Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 26.10.1995; Aktenzeichen S 5 Lw 19/95)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Gewährung eines Beitragszuschusses für das Kalenderjahr 1995.

Der im März 1957 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1986 beitragspflichtiges Mitglied der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK). Im November 1994 beantragte er die Gewährung eines Beitragszuschusses für das Jahr 1995 und legte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1992 vor, der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 8.981,– DM ausweist. Ferner hatte der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.285,– DM. Sein Betrieb ist nicht buchführungspflichtig.

Die beklagte LAK lehnte den Antrag durch Bescheid vom 22. Februar 1995, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1995 ab, weil das maßgebliche jährliche Einkommen des Klägers 57.031,– DM betrage und damit den Grenzbetrag von 40.000,– DM übersteige.

Das Sozialgericht (SG) Mainz hat die Klage durch Urteil vom 26. Oktober 1995 abgewiesen. Es hat ausgeführt: Nach § 32 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erhielten versicherungspflichtige Landwirte einen Zuschuß zu ihrem Beitrag, wenn das jährliche Einkommen 40.000,– DM nicht übersteige. Die Beklagte habe dieses jährliche Einkommen gemäß § 32 Abs 5 und 6 aaO zutreffend festgesetzt; dies bestreite auch der Kläger nicht. Da der Grenzbetrag überschritten sei, stehe ihm der Anspruch nicht zu. Der vom Kläger gerügte Verstoß dieser Regelung gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) liege nicht vor. Das Gesetz unterscheide bei der Ermittlung des jährlichen Einkommens zwischen den buchführungspflichtigen Landwirten, deren Gewinn nach § 4 Abs 1 oder 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt werde, und den landwirtschaftlichen Unternehmen, die nach § 13a EStG besteuert würden. Bei dieser Gruppe, zu welcher der Kläger gehöre, werde das jährliche Einkommen nach den in § 32 Abs 5 und 6 ALG genannten Grundsätzen ermittelt. Der Beitragszuschuß knüpfe im Blick auf das jährliche Einkommen als Summe der erzielten positiven Einkünfte iS von § 2 Abs 1 und 2 EStG grundsätzlich an die von den Finanzbehörden für die Besteuerung ermittelten Werte an. Die Besteuerung von buchführungspflichtigen Landwirten folge anderen Grundsätzen als die Besteuerung der unter § 13a EStG fallenden. Buchführungspflichtige Land- und Forstwirte müßten ihrer Steuererklärung eine Bilanz nebst der zugehörigen Verlust- und Gewinnrechnung beifügen, jährliche Bestandsaufnahmen und jährliche Abschlüsse anfertigen sowie ein Anbauverzeichnis führen, in dem nachzuweisen sei, mit welchen Fruchtarten die selbstbewirtschafteten Flächen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr bestellt worden seien. Dies alles gelte für die nichtbuchführungspflichtigen Landwirte nicht. Die Gewinne dieser Betriebe würden vom Finanzamt nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG berechnet. Schon deswegen sei es sachlich gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber die Gewährung eines Beitragszuschusses nur bei buchführungspflichtigen Landwirten von den in dem Steuerbescheid aufgenommenen Werten abhängig mache. Wegen des Inhalts des angefochtenen Urteils im übrigen wird auf dessen Entscheidungsgründe (Bl 4 bis 7 der Akte des Bundessozialgerichts ≪BSG≫) Bezug genommen.

Zur Begründung der – vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Beklagten eingelegten – (Sprung-)Revision trägt der Kläger vor, die unterschiedliche Besteuerung der buchführungspflichtigen und der nichtbuchführungspflichtigen Landwirte stelle eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG dar. Die Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit seien verletzt, die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund für die Differenzierung. Der Umstand, daß die Besteuerungsgrundlagen bei nichtbuchführungspflichtigen Landwirten nicht so streng seien wie bei Land- und Forstwirten, die der Buchführungspflicht nicht unterlägen, könne nicht entscheidend sein. Den buchführungspflichtigen Landwirten sei die Möglichkeit der pauschalen Geltendmachung der Vorsteuern auf ihre eingekauften Betriebsmittel in Höhe von 9,5 vH eingeräumt worden. Hier würden buchführungspflichtigen Landwirten die Aufzeichnungs- und Erklärungsfristen erspart. Eine Steuerverschärfung sei zwar auch hier im Gespräch, solange aber die Pauschalierung noch nicht abgeschafft worden sei, bestehe kein Anlaß, zwischen buchführungspflichtigen Landwirten und solchen, die nicht der Buchführungspflicht unterlägen, zu differenzieren.

Der Kläger beantragt,

  1. „das Urteil des Sozialgerichts Mainz und den Bescheid vom 22. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1995 aufzuheben, und
  2. die Beklagte zu verurteilen, Beitragszuschuß für 1995 zu gewähren.”

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie meint, das SG habe richtig entschieden. § 32 ALG ziele darauf ab, der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Versicherten gerecht zu werden. Abweichend vom früheren Recht sei die Zuschußberechtigung grundsätzlich nicht mehr vom Wirtschaftswert des Unternehmens, sondern vom jährlichen Einkommen des Versicherten abhängig. Die effektive Beitragsbelastung orientiere sich an der aus dem Steuerbescheid ersichtlichen Summe der positiven Einkünfte. Die Beitragsentlastung stelle auf die nachweisbaren individuellen Einkommensverhältnisse ab. Diese müßten jedoch verläßlich festgestellt werden. Bei buchführungspflichtigen Landwirten werde das maßgebende individuelle Arbeitseinkommen aus Land-und Forstwirtschaft durch eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 oder 3 EStG nachgewiesen. Dagegen gebe die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht realitätsnah wieder. Es handele sich um ein schematisiertes Verfahren, bei dem nicht oder nur in sehr geringem Umfang auf Aufzeichnungen von erfolgsbestimmenden Daten zurückgegriffen werde; diese Art der Gewinnermittlung gründe sich vorwiegend auf leicht erfaßbare Merkmale des jeweiligen Betriebes. Deswegen habe der Gesetzgeber in § 32 Abs 6 ALG eine Ermittlungsmethode gewählt, die zu einer Berechnung des jährlichen Einkommens führe, welcher das effektive Betriebseinkommen zugrunde liege, und die den Rückschluß auf die Belastungsfähigkeit des einzelnen Versicherten weitaus besser ermögliche als die isolierte Betrachtung des Wirtschaftswertes nach dem früheren Recht oder ein Rückgriff auf die Schätzwerte des § 13a EStG. Im übrigen bleibe es dem Versicherten unbenommen, den korrigierten Wirtschaftswert durch Übergang zur Buchführung zu widerlegen. Wegen des Vorbringens der Beklagten im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 23. September 1996 (Bl 36 bis 42 der BSG-Akte) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers gegen das Urteil des SG Mainz ist unbegründet. Seine Klage ist zu Recht abgewiesen worden, weil die Beklagte seinen Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses rechtmäßig abgelehnt hat.

Der Kläger selbst stellt nicht in Frage, daß die Beklagte § 32 ALG, die einzige Anspruchsgrundlage, auf die er sein Begehren stützen kann, zutreffend angewandt hat. Soweit seinem Revisionsvorbringen sinngemäß entnommen werden kann, § 32 ALG sei insoweit „evident”) verfassungswidrig, als darin bei den nichtbuchführungspflichtigen Landwirten, zu denen er gehört, für die Ermittlung des für die Bedarfsgrenze von 40.000,– DM maßgeblichen jährlichen Einkommens nicht auf die Festsetzungen im Einkommensteuerbescheid zurückgegriffen wird, ist die Regelung augenfällig verfassungsgemäß. Den zutreffenden Ausführungen des SG und der Beklagten in deren Revisionserwiderung tritt der Senat bei.

Dem Revisionsvorbringen ist hingegen kein Grund zu entnehmen, weshalb es sachlich nicht gerechtfertigt sein könnte, daß der Gesetzgeber für die Ermittlung des Bedarfs nach Beitragsentlastung auf eine Ermittlungsmethode zurückgreift, welche die wirkliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten in dem Zeitraum, für den Beitragsentlastung begehrt wird, möglichst zuverlässig feststellt. Aus den vom SG und von der Beklagten zutreffend angeführten Gründen ist eine derartige realitätsnahe Festsetzung nur bei den buchführungspflichtigen Landwirten gewährleistet, bei denen der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 4 Abs 1 oder 3 EStG ermittelt wird. Hingegen bietet die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen iS von § 13a EStG keinen hinreichenden Aufschluß darüber, ob der Landwirt zum Kreis der eines Beitragszuschusses bedürftigen Personen gehört. Hierfür hat der Gesetzgeber in § 32 Abs 5 und 6 ALG eine – im übrigen vom Kläger nicht angegriffene – Ermittlungsmethode geschaffen, die grundsätzlich geeignet ist, zu klären, ob das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft unter Berücksichtigung sonstiger positiver Einkünfte so hoch ist, daß der Landwirt seine Versicherungsbeiträge aus eigener Kraft entrichten kann, oder ob er eines Beitragszuschusses aus Steuermitteln bedarf.

Hiermit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (BSGE 64, 213ff = SozR 2100 § 15 Nr 10) ab. Dieser hat – mangels Spezialregelung – bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes für die Verletztenrente den nach § 13a EStG ermittelten Gewinn (Ermittlung nach Durchschnittssätzen bei nichtbuchführungspflichtigen Landwirten) auch für das nach § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch zu berücksichtigende Arbeitseinkommen für maßgeblich erklärt. Der Gesetzgeber hat hingegen in § 32 ALG das Jahreseinkommen spezialgesetzlich und abschließend gerade im Blick auf die hier maßgebliche Bedarfsgrenze geregelt.

Dasselbe gilt bezüglich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 139, 514), der am 13. Oktober 1983 im Blick auf die insoweit im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des § 13a EStG aF ausgeführt hat, verfassungsrechtliche Bedenken könnten nicht gegen die Einkommensbesteuerung kleiner Landwirte und Forstwirte als solche bestehen und auch nicht gegen die vom Gesetzgeber dafür gewählte Methode, sondern nur gegen die sich daraus ergebenden zu niedrigen Gewinne. Dies ist ein Grund für die in § 32 ALG getroffene Spezialregelung, die besser als die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) geeignet ist, verfassungswidrige Mitnahmegewinne auszuschließen, welche anderenfalls nichtentlastungsbedürftigen Landwirten auf Kosten des Steuerzahlers zufließen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173958

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