Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Versicherungspflicht. Unternehmer. Landwirtschaft. Forstwirtschaft. Bodenbewirtschaftung. Mindestgröße. Besitzrecht. Nutzungsrecht. Vermutung. Nachweis. Aufgabe. landwirtschaftliche Tätigkeit. Brachliegenlassen. objektive Umstände. Prognose
Leitsatz (amtlich)
Die Versicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers endet, wenn sich an Hand objektiver äußerer Umstände feststellen lässt, dass er die landwirtschaftliche Tätigkeit aufgegeben hat und in Zukunft auf den bisher genutzten Flächen keine Landwirtschaft mehr betreiben wird.
Normenkette
ALG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) im Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1997.
Der Kläger war Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH, die vom Eigentümer des “Hofes 2” in M.…, F.…, 9,24 ha Grünland gepachtet hatte. Im Juli 1996 ließ er der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mitteilen, die GmbH habe am 1. August 1995 den landwirtschaftlichen Betrieb “Hof 1” in M.… an ihn zurückgegeben und ihm auch das umliegende Pachtland überlassen. Der Kläger reduzierte alsdann den Umfang der gepachteten Flächen auf 6,64 ha und kündigte den Pachtvertrag später zum 31. Dezember 1997.
Durch Bescheid vom 7. Oktober 1996 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer fest und verpflichtete ihn zur Beitragszahlung ab dem 1. August 1995. Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens erteilte der Bayerische Bauernverband im Juni 1997 die Auskunft, die Flächen des Verpächters F.… seien weiterhin an den Kläger verpachtet, lägen nicht brach und würden als Grünland genutzt. Der Kläger führte aus, “Hof 1” werde seit über einem Jahr nicht mehr bewirtschaftet, stehe vielmehr zum Verkauf. Zudem betreibe er keine Landwirtschaft, sondern sei selbstständiger Kaufmann und lebe zusammen mit seiner Ehefrau in Frankreich (Abmeldung bei der Gemeindeverwaltung nach Frankreich am 2. April 1997 zum 30. November 1996). Die Grünflächen würden ohne Entgelt von den Bauern aus der Nachbarschaft abgemäht. Durch Bescheid vom 17. Februar 1998 stellte die Beklagte das Ende der Versicherungspflicht zum 31. Dezember 1997 fest, nachdem andere Personen den “Hof 1” gekauft und das Grünland gepachtet hatten.
Der Widerspruch des Klägers ist ebenso wie seine Klage erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Januar 1998 und Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München ≪SG≫ vom 25. Oktober 1999). Nach Vernehmung des Hausmeisters des “Hofes 1” und des Ortsobmannes des Bayerischen Bauernverbandes als Zeugen hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) der Berufung des Klägers durch Urteil vom 24. April 2002 teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es ua ausgeführt:
Anders als in der Zeit vom 1. August 1995 bis 30. November 1996 sei der Kläger anschließend nicht mehr als Landwirt versicherungspflichtig gewesen. Auch nach der Flächenrückgabe 1995 sei die Mindestgröße der bewirtschafteten Fläche iS des § 1 Abs 5 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erreicht und eine Bodenbewirtschaftung durch Abmähen im gesamten strittigen Zeitraum betrieben worden. Unerheblich sei insofern, dass der Kläger angeblich schon 1995 nach Frankreich verzogen sei. Die Unternehmereigenschaft setze nämlich nicht voraus, dass der Unternehmer die vorkommenden Tätigkeiten eigenhändig erledige; es reiche aus, wenn das Unternehmen auf seine Rechnung gehe, er also Gewinn und Verlust trage. Für die Erledigung der erforderlichen Aufgaben könne er sich auch Dritter bedienen. Die Vermutung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, die durch das Nutzungsrecht an den landwirtschaftlichen Flächen begründet werde, sei jedoch im konkreten Fall für die Zeit ab dem 1. Dezember 1996 als widerlegt anzusehen. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers nach dem ALG setze nämlich eine entsprechende Betätigung als Landwirt voraus, sodass das Besitz- oder Nutzungsrecht allein für die Bejahung der Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Unternehmers nicht ausreiche. Der Kläger habe ab Dezember 1996 keine Absicht der Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen mehr gehabt, was durch die Abmeldung nach Frankreich deutlich geworden sei. Die landwirtschaftlichen Flächen könnten danach durchaus von umliegenden Landwirten oder dem Verpächter selbst bzw mit dessen Duldung ohne Auftrag des Klägers gemäht worden sein. Der Zweck der Alterssicherung durch das ALG werde in einem solchen Fall verfehlt, da die Bewirtschaftung von knapp 6 ha Grünland ohne funktionsfähige Hofstelle unabhängig vom jeweiligen Unternehmer keine Grundlage für die Existenz eines Unternehmers bilden könne. Die Vermutung landwirtschaftlicher Tätigkeit sei damit im Einzelfall widerlegt.
Die Beklagte hat die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor: Der Kläger sei auch zwischen dem 1. Dezember 1996 und dem 31. Dezember 1997 landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen. Ihm seien während der gesamten Zeit Aufwand und Ertrag zuzurechnen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die fortgesetzte Bewirtschaftung der gepachteten Flächen im Sinne der Grünlandnutzung, durch Abmähen der Wiesen, bis Ende 1997 im Auftrag des Klägers erfolgt sei. Das Vorhandensein einer funktionsfähigen Hofstelle sei hierfür ebenso wenig zwingende Voraussetzung, wie das Wohnen in der Nähe des Pachtlandes. Entscheidend sei vielmehr, dass das landwirtschaftliche Unternehmen die Mindestgröße erreiche, also je nach regionaler Besonderheit mindestens dem festgesetzten Grenzwert entspreche und damit nach verallgemeinernder Betrachtungsweise eine Existenzgrundlage bilde. Hieraus folge die unwiderlegbare Vermutung der landwirtschaftlichen Betätigung. Aus dem Einstellen der mit der Bodenbewirtschaftung verbundenen Arbeiten könne nicht auf die Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit geschlossen werden. Dieses sei vielmehr erst bei einem nachhaltigen Brachliegenlassen (mehr als fünf Jahre) der Fall, wofür hier keine Anhaltspunkte vorlägen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 24. April 2002 aufzuheben, soweit es die Versicherungspflicht des Klägers für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1997 betrifft, und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 25. Oktober 1999 auch diesbezüglich zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten (§ 166 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Da der Kläger den ihn belastenden Teil des Berufungsurteils nicht mit der Revision angefochten hat, steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass der Kläger vom 1. August 1995 bis 30. November 1996 versicherungspflichtiger Landwirt war. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass das LSG die Versicherungspflicht des Klägers als Landwirt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 ALG für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1997 verneint hat. Nach den für den erkennenden Senat bindenden berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hat der Kläger in diesem Zeitraum kein Unternehmen der Landwirtschaft nach § 1 Abs 2 Satz 1 ALG betrieben und deshalb keine Beiträge an die Beklagte zu zahlen.
Versicherungspflichtig sind nach § 1 Abs 1 Nr 1 ALG Landwirte. Landwirt ist, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße (Abs 5) erreicht (§ 1 Abs 2 Satz 1 ALG). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist landwirtschaftlicher Unternehmer derjenige, der das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens bestimmt; die in dem Unternehmen verrichtete Arbeit muss ihm zugerechnet werden können (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 30). Dieses erfordert zwar nicht, dass der landwirtschaftliche Unternehmer selbst im Unternehmen körperlich mitarbeitet, also der Bodenbewirtschaftung eigenhändig nachgeht (vgl Böttger ua in Alterssicherung der Landwirte, Kommentar, hrsg vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen ≪GAL≫, Stand August 2001, § 1 ALG S 1.4; s auch BSGE 75, 241, 248 = SozR 3-5850 § 1 Nr 1). Deren Ergebnis muss ihm aber unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereichen, wenn andere die auf Bodenbewirtschaftung gerichtete Tätigkeit iS des § 1 Abs 2 Satz 1 ALG für ihn ausführen (vgl BSGE 11, 257, 259; BSGE 15, 65, 69 = SozR Nr 26 zu § 165 RVO; BSGE 75, 241 = SozR 3-5850 § 1 Nr 1; SozR 4-5868 § 85 Nr 1).
Bodenbewirtschaftung iS des § 1 Abs 4 Satz 2 ALG wird betrieben (s hierzu nur BSG: BSGE 48, 181, 183 = SozR 5850 § 1 Nr 3; SozR 5850 § 1 Nr 4; Beschluss vom 29. September 1997, 10 BK 1/97) wenn objektiv zu Tage tritt, dass landwirtschaftliche Arbeiten auf der betreffenden Fläche vorgenommen werden. Zu wessen Vor- oder Nachteil das Ergebnis der Bewirtschaftung gereicht, ergibt sich hieraus nicht. Deshalb wird durch Bodenbewirtschaftung allein auch keine rechtliche Vermutung einer landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit des Eigentümers oder Pächters bewirtschafteter Flächen begründet. Dies ist lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung zu werten.
Ebenso wenig kann aus dem bloßen Besitz- oder Nutzungsrecht an land- oder forstwirtschaftlichen Flächen auf die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer geschlossen werden (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 30; s weiter nur: BSG SozR 3-5864 § 1 Nr 3). Zwar gehen die Aufwendungen aus der Pacht von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen zu Lasten des Pächters, damit steht jedoch nicht fest, dass dieser ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt. Das hängt vielmehr davon ab, ob und wie er die Flächen nutzt. Erforderlich ist insoweit die Entfaltung einer landwirtschaftlichen Aktivität, die dem jeweiligen Unternehmer zuzurechnen ist (vgl BSGE 75, 241, 248 = SozR 3-5850 § 1 Nr 1). Etwas anderes hat der damals zuständige 11. Senat des BSG lediglich für die Forstwirtschaft angenommen, wenn Besitz- oder Nutzungsrechte an forstwirtschaftlichen Flächen im Umfang der Mindestgröße (damals nach § 1 Abs 4 GAL – Begründung einer Existenzgrundlage) gehalten werden. Grundlage dessen sind die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in der Forstwirtschaft gewesen. Das BSG hat in diesem Zusammenhang zwar auf die Vergleichbarkeit der in der Land- und Forstwirtschaft erforderlichen Tätigkeiten hingewiesen. In beiden Bereichen wird Bodenbewirtschaftung betrieben, und es gibt hier wie dort zwischen den Bewirtschaftungsphasen Zeiten, in denen keine konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen stattfinden. In der Forstwirtschaft können sich die Zeiten ohne erkennbare konkrete Bewirtschaftungsmaßnahmen jedoch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinziehen. Gleichwohl kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, der Nutzungsberechtigte des Waldes sei in diesen Zwischenzeiten nicht als Unternehmer der Forstwirtschaft “tätig”. Um den besonderen Verhältnissen in der Forstwirtschaft Rechnung zu tragen, hat der 11. Senat daher bei bestehenden Nutzungsrechten an entsprechend großen forstwirtschaftlichen Flächen, selbst bei fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen, eine forstwirtschaftliche Betätigung und das Fortbestehen forstwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit (widerlegbar) vermutet (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 30). Dieser Grundsatz kann nicht auf die Landwirtschaft übertragen werden. Erst Recht kann das Besitz- oder Nutzungsrecht an einer landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Mindestgröße nicht zur unwiderlegbaren Vermutung des Betreibens eines landwirtschaftlichen Unternehmens führen. Ebenso, wie eine fehlende Bodenbewirtschaftung (vgl BSGE 48, 181, 182 f = SozR 5850 § 1 Nr 3) zur Verneinung der Versicherungspflicht nach § 1 ALG führt, schließt auch das Fehlen einer unternehmerischen Betätigung die Einbeziehung eines Eigentümers oder Pächters entsprechender Flächen in den Kreis der Versicherungspflichtigen aus.
Die von der Beklagten herausgestellte Funktion der Mindestgröße nach § 1 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 5 ALG verliert dadurch nicht an Bedeutung. Es bleibt dabei, dass dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 2 ALG vorliegen, keine Einzelfallprüfung im Hinblick darauf mehr zu erfolgen hat, ob das landwirtschaftliche Unternehmen geeignet ist, eine Existenzgrundlage zu bilden. Der Unternehmer unterliegt in diesem Fall ohne weitere Prüfung nach einem einheitlichen Maßstab der Versicherungspflicht, vergleichbar der aus anderen Zweigen der Sozialversicherung bekannten “Geringfügigkeitsgrenze” (vgl Rombach, Alterssicherung der Landwirte, 1995, S 37 f).
Die Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer kann mithin nicht durch Vermutungen (weder widerlegbare noch unwiderlegbare) auf Grund bestimmter äußerer Umstände begründet werden. Sie setzt vielmehr im Einzelfall den Nachweis einer unternehmerischen Tätigkeit voraus. Steht wie hier im Streit, ob das landwirtschaftliche Unternehmen aufgegeben worden ist, also die zuvor bestandskräftig festgestellte landwirtschaftliche Betätigung des Unternehmers beendet wurde, müssen objektive äußere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der (vormalige) Landwirt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 ALG sich tatsächlich nicht mehr als landwirtschaftlicher Unternehmer betätigt. Ferner bedarf es der Feststellung, der bisherige landwirtschaftliche Unternehmer werde auch in Zukunft auf den bisher genutzten Flächen keine Landwirtschaft mehr betreiben.
Abgesehen davon, dass an die Versicherungspflicht Beitragszahlungen und ggf Leistungsansprüche geknüpft sind, die im Interesse einer sozialen Absicherung der Landwirte nicht von einer “Momentaufnahme” abhängen dürfen, bietet das Gesetz selbst einen Hinweis darauf, dass es insoweit einer gesicherten Prognose für die Zukunft bedarf. Nach § 1 Abs 6 Satz 2 ALG sind ua nachhaltig nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen mit dem durchschnittlichen Hektarwert der entsprechenden Nutzung der Eigentumsfläche zu bewerten und bei der Festlegung des Wirtschaftswertes des Unternehmens, der bei einer Mindestgröße Versicherungspflicht begründet (§ 1 Abs 2 Satz 1, Abs 5 ALG), entsprechend zu berücksichtigen. Von einem nachhaltigen Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Flächen kann nach den Vorstellungen des Gesetzgebers erst nach einem Zeitraum von fünf Jahren ausgegangen werden (vgl Rombach, Alterssicherung der Landwirte, 1995, S 39; Noell, Altershilfe für Landwirte, 1983, S 157, mwN; BSG Urteile vom 6. Juli 1972, 11 RLw 8/71 und 19. März 1976, 11 RLw 7/75). Dann kann angenommen werden, der landwirtschaftliche Unternehmer werde das Brachland nicht mehr bewirtschaften; es bestehe nicht mehr ohne weiteres die jederzeitige Möglichkeit, die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen.
Dieser Grundgedanke kann bei der allgemeinen Frage eines Ausscheidens aus der Versicherungspflicht insoweit herangezogen werden, als es objektiver äußerer Umstände bedarf, aus denen sich ergibt, dass auch zukünftig nicht damit zu rechnen ist, auf der bisher genutzten Fläche werde von dem Inhaber des Eigentums- oder Pachtrechts Landwirtschaft betrieben. Hieraus folgt: Wird die bisher von einem landwirtschaftlichen Unternehmer genutzte Fläche mehr als fünf Jahre nicht bewirtschaftet, kann damit die Aufgabe der landwirtschaftlichen Betätigung auch dann für die Zukunft belegt werden, wenn dieser weiterhin die Hofstelle bewohnt. Dabei handelt es sich allerdings nur um ein, wenn auch gewichtiges objektives Kriterium im Rahmen der erforderlichen Prognoseentscheidung. Es sind insoweit auch andere relevante Umstände denkbar. Die Regelung des § 1 Abs 6 Satz 2 ALG bezieht sich nur auf den Fall eines nachhaltigen Brachliegenlassens von Flächen; das Aufgeben einer landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit kann sich jedoch auch auf andere Weise vollziehen (zB durch Abgabe der Flächen an Dritte). Entscheidend ist, dass Gegebenheiten vorliegen, die bei dem Betreffenden den Schluss auf ein auch künftiges Unterlassen landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit bzgl der geprüften Flächen erlauben.
Derartige objektive äußere Umstände hat das LSG für den strittigen Zeitraum rechtsfehlerfrei festgestellt. Das LSG ist davon ausgegangen, der Kläger habe ab 1. Dezember 1996 keine Landwirtschaft mehr betrieben. Weder er noch ein Anderer hätten die Hofstelle “Hof 1” in dieser Zeit als Ausgangspunkt für landwirtschaftliche Betätigung genutzt. Soweit das LSG von einer noch vorhandenen Bodenbewirtschaftung durch Abmähen und Abfahren des Grünschnitts ausgegangen ist, hat es keine Zweifel geäußert, dass das wirtschaftliche Ergebnis dieser Tätigkeit dem Kläger nicht zuzurechnen ist. Vielmehr hat es nach Beweiserhebung die Möglichkeit gesehen, die Bewirtschaftung der vom Kläger gepachteten Flächen sei von dem Verpächter selbst oder Bauern aus der Umgebung – ohne Auftrag des Klägers – erfolgt. Ferner hat die Vorinstanz auch eine zukünftige Betätigung des Klägers als Landwirt auf den Flächen in M.… ausgeschlossen. Grundlage dessen ist die Feststellung, der Kläger habe die Hofstelle verkaufen wollen, womit er seine Abkehr von der landwirtschaftlichen Betätigung in M.… ebenso wie durch seinen Wegzug ins Ausland auch für die Zukunft deutlich nach außen zum Ausdruck gebracht habe. Lediglich im Interesse eines höheren Verkaufserlöses habe der Kläger von einer früheren Rückgabe der gepachteten Flächen abgesehen.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das Wohnen in weiter Entfernung von den bewirtschafteten Flächen für sich allein keinen Rückschluss auf eine mangelnde unternehmerische Tätigkeit zulässt (vgl hierzu BSGE 75, 241, 248 = SozR 3-5850 § 1 Nr 1). Auch erfordert die Betätigung als Landwirt iS von § 1 Abs 2 ALG nicht in jedem Falle eine funktionsfähige Hofstelle. Zwingend notwendig ist jedoch, dass ein oder mehrere bestimmte Rechtssubjekte von irgendeinem Ort aus auf den betreffenden Flächen ein landwirtschaftliches Unternehmen betreiben. Dies hat das LSG in Bezug auf den Kläger und den “Hof 1” nebst gepachtetem Grünland unter Berücksichtigung der zuvor benannten Umstände im konkreten Fall verneint. Die insoweit vom LSG festgestellten Tatsachen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG). Denn die Beklagte hat die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen nicht mit zulässigen Rügen angegriffen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Sie hat vielmehr der tatrichterlichen Würdigung des LSG nur ihre eigene entgegen gesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2005, 378 |
SGb 2005, 168 |
SozR 4-5868 § 1, Nr. 5 |