Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. September 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Verkehrsunfall des Klägers vom 20. April 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der im Jahre 1942 geborene Kläger beantragte bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Unterfranken die Gewährung von Rehabilitationsleistungen und wurde daraufhin für den 20. April 2000 um 9.30 Uhr zur ambulanten Untersuchung bei der Nervenärztin Dr. S… in W… einbestellt. Auf dem Weg von seiner Wohnung in R… zur Untersuchung erlitt er einen Verkehrsunfall, bei dem er sich erheblich verletzte. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 20. April 2000 ab, weil es sich dabei nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe; Versicherungsschutz bestehe nur im Rahmen einer stationären oder teilstationären medizinischen Rehabilitation (Bescheid vom 20. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2000). Das Sozialgericht (SG) Würzburg hat die vom Kläger hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3. April 2002). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19. September 2002). Unfallversicherungsschutz bestehe nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) allein während der tatsächlichen Durchführung einer stationären oder teilstationären Heilbehandlung nach deren Antritt durch den Teilnehmer. Für Vorbereitungshandlungen – wie hier die Fahrt zur Begutachtung – bestehe dem gemäß kein Unfallversicherungsschutz.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII. Er hätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, wenn er sich bei dem Unfall vom 20. April 2000 auf dem Weg zu einer vom Arbeitsamt im Rahmen eines dort gestellten Antrages auf Rehabilitationsleistungen angeordneten ärztlichen Untersuchung befunden hätte, wenn seine gesundheitliche Problematik auf einen früheren Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen gewesen wäre oder wenn er ausdrücklich einen Antrag auf berufliche Rehabilitation gestellt hätte. Es sei nicht einsichtig, dass nur bei einem Antrag auf medizinische Rehabilitation ein unversichertes eigenwirtschaftliches Interesse vorliegen und so bei einem Unfall auf dem Weg zur angeordneten Untersuchung kein Versicherungsschutz bestehen solle. Denn in allen diesen Fällen werde eine medizinische Untersuchung auf Kosten des Versicherungsträgers angeordnet und auch er habe im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht einen von der LVA ausgesuchten Arzt aufsuchen müssen. Um keine Regelungslücke entstehen zu lassen, müssten auch ärztliche Begutachtungen zumindest als Vorstufe für die Bewilligung stationärer, teilstationärer oder ambulanter Maßnahmen zur Rehabilitation dem Versicherungsschutz unterliegen. Spätestens seit dem In-Kraft-Treten des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sei der Versicherungsschutz auch auf ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ausgedehnt worden. Da es sich dabei um “gleichwertige Gefahrenmomente” handele und sich ohne sichere Diagnosestellung durch die vorherige Untersuchung eine sinnvolle Behandlung nicht durchführen lasse, müsse die ärztliche Begutachtung für die Bewilligung einer Maßnahme zur Rehabilitation – auch aus Gründen der Gleichheit gemäß Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) – als entsprechende Vorstufe ebenfalls unter Versicherungsschutz stehen. Schließlich umfasse ein Antrag auf Rehabilitation nach § 4 Abs 1 SGB IX sämtliche Leistungen zur Rehabilitation; eine “nachträglich noch so objektive Entscheidung” könne nicht dazu führen, dass nach einem Unfall festgestellt werde, eine berufliche Rehabilitation wäre nicht in Frage gekommen und deshalb müsse der Versicherungsschutz für den Wegeunfall verneint werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. September 2002 und des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Würzburg vom 3. April 2002 sowie des Bescheides vom 20. September 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2000 zu verurteilen, das Ereignis vom 20. April 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat bei seinem Unfall auf dem Weg zu der ärztlichen Untersuchung am 20. April 2000 keinen Arbeitsunfall erlitten und daher keinen Anspruch auf Entschädigung, wie SG und LSG zutreffend entschieden haben.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit war der Kläger nicht gegen Arbeitsunfall versichert.
Versicherungsschutz kommt hier allein nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII in der zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers geltenden und daher hier anzuwendenden Fassung vor In-Kraft-Treten der Änderung durch Art 7 SGB IX zum 1. Juli 2001 (aF) in Betracht; dass die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 3 und Nr 15 Buchst b SGB VII hier nicht gegeben sind, haben die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt. Nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF sind kraft Gesetzes versichert Personen, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder Leistungen stationärer oder teilstationärer medizinischer Rehabilitation erhalten. Diese Vorschrift entspricht inhaltlich dem bis zum In-Kraft-Treten des SGB VII geltenden Recht des § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a der Reichsversicherungsordnung – RVO – (vgl BT-Drucks 13/2204 S 75; Kater/Leube, SGB VII, § 2 RdNr 350); die hierzu ergangene Rechtsprechung kann daher zur Auslegung dieser Vorschrift im Wesentlichen weiter herangezogen werden.
Mit der Reichweite des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO hat sich der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 7. November 2000 – B 2 U 35/99 R – (= SozR 3-2200 § 539 Nr 53) befasst. Er hat darin ausgeführt, dass bereits der Wortlaut, nach dem Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, dass eine stationäre Behandlung “gewährt wird”, zwingend zu der – durch die Gesetzesmotive bestätigten – Auslegung führt, dass die (bewilligte) Behandlung (bereits) tatsächlich gewährt werden muss, sodass der Unfallversicherungsschutz auch erst mit ihrem tatsächlichen Beginn einsetzt. Vorbereitungshandlungen werden daher vom Versicherungsschutz nicht erfasst. Dies muss auch für die Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF gelten, worauf der Senat in dem oben zitierten Urteil auch bereits hingewiesen hat. Zwar ist in dieser Vorschrift die stationäre Behandlung nicht mehr aus der Sicht des Versicherungsträgers, der diese “gewährt”, sondern mit dem Wort “erhalten” aus der Sicht des Empfängers dieser Leistung formuliert. Dies bedeutet indes keine inhaltliche Änderung. Unabhängig von der Sichtweise muss die Behandlung nach beiden Formulierungen tatsächlich durchgeführt werden; die Wahl des Wortes “erhalten” bringt dies sogar stärker zum Ausdruck als der Begriff des Gewährens in der Vorgängervorschrift. Dafür spricht auch die amtliche Gesetzesbegründung, nach der Nr 15 Buchst a aaO dem geltenden Recht (§ 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO) entspricht (BT-Drucks 13/2204 S 75).
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hatte der Kläger bei der LVA, einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Gewährung von Rehabilitationsleistungen beantragt, aber noch nicht bewilligt bekommen; ob und ggf in welchem Ausmaß dies geschehen sollte, war von der Beklagten gerade erst noch auf Grund des Ergebnisses der ärztlichen Untersuchung am 20. April 2000 zu entscheiden. Da der Kläger mithin noch keine der in § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF aufgeführten Sachleistungen erhielt, stand er im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Sein Weg zur ärztlichen Untersuchung war vielmehr eine unversicherte Vorbereitungshandlung. Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII schließe nach ihrem Wortlaut auch ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein, trifft dies jedenfalls für die Gesetzeslage zu dem hier maßgebenden Zeitpunkt des Unfalls (20. April 2000) nicht zu. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII wurde vielmehr erst durch Art 7 Nr 2 SGB IX mit Wirkung vom 1. Juli 2001 auf ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ausgedehnt, hat also im Unfallzeitpunkt noch nicht bestanden. Eine Rückwirkung ist nicht angeordnet. Dementsprechend sind auch die weiteren vom Kläger vorgebrachten Erwägungen zu der Bedeutung eines Rehabilitationsantrags nach § 4 SGB IX und der Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX sowie die daraus von ihm abgeleiteten Folgerungen für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Im Übrigen handelt es sich bei einer von einem Sozialversicherungsträger veranlassten ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer Sozialleistung entgegen der Ansicht des Klägers nicht selbst um eine Sozialleistung – insbesondere nicht um eine ärztliche Behandlung –, die unter den Begriff der ambulanten Leistung zur Rehabilitation iS des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII id Fassung des SGB IX subsumiert werden könnte, sondern um eine bloße Ermittlungshandlung im Verwaltungsverfahren.
Auch eine analoge Anwendung des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF auf Handlungen, die der Vorbereitung einer nach dieser Vorschrift unter Unfallversicherungsschutz stehenden Maßnahme bzw der Entscheidung über die Bewilligung einer solchen dienen sollen, kommt nicht in Betracht. Eine dem Plan und dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers des SGB VII nicht entsprechende Gesetzeslücke, die eine solche Analogie rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Aus den unterschiedlichen Regelungen, die der Gesetzgeber hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes für Vorbereitungshandlungen für einzelne genau bezeichnete Bereiche getroffen hat, ist vielmehr zu schließen, dass er auch nur diese und keine anderen möglicherweise nach den äußeren Umständen ähnlich gelagerten Lebenssachverhalte unter Versicherungsschutz stellen wollte. Anderenfalls hätte es nahe gelegen, eine entsprechende Regelung in allgemeiner, vom jeweiligen Anlass unabhängiger Form in § 2 Abs 1 SGB VII aufzunehmen.
Die Regelung des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF ist – auch in der hier vertretenen Auslegung – von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, auf den sich der Kläger beruft, nicht zu erkennen. Ein solcher Verstoß ist nach der sog “neuen Formel” des Bundesverfassungsgerichts gegeben, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 75, 348, 357; 76, 256, 329 f; 105, 73, 110 f). Der Kläger behauptet zunächst eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die “sich beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet, einen Anspruch auf eine Leistung erhoben und bei dieser Dienststelle einen Antrag auf Rehabilitation gestellt” haben. Grund für die Unterstellung des Personenkreises des § 2 Abs 1 Nr 14 SGB VII, auf den der Kläger hier ersichtlich abstellt, unter den Unfallversicherungsschutz ist das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zur Bundesanstalt für Arbeit (bzw einem Träger der Sozialhilfe), aus dem sich vielfältige Pflichten ergeben (vgl Riebel in Hauck/Nofftz, SGB VII, K § 2 RdNr 205). Den Besonderheiten dieses Verhältnisses entspricht der umfassende Unfallversicherungsschutz für den Fall der Aufforderung an den Versicherten, eine bestimmte Stelle aufzusuchen. Ein vergleichbares Verhältnis besteht für den Versicherten, der eine medizinische Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger beantragt hat, nicht, sodass hier die ungleiche Behandlung für eine der vorliegenden entsprechende Fallgestaltung nicht ungerechtfertigt erscheint.
Weiter sieht der Kläger eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten, die ihre “gesundheitliche Problematik auf einen früheren Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zurückgeführt” haben und deshalb auf Wegen zu einer zur Aufklärung des Sachverhalts angeordneten Untersuchung nach § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII gegen Unfall versichert sind. Auch hier bestehen indes erhebliche Unterschiede zur Konstellation nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII aF, da die hier in Frage stehenden Gesundheitsstörungen bereits auf einen Versicherungsfall iS der Unfallversicherung zurückzuführen sind bzw sein sollen und so Tatbestandsvoraussetzung des Versicherungsschutzes die – zumindest geltend gemachte – Verwirklichung des spezifischen Unfallversicherungsrisikos in der Person des Antragstellers ist. Auch die vom Kläger zum Schluss angeführte ungleiche Behandlung gegenüber Versicherten, die ausdrücklich eine berufliche Rehabilitation beantragt haben, hat ihre Grundlage in unterschiedlichen Verhältnissen. Voraussetzung für den Eintritt des Unfallversicherungsschutzes ist hier, dass der Weg vom Versicherten zu einer bestimmten Stelle zur Vorbereitung von berufsfördernden Maßnahmen zur Rehabilitation auf entsprechende Aufforderung hin unternommen wird. Es handelt sich um einen Personenkreis, für den bereits vom Maßnahmeträger entschieden ist, dass berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation durchgeführt werden sollen, nicht um die erstmalige Prüfung, ob überhaupt ein entsprechender Anspruch auf eine Sozialleistung besteht. Hieraus rechtfertigt sich eine unterschiedliche Behandlung gegenüber der vorliegenden Situation, bei der noch kein in dieser Weise konkretisiertes besonderes öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger besteht.
Nach alledem ist die Revision des Klägers unbegründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
AUR 2003, 359 |
RdW 2004, 60 |