Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit. Leistungsvermögen. Krankheit. Behinderung. Bedingung, wesentliche. Funktionseinschränkung. Beruf, bisheriger. Belastungsprofil. Einwendung, rechtshindernde. Vergleichsberuf. Verweisungsberuf. Einwendungsausschluß. Seltenheitsfall
Leitsatz (amtlich)
1. Die Feststellung der Berufsunfähigkeit erfordert die Prüfung, ab wann welche Krankheiten oder Behinderungen welche körperlichen, seelischen oder geistigen Funktionen des Versicherten in welchem Ausmaß einschränken und ob und ab wann er allein wesentlich bedingt durch diese Funktionseinschränkungen dem Anforderungs- und Belastungsprofil seines bisherigen Berufes in welchem Ausmaß nicht mehr gewachsen ist (Fortführung von BSG vom 14.5.1996 – 4 RA 60/94).
2. Zur Prüfung der Voraussetzungen der Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs und des Einwendungsausschlusses des Seltenheitsfalles.
Normenkette
SGB VI § 43
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 8. November 1995 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. Februar 1993 zu gewähren ist.
Die im Mai 1963 geborene Klägerin erlernte von 1979 bis 1982 den Beruf einer Metzgereiverkäuferin und übte ihn bis 1991 angestelltenversicherungspflichtig aus. Im Oktober 1991 erlitt sie bei einem häuslichen Unfall eine Kompressionsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers, der später unter erheblicher Keildeformierung mit mäßiger kyphotischer Knickbildung knöchern fest verheilte. Bis März 1992 war sie arbeitsunfähig krank; seitdem ist sie arbeitslos. Am 12. Januar 1993 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen BU.
Bezüglich des Gesundheitszustandes der Klägerin sind folgende ärztliche Diagnosen festgestellt:
- „Statisches Thoracal- und Lumbalsyndrom bei lockerer Hohlrundrückenbildung und großbogiger linkskonvexer Wirbelsäulenskoliose, deutliche Osteoporose der BWS und LWS.
- Unter erheblicher Keildeformierung fest knöchern verheilte Kompressionsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers mit mäßiger kyphotischer Knickbildung.
- Mäßige Chondropathia patellae beidseits ohne Bewegungseinschränkung der Kniegelenke.
- Beginnende Varus-Coxarthrose beider Hüftgelenke ohne Bewegungseinschränkung.
- Senk-Spreizfußdeformität beidseits ohne funktionelle Behinderung.”
Sie kann den Beruf der Metzgereiverkäuferin nur noch stundenweise bis unterhalbschichtig verrichten. Im übrigen kann sie noch leichte sowie gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausüben, falls diese nicht ausschließlich nur eine Körperhaltung erfordern. Sie kann den fachlichen Anforderungen und den gesundheitlichen Belastungen der Tätigkeit einer Kassiererin an der Sammelkasse eines Kaufhauses gerecht werden. An Aufgaben fallen bei diesen Sammelkassen an die Abrechnung von Sammelkäufen in mehreren Abteilungen, die Veranlassung von Warenzustellungen, die Bearbeitung von Reklamationen und Umtausch, Bezahlungen mit speziellen Kreditkarten, das Wechseln von Devisen, die Bearbeitung von Mustern und Auswahlsendungen, ggf auch der Kartenvorverkauf für Veranstaltungen; viele dieser Tätigkeiten sind mit Schriftverkehr verbunden. Die Arbeit kann sowohl in überwiegend sitzender wie auch in stehender Körperhaltung sowie im Wechsel zwischen diesen Haltungen ausgeübt werden. Der Beruf kann von einer gelernten Verkäuferin auch in weniger als drei Monaten erlernt werden.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 24. September 1993, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 11. August 1994 ab, weil die Klägerin noch vollschichtig als Kassiererin an Sammelkassen eines Kaufhauses oder als Telefonistin arbeiten könne.
Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat die Beklagte durch Urteil vom 13. Juli 1995 antragsgemäß verurteilt, der Klägerin Rente wegen BU zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 8. November 1995 zurückgewiesen. Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Leistungseinschränkungen ließen die Ausübung des bisherigen Berufs nur noch stundenweise bis unterhalbschichtig zu. Zwar könne die Klägerin den Beruf einer Kassiererin an der Sammelkasse eines Kaufhauses nach einer Einweisungszeit von weniger als drei Monaten vollschichtig verrichten. Jedoch sei kein sozial zumutbarer Beruf ersichtlich. Der bisherige Beruf der Klägerin mit einer Regelausbildung von drei Jahren gehöre der zweiten Stufe des vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten sog Mehrstufenschemas an. Die Klägerin könne daher nur auf Berufe der dritten Stufe verwiesen werden. Bei der Tätigkeit einer Kassiererin an Sammelkassen eines Kaufhauses, welche die Klägerin nach kurzer Einweisung vollschichtig verrichten könne, sei ihr jedoch der Arbeitsmarkt verschlossen, weil sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in nennenswertem Umfang zur Verfügung stünden. Es handele sich um Aufstiegspositionen für Verkäuferinnen und anderes Personal größerer Kaufhäuser, die aus dem Personal der Betriebe besetzt und in die Gehaltsgruppe III des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für die Arbeitnehmer im Saarländischen Einzelhandel („Kassiererinnen mit höheren Anforderungen”) eingruppiert würden. In diese Gruppe würden auch „Erste Verkäuferinnen” eingeordnet („Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordert”). Hingegen würden Verkäuferinnen mit abgeschlossener dreijähriger Berufsausbildung in die niedrige Gehaltsgruppe II eingestuft. Auch die Fa. K. AG sei bestrebt, freigewordene Arbeitsplätze von Sammelkassenmitarbeiterinnen durch eigene Mitarbeiter zu besetzen. Für die Tätigkeiten einer qualifizierten Telefonistin sowie einer Sachbearbeiterin in einer Verkaufsabteilung für Frischfleisch, Lebensmittel, Gastronomie oder Süßwaren komme die Klägerin aus fachlichen und gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht.
Zur Begründung der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte, die Schlußfolgerung des LSG, die Tätigkeit der Kassiererin an einer Sammelkasse jedenfalls der von der Fa. K. AG eingerichteten Art. stehe Berufsfremden nicht hinreichend offen, verstoße gegen die Denkgesetze, weil dies aus den vom LSG zugrunde gelegten berufskundlichen Äußerungen logisch folgerichtig nicht hergeleitet werden könne. Die Auskünfte ergäben lediglich, daß die Kaufhauskonzerne bestrebt seien, Sammelkassen in der Regel mit erfahrenen Kassiererinnen des eigenen Hauses zu besetzen; hieraus könne nicht gefolgert werden, daß die Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl extern vergeben würden. Wegen des Vorbringens der Beklagten im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 15. Februar 1996 (Bl 16 bis 23 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 8. November 1995 und das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 13. Juni 1995 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1994 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und meint, es habe die erhobenen Beweise logisch folgerichtig und sachlich zutreffend gewürdigt. Wegen des Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 15. März 1996 (Bl 26 bis 29 der BSG-Akte) verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Streitsache an dieses Gericht begründet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin im Januar 1993 den Versicherungsfall der BU erlitten hat und ob ihr deswegen seit dem 1. Februar 1993 ein subjektives Recht auf Gewährung einer Rente wegen BU – dauerhaft oder befristet – zusteht.
Das Berufungsgericht hat zwar die für die Entscheidung des Rechtsstreits richtige Maßstabsnorm herangezogen, diese jedoch nicht zutreffend angewandt (vgl. zum Folgenden näher: Urteil des Senats vom 14. Mai 1996, 4 RA 60/94, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Gemäß § 43 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die – wie die Klägerin – das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, „Anspruch” auf Rente wegen BU, wenn sie die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 51 Abs. 1 SGB VI) von fünf Kalenderjahren mit Beitragszeiten (oder Ersatzzeiten) vor Eintritt der BU erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 aaO), berufsunfähig (bu) sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 aaO) und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (§ 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und 4 aaO).
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, von denen die Anwendung des haftungsbegründenden Tatbestandes der Anspruchsnorm der BU-Versicherung abhängt; denn die Klägerin ist (bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ≪BfA≫) „Versicherte” und hat „die allgemeine Wartezeit erfüllt”. Sie hat die Grundvoraussetzung eines versicherungsrechtlichen Rechts gegen die BfA, die Versicherteneigenschaft und damit die Mitgliedschaft beim beklagten Rentenversicherungsträger, durch ihre angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung erworben (§§ 1 Satz 1 Nr. 1, 126 SGB VI). Die zweite versicherungsrechtliche Grundvoraussetzung, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Kalenderjahren an Beitragszeiten (oder Ersatzzeiten), ist gleichfalls aufgrund der mehr als fünfjährigen angestelltenversicherungspflichten Beschäftigung gegeben. Deswegen ist die Anspruchsnorm der BU-Versicherung anwendbar. Diese umfaßt jedoch nicht nur den in § 43 Abs. 2 SGB VI geregelten haftungsbegründenden Tatbestand, dh den Versicherungsfall der BU, sondern auch den haftungsausfüllenden Tatbestand, dh den Versicherungsgegenstand; dieser besteht in dem – grundsätzlich abstrakt unterstellten – Verlust an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen infolge des Eintritts des Versicherungsfalles; hierbei ist nur Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen versicherungsrechtlich erheblich, das in der gesetzlichen Rentenversicherung (nur) bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze versichert ist. Dieser – abstrakt bemessene – versicherte Nachteil wird durch sog Hinzuverdienstgrenzen sowie Anrechnungsvorschriften im Sinne von negativen Tatbestandsvoraussetzungen begrenzt (vgl. §§ 34 Abs. 2, 43 Abs. 5, 44 Abs. 5, 45 Abs. 5, 89 ff, 63 SGB VI und BSGE 66, 226 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1); ggf findet ein rentenversicherungsrechtlicher „Vorteilsausgleich” statt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 154). Hiergegen ist das Sicherungsziel der Anspruchsnorm und der BU-Versicherung), dh das angestrebte Maß des Nachteilsausgleichs durch die vom Versicherungsträger zu gewährende Rente, nur auf der Rechtsfolgenseite der Anspruchsnorm, dh beim monatlichen Wert des subjektiven Rechts auf Rente wegen BU, also bei der sog Höhe des monatlichen Rentenanspruchs, gesetzlich ausgestaltet worden (§§ 63 Abs. 4, 67 Nr. 2 SGB VI).
Das BSG kann nach dem bisherigen Ergebnis des Verfahrens nicht abschließend darüber entscheiden, ob – und ggf wann – der haftungsbegründende Tatbestand erfüllt, dh der Versicherungsfall der BU eingetreten ist. Der Versicherungsfall der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung (vgl. zur privaten BU-Versicherung stellvertretend: Bundesgerichtshof ≪BGH≫, NJW-RR 1996, 345 f; NJW-RR 1996, 88 ff; NJW-RR 1995, 20 f; NJW-RR 1993, 1370 f; BGHZ 119, 263 ff; jeweils mwN) liegt nur vor, wenn das versicherte Gut, die Berufsfähigkeit des Versicherten, ausschließlich durch die in dieser Versicherung abgedeckten Risiken (Krankheit, Behinderung) in einem die gesetzliche Anspruchsschwelle (mehr als hälftige Einschränkung der Berufskompetenz) überschreitenden Maße dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, beeinträchtigt ist. Besteht begründete Aussicht, daß die Minderung der Berufsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann, läßt der Eintritt des Versicherungsfalls nur die Entstehung eines zeitlich befristeten subjektiven Rechts auf monatliche Rentenansprüche wegen BU zu (§§ 101 Abs. 1, 102 Abs. 2 SGB VI). Für den Beginn des – dauerhaften oder befristeten – subjektiven Rechts auf diese Rente kommt es (§§ 99 Abs. 1, 101 Abs. 1 SGB VI) auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles sowie darauf an, ob der Rentenantrag bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden ist, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist („die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind”). Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen weder aus zu erkennen, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, noch dafür, wann dies ggf geschehen ist.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist ein Versicherter bu, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Die „Erwerbsfähigkeit” (nicht: Erwerbsmöglichkeit) des Versicherten (genauer: seine Berufsfähigkeit) muß also allein wesentlich wegen Krankheit oder Behinderung für die Dauer von mehr als 26 Wochen auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sein; die verbliebene Berufsfähigkeit darf somit nur noch für weniger als die Hälfte der entsprechenden Arbeit eines gleichqualifizierten gesunden Versicherten ausreichen.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI umfaßt der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Berufsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Berufsfähigkeit iS der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung ist also das Vermögen des Versicherten, dh die ihm zu Gebote stehende Fähigkeit, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche Qualifikation (Berufskompetenz) im (inländischen) Arbeitsleben zur Erzielung von Einkommen einsetzen zu können; ihr Verlust ist versicherungsrechtlich nur bedeutsam, soweit sie bislang versichert betätigt, dh in einer rentenversicherten Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit eingesetzt wurde; denn damit ist sie der Versichertengemeinschaft infolge der (im Regelfall gemäß der Berufskompetenz jeweils höheren) Beiträge aus versichertem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugute gekommen. Die Unfähigkeit, diese Berufskompetenz im Arbeitsleben erwerbsmäßig einzusetzen, setzt daher notwendig voraus, daß die Berufsfähigkeit eingeschränkt oder aufgehoben, dh „gesunken” ist (Abs. 2 Satz 1 aaO). Es gibt eine Vielfalt von Risiken, welche die Fähigkeit des Versicherten einschränken oder aufheben können, seine Berufskompetenz und sein gesundheitliches Leistungsvermögen im Arbeitsleben erwerbsmäßig einzusetzen; außer Krankheit und Behinderung kommen hierfür zB eine ungünstige Wohnlage, geographische oder gesellschaftliche Belastungen oder rechtliche und moralische Verpflichtungen in Betracht, wie etwa im Falle der Klägerin die Erziehung ihrer im Jahre 1988 geborenen Tochter. Die gesetzliche BU-Versicherung deckt jedoch ausschließlich die Risiken für die Berufsfähigkeit der Versicherten ab, die sich aus Krankheit und Behinderung ergeben; diese Risiken müssen die allein wesentliche Bedingung dafür sein, daß die Berufsfähigkeit „gesunken” ist; die Minderung der Berufsfähigkeit muß also ausschließlich auf Beeinträchtigungen durch Krankheit oder Behinderung beruhen. Durch das krankheits- und behinderungsbedingte Herabsinken der Berufsfähigkeit muß die Anspruchsschwelle überschritten worden sein, dh das gesundheitliche Vermögen des Versicherten darf bei keinem Beruf, der seiner geschützten Berufskompetenz entspricht (dh ihn also fachlich-qualitativ weder über- noch unterfordert) dafür ausreichen, diesen (zeitlich und inhaltlich) wenigstens hälftig auszuüben. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist hingegen nicht versichert die Gefahr, keinen geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten; versichertes Gut ist nicht die Erwerbsmöglichkeit und auch nicht die Vermittelbarkeit auf einen zumutbaren Arbeitsplatz.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (stellvertretend SozR 2200 § 1246 Nrn 22, 137; BSGE 66, 226 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1, ebendort auch Nrn 2, 41; vgl. auch BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 75, 139 und Urteil vom 14. September 1995 – 5 RJ 60/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen) ist demnach berufsfähig immer, wer gesundheitlich in der Lage ist, einen fachlich-qualitativ zumutbaren Beruf vollschichtig zu verrichten. auf die jeweilige Arbeitsmarktlage kommt es nicht an. Rechtlich unerheblich ist, ob die Arbeitsplätze, an denen qualitativ-gleichwertige Vergleichsberufe (sog Verweisungsberufe) ausgeübt werden, frei oder besetzt sind, ob dem Versicherten im jeweiligen Antragszeitraum ein geeigneter, freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, wieviele Bewerber der absoluten Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze gegenüberstehen oder ob die Arbeitsplätze vom Versicherten ohne Umzug täglich in angemessener Zeit erreicht werden können.
Das Vorliegen des Versicherungsfalls der BU ist nach dieser ständigen Rechtsprechung in einem dreistufigen Verfahren zu prüfen. Zunächst sind die nach der rechtlichen Struktur des Versicherungsfalles der BU (anders als beim Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit) im eigentlichen (rechtsdogmatischen) Sinn rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen festzustellen. Diese bestehen darin, daß das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, daß er seinen rentenversicherten bisherigen Beruf (sog Hauptberuf) nicht mehr vollwertig und vollschichtig ausüben kann. Hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast. Ist im Sinne des Vollbeweises festgestellt, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind, muß die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs (Verweisungsberufs) geprüft, also festgestellt werden, ob der Versicherte gesundheitlich fähig ist, einen Beruf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ-gleichwertig ist, noch vollwertig und vollschichtig zu verrichten. Hierfür obliegt dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast. Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht bu, ist also die Einwendung begründet.
Ausnahmsweise, dh dann, wenn das Verfahrensergebnis dazu drängt, ist sodann das – vom erkennenden Senat in den sog „Katalogfällen” (Unüblichkeits- und Seltenheitsfälle) abschließend (SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41) zusammengefaßte – von Amts wegen zu beachtende Gegenrecht des Versicherten iS eines materiell-rechtlichen Einwendungsausschlusses zu prüfen und zu klären, ob ein Unüblichkeitsfall (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137, S. 436, 440, dort Spiegelstriche 1 und 2) oder ein „Seltenheitsfall” (BSG aaO, Spiegelstriche 4 bis 6 sowie 3 und 7) gegeben ist. Es ist also festzustellen, ob der Versicherte im – zumutbaren – Vergleichsberuf sonstigen Belastungen ausgesetzt ist, die sich aufgrund allgemeiner, dh nicht von den berufstypischen fachlichen Anforderungen abhängiger Arbeitsbedingungen üblicherweise ergeben, und ob er diesen gewachsen ist (Unüblichkeitsfälle); ferner kann zu prüfen sein, ob der (in der Arbeitswelt wirklich vorhandene und deshalb keinen Phantasieberuf darstellende) Vergleichsberuf an Arbeitsplätzen ausgeübt wird, die nicht arbeitsmarktgängig („zugänglich”) sind, weil sie nahezu ausschließlich betriebsintern besetzt oder aus anderen Gründen nur selten auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden (Seltenheitsfälle) Für die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Einwendungsausschlusses trägt der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast. Greift der Einwendungsausschluß, ist der geprüfte, an sich zumutbare Vergleichsberuf ungeeignet, die Entstehung des subjektiven Rechts auf Rente wegen BU zu verhindern. Dies hindert jedoch nicht, die materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs auf einen anderen Vergleichsberuf zu stützen; dies gilt in den Unüblichkeitsfällen auch für Vergleichsberufe aus demselben Ausschnitt der Arbeitswelt („Tätigkeitsfeld”), soweit der Beruf auch an arbeitsmarktgängigen Arbeitsplätzen ausgeübt wird, deren Arbeitsbedingungen der Versicherte gewachsen ist.
Das Berufungsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zu den Entstehungsvoraussetzungen des subjektiven Rechts auf Rente getroffen, nach seinen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen für die rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Verweisungsberufs seien nicht erfüllt, und schließlich keine ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen des von ihm angenommenen Seltenheitsfalles getroffen
Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, die Klägerin könne den Beruf der Metzgereiverkäuferin nur noch stundenweise bis unterhalbschichtig verrichten. Es fehlen aber nachvollziehbare Angaben darüber, welche Krankheiten oder Behinderungen vorliegen, welche körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen der Klägerin allein durch Krankheit und Behinderung im Vergleich zu einer – worauf es ankommt – gleichaltrigen gesunden Versicherten herabgesetzt sind, welches gesundheitliche Belastungsprofil mit den typischen Aufgaben einer Metzgereiverkäuferin verbunden ist und weshalb die Klägerin allein aufgrund der krankheits- bzw behinderungsbedingten Einschränkungen ihres Leistungsvermögens diesen gesundheitlichen Anforderungen des bisherigen Berufs im genannten Ausmaß nicht mehr gerecht werden kann. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß das LSG lediglich fünf Diagnosen mitgeteilt hat, aus denen nicht ersichtlich ist, ob sie – dauerhafte – Einschränkungen der körperlichen Funktionen der Klägerin bewirken; die Diagnosen drei bis fünf legen es sogar nahe, daß es sich hierbei nicht um Krankheiten oder Behinderungen iS von § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI handel Auch im übrigen ist nicht ersichtlich, wann Krankheiten/Behinderungen eingetreten sind und ob begründete Aussicht darauf besteht, daß sie in absehbarer Zeit behoben sein können. Das Berufungsgericht wird also klären müssen, ab wann welche dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Versicherten vorliegen welche (geistigen, seelischen und) körperlichen Funktionen der Klägerin allein wesentlich dadurch, in welchem Ausmaß beeinträchtigt sind und welchen im einzelnen festzustellenden gesundheitlichen Anforderungen, die üblicherweise mit den Aufgaben der Metzgereierkäuferin verbunden sind, die Klägerin nicht mehr genügen kann. Hierbei kann sich anbieten, zugleich auch die medizinische Heilungsaussicht (und die Möglichkeit einer beruflichen Wiedereingliederung) zu überprüfen.
Sollte das Berufungsgericht aufgrund der noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen einschließlich der Beurteilung des Kausalzusammenhanges zu der Überzeugung kommen, die Klägerin könne allein wesentlich wegen Krankheit und Behinderung dem Belastungsprofil des Berufs der Metzgereiverkäuferin nur noch stundenweise bis unterhalbschichtig – und jedenfalls nicht vollschichtig – genügen, wird es folgendes beachten müssen:
Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs vor; die Klägerin kann – entgegen der Rechtsansicht des LSG – grundsätzlich auf die ihr „sozial”, fachlich und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit als Kassiererin an einer Sammelkasse in der im angefochtenen Urteil umschriebenen Art. verwiesen werden. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht mit seinen Feststellungen zum Anforderungsprofil des Tätigkeitsfeldes von Kassiererinnen an Sammelkassen mehrere, einander fachlich ähnliche Vergleichsberufe – ungeachtet ihrer Unterschiede – unzulässig wie einen einzigen Beruf behandelt hat. Denn auch dann, wenn die umschriebenen Tätigkeiten nur als ein Vergleichsberuf zu qualifizieren wären, wäre er für die Klägerin zumutbar, könnte somit grundsätzlich kein subjektives Recht auf Rente wegen BU entstehen. Diese Tätigkeit der Kassiererin an Sammelkassen ist dem bisherigen Beruf der Klägerin als Metzgereiverkäuferin fachlich-qualitativ gleichwertig („sozial zumutbar”).
Das LSG hat diesen Vergleichsberuf hinreichend „konkret” benannt (zu diesem Erfordernis näher das Urteil des Senats vom 14. Mai 1996, 4 RA 60/94, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beklagte, die Adressatin des Benennungsgebotes und für die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung darlegungspflichtig (und objektiv beweisbelastet) ist, hat ihrer Darlegungslast genügt; sie hat vorgetragen, die Klägerin könne als Kassiererin an einer Sammelkasse eines Kaufhauses arbeiten, und hat das Anforderungs- und Belastungsprofil dieses Berufes sowie die Tatsachen geschildert, aus denen sie die „Entsprechung”, also die qualitative Gleichwertigkeit der Berufe herleitete. Das LSG hat dies überprüft und die og tatsächlichen Feststellungen über den benannten Vergleichsberuf getroffen. Dabei ist deutlich geworden, welche Aufgaben der Beruf stellt, welche typischen Anforderungen an die berufliche Vorbildung, an die Berufserfahrung, an sonstige Kenntnisse sowie an fachliche Fähigkeiten erfüllt sein müssen und welche Belastungen üblicherweise mit den typischen Aufgaben verbunden sind. Danach steht fest, daß der Vergleichsberuf dem bisherigen Beruf der Klägerin fachlich-qualitativ gleichwertig ist:
Das BSG (stellvertretend SozR 2200 § 1246 Nr. 137) hat zur praktischen Ausführung der rechtlichen Vorgaben ua des früheren § 23 Abs. 2 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (=§ 1246 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung), dessen rechtlicher Inhalt von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI unverändert übernommen worden ist, und zur Vermeidung einer rechtlich nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Rechtsanwendung bei Berufen mit gleicher Qualität das sog Mehrstufenschema entwickelt, das inzwischen auf sechs Hauptstufen begrenzt worden ist. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Das sog Schema ist gerade nicht „schematisch” zu handhaben; es läßt durchaus zu, Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, die dann aber in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich zu machen sind.
Da die Klägerin zuletzt als Metzgereiverkäuferin Aufgaben erfüllt hat, die eine Regelausbildung von drei Jahren erfordern, ist diese Tätigkeit nach ihrem qualitativen Wert in die dritte Stufe (entgegen dem LSG nicht: zweite Stufe) des Mehrstufenschemas einzuordnen. Deshalb sind alle Vergleichsberufe qualitativ gleichwertig („sozial zumutbar”), die in die gleiche, die nächstniedrigere oder – unter Beachtung des Überforderungsverbotes – eine höhere Stufe einzuordnen sind. Das LSG hat festgestellt, die von ihm beschriebenen Tätigkeiten von Kassiererinnen an Sammelkassen seien in die Gehaltsgruppe III des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für die Arbeitnehmer im saarländischen Einzelhandel eingruppiert; sie seien „Kassiererinnen mit höheren Anforderungen” vorbehalten (Erste Verkäuferin; Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordern). Hingegen seien Verkäuferinnen mit abgeschlossener dreijähriger Berufsausbildung tarifvertraglich in die niedrigere Gehaltsgruppe II eingestuft. Auch in diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hinreichend klar zwischen den verschiedenen in der Aufgabenbeschreibung zusammengefaßten Tätigkeiten von Kassiererinnen an Sammelkassen unterscheiden; auch nach dem genannten saarländischen Tarifvertrag gibt es offenkundig gleichfalls Kassiererinnen „ohne höhere Anforderungen”, wie sie etwa in anderen Tarifverträgen (vgl. das vom Berufungsgericht in Bezug genommene Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. Mai 1995) erfaßt und niedriger, nämlich in die Stufe der Verkäuferinnen mit dreijähriger Berufsausbildung, eingeordnet sind. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil das LSG bindend festgestellt hat daß die Klägerin sogar die höher eingestufte Tätigkeit in weniger als drei Monaten erlernen kann. Damit würde sie, wenn sie diese Tätigkeit verrichtete, fachlich-qualitativ weder über- noch unterfordert. Da das Berufungsgericht außerdem festgestellt hat, die Klägerin könne dieser Tätigkeit mit ihrem verbliebenen gesundheitlichen Leistungsvermögen gerecht werden, kann die Beklagte grundsätzlich zu Recht dem Begehren der Klägerin rechtshindernd entgegenhalten, ihr sei eine Tätigkeit als Kassiererin an der Sammelkasse eines Kaufhauses möglich und zumutbar.
Hingegen reichen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dafür aus zu erkennen, ob der Einwendungsausschluß (der Unüblichkeit oder) der Seltenheit des Vergleichsberufs durchgreift. Zum einen hat die Beklagte zulässig und begründet gerügt, das Berufungsgericht habe die Grenzen seines Rechts verletzt, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), zum anderen hat das LSG widersprüchliche tatsächliche Feststellungen getroffen.
Zwar hat das LSG festgestellt, die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalles lägen vor (Anhaltspunkte für einen Unüblichkeitsfall bestehen hingegen nicht). Es hat ausgeführt, bei den Tätigkeiten der Kassiererin an Sammelkassen in Kaufhäusern handele es sich um Aufstiegspositionen für Verkäuferinnen und anderes Personal größerer Kaufhäuser, die aus dem Personal der Betriebe besetzt würden. Sinngemäß ist diese Feststellung so zu verstehen, daß diese Arbeitsplätze nahezu ausschließlich betriebsintern besetzt werden und deshalb nicht arbeitsmarktgängig („zugänglich”) sind, dh nur selten auf dem sog Arbeitsmarkt angeboten, über ihn besetzt und wiederbesetzt werden. Zugleich hat es aber auch aufgrund der zulässigerweise als Hilfstatsache herangezogenen tarifvertraglichen Gehaltsgruppenordnung festgestellt, daß es „Kassiererinnen” und „Kassiererinnen mit höheren Anforderungen” gibt; ferner hat es durch Bezugnahme auf seine Gerichtsakte und damit ua auch auf das vorgenannte Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. Mai 1995 (L 1 An 115/94; Bl 101 bis 110 der LSG-Akte) festgestellt, daß es die Tätigkeit einer Kassiererin an einer Sammelkasse der bei der Fa. K. AG eingerichteten Art. gibt, die nach einer tarifvertraglichen Gehaltsgruppenordnung in die zweite oder dritte Stufe des Mehrstufenschemas einzuordnen ist; außerdem ist dadurch festgestellt worden, daß diese Tätigkeit bei der Fa. K. AG nicht nur betriebsintern vergeben wird und an 350 Arbeitsplätzen ausgeübt wird.
Das Berufungsgericht hat die Frage nicht ausreichend beantwortet, wie diese einander widersprechenden Feststellungen zu vereinbaren sind. Allerdings hat es im Blick hierauf ausgeführt, aus der Auskunft der Fa. K. AG vom 8. Juli 1995 ergebe sich, daß dieses Unternehmen bestrebt sei, freigewordene Positionen an Sammelkassen durch eigene Mitarbeiter zu besetzen. Die Beklagte rügt zu Recht, hieraus könne logisch folgerichtig nicht darauf geschlossen werden, diese Arbeitsplätze bei der Fa. K. AG würden tatsächlich nahezu ausnahmslos betriebsintern vergeben. Auch wird durch diese Auskunft die Feststellung nicht ausgeräumt, daß es 350 Arbeitsplätze als Kassiererin an einer Sammelkasse von der Fa. K. AG gibt, die weder Aufstiegspositionen noch Schonarbeitsplätze sind.
Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob unter der Sammelbezeichnung des Tätigkeitsfeldes der „Kassiererin an Sammelkassen in großen Kaufhäusern” in der Arbeitswelt unterschiedliche Berufe mit verschiedenem qualitativen Wert und unterschiedlichen Anforderungs- und Belastungsprofilen zusammengefaßt sind, ob zB die bei der Fa. K. AG eingerichtete Berufstätigkeit der Kassiererin an einer Sammelkasse in Übereinstimmung mit den bisherigen Feststellungen des LSG Niedersachsen (weiterhin) nicht nahezu ausschließlich betriebsintern besetzt und – dies ist entscheidend – ob mehr als eine nur ganz geringe Zahl dieser Arbeitsplätze regelmäßig auf dem sog Arbeitsmarkt angeboten, über ihn besetzt und wiederbesetzt wird. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, daß nach ständiger Rechtsprechung des BSG jedenfalls bei mehr als 300 arbeitsmarktgängigen Arbeitsplätzen eines Berufs ein sog Seltenheitsfall schlechthin ausgeschlossen ist (näher hierzu Urteil des Senats vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Bei einer geringeren Zahl wird das Berufungsgericht beweiswürdigend abzuwägen haben, ob sie so gering ist, daß man ein typisches Anforderungs- und Belastungsprofil der Berufstätigkeit aus diesen wenigen am sog Arbeitsmarkt angebotenen Arbeitsplätzen nicht ermitteln kann. Außerdem wird das Berufungsgericht beachten müssen, daß die Klägerin für die Voraussetzungen dieses Einwendungsausschlusses darlegungspflichtig und objektiv beweisbelastet ist, dh daß der Einwendungsausschluß der Seltenheit des Vergleichsberufs zugunsten der Klägerin nur dann durchgreift, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, kein Beruf aus dem Tätigkeitsfeld von Kassiererinnen an Sammelkassen in größeren Kaufhäusern sei arbeitsmarktgängig.
Nach alledem war der Revision der Beklagten im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG stattzugeben. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Breith. 1997, 539 |
SozSi 1997, 398 |