Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU). Umstritten ist vor allem, ob sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Leistungen noch erfüllen kann.
Die 1939 geborene Klägerin war jugoslawische und ist jetzt kroatische Staatsangehörige. Sie war zunächst von 1961 bis 1969 in ihrem Heimatland und anschließend bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Hier entrichtete sie insgesamt 67 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Danach kehrte sie nach Jugoslawien (Kroatien) zurück, wo sie in den Zeiträumen vom 4. bis 30. September 1978, 9. Juni bis 30. August 1981, 1. August bis 27. Dezember 1983, 7. Mai bis 19. September 1986, 1. Oktober bis 20. November 1987 und 16. bis 30. Mai 1988 durch Gelegenheitsarbeiten erneut Beitragszeiten zurücklegte.
Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 6. April und 2. Juni 1988 an den Polizeipräsidenten in Frankfurt/Main, die an die Beklagte weitergeleitet wurden, ein Rentenbegehren zum Ausdruck gebracht hatte, stellte sie am 26. Oktober 1988 einen förmlichen Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente wegen EU oder BU. Dieser wurde nach medizinischer Sachaufklärung mit Bescheid der Beklagten vom 8. April 1991 abgelehnt. Darin heißt es: Bei der Klägerin liege zwar seit dem 26. Oktober 1988 bis vorläufig zum 31. Dezember 1992 EU vor. Es seien jedoch weder von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit noch sei jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1987 mit Beiträgen oder Zeiten, die in § 1246 Abs 2a der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgezählt seien, belegt. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. September 1991, Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Landshut vom 5. Mai 1993 sowie des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 10. Februar 1994). Das LSG hat seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG wie folgt begründet:
Die Voraussetzungen des § 1246 Abs 2a RVO, § 1247 Abs 2a RVO (ab 1. Januar 1992 §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫) oder des Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ≪ArVNG≫ (ab 1. Januar 1992: § 240 Abs 2, § 241 Abs 2 SGB VI) seien bei der Klägerin, die von 1984 bis 1988 nur für zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, nicht erfüllt. Eine Rentengewährung für einen nach 1984 eingetretenen Versicherungsfall der BU oder EU komme wegen Fehlens der in den genannten Vorschriften aufgeführten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. Für einen früheren, spätestens am 30. Juni 1984 eingetretenen Versicherungsfall, der noch nach altem Recht ohne die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu beurteilen wäre, ergäben sich keine Anhaltspunkte.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1247 RVO, Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG, der §§ 44, 240 SGB VI, des Art 14 des Grundgesetzes (GG) sowie der §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dazu trägt sie vor:
Das LSG habe es entgegen der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 3. November 1994 – 13 RJ 69/92, 13 RJ 63/92 und 13 RJ 15/93) unterlassen zu prüfen, ob die Anforderungen, die sich aus den Tatbestandsmerkmalen von § 1246 Abs 1 und 2a, § 1247 Abs 1 und 2a RVO oder Art 2 § 6 Abs 2 ArNVG für Jugoslawen ergäben, die nach erfüllter Anwartschaft in ihre Heimat zurückgekehrt seien, mit Art 14 GG vereinbar seien. Bei Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Grundsätze liege ein Verstoß gegen Art 14 GG vor, da sie rechtlich weder zur deutschen noch zur jugoslawischen Rentenversicherung freiwillige Beiträge habe entrichten können. Im übrigen wäre sie durch eine Entrichtung von Mindestbeiträgen unzumutbar belastet worden. Das LSG hätte somit zu der Beurteilung kommen müssen, daß ihr die beanspruchte EU-Rente zuzusprechen sei.
Angesichts der damals in Jugoslawien für die Entrichtung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung bestehenden devisenrechtlichen Sperren gebiete es im übrigen eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Vorschriften, daß die Beklagte von ihr im Jahre 1984 nur eine Bereiterklärung zur Beitragsentrichtung hätte fordern können. Die danach anfallenden Beiträge hätten ihr gestundet und später mit der Rentennachzahlung verrechnet werden müssen. Da die deutschen Rentenversicherungsträger die betroffenen Versicherten und damit auch sie auf diese Möglichkeit, ihren Versicherungsschutz erhalten zu können, nicht hingewiesen hätten, stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Sie sei also berechtigt, die fehlenden Beiträge nachzuzahlen, und die Beklagte andererseits verpflichtet, diese mit der Rentennachzahlung zu verrechnen. Zumindest stehe ihr gemäß § 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI ab 1. Januar 1992 ein Rentenanspruch ohne Nachzahlung der Beiträge zu.
Die von der Beklagten gegen eine Verrechnung der nachzuentrichtenden Beiträge mit der Rentennachzahlung üblicherweise ins Feld geführte Argumentation, die Rente sei erst mit der erfolgten Nachentrichtung fällig, sei nicht stichhaltig, da der Rentenanspruch und der Beitragsanspruch mit der Antragstellung in der gleichen “logischen Sekunde” entstanden seien. Zudem verstoße die Beklagte mit ihrer Verwaltungspraxis gegen den allgemein gültigen Grundsatz, daß ein Zahlungsverlangen gegen Treu und Glauben verstoße, wenn die verlangte Zahlung umgehend wieder zu erstatten sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen LSG vom 10. Februar 1994 und des Urteils des SG Landshut vom 5. Mai 1993 sowie des Bescheides vom 4. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1991 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung des Datums der Antragstellung, wahlweise – ohne Nachzahlung von Beiträgen – ab 1. Januar 1992, Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen in der vom Sachverhalt her vergleichbaren Streitsache 13 RJ 17/95.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es sind weitere Ermittlungen erforderlich zu der Frage, ob die Klägerin gemäß Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG noch anwartschaftserhaltende Beiträge zur deutschen oder jugoslawischen Rentenversicherung entrichten kann.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO (iVm dem ArVNG), da der Antrag bis zum 31. März 1992 gestellt worden ist und die Rente auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 begehrt wird (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Rechtsgrundlage sind danach zunächst die §§ 1246, 1247 RVO in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden – neueren – Fassung (nF). Diese setzen voraus
– die Erfüllung der Wartezeit (§ 1246 Abs 1 und 3, § 1247 Abs 1 und 3 RVO nF),
– den Eintritt des Versicherungsfalles der BU oder EU (§ 1246 Abs 1 und 2, § 1247 Abs 1 und 2 RVO nF) und
– die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 1246 Abs 1 und 2a, § 1247 Abs 1 und 2a RVO nF).
Die letztgenannte besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung ist erst durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) zusätzlich eingeführt worden. Dazu regelt Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG, in welchen Fällen noch die bis zum 31. Dezember 1983 geltende – alte – Fassung der §§ 1246, 1247 RVO (aF) anzuwenden ist, die das grundsätzliche Erfordernis von versicherungsfallnahen Pflichtbeitragszeiten noch nicht kannte. Auf die Voraussetzungen dieser Übergangsvorschrift kommt es nur an, wenn die Klägerin zwar nicht die Tatbestandsmerkmale des § 1246 Abs 1 oder § 1247 Abs 1 RVO nF, wohl aber diejenigen der aF einer dieser beiden Bestimmungen (Wartezeit, Eintritt des Versicherungsfalles) erfüllt.
Aufgrund der Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß bei der Klägerin die Wartezeit für eine Rente wegen EU oder BU gegeben ist. Nach § 1246 Abs 3, § 1247 Abs 3 Satz 1 Buchst a RVO beider Fassungen ist dafür grundsätzlich die Zurücklegung einer Versicherungszeit (vgl §§ 1249, 1250 RVO) von 60 Kalendermonaten erforderlich. Das ist hier der Fall. Aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt sich nämlich, daß die Klägerin während ihrer Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland von 1969 bis 1975 insgesamt 67 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat.
Nach den von den Beteiligten unangegriffenen und damit für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) ist bei der Klägerin bis zum 30. Juni 1984 kein Versicherungsfall der BU oder EU eingetreten. Während sich die Vorinstanzen für die Folgezeit diesbezüglich nicht festgelegt haben, ist dem angefochtenen Bescheid der Beklagten zu entnehmen, daß die Klägerin für die Zeit vom 26. Oktober 1988 bis zum 31. Dezember 1992 als erwerbsunfähig angesehen worden ist. Gemäß § 1247 RVO aF bestünde damit zumindest nach Maßgabe des § 1276 RVO ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen EU. Dagegen sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 1247 RVO nF nicht erfüllt.
Nach § 1246 Abs 2a Satz 1 RVO nF, auf den § 1247 Abs 2a RVO nF auch für die EU-Rente verweist, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt der BU ausgeübt worden, wenn
1. von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder
2. die BU aufgrund eines der in § 1252 RVO genannten Tatbestände eingetreten ist.
Die letztgenannte Alternative (§ 1246 Abs 2a Satz 1 Nr 2 RVO nF) ist hier nicht gegeben. In dieser Vorschrift wird auf § 1252 RVO Bezug genommen, dessen Anwendung lediglich die Entrichtung eines Beitrags vor Eintritt der BU durch die dort genannten Ereignisse (zB Arbeitsunfall, Wehrdienstbeschädigung) voraussetzt (vgl dazu Senatsurteil vom 31. März 1993 – 13 RJ 35/91 – Umdr S 4). Es ist jedoch im vorliegenden Fall keiner der von § 1252 RVO erfaßten Tatbestände ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen des § 1246 Abs 2a Satz 1 Nr 1 RVO nF liegen nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht vor. Unabhängig davon, wann der Versicherungsfall in der Zeit nach dem 30. Juni 1984 bei der Klägerin eingetreten ist, vermag sie den Grundtatbestand (36 Monate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten 60 Kalendermonaten) nicht zu erfüllen. Sofern sie bereits seit dem 1. Juli 1984 erwerbsunfähig sein sollte, erstreckt sich der “Belegungszeitraum” von 60 Kalendermonaten grundsätzlich vom 1. Juli 1979 bis 30. Juni 1984. In dieser Zeit hat sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Auf die Frage, ob in diesem Zusammenhang auch jugoslawische Beitragszeiten berücksichtigungsfähig wären (vgl dazu BSG, Urteil vom 24. März 1994 – 5 RJ 20/93 –, Umdr S 5; BSGE 75, 199, 211 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; Baumeister, RV 1987, 234, 236; Kunhardt, DAngVers 1984, 116, 117 f), kommt es hier nicht an, denn es liegen nach den Feststellungen des SG, auf die das LSG insoweit Bezug genommen hat, bei der Klägerin von 1981 bis 1988 nur 15 Beitragsmonate (die davorliegende Beitragszeit vom 4. bis 30. September 1978 befindet sich außerhalb des Belegungszeitraumes) mit versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit in Jugoslawien vor. Ferner ist davon auszugehen, daß der Rahmenzeitraum auch nicht durch sogenannte Aufschub- oder Streckungstatbestände iS von § 1246 Abs 2a Satz 2 RVO nF in die Vergangenheit erweitert worden ist. Nach dieser Vorschrift werden bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs 2a Satz 1 Nr 1 RVO nF bestimmte Arten von Zeiten, die nicht mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind, nicht mitgezählt. Die Vorinstanzen haben das Vorliegen von derartigen Streckungszeiten zwar ohne nähere Tatsachenfeststellungen verneint, jedoch sind entsprechende Tatbestände weder von der Revision geltend gemacht worden noch sonstwie ersichtlich.
Einer Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 1246 Abs 2a RVO nF bedarf es allerdings nicht, wenn die Übergangsregelung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG eingreift. Nach dieser Vorschrift gelten § 1246 Abs 1 sowie § 1247 Abs 1 RVO aF auch für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1983, wenn die Versicherte
1. vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und
2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs 2a RVO nF nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat.
Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 ArVNG gilt für Versicherungsfälle in der Zeit bis zum 30. Juni 1984 auch, ohne daß die Voraussetzungen der Nr 2 vorliegen (Art 2 § 6 Abs 2 Satz 2 ArVNG). Für Versicherungsfälle in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1984 gilt Satz 1 auch, wenn die Voraussetzungen der Nr 2 im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen (Art 2 § 6 Abs 2 Satz 3 ArVNG).
Neben der Erfüllung der Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 sieht diese Regelung somit je nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls weitere Belegungserfordernisse vor. Da die Klägerin die Wartezeit schon bis 1975 erfüllt hatte und nach den Feststellungen des LSG nicht vor dem 1. Juli 1984 berufs- oder erwerbsunfähig geworden ist, kommt es für sie darauf an, ob die Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ArVNG vorliegen. Es muß also jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls oder – im Falle des Art 2 § 6 Abs 2 Satz 3 ArVNG – zumindest bis zum 30. Juni 1984 mit Beiträgen oder Streckungszeiten iS von § 1246 Abs 2a Satz 2 RVO nF belegt sein. Für den betreffenden Zeitraum – jedenfalls soweit es das erste Kalenderhalbjahr 1984 betrifft – sind von der Klägerin weder in Deutschland noch in Jugoslawien lückenlos Beiträge entrichtet worden, auch scheiden Aufschubtatbestände aus. Es ist daher davon auszugehen, daß die Klägerin ihr Rentenbegehren gegenwärtig nicht auf die Übergangsregelung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG stützen kann.
Es bleibt allerdings die Frage, ob die Klägerin die ab 1. Januar 1984 nicht belegten Kalendermonate in dem gemäß Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG erforderlichen Umfang noch mit freiwilligen Beiträgen auffüllen darf. Dazu haben sich die Vorinstanzen nicht geäußert. Dementsprechend fehlt es insoweit an ausreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG.
Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl BSGE 75, 199, 211 ff = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48), kommen für eine Erfüllung der Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ArVNG grundsätzlich auch freiwillige Beiträge zur jugoslawischen Sozialversicherung in Betracht. Zwar erscheint es als sehr unwahrscheinlich, daß im vorliegenden Fall eine solche Entrichtung nach jugoslawischem Recht für die Zeit ab 1984 auch jetzt noch möglich ist. Jedoch müßte dies ggf noch geklärt werden. Die Ermittlung des insoweit einschlägigen ausländischen Rechts obliegt grundsätzlich den Tatsacheninstanzen (vgl Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 5. Aufl 1993 § 162 RdNr 6 mwN).
Was die Entrichtung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung betrifft, so kann diese nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen hier grundsätzlich nicht mehr nachgeholt werden. Gemäß § 1418 Abs 1 RVO in der 1984 geltenden Fassung konnten freiwillige Beiträge nur bis zum Ende des Jahres entrichtet werden, für das sie gelten sollten. Der Ablauf dieser Frist ist im vorliegenden Fall auch nicht durch eine rechtzeitige Bereiterklärung (vgl § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO) oder ein laufendes Rentenverfahren (vgl § 1420 Abs 2 RVO) berührt worden. Auch das SGB VI enthält keine Regelung, die unter den vorliegenden Umständen eine Beitragszahlung für das Jahr 1984 zulassen würde (vgl §§ 197 ff SGB VI; dazu auch BSG SozR 3-2600 § 197 Nr 1).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen unzureichender Beratung durch die Beklagte bei Eingang des ersten Rentenantrags im Jahre 1988 kommt ebenfalls nicht in Betracht, da in diesem Zeitpunkt eine Beitragsentrichtung für das Jahr 1984 bereits nicht mehr zulässig war und damit auch bei entsprechender Beratung die Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG nicht mehr hätten erfüllt werden können. Andere Kontakte zur deutschen Rentenversicherung haben in der vorangegangenen Zeit (nach Verkündung des HBegleitG 1984) – soweit ersichtlich – nicht stattgefunden. Der bisher festgestellte Sachverhalt bietet keinen Anlaß, darüber hinaus die Frage zu prüfen, ob ein Herstellungsanspruch auch auf unzureichende, falsche oder verzögerte Beratung durch jugoslawische Stellen gestützt werden könnte; denn Entsprechendes ist nicht vorgetragen worden.
Die Klägerin macht mit ihrer Revision allerdings eine unzutreffende Information der Bevölkerung in Jugoslawien (Kroatien) geltend und will daraus Ansprüche herleiten. Ob sie damit durchdringen kann, läßt sich anhand der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen. Aus einer Verletzung der allgemeinen Informationspflicht des § 13 SGB I erwächst dem einzelnen Versicherten grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (vgl BSGE 67, 90 = SozR 3-1200 § 13 Nr 1). Ein solcher Anspruch könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die Bevölkerung falsch oder irreführend informiert worden wäre (vgl BSG SozR 3-1300 § 27 Nr 3 S 5; BSG USK 83163; kritisch dazu Mrozynski, SGB I, 2. Aufl, 1995 § 13 RdNr 13). Eine unrichtige Information durch jugoslawische (kroatische) Stellen wäre dem deutschen Rentenversicherungsträger, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, dann zuzurechnen, wenn dieser die jugoslawische (kroatische) Verbindungsstelle seinerseits unzutreffend informiert hätte. Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich) vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II 1438) idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl 1975 II 390), welches nach dem Notenwechsel der beteiligten Regierungen vom 31. Juli/5. Oktober 1992 vorläufig auch im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien weiter anzuwenden ist (vgl die Bek des Bundesministers des Auswärtigen vom 26. Oktober 1992, BGBl II 1146), ist das Verhältnis der Verwaltungsstellen der Vertragsstaaten nämlich so geregelt, daß gemäß Art 34 Abs 1 Satz 2 Abk Jugoslawien SozSich die deutschen zuständigen Stellen die zuständigen Stellen in Jugoslawien (Kroatien) über Änderungen und Ergänzungen der maßgeblichen Rechtsvorschriften unterrichten und alsdann die jeweilige jugoslawische (kroatische) Verbindungsstelle die Bevölkerung ihres Landes informiert (Art 2 Abs 1 Satz 1 der Vereinbarung zur Durchführung des Abk Jugoslawien SozSich, BGBl 1973 II 711). Im vorliegenden Zusammenhang könnte eine solche Fehlinformation in Jugoslawien (Kroatien) vorgekommen sein.
Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche Informationen zum HBegleitG 1984 von deutscher Seite aus den jugoslawischen Verbindungsstellen zur Weitergabe an die dortigen Versicherten übermittelt worden sind. Ein irreführender Inhalt kommt insoweit in Betracht, als in diesen Hinweisen wahrscheinlich Besonderheiten hätten berücksichtigt werden müssen, die sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Dabei ist von folgender Rechtslage auszugehen:
Eine freiwillige Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung war für Jugoslawen, die in ihrer Heimat wohnten, rentenrechtlich möglich. Nach § 1233 Abs 1 Satz 1 RVO konnte allerdings für Zeiten nach Vollendung des 16. Lebensjahres freiwillige Beiträge nur entrichten, wer nicht versicherungspflichtig war und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO hatte. Die Klägerin war nicht versicherungspflichtig und hatte auch das 16. Lebensjahr vollendet, einer freiwilligen Versicherung stand demnach allein ihr gewöhnlicher Aufenthalt in Jugoslawien (Kroatien) entgegen. Da jedoch § 1233 Abs 1 Satz 1 RVO auch für Deutsche iS des Art 116 Abs 1 GG galt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten (§ 1233 Abs 1 Satz 2 RVO) hilft hier Art 3 Abs 1 Buchst a Abk Jugoslawien SozSich weiter. Danach stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörigen die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates gleich, wenn sie sich im Gebiet eines Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten (vgl Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im SGB, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Jugoslawien/Abkommen vom 12. Oktober 1968, Art 3 Anm 4; Ebenhöch, Kompaß 1987, 269, 272; derselbe, Kompaß 1991, 495, 500).
Was die Durchführung der Beitragsentrichtung anbelangt, liegt es nahe, daß den Betroffenen besonders weitreichende Möglichkeiten einer Bereiterklärung zur späteren Beitragszahlung iS von § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO einzuräumen waren. Nach dieser Vorschrift steht der Entrichtung der Beiträge iS von § 1418 RVO die gegenüber einer zuständigen Stelle abgegebene Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Nach der Rechtsprechung des BSG gelten für die Angemessenheit der Nachzahlungsfrist nicht feste Grenzen; vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten sowie sonstige Entrichtungshindernisse zu berücksichtigen (vgl BSGE 10, 264, 268 = SozR Nr 1 zu § 1420 RVO; dazu auch BSGE 19, 247 = SozR Nr 3 zu § 1420 RVO). Insofern könnten im fraglichen Zeitraum für in ihre Heimat zurückgekehrte jugoslawische Arbeitnehmer erhebliche Schwierigkeiten bestanden haben, welchen im Rahmen des § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO durch entsprechende Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung hätte Rechnung getragen werden müssen. Zu denken ist dabei vor allem an devisenrechtliche Beschränkungen für Zahlungen von Jugoslawien nach Deutschland (vgl dazu BSGE 75, 199, 210 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; zur Berücksichtigung derartiger Umstände im Rahmen des § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO vgl auch BSGE 51, 230, 232 f = SozR 2200 § 1419 Nr 9) sowie an eine eingeschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit (geringeres Lohnniveau, ungünstige Umrechnungskurse, Kaufkraftunterschiede) der betreffenden Versicherten (vgl dazu BSGE 75, 199, 218 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48).
Bei der Auslegung des Begriffs der “angemessenen Frist” iS von § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO fällt schließlich auch entscheidend ins Gewicht, daß die Einführung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für BU/EU-Renten nach der Beurteilung des BVerfG (vgl BVerfGE 75, 78, 97 ff = SozR 2200 § 1246 Nr 142) nur deshalb mit Art 14 GG vereinbar war, weil gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen wurde, die Anwartschaften durch Leistung monatlicher Mindestbeiträge aufrechtzuerhalten, wobei der Zumutbarkeit der damit für die Betroffenen verbundenen Belastung eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 75, 199, 208 ff = SozR 2200 § 1246 Nr 142). Dieser verfassungsrechtliche Ansatz gebietet es, das Merkmal der “angemessenen Frist” so anzuwenden, daß die zur Anwartschaftserhaltung erforderliche Beitragsentrichtung für in ihre Heimat zurückgekehrte jugoslawische Arbeitnehmer in zumutbaren Grenzen bleibt.
Sollten die für Jugoslawien (Kroatien) bestimmten Informationen der deutschen Rentenversicherungsträger diesen Gegebenheiten nicht hinreichend Genüge getan haben, könnte ihnen ein irreführender Charakter beizumessen sein. Denn für die betroffenen, in Jugoslawien (Kroatien) lebenden Versicherten dürften Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung besonders wichtig für die Frage gewesen sein, ob sie sich zur Nachzahlung bereit erklären sollten. Als weiteres Element des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wäre dann noch erforderlich, daß die Klägerin persönlich durch eine solche Fehlinformation abgehalten worden ist, rechtzeitig im Jahre 1984 eine Bereiterklärung iS von § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO abzugeben. Auf die Feststellung einer derartigen Kausalität (iS einer “Fehlleitung” der individuellen Bürgerin durch die Verwaltung) kann auch und gerade bei einer unzutreffenden Aufklärung der Bevölkerung nicht verzichtet werden, da es sich dabei um ein wesentliches Merkmal des Herstellungsanspruchs handelt (vgl dazu allgemein GemeinschaftsKomm zum SGB I/Schellhorn § 13 RdNr 30; SGB-Sozialversicherung-GesamtKomm/Bley § 13 SGB I Anm 10c).
Nach alledem sind zu den Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs noch Tatsachenfeststellungen erforderlich, die der erkennende Senat im anhängigen Revisionsverfahren nicht nachholen kann (vgl § 163 SGG). Die Sache ist daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Bei der weiteren Beurteilung dürfte das LSG noch folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:
Sofern die Klägerin aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berechtigt sein sollte, in dem gemäß Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG erforderlichen Umfang noch Beiträge nachzuzahlen, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Klageantrag entsprechend umzustellen. Sie kann dann nämlich mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage den Erlaß eines Grundurteils begehren, mit welchem die Beklagte zur Gewährung der Rente unter der aufschiebenden Bedingung der Nachentrichtung der betreffenden Beiträge verurteilt werden soll (vgl BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 3). Die Klägerin hat in diesem Falle aber auch die Möglichkeit, den geltend gemachten Rentenanspruch auf die Zeit ab 1. Januar 1992 zu beschränken, womit sich gemäß § 240 Abs 2 Satz 2, § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI eine Beitragsnachzahlung erübrigen würde (vgl BSG SozR 3-2600 § 240 Nr. 2).
Dagegen wäre eine durch die Klägerin erklärte Aufrechnung der von ihr künftig zu beanspruchenden Rentennachzahlung gegen die von ihr zu erbringende Beitragssumme nicht zulässig. Beide Geldforderungen stehen sich zu keinem Zeitpunkt iS von § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegenüber, da das Entstehen des Rentenanspruchs (vgl § 40 SGB I) die tatsächliche Entrichtung der anwartschaftserhaltenden Beiträge voraussetzt (vgl dazu allgemein BSG SozR 1200 § 44 Nr 5). Dies gilt auch bei einer Bereiterklärung. § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO ermöglicht insoweit nur eine Durchbrechung der Fristen des § 1418 RVO für die Wirksamkeit von nachentrichteten Beiträgen, was wiederum zu einem rückwirkenden Rentenbeginn (vgl § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO) führen kann (vgl zB BSG SozR 2200 § 1290 Nr 13). Selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben dürfte im vorliegenden Zusammenhang kein Bedarf bestehen, von dieser Regelung abzuweichen, da sich die Klägerin nach Erstreiten eines Grundurteils, das die Rentengewährung nur noch von einer bestimmten Beitragsnachzahlung abhängig macht, den erforderlichen Geldbetrag grundsätzlich ohne Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt beschaffen könnte.
Sofern sich nach der vom LSG noch vorzunehmenden weiteren Sachaufklärung herausstellt, daß der Rentenanspruch der Klägerin endgültig an einem Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 1246 Abs 1 und 2a, § 1247 Abs 1 und 2a RVO nF oder Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG scheitert, wäre schließlich noch zu prüfen, ob die Anforderungen, die sich aus diesen Tatbestandsmerkmalen für Jugoslawen ergeben, die nach erfüllter Anwartschaft – hier schon lange vor Inkrafttreten des HBegleitG 1984 – in ihre Heimat zurückgekehrt sind, mit Art 14 GG vereinbar sind. Für die Verfassungsmäßigkeit der zu prüfenden Regelung ist nach den vom BVerfG (BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) herausgestellten Grundsätzen entscheidend, ob die Klägerin rechtlich in der Lage war, ab 1. Januar 1984 freiwillige Beiträge zur deutschen oder jugoslawischen Rentenversicherung zu entrichten, und ob ihr die daraus entstehenden Belastungen – auch im Vergleich zu im Inland lebenden Versicherten (vgl Art 3 Abs 1 GG) – zumutbar waren (vgl dazu im einzelnen BSGE 75, 199, 210 ff = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48). Dabei ist auch die Möglichkeit einer rechtzeitigen Bereiterklärung iS von § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO verbunden mit einer den Umständen des Einzelfalles entsprechend verzögerten Beitragsnachentrichtung in die erforderliche Abwägung einzubeziehen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen