Entscheidungsstichwort (Thema)
Belegarzt. keine Vergütung von stationären Leistungen bei Neugeborenen außerhalb des Kreißsaals. Kassenärztliche Vereinigung. Berechtigung und Verpflichtung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung
Leitsatz (amtlich)
Vom Belegarzt gegenüber Neugeborenen außerhalb des Kreißsaals erbrachte stationäre Leistungen sind auch dann nicht als belegärztliche Leistungen vergütungsfähig, wenn das (Beleg-)Krankenhaus über keine kinderärztliche Station verfügt.
Orientierungssatz
Eine Kassenärztliche Vereinigung ist gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen.
Normenkette
SGB V § 26 Abs. 2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; SGB 5 § 85 Abs. 4 S. 1 Fassung: 2003-11-14, S. 2 Fassung: 2003-11-14, S. 3 Fassung: 2003-11-14, § 87 Abs. 1-2, § 106a Abs. 2 Fassung: 2003-11-14, § 121 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1992-12-21; BPflV § 1 Abs. 1 Fassung: 2002-04-23; BPflV 1994 § 1 Abs. 1 Fassung: 2002-04-23; BPflV § 2 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV 1994 § 2 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV § 2 Abs. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV 1994 § 2 Abs. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV § 22 Abs. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV 1994 § 22 Abs. 2 Fassung: 2002-04-23; BPflV § 23 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1997-12-09; BPflV 1994 § 23 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1997-12-09; KHEntgG § 18 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2002-04-23; EBM-Ä Nrn. 1, 5, 28, 7200; KinderRL Abschn. A Nr. 1 Fassung: 1999-12-10
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Im Streit stehen sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Honorarabrechnungen für die Quartale II/04 und III/04.
Der Kläger ist als Frauenarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist zugleich als Belegarzt in der Klinik Dr. K. tätig; diese verfügt über keine kinderärztliche Station. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) stellte die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale II/2004 und III/2004 in den Fällen sachlich-rechnerisch richtig, in denen dieser die Behandlung von Neugeborenen außerhalb des Kreißsaals als stationäre belegärztliche Fälle abgerechnet hatte, und setzte insoweit die geltend gemachten Leistungen nach Nr 1 (Ordinationsgebühr), 5 (Nacht-, Wochenend-, Feiertagsgebühr), 28 (Regelvisite auf der Belegstation) und 7200 (Kostenersatz bei Vorhalten eines vom Belegarzt zu vergütenden ärztlichen Bereitschaftsdienstes) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) in der bis zum 31.3.2005 geltenden Fassung ab.
Die Widersprüche des Klägers, seine Klage (Urteil des SG vom 29.3.2006) und die Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, zu den vom Belegarzt zu erbringenden und aus der Gesamtvergütung zu vergütenden Leistungen gehörten nur solche, die er gegenüber seinen Belegpatienten erbringe. Dies seien nur die Gebärenden. Die vom Kläger abgerechneten streitbefangenen Leistungen stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung der Gebärenden während und nach der Geburt. Im Falle einer Behandlungsbedürftigkeit der Neugeborenen seien ggf andere Ärzte hinzuzuziehen. Eine Besonderheit ergebe sich auch nicht daraus, dass in der Klinik Dr. K. in der gynäkologischen Abteilung nur Belegärzte tätig seien. Soweit nach eigenem Vortrag des Klägers täglich konsiliarisch Kinderärzte in die Klinik Dr. K. kämen, sei davon auszugehen, dass er diese erforderlichenfalls zeitnah hinzuziehen könne, um seiner Verantwortung gegenüber dem Neugeborenen gerecht zu werden (Urteil vom 27.2.2008).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Zur Verantwortung des Belegarztes gehöre es, sich vom Gesundheitszustand sowohl der Mutter als auch des Kindes zu überzeugen und ggf eine weitere - auch stationäre - Behandlung des Kindes zu veranlassen. Auch das LSG habe seine - des Klägers - Verantwortung gegenüber dem Neugeborenen bejaht. Diese Verantwortung werde durch die Anlage 2 ("Erweitertes Neugeborenen-Screening") zu den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres ("Kinder-Richtlinien", im Folgenden "Kinder-RL") bestätigt. Demgegenüber gehe das BSG offenbar davon aus, dass der gynäkologische Belegarzt keinerlei Verantwortung habe und auch keine Feststellungen darüber zu treffen habe, ob das Neugeborene behandlungsbedürftig sei oder nicht. Folge man dem, müsste das Neugeborene im Regelfall nach Verlassen des Kreißsaals durch einen Kinderarzt betreut werden, der dann in die Verantwortung eintrete, die das LSG doch beim gynäkologischen Belegarzt ansiedele. Unstreitig sei, dass es in Bezug auf die Neugeborenen überhaupt keinen Arzt gebe, der diese als "eigene Patienten" bezeichnen könne. In der Klinik Dr. K. gebe es keine belegärztlich tätigen Kinderärzte, allerdings befinde sich "im Hause" eine kinderklinische Abteilung des Kinderkrankenhauses P. S. Die niedergelassenen Kinderärzte kämen nur für die Kinderuntersuchung "U 2" ins Haus.
Wenn man eine Verantwortung des gynäkologischen Belegarztes gegenüber dem Neugeborenen auch nach Verlassen des Kreißsaales bejahe, sei er - der Kläger - verpflichtet, die streitgegenständlichen Leistungen zu erbringen und müsse diese Leistungen auch abrechnen dürfen. Ihm sei die Möglichkeit zuzugestehen, das Neugeborene nach entsprechenden Feststellungen in eine Kinderklinik oder an einen Kinderarzt "zu überweisen". Ein Rechtssatz, der aus dem Neugeborenen nach Verlassen des Kreißsaals einen gleichsam anderen Patienten mache, existiere nicht. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG werde aus dem Kind nach Verlassen des Kreißsaales nicht ein arztloser Belegpatient; vielmehr liege der Entscheidung möglicherweise die Auffassung zugrunde, dass nach Verlassen des Kreißsaales ein (belegärztlicher) Kinderarzt hinzugezogen werde. Es sei unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit nicht nachvollziehbar, warum ein Kinderarzt - anstelle des für derartige Untersuchungen am Neugeborenen qualifizierten gynäkologischen Belegarztes - routinemäßig tätig werden solle.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 2008 und des Sozialgerichts Marburg vom 29. März 2006 aufzuheben, sowie die Bescheide der Beklagten vom 5. Oktober 2004 und 16. Dezember 2004, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 aufzuheben, soweit Berichtigungen der Honorarabrechnungen hinsichtlich der Nr 1, 5, 28 und 7200 EBM-Ä erfolgt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Der Belegarzt könne nur Leistungen abrechnen, die er gegenüber seinen Belegpatienten erbringe; dies sei die Gebärende. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass es sich bei der Klinik, in der der Kläger als Belegarzt tätig sei, um eine ausschließlich als Belegkrankenhaus organisierte Klinik ohne kinderärztliche Station handele. Denn der Kläger habe selbst dargelegt, dass es im Hause eine kinderklinische Abteilung des Kinderkrankenhauses P. S. gebe, wo kranke Neugeborene versorgt werden könnten, und dass niedergelassene Kinderärzte für die Untersuchung U 2 ins Haus kämen. Bei den Leistungen des Klägers für die Neugeborenen handele es sich um "vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter" und damit um allgemeine Krankenhausleistungen. Die Verantwortung für den Säugling liege somit beim Krankenhaus und nicht beim Belegarzt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die vom Kläger gegenüber Neugeborenen auf der Belegabteilung des Krankenhauses erbrachten Leistungen nach den Nr 1, 5, 28 und 7200 EBM-Ä zu Recht sachlich-rechnerisch richtig gestellt hat.
1. Die Beklagte ist aufgrund von § 106a Abs 2 Satz 1 Halbs 1 SGB V, der durch Art 1 Nr 83 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2217) mit Wirkung zum 1.1.2004 (Art 37 Abs 1 GMG) eingefügt worden ist, gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen.
2. Die auf dieser Grundlage vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Vergütung für die von ihm gegenüber Neugeborenen auf der Belegabteilung des Krankenhauses erbrachten Leistungen nach den Nr 1, 5, 28 und 7200 EBM-Ä. Denn hierbei handelt es sich nicht um Leistungen, die von seinem Aufgabenbereich als vertragsärztlich abrechnender Belegarzt mit umfasst sind.
a) Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Honorierung seiner belegärztlichen Leistungen ergibt sich aus § 121 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266) iVm § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V (idF des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach sind die belegärztlichen Leistungen trotz ihrer Erbringung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung aus den zur Finanzierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von den Krankenkassen an die KÄV gezahlten Gesamtvergütungen zu honorieren. Dies hat seinen Grund darin, dass die belegärztliche Tätigkeit als Teil der vertragsärztlichen Versorgung und als Fortsetzung der eigentlichen ambulanten ärztlichen Tätigkeit angesehen wird (BSG, Urteil vom 17.3.2010, B 6 KA 3/09 R RdNr 17, 18 mwN - SozR 4-2500 § 121 Nr 4). § 2 Abs 2 Nr 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw § 2 Abs 2 Nr 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen bestimmen ausdrücklich, dass auch die belegärztlichen Leistungen iS des § 121 SGB V zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gehören. Der Belegarzt nutzt lediglich die Einrichtungen des Krankenhauses, bleibt aber Vertragsarzt und als solcher den für die vertragsärztliche Tätigkeit geltenden Regelungen unterworfen (BSG aaO RdNr 18).
Was sich als belegärztliche Leistungen iS des § 121 Abs 3 Satz 1 SGB V darstellt, erschließt sich - wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 10.12.2003 (B 6 KA 43/02 R - SozR 4-2500 § 121 Nr 1 RdNr 5; ebenso BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 2 RdNr 17) dargelegt hat - aus den Regelungen der Bundespflegesatzverordnung (BPflV), die zwischen Krankenhausleistungen und belegärztlichen Leistungen differenziert, und damit in Abgrenzung von diesen Krankenhausleistungen.
Nach § 1 BPflV in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung (idF des Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412 ≪FPG≫) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser oder Krankenhausabteilungen, die nach § 17b Abs 1 Satz 1 Halbs 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen sind, nach dieser Verordnung vergütet. Der Begriff der Krankenhausleistungen iS des § 1 Abs 1 BPflV wird in § 2 Abs 1 und 2 BPflV definiert. Danach sind Krankenhausleistungen insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen (§ 2 Abs 1 Satz 1 BPflV).
In § 2 Abs 1 Satz 2 BPflV (in der oben genannten Fassung) ist bestimmt, dass (ua) die Leistungen der Belegärzte (§ 23 BPflV) nicht zu den Krankenhausleistungen gehören. Somit besteht bezüglich der stationär erbrachten Leistungen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dahingehend, dass sich diese im Regelfall als Krankenhausleistungen darstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn einer der normierten Ausnahmefälle gegeben ist. Hierzu gehören Leistungen der Belegärzte.
Nach dem in Bezug genommenen § 23 BPflV aF, der gemäß § 22 Abs 2 BPflV bis zum 31.12.2004 in der am 31.12.2003 (dh vor der Änderung durch das FPG) geltenden Fassung weiter anzuwenden war, sind Belegärzte im Sinne dieser Verordnung nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten (§ 23 Abs 1 Satz 1 BPflV; ≪nahezu≫ wortgleich auch § 18 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) idF ab 1.1.2005 sowie § 121 Abs 2 SGB V). Leistungen des Belegarztes sind nach § 23 Abs 1 Satz 2 BPflV
(1.) seine persönlichen Leistungen,
(2.) der ärztliche Bereitschaftsdienst für Belegpatienten,
(3.) die von ihm veranlassten Leistungen nachgeordneter Ärzte des Krankenhauses, die bei der Behandlung seiner Belegpatienten in demselben Fachgebiet wie der Belegarzt tätig werden,
(4.) die von ihm veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.
Somit legt § 23 Abs 1 Satz 2 BPflV aF (ebenso § 18 Abs 1 Satz 2 KHEntgG nF) in Nr 1 fest, dass (grundsätzlich) alle persönlichen - und damit ärztlichen - Leistungen des Belegarztes belegärztliche Leistungen sind - mithin nicht über Pflegesätze usw vergütet werden, weil es sich nicht um Krankenhausleistungen gemäß § 2 Abs 1 Satz 2 BPflV handelt. Dies gilt allerdings nur, soweit diese Leistungen gegenüber den Belegpatienten des Belegarztes erbracht werden (BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 1 RdNr 12). Für den Fall einer stationären Entbindung hat der Senat jedoch bereits entschieden, dass Belegpatient des gynäkologischen Belegarztes (nur) die Gebärende ist, nicht jedoch der Säugling (BSG SozR aaO RdNr 14 f; ebenso BSG, Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - RdNr 7 - unveröffentlicht). Hieraus folgt nach der Rechtsprechung des Senats, dass der Belegarzt die während des Aufenthalts der Mutter auf der Belegstation gegenüber dem Säugling erbrachten Leistungen - von Notfällen abgesehen - nicht gegenüber der KÄV berechnen darf (BSG SozR aaO RdNr 15; zu Ausnahmen bezüglich der - hier nicht streitbefangenen - Nr 140, 1020 und 1040 EBM-Ä siehe BSG SozR aaO RdNr 14). Sollte eine Behandlungsbedürftigkeit bestehen, sind ggf andere Ärzte zur Behandlung hinzuzuziehen (BSG SozR aaO RdNr 15; vgl unten b bb und 4.).
b) An dieser Auffassung hält der Senat nach nochmaliger Prüfung und unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten Einwände fest.
aa) Der gynäkologische Belegarzt kann gegenüber Neugeborenen, bei denen es sich - wie dargestellt - nicht um seine Belegpatienten handelt, grundsätzlich keine Leistungen bei der Beklagten abrechnen. Eine Ausnahme gilt lediglich für solche Leistungen, die der EBM-Ä oder dieser in Verbindung mit den Richtlinien des G-BA ausdrücklich dem für die Leitung der Geburt verantwortlichen Arzt zuweist. Dies ist im streitigen Zeitraum gemäß Abschnitt B 1. Kinder-RL (idF vom 10.12.1999) nur bezüglich der Neugeborenen-Erstuntersuchung (Erste Untersuchung - U 1) der Fall (s hierzu Nr 140 EBM-Ä). Das vom Kläger angeführte erweiterte Neugeborenen-Screening ist erst seit dem 1.7.2005 als vertragsärztliche Leistung berechnungsfähig (vgl Anlage 2 zu den Kinder-RL idF vom 21.12.2004 - BAnz vom 31.3.2005, S 4833, sowie Nr 01707 EBM-Ä). Im Übrigen erweitert diese Neuregelung lediglich den Kreis der vom gynäkologischen Belegarzt ausnahmsweise berechnungsfähigen Leistungen und bestätigt somit den Ausnahmecharakter einer Berechnungsfähigkeit der von ihm gegenüber Neugeborenen erbrachten Leistungen.
bb) Von den genannten Ausnahmefällen abgesehen, können die Leistungen gegenüber den Neugeborenen, die zusammen mit ihrer noch krankenhauspflegebedürftigen Mutter nach der Geburt im Krankenhaus verbleiben, im Krankheitsfall nur von Kinderärzten erbracht und abgerechnet werden. Ob das Krankenhaus, an dem der gynäkologische Belegarzt tätig ist, einen Kinderarzt beschäftigt oder als Belegarzt an sich gebunden hat, ist insoweit - für den Vergütungsanspruch des Klägers - ohne Bedeutung. Auch der Umstand, dass der Kläger offenbar in einem reinen Belegkrankenhaus tätig ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 17.3.2010, B 6 KA 3/09 R - SozR 4-2500 § 121 Nr 4), findet der Krankenhausträger, der einen Belegarzt an sich bindet, die Leistungs- und Abrechnungsbedingungen dieses Arztes vor und muss die Abläufe einer Belegabteilung danach ausrichten (aaO RdNr 26). Die Entscheidung für die Führung einer Krankenhausabteilung durch Belegärzte zwingt den Krankenhausträger, sich im Rahmen der vorgegebenen Grundsätze der belegärztlichen Tätigkeit zu halten (BSG aaO unter Hinweis auf BSGE 88, 6, 17 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6, S 49). Es ist daher Sache des Krankenhausträgers, wie er - unter Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen - die notwendige Versorgung sicherstellt und wie er ggf Leistungen, die - soweit überhaupt zulässig - von Vertragsärzten außerhalb ihres belegärztlichen Aufgabenbereichs erbracht werden, vergütet.
cc) Ein Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten bezüglich der streitgegenständlichen Leistungen rechtfertigt sich auch nicht unter dem vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkt einer ihm obliegenden Verantwortung gegenüber dem Säugling. Eine derartige Verantwortung wird ihm durch die KinderRL nur hinsichtlich der von ihm zu erbringenden Früherkennungsmaßnahmen zugewiesen. Aus einem Behandlungsverhältnis bzw -vertrag resultierende Verpflichtungen, - von Notfällen abgesehen - Behandlungen durchzuführen, treffen ihn nicht, da der Neugeborene nicht sein Patient ist.
Dem steht auch nicht das Urteil des BGH vom 14.7.1992 (VI ZR 214/91 - NJW 1992, 2962) entgegen. Soweit der BGH dort ausgeführt hat, dem gynäkologischen Belegarzt obliege aufgrund des mit ihm - sei es von den Eltern des Kindes zu dessen Gunsten, sei es von der Krankenkasse zugunsten des Kindes und seiner Eltern - abgeschlossenen Behandlungsvertrages die ärztliche Betreuung der Mutter wie auch des neugeborenen Kindes während des Krankenhausaufenthalts, kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass der gynäkologische Belegarzt vertraglich zur Behandlung (auch) des Neugeborenen verpflichtet ist. Abgesehen davon, dass der gynäkologische Belegarzt damit Aufgaben übernehmen würde, die in das Fachgebiet des Kinderarztes bzw des Neonatologen fallen, hat der BGH seine Aussagen in einer späteren Entscheidung (Urteil vom 14.2.1995 - VI ZR 272/93 - BGHZ 129, 6) relativiert, indem er für die (auch haftungsrechtlich) maßgebliche Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und vertraglich geschuldeten Aufgaben zwischen Belegarzt und Krankenhausträger ausdrücklich die Regelungen über die Krankenhausfinanzierung - namentlich § 2 Abs 1 Satz 2 BPflV - herangezogen hat (BGH aaO S 14). Aus diesen ergibt sich aber - wie bereits dargestellt -, dass eine ggf während des weiteren Aufenthalts des gesunden Neugeborenen im Krankenhaus notwendig werdende ärztliche Behandlung - von Notfällen abgesehen - nicht mehr in den Aufgabenbereich des gynäkologischen Belegarztes, sondern des Krankenhauses fällt (vgl oben 2 b bb am Ende).
Nicht ausgeschlossen ist dabei, dass aus einer tatsächlichen Übernahme der Behandlung durch den gynäkologischen Belegarzt (in Form einer auch den Neugeborenen einschließenden regelmäßigen Visite) bei einem Fehlverhalten eine unmittelbare deliktische Verantwortung für den Arzt und damit seine Haftung erwachsen kann. Auch bei einer ggf tatsächlich übernommenen wie bei einer - soweit überhaupt zulässig - vertraglich dem Krankenhausträger geschuldeten Behandlung von Neugeborenen wird der Arzt jedoch nicht als Belegarzt tätig und hat für diese Leistungen - da es sich nicht um belegärztliche Leistungen handelt - keinen Vergütungsanspruch gegenüber der KÄV. Dem steht zusätzlich der Gesichtspunkt entgegen, dass es andernfalls unter Umständen zu Doppelvergütungen kommen könnte, wenn nämlich die dem Krankenhaus obliegenden Leistungen durch Pflegesätze bzw Fallpauschalen abgegolten werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 20.6.1989 - 6 RKa 15/88 - USK 89159 S 772).
dd) Von diesen besonderen Konstellationen abgesehen, besteht eine Verantwortlichkeit des gynäkologischen Belegarztes für Neugeborene nach Verlassen des Kreißsaales (und außerhalb der erwähnten Früherkennungsmaßnahmen) nur in dem allgemeinen Sinne, dass er als Arzt tätig zu werden hat, wenn er im Zuge der Behandlung der Mutter des Neugeborenen bei diesem (beiläufig) Anzeichen dafür feststellt, dass eine Behandlungsbedürftigkeit besteht. Eine routinemäßige, kontinuierliche Betreuung bzw Untersuchung des Neugeborenen während des Aufenthalts der Mutter auf der Belegstation, um die es vorliegend ausweislich der streitgegenständlichen Gebührennummern geht, gehört nicht zu den Aufgaben des gynäkologischen Belegarztes und lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass andernfalls eine adäquate Betreuung des Neugeborenen nicht sichergestellt sei. Neugeborene sind nicht generell behandlungsbedürftig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Früherkennung von Krankheiten, die die normale körperliche oder geistige Entwicklung des Kindes in nicht geringfügigem Maße gefährden (vgl Abschnitt A Nr 1 KinderRL), dienen die in den KinderRL festgelegten Untersuchungen. Die kontinuierliche Betreuung des nicht behandlungsbedürftigen, aber naturgemäß betreuungsbedürftigen Neugeborenen einschließlich der Überwachung seines Gesundheitszustands obliegt während seines Aufenthalts im Krankenhaus dem Träger bzw dem dort tätigen Personal. In die Verantwortlichkeit des Krankenhausträgers fällt auch das Vorhalten entsprechenden (kinder-)ärztlichen Sachverstandes, um im Bedarfsfalle vom Pflegepersonal bemerkten Krankheitsanzeichen nachgehen zu können.
Diese allgemeine Betreuung des gesunden und damit nicht als solches behandlungsbedürftigen Neugeborenen durch das Krankenhauspersonal - bzw durch von diesem hinzugezogene Personen - ist als allgemeine Krankenhausleistung auch in den (Beleg-)Fallpauschalen berücksichtigt. Nach § 1 Abs 5 Satz 1 der seinerzeit maßgeblichen Fallpauschalenverordnung 2004 (KFPV 2004) ist für jedes - dh auch für gesunde (s hierzu auch Amtliche Begründung zum Referentenentwurf der KFPV 2004, S 6 zu § 1 Abs 5) - Neugeborene, dass nach der Versorgung im Kreißsaal weiter im Krankenhaus versorgt wird, ein eigener Fall zu bilden und eine eigene Fallpauschale abzurechnen. Wird eine (etwaige) Mindestverweildauer nicht erreicht, ist die Versorgung der Neugeborenen mit dem Entgelt für die Mutter abgegolten (§ 1 Abs 5 Satz 3 KFPV 2004). Nach § 17b Abs 1 Satz 3 KHG werden mit den - im Rahmen des pauschalierten Entgeltsystems zu zahlenden - Entgelten die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet. Entsprechendes gilt nach § 10 Abs 2 BPflV; danach werden mit den Pflegesätzen alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet.
3. Welche Ansprüche dem Kläger gegenüber dem Krankenhausträger zustehen, soweit dieser ihn - soweit überhaupt zulässig - vertraglich zu Leistungen gegenüber den Säuglingen verpflichtet hat, die andernfalls als Krankenhausleistungen zu bewerten wären oder von hinzugezogenen Kinderärzten erbracht werden müssten, hat der Senat nicht zu entscheiden. Daher kann auch offenbleiben, ob es sich bei seiner Tätigkeit um vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter handelt (siehe hierzu BSG SozR 3-2500 § 121 Nr 3 S 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
Fundstellen
FA 2011, 96 |
ArztR 2011, 136 |
NZS 2011, 519 |
SGb 2010, 526 |
RdW 2011, 310 |