 S. 1, § 163
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. März 2021 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. Juni 2020 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 wird aufgehoben und festgestellt, dass die beim Kläger vorliegende Hepatitis-B-Erkrankung eine Berufskrankheit nach Nr 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr 3101 (BK 3101) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war).
Der 1969 geborene Kläger war von 2013 bis 2018 Mitglied, Wehrführer und Bergretter der Freiwilligen Feuerwehr. Neben klassischen Lösch- und Hilfetätigkeiten versorgte er Verkehrsunfallverletzte und im Bereich der Bergrettung Personen, die in unwegsamem Gelände bei Wanderungen, Kletteraktionen oder beim Gleitschirmfliegen verunglückt waren. Diese Unfallopfer transportierte er auf Tragen und sicherte sie teilweise unmittelbar am eigenen Körper, wobei es zu Kontakt mit Blut und sonstigen Körperflüssigkeiten kommen konnte. Im Oktober 2017 wurde beim Kläger Hepatitis-B diagnostiziert. Die Beklagte lehnte es ab, einen Arbeitsunfall festzustellen (Bescheid vom 23.8.2018, Widerspruchsbescheid vom 8.11.2018). Die hiergegen vor dem SG erhobene Klage ruht.
Die Beklagte lehnte auch die Feststellung einer BK 3101 ab, weil der Kläger bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Freiwillige Feuerwehr während der Rettungs- und Bergungseinsätze keiner erhöhten Gefahr für eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus ausgesetzt gewesen sei. Eine solche Infektion sei zwar grundsätzlich denkbar, aber nicht nachgewiesen (Bescheid vom 19.6.2019, Widerspruchsbescheid vom 28.8.2019). Dagegen hat das SG eine BK 3101 festgestellt. Die erforderliche erhöhte Infektionsgefahr beruhe auf dem Übertragungsrisiko bei den ausgeübten Rettungstätigkeiten. Vor allem bei der Bergrettung habe der Kläger unvermeidbar Kontakt mit Blut und sonstigen Körperflüssigkeiten Dritter gehabt (Urteil vom 3.6.2020). Das LSG hat dieses Urteil nach weiteren Ermittlungen aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger tätigkeitsbedingt nicht in ähnlichem Maße infektionsgefährdet gewesen sei wie Personen im Gesundheitsdienst. Denn er habe in der Inkubationszeit von insgesamt sechs nur drei Einsätze mit infektionsrelevantem Personenkontakt gehabt und dabei in der Regel Schutzkleidung einschließlich Handschuhen getragen. Zudem fehle es an einem erhöhten Grad der Durchseuchung des Arbeitsumfeldes (Urteil vom 22.3.2021).
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 9 SGB VII iVm der BK 3101. Der vom LSG gehörte Sachverständige habe dargelegt, dass sich Einsatzkräfte in unzugänglichem Gelände oftmals Mikrotraumata der ungeschützten Haut zuzögen, die dem Hepatitis-B-Virus als Eintrittspforten dienten und eine Infektion wahrscheinlich machten. Die vorhandene Schutzausrüstung schließe die Infektion nicht aus. Die Anzahl der gefährdenden Einsätze während der Inkubationszeit sei unerheblich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. März 2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. Juni 2020 zurückzuweisen.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG der Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG stattgegeben. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1, § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG) ist begründet, weil der Kläger Anspruch auf die gerichtliche Feststellung seiner Hepatitis-B-Erkrankung als BK 3101 hat. Der Senat hat lediglich den Tenor des wiederhergestellten SG-Urteils um die konkrete Erkrankung ergänzt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm der BK 3101. Der Verordnungsgeber hat die BK 3101 unter der Abschnittsüberschrift "Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten" wie folgt bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Diese Listen-BK ist als Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) festzustellen, wenn Versicherte sie infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet (§ 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Dafür ist nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall; stRspr zB BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 12 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫ sowie vom 27.6.2017 - B 2 U 17/15 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3102 Nr 1 RdNr 13 mwN).
Die Voraussetzungen des Versicherungsfalls sind erfüllt. Indem der Kläger als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr verunglückte Personen aus Zwangslagen rettete und Abwässer aus Kellern pumpte, verrichtete er versicherte Tätigkeiten (dazu 1.). Hepatitis-B ist eine Krankheit iS der BK 3101 (dazu 2.). Der Kläger war auch "Einwirkungen" im Sinne einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Diese beurteilt sich nach dem Grad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereichs und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen (dazu 3.). Anhand beider Kriterien ist mit den Feststellungen des LSG das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr zu bejahen (dazu 4.) und der typisierte Ursachenzusammenhang zwischen Gefahrenlage, Infektion und Krankheit nicht ausgeschlossen (dazu 5.).
1. Der Kläger war gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII unfallversichert, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in einem Unternehmen zur Hilfe in Unglücksfällen, der Freiwilligen Feuerwehr, ehrenamtlich Personen aus Zwangslagen rettete und Abwasser in vollgelaufenen Kellern beseitigte (zu ehrenamtlichen Tätigkeiten vgl zuletzt BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - juris RdNr 13 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫; zum Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 8 RVO vgl BSG Urteile vom 27.6.2000 - B 2 U 23/99 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 39 S 144; vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - HVBG-INFO 1997, 1279 = juris RdNr 22 und vom 4.8.1992 - 2 RU 39/91 - HV-INFO 1992, 2408 = juris RdNr 19).
2. Hepatitis-B ist eine Infektionskrankheit iS der BK 3101 (vgl BSG Urteil vom 24.2.2004 - B 2 U 13/03 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 1 RdNr 19 und Merkblatt zur BK 3101, Bek des BMA vom 1.12.2000, BArbBl 1-2001, S 35).
3. Für die Feststellung einer Einwirkung iS der BK 3101 genügt eine besonders erhöhte Infektionsgefahr. Sie ist nicht Bestandteil eines Ursachenzusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und einer Infektionskrankheit iS der BK 3101, sondern ersetzt als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die Einwirkung. Deshalb muss ein konkreter Kontakt mit einer infizierten Person oder kontaminiertem Material (zB Abwässern) nicht nachgewiesen sein. Stattdessen reicht es aus, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden besonderen Infektionsgefahr mit einer von Mensch zu Mensch übertragbaren Erkrankung ausgesetzt gewesen ist. Die erhöhte Infektionsgefahr ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der Erkrankung nur durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs verbunden Sie muss im Vollbeweis vorliegen (vgl BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 18 f).
Die besonders erhöhte Infektionsgefahr kann im Einzelfall auf der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen beruhen. Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen (BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151, 152 = juris RdNr 16).
Eine schlicht abstrakte Infektionsgefahr genügt nicht. Vielmehr wird eine (zum Teil typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt (§ 9 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII). Deshalb kommt es darauf an, welche einzelnen Verrichtungen im Hinblick auf den Übertragungsweg bzw -modus sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend sind. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 17 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫ und vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151, 152 = juris RdNr 17 mwN).
Allerdings hat der Kläger seine versicherte Ehrenamtstätigkeit als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium ausgeübt. Entscheidend ist daher, ob er im Sinne der 4. Alternative der BK 3101 "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Insoweit ist nicht abstrakt auf die ehrenamtlichen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr abzustellen und für diesen Personenkreis ein generell erhöhtes Infektionsrisiko zu verlangen, ohne die vom Versicherten konkret verrichteten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Bei der BK 3101 ist vielmehr festzustellen, ob dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohnt und sich die generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann (hierzu ausführlich BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5, RdNr 14 ff; dazu nachfolgend 4. a). Ist unter Berücksichtigung der Art der versicherten Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung nicht denkbar, scheidet die BK 3101 schon deshalb aus. Liegt hingegen eine mit der versicherten Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Versicherte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich dann - wie bereits ausgeführt wurde - nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet (BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5, RdNr 16; dazu nachfolgend 4. b). Insoweit ist zunächst entscheidend, ob die im Rahmen der versicherten Tätigkeit verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer abstrakten Gefahrenlage einhergehen (BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5, RdNr 17).
4. Der Kläger war einem solchen besonders erhöhten Risiko für die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr sowohl abstrakt (dazu a) als auch konkret (dazu b) ausgesetzt.
a) Abstrakte Infektionsgefahren lagen bei der Abwasserbeseitigung aus Kellern und insbesondere beim Versorgen, Sichern und Transportieren von Verletzten aus unwegsamem Gelände vor. Dies entnimmt der Senat der Zusammenstellung der Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr sowie dem Kurzgutachten des Sachverständigen Dr, deren Inhalte sich das LSG durch ausdrückliche Bezugnahmen (§ 136 Abs 2 Satz 1 SGG) "in dem angefochtenen Urteil" (§ 163 SGG) jeweils komplett zu eigen gemacht hat. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die tatrichterlichen Feststellungen jedenfalls den Inhalt schriftlicher Unterlagen umfassen, die das Tatsachengericht zum Bestandteil der Prozessakten und - wie hier - durch ausdrückliche Bezugnahme zum Gegenstand seines Urteils gemacht hat (BSG Urteile vom 18.1.2011 - B 4 AS 14/10 R - BSGE 107, 206 = SozR 4-4200 § 7 Nr 22, RdNr 19 und grundlegend vom 23.5.2000 - B 1 KR 9/00 R - juris RdNr 22; BVerwG Urteile vom 27.4.2017 - 9 C 5/16 - BVerwGE 158, 387 RdNr 31; vom 6.7.1984 - 4 C 22/80 - Buchholz 406.11 § 2a BBauG Nr 7 S 4 = NJW 1985, 1570 - insoweit in BVerwGE 69, 344 nicht abgedruckt - und vom 28.11.1980 - 2 C 24/78 - Buchholz 237.0 § 8 LBG BW Nr 2 S 21 f - insoweit in BVerwGE 61, 200 nicht abgedruckt; BFH Urteil vom 12.4.1984 - IV R 226/83 - juris RdNr 12; BGH Urteile vom 16.6.1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148, 2149 und vom 9.2.1990 - V ZR 149/88 - NJW 1990, 2755; vgl auch Heinz in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 163 RdNr 12, Stand 1.2.2023 und Leitherer in Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, SGG, § 163 RdNr 4; Schütz, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 136 RdNr 36 f, Stand: 15.06.2022; Wolff-Dellen in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 136 RdNr 12). Nach dem Sachverständigengutachten ist das Risiko der Übertragung des Hepatitis-C-Virus signifikant erhöht, wenn - auch durch Mikrotraumata - verletzte Haut mit kontaminiertem Blut und anderen Körperflüssigkeiten in Kontakt kommt. Beschäftigte mit potentiellen Blutkontakten haben ein 2,7-fach erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-C-Erkrankung. Der Sachverständige hat auch ausgeführt, dass wegen desselben Übertragungsweges der Virenstämme diese Erkenntnisse auf das Hepatitis-B-Virus übertragbar sind. Mitarbeiter im Rettungsdienst sind noch stärker gefährdet. Denn aufgrund von Mikrotraumata beim Bergen und Retten Verletzter steigt die Wahrscheinlichkeit der Übertragung kontaminierter Körpersekrete auf die ungeschützte, nicht intakte Haut. Nach den bindenden Feststellungen des LSG befand sich der Kläger insbesondere bei der Bergrettung in dieser besonderen Gefahrensituation, weil er in unwegsamem Gelände Verunglückte auf Tragen transportieren und teilweise unmittelbar am eigenen Körper sichern musste, wobei es unvermeidbar zu Kontakt mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten Blut, Schweiß, Tränen sowie mit Erbrochenem kommen konnte.
b) Ausgehend von dieser abstrakten Gefahrenlage war der Kläger als Wehrführer und Bergretter bei der Freiwilligen Feuerwehr einem besonders erhöhten Infektionsrisiko konkret-individuell ausgesetzt, obgleich die Durchseuchung in seinem Tätigkeitsbereich nicht erhöht war (dazu aa). Denn die Verrichtungen des Klägers im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit waren im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis-B-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer besonders infektionsgefährdend (dazu bb), sodass sich im Wege der erforderlichen Gesamtbetrachtung von Durchseuchung und Übertragungsgefahr eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist (dazu cc). Der Nachweis einer konkreten tätigkeitsbedingten Infizierung ist dagegen entbehrlich (dazu dd).
aa) Das Berufungsgericht hat zwar nicht die Möglichkeit der Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus, aber eine erhöhte Durchseuchung des Umfeldes der Feuerwehreinsätze ausgeschlossen. Damit ist der Grad der Durchseuchung in der Gesamtbevölkerung maßgebend, der 0,3 vH beträgt (Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 30/2022 S 5; Dudareva/Faber/Zimmermann/Bock/Offergeld/Steffen/Enkelmann, Bundesgesundheitsbl 2022, 149, 153). Nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Tätigkeit bei der Feuerwehr, auch im Bereich der Bergrettung, nicht dadurch gekennzeichnet, dass mit und an kranken Menschen gearbeitet wird. Weder für verunglückte Kletterer, Wanderer oder Gleitschirmflieger noch für sonstige Unfallopfer ist nachgewiesen, dass sie häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung mit Hepatitis-B infiziert sind. Studien zum Infektionsrisiko bei Rettungseinsätzen der Feuerwehr in Deutschland existieren nicht, wie dem Sachverständigengutachten zu entnehmen ist. Daher ist für die Annahme eines deutlich überdurchschnittlichen Durchseuchungsgrades im Tätigkeitsfeld der Feuerwehr kein Raum.
bb) Die besondere Infektionsgefahr beruht hier indes auf der Übertragungsgefahr in Gestalt einer hohen Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit) des Hepatitis-B-Virus bei minimaler Infektionsdosis und den intensiven, dh zeitlich längeren und körperlich engen Kontakten des Klägers im unmittelbaren Nahfeld der verunglückten Personen, wobei seine Hautbarriere durch einsatzbedingte Mikrotraumata der ungeschützten Hautbereiche typischerweise geschwächt war und dem Hepatitis-B-Virus entsprechende Eintrittspforten bot. Die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus erfolgt parenteral ("am Darm vorbei") durch infektiöses Blut und andere Körperflüssigkeiten (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101, Ziff 9.4 S 45 f, Stand März 2022; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 9. Aufl 2017, S 749; vgl auch Dudareva/Faber/Zimmermann/Bock/Offergeld/Steffen/Enkelmann, Bundesgesundheitsbl 2022, 149, 151; Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 30/2022, S 3; Potthoff/Schüler/Wedemeyer/Manns, "Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C" in Selmair/Manns, Virushepatitis als BK, 3. Aufl 2007, S 24). Dies geschieht häufig bei Nadelstichverletzungen, aber auch, wenn Körperflüssigkeiten auf - zB durch Mikrotraumata - verletzte Haut treffen. Denn zur Übertragung des Hepatitis-B-Virus muss ein direkter Kontakt der infektiösen Viruspartikel mit dem Blutsystem des Empfängers stattfinden, wobei kleinste Verletzungen bei direktem Kontakt von virushaltigem Material mit der Haut oder Schleimhaut genügen (Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos" in Selmair/Manns, Virushepatitis als BK, 3. Aufl 2007, S 152). Das Infektionsrisiko ist dann nicht geringer als bei Nadelstichverletzungen, wie aus dem Sachverständigengutachten hervorgeht, auf das die Vorinstanz ausdrücklich Bezug genommen hat. Soweit der Senat medizinische Fachliteratur ergänzend heranzieht, dient dies der Klärung allgemeiner (genereller) Tatsachen, die er im Revisionsverfahren grundsätzlich selbst feststellen darf (BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19), soweit sie - anders als hier - nicht ausnahmsweise Gegenstand der Beweiswürdigung des LSG waren (BSG GrS Beschluss vom 12.12.2008 - GS 1/08 - BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 33). Generelle Tatsachen sind solche Tatsachen, die nicht nur für die Rechtsfindung im Einzelfall, sondern für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam sind (vgl zur Definition BSG Urteil vom 14.2.2001 - B 1 KR 29/00 R - SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f). Welche Bedeutung ihnen zukommt, kann daher nicht von Fall zu Fall und von Gericht zu Gericht unterschiedlich bewertet werden. Es ist vielmehr Aufgabe des Revisionsgerichts, durch Ermittlung, Feststellung und Würdigung derartiger Tatsachen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen und so die Rechtseinheit zu wahren (BSG Urteile vom 28.6.2022 - B 2 U 9/20 R - juris RdNr 23; vom 16.3.2021 - B 2 U 11/19 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 30 RdNr 33; vom 26.11.2019 - B 2 U 8/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 71 RdNr 20 und vom 27.6.2019 - B 5 RS 2/18 R - BSGE 128, 219 = SozR 4-8570 § 6 Nr 8, RdNr 13 mwN).
Unter Berücksichtigung der hohen Übertragungsfähigkeit des Krankheitserregers, des aufgezeigten Übertragungsweges und der Inkubationszeit einer Hepatitis-B-Erkrankung hat das LSG zur tatsächlichen Infektionsgefahr und möglichen Einwirkungsereignissen auf das Jahr 2017 mit sechs Einsätzen des Klägers abgestellt. Dabei erfolgten nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) drei Einsätze mit Personenkontakt und dem Risiko einer Virusübertragung. Da bei der Hepatitis-B-Infektion bereits unsichtbar kleinste Mengen infektiösen Bluts zu einer Übertragung führen können (Remé, "Arbeitsmedizinische Grundlagen für die Konkretisierung von Beweiserleichterungen im BK-Feststellungsverfahren - Fallgruppen und Einzelfallermittlung" in Selmair/Manns, Virushepatitis als BK, 3. Aufl 2007, S 233), schon ein einmaliger unmittelbarer Kontakt mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten bei geschwächter Hautbarriere ausreicht (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101, Ziff 9.4 S 47, Stand März 2022; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 9. Aufl 2017, S 755) und Personen, die im Berufsleben regelmäßig Kontakt mit potenziell infektiösem Material (wie Blut oder anderen Körpersekreten) haben, ein erhöhtes berufsbedingtes Risiko für die Übertragung von Hepatitis-B besteht (Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos" in Selmair/Manns, Virushepatitis als BK, 3. Aufl 2007, S 148), liegt für die Tätigkeit des Klägers eine konkret erhöhte Infektionsgefahr vor.
cc) Die Gesamtbetrachtung der niedrigen Durchseuchung einerseits und der erhöhten Übertragungsgefahr andererseits ergibt für den Kläger eine Infektionsgefahr, die nicht nur geringfügig erhöht ist. Kommt - wie hier - eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt (s dazu bereits unter 3.). Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit (dazu näher BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 24 f sowie gleichbedeutend für die BK 3102 BSG Urteil vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 22 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫).
In seiner Argumentation kommt das LSG zu dem Schluss, der Kläger sei nicht in ähnlichem Maße einer konkreten Infektionsgefahr, vergleichbar den im Gesundheitsdienst Tätigen, ausgesetzt gewesen. Dieses Ergebnis stützt es maßgeblich auf die vorhandene Schutzausrüstung, einen erheblichen Anteil von Einsätzen ohne Personenkontakt und vor allem auf die geringe Anzahl der zu erwartenden Kontakte mit dem Hepatitis-B-Virus. Insoweit sei keine Vergleichbarkeit mit den im Gesundheitsdienst Tätigen gegeben. Dabei lässt die Vorinstanz indes unbeachtet, dass die Frage, ob der Kläger - wie zB Beschäftigte im Gesundheitsdienst - einer "Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" war, vorliegend schon mit der abstrakten Gefahrenlage bejaht wurde (dazu oben bereits 4.a). Die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigende besonders erhöhte Infektionsgefahr ergibt sich hingegen aus einem Vergleich mit der Gefahr, die in der Bevölkerung allgemein hinsichtlich einer Infektion besteht (vgl auch BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 22 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫ und grundlegend vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 33). Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei einer Rettungsmaßnahme gering ist, kommt eine tätigkeitsbedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr in Betracht, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in der Allgemeinbevölkerung noch geringer ist (BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 33). Davon ist vorliegend auszugehen. So hat das LSG - für den Senat bindend (§ 163 SGG) - im Inkubationszeitraum drei Einsätze mit Kontakt zu verletzten Personen festgestellt, bei denen das Risiko einer entsprechenden Viruserkrankung bestand. Nach dem Sachverständigengutachten ist gerade aufgrund der Mikrotraumata der ungeschützten Haut beim Bergen und Retten in den Bergen von einem ähnlich hohem Infektionsrisiko mit dem Hepatitis-B-Virus auszugehen wie bei der Behandlung von Patienten im Krankenhaus, wo für Beschäftigte im Gesundheitsdienst ein 2,7-fach erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-B-Erkrankung besteht (vgl auch Nienhaus/Wendeler/Dulon, ASU 2022, 156, 157; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 9. Aufl 2017, S 748; Kralj/Hofmann, "Hepatitis B- und Hepatitis C-Epidemiologie bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst" in Selmair/Manns, Virushepatitis als BK, 3. Aufl 2007, S 106 gehen von einem 2,5 bis 3fach erhöhten Risiko für eine Hepatitis-B-Infektion aus). Damit besteht für den Senat kein Zweifel, dass der Kläger konkret-individuell einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt war.
dd) Dabei steht - anders als das LSG meint - der Annahme eines besonderen Infektionsrisikos nicht entgegen, dass der Kläger in der Inkubationszeit nur in drei Einsätzen Kontakt zu verletzten Personen mit dem Risiko einer Viruserkrankung hatte. Denn eine konkrete Infektionssituation muss nicht nachgewiesen sein (BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5, RdNr 21: der Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren Kontaktes zu einer Infektionsquelle ist nicht erforderlich), zumal sie auch in Vorgängen liegen kann, die weniger Beachtung erfahren, wie zB das Durchschreiten, Inspizieren und Abpumpen fäkalienbelasteter und damit potentiell durchseuchter Abwässer aus Kellern. Eine Hepatitis-B-Infektion kann bereits bei einmaligem und geringfügigem Kontakt mit dem Krankheitserreger erfolgen (hierzu schon unter bb). Schon deshalb steht der zahlenmäßig geringe Kontakt des Klägers mit potentiell infizierten Personen der Annahme, er sei "der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" gewesen wie zB Versicherte im Gesundheitsdienst, nicht entgegen (dazu bereits cc).
5. Liegen eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Erkrankung wesentlich verursacht hat. Diese Typisierung gilt nur dann nicht, wenn ausgeschlossen ist, dass die Infektion während oder aufgrund der versicherten Tätigkeit eingetreten sein kann. Für einen Ursachenzusammenhang zwischen beruflich bedingter besonders erhöhter Infektionsgefahr und Krankheit ist zB kein Raum, wenn die Infektion unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nicht während der Dauer der beruflichen Gefahrenexposition erfolgt sein kann (vgl BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 27 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫ und vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 34). Ein regelhafter Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Infektionsgefahr auf eine berufliche Ursache der festgestellten Krankheit ist ferner nur gerechtfertigt, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben. Kommen sowohl berufliche als auch außerberufliche Verrichtungen als Infektionsquelle in Betracht, von denen aber nur eine allein die Krankheit ausgelöst haben kann, muss entschieden werden, ob sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine der unter Versicherungsschutz stehenden Handlungen als Krankheitsursache identifizieren lässt. Dann verbleibt es insofern beim Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen solcher außerberuflichen Umstände müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung tragen insoweit die objektive Beweislast (BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 2/21 R - juris RdNr 27 ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen≫ und vom 2.4.2009 - B 2 U 7/08 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 3 RdNr 18 und vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - UV Recht Aktuell 2006, 216 = juris RdNr 16).
Vorliegend ist die Kausalität zwischen der tätigkeitsbedingt erhöhten Infektionsgefahr, der Hepatitis-B-Infektion und der Infektionskrankheit nicht ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Inkubationszeit von 60 bis 180 Tagen (vgl Merkblatt zur BK 3101, Bekanntmachung des BMA vom 1.12.2000, BArbBl 1-2001, S 35) trat die im Herbst 2017 festgestellte Hepatitis-B-Infektion im zeitlichen Zusammenhang mit den vom LSG festgestellten gefährdenden Tätigkeiten am 3.6.2017 (Abwasser im Keller), 6.6.2017 (Person mit Erbrechen und Durchfall) und 15.6.2017 (Ohnmacht mit Kaltschweiß) auf. Mangels anderweitiger Feststellungen des LSG haben neben der berufsbedingten Infektionsgefahr keine anderen Infektionsrisiken bestanden, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die vorgenannten gefährdenden Tätigkeiten zur Infektion geführt haben. Vielmehr hat das LSG zu den hier relevanten Einsätzen mit verunglückten Personen in Zwangslagen festgestellt, dass diese mit Personenkontakt erfolgten und bei ihnen das Risiko einer Virusübertragung bestand. Auch diese Feststellungen wurden nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und sind für den Senat bindend (§ 163 SGG).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. |
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Roos |
Karl |
Karmanski |
Fundstellen
FA 2023, 165 |
NZS 2023, 7 |
NZS 2024, 177 |
SGb 2023, 500 |
Breith. 2024, 490 |
medstra 2023, 3 |
sis 2023, 465 |