Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung von Rentenanwartschaften. Übergangsgeld wenigstens in Höhe der Rente. Rentnerprivileg
Leitsatz (amtlich)
Das sogenannte Rentnerprivileg (§ 83a Abs 4 S 2 Buchst a und b AVG = § 1304a Abs 4 S 2 Buchst a und b RVO) gilt auch zugunsten des Ausgleichsverpflichteten, der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich einen Anspruch auf Übergangsgeld “wenigstens in Höhe der Rente” (§ 18d Abs 4 AVG = § 1241d Abs 4 RVO) hat.
Normenkette
SGG § 75; AVG § 83a Abs. 4 (= RVO § 1304a Abs. 4, 6), Abs. 6 (= RVO § 1304a Abs. 4, 6), § 18d Abs. 4 (= RVO § 1241d Abs. 4); GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 1 991 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers unter Anrechnung der im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften zu gewähren ist.
Die Ehe des Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts (AG) – Familiengericht – Wiesloch vom 3. Oktober 1986 geschieden; gleichzeitig wurden vom Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 617,05 DM übertragen. Das Urteil wurde am 2. Dezember 1986 rechtskräftig.
Der Kläger war seit Oktober 1986 arbeitsunfähig erkrankt und befand sich im Oktober/November 1986 in verschiedenen Krankenhäusern zur stationären Behandlung. Für die Zeit vom 27. November bis 27. Dezember 1986 bewilligte ihm die Beklagte auf seinen am 26. November 1986 bei ihr eingegangenen Antrag eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme (Bescheid vom 11. Dezember 1986). Wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes war der Kläger nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme bis Januar 1987 erneut in stationärer Behandlung.
Bis 7. Dezember 1986 bezog der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber Arbeitsentgelt; für die Zeit vom 8. bis 27. Dezember 1986 gewährte ihm die Beklagte Übergangsgeld ≪Übg≫ (Bescheid vom 26. März 1987); vom 28. Dezember 1986 bis 25. April 1988 erhielt der Kläger Krankengeld und danach Arbeitslosengeld (Alg).
Mit Bescheid vom 9. September 1988 bewilligte die Beklagte dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer; als Eintritt des Versicherungsfalls stellte sie den 26. November 1986 und als Rentenbeginn den 28. Dezember 1986 fest. Zur Begründung führte sie aus: Der Antrag vom 26. November 1986 gelte gemäß § 18d Abs 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) als Rentenantrag, weil die Rehabilitationsmaßnahme erfolglos abgeschlossen worden sei. Für die Dauer der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme bestehe neben einem Anspruch auf Übg kein Anspruch auf Rente, so daß die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften bei der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht mehr anzurechnen seien. Mit dem Widerspruch beanstandete der Kläger die Höhe der Rente und machte geltend, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei bereits am 26. November 1986 und somit vor Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetreten; mithin wirkten sich die übertragenen Rentenanwartschaften auf seine Rente nicht mindernd aus. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 1989 zurück. Zuvor, im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens, hatte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Dezember 1988 die Rente unter Berücksichtigung des Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses neu berechnet.
Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. November 1989). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 21. Mai 1991 das Urteil des SG aufgehoben, die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Erwerbsunfähigkeitsrente unter zusätzlicher Anrechnung der im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften zu gewähren. In den Entscheidungsgründen ist im wesentlichen ausgeführt: Nach § 83a Abs 4 Satz 2 AVG werde die bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich dem Ausgleichsverpflichteten gezahlte Rente um die übertragenen Rentenanwartschaften erst gemindert, wenn eine Rente aus einem späteren Versicherungsfall zu gewähren oder aus der Versicherung der Ausgleichsberechtigten eine Rente zu zahlen sei. Diese als “Rentnerprivileg” bezeichnete Regelung solle mithin einen bereits bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts bestehenden, sich auf die Höhe der Rente beziehenden Besitzstand in dem genannten Umfang garantieren. Der Kläger habe zwar zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung keinen “Zahlungsanspruch” auf Rente gehabt. Gleichwohl gehöre er zu den nach § 83a Abs 4 Satz 2 AVG Begünstigten. Im Hinblick auf den Grundsatz “Rehabilitation vor Rente” werde gemäß § 18d Abs 4 AVG zur Sicherung eines möglichst frühzeitigen Rentenbeginns der Rehabilitationsantrag – bei Erfolglosigkeit der Rehabilitationsmaßnahme – als Rentenantrag fingiert und zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs von Übg zum Rentenbezug ein dem Zahlbetrag der Rente entsprechendes Übg garantiert (§ 18d Abs 4 Satz 3 AVG). Ein derartiges Übg habe dem Kläger für die Dauer der Rehabilitation ungekürzt zugestanden. Noch vor ihrer Beendigung, am 1. Dezember 1986, habe er gemäß § 67 Abs 1 Satz 1 AVG einen fiktiven Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erworben. Damit habe er bei Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts einen dem Rentenbezieher vergleichbaren Besitzstand gehabt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 83a Abs 4 AVG und trägt vor:
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 83a Abs 4 AVG müsse der Begünstigte bei Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich einen Anspruch auf Rente haben. Ein solcher Anspruch habe dem Kläger jedoch auch unter Berücksichtigung des fiktiven Rentenbeginns am 1. Dezember 1986 nicht zugestanden. Denn zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger gemäß § 18d Abs 4 Satz 3 AVG allein ein Übg in Höhe der Rente zu zahlen gewesen. Neben diesem Anspruch bestehe kein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeits- oder Berufsunfähigkeitsrente (§ 18d Abs 2 Satz 1 AVG). Das LSG habe zu Unrecht die nach § 18d Abs 4 AVG leistungsberechtigten Bezieher von Übg in den Schutzbereich des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG miteinbezogen. Die Vorschrift gelte jedoch nur für Rentenbezieher, da diese ihre Lebensverhältnisse in der Regel auf eine bestimmte Rentenhöhe eingestellt hätten. Durch den Besitzschutz sollten die mit der Übertragung von Rentenanwartschaften verbundenen Härten gemildert werden. Etwas anderes gelte für die Bezieher von Übg; denn Übg werde nur für eine vergleichsweise kurze Zeit gewährt. Für diese Auslegung spreche auch, daß der Gesetzgeber in § 101 Abs 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) wiederum auf das Bestehen eines Rentenzahlungsanspruchs abgestellt habe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 1991 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. November 1989 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor:
Derjenige Versicherte, der, wie er, bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich Übg mindestens in Höhe der Rente beziehe, habe einen einem Rentenbezieher vergleichbaren Besitzstand erworben und müsse daher durch das Rentnerprivileg des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG geschützt werden. Würde man die Vorschrift in einer anderen Weise auslegen, entstehe dem Rentenversicherungsträger ein unberechtigter finanzieller Vorteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
Verfahrensfehlerfrei haben SG und LSG die geschiedene Ehefrau des Klägers nicht nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG beigeladen. Denn deren Rechte werden durch den vorliegenden Rechtsstreit nicht berührt. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs bestehen zwei Versorgungsverhältnisse, so daß die versorgungsrechtlichen oder rentenrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 83, 182 ff = NJW 1991 S 1878 f).
Zu Recht hat das LSG auch einen Anspruch des Klägers auf eine höhere Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der mit Rechtskraft des Scheidungsurteils auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften (vgl hierzu BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1) bejaht.
Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch des Klägers ist § 83a Abs 4 Satz 2 AVG, der seit dem 1. Juli 1977 unverändert gilt (Art 4 Nr 2 Buchst d des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, BGBl I S 1421). Die Vorschriften des SGB VI finden hier keine Anwendung. Denn die Beklagte gewährte dem Kläger bereits vor dem 1. Januar 1992, also vor Inkrafttreten des Gesetzes, eine laufende Erwerbsunfähigkeitsrente (vgl §§ 300 Abs 2, 306 Abs 1 SGB VI).
Nach § 33a Abs 4 Satz 1 AVG hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt der Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich in der Person des Ausgleichsverpflichteten die dann zu gewährende Rente in Höhe der übertragenen Rentenanwartschaften zu mindern, sofern ein Versorgungsausgleich durch Übertragung dieser Rentenanwartschaften durchgeführt worden ist. Besteht allerdings bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts ein Anspruch des Ausgleichsverpflichteten auf eine Rente, erfolgt gemäß § 83a Abs 4 Satz 2 AVG ausnahmsweise eine Minderung der Rente erst später, und zwar dann, wenn dem Ausgleichsverpflichteten eine Rente aus einem späteren Versicherungsfall oder aber eine Rente aus der Versicherung des Berechtigten zu gewähren ist (vgl § 83a Abs 4 Satz 2 Buchst a und b; sog Rentnerprivileg).
Auf dieses sog Rentnerprivileg kann sich der Kläger zur Begründung eines Anspruchs auf eine höhere Erwerbsunfähigkeitsrente berufen. Zwar hatte er, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des LSG ergibt, zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts am 2. Dezember 1986 im Hinblick auf die von der Beklagten für die Zeit ab 27. November 1986 bis 27. Dezember 1986 bewilligte Rehabilitationsmaßnahme Anspruch allein auf ein nicht durch das Arbeitsentgelt gekürztes Übg (§ 18d Abs 4 AVG; § 18 f Abs 1 AVG greift gegenüber dem bei erfolgloser Rehabilitation garantierten Übg – in Höhe der Rente – nicht ein ≪vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1241d Nr 13≫).
Dennoch wird der Kläger als Bezieher von Übg gemäß § 18d Abs 4 AVG – zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts – vom Schutzbereich des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG erfaßt. Denn die Vorschrift gilt nicht nur für Ausgleichsverpflichtete, denen bei Eintritt der Rechtskraft ein Anspruch auf Rente zusteht, sondern auch für diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Übg nach § 18d Abs 4 Satz 3 AVG “wenigstens” in Höhe der Rente haben, die also – wie der Kläger – nach Beendigung einer Rehabilitationsmaßnahme erwerbsunfähig sind, so daß ihr Antrag auf Rehabilitation als Antrag auf Bewilligung einer Rente gilt (§ 18d Abs 4 Satz 1 AVG). Diesen Versicherten würde materiell-rechtlich eine Rente zustehen, wenn ihnen die Rehabilitationsmaßnahme nicht bewilligt worden wäre (vgl hierzu entspr BSG SozR 2200 § 1241d Nrn 5, 8 und 12). So war es auch bei dem Kläger. Wäre nicht zum Zeitpunkt der Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung am 2. Dezember 1986 eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt worden, hätte er gemäß § 67 Abs 1 Satz 1 AVG mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, also ab 1. Dezember 1986, einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt, weil der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bereits am 26. November 1986 eingetreten war.
Nach Sinn und Zweck des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG sowie von § 18d Abs 4 AVG ist eine Einbeziehung auch dieser Versicherten in die Regelung des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG im Wege der verfassungskonformen Auslegung erforderlich. Dabei wird nicht verkannt, daß Rente und Übg – grundsätzlich von ihrem Zweck – verschiedene, nicht vergleichbare Sozialleistungen sind (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 1; SozR 2200 § 1241d Nr 10).
Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Entscheidung vom 28. Februar 1988 (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1) ua ausgeführt hat, handelt es sich, soweit der Versorgungsausgleich zu Kürzungen von Renten und Anwartschaften führt, grundsätzlich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz (GG); die Grenzen der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis – so das BVerfG (aaO) weiter – würden durch das Rentensplitting nicht überschritten, zumal der Verpflichtete gemäß § 83a Abs 6 AVG befugt sei, eine verbleibende Rentenanwartschaft durch Beitragszahlungen wieder auszugleichen; demgemäß habe der Gesetzgeber den Grundsatz der sofortigen und endgültigen Vollziehung des Versorgungsausgleichs in § 83a Abs 4 AVG für den Fall durchbrochen, daß der Ausgleichsverpflichtete nach der Rentenanwartschaftsübertragung keine Möglichkeit mehr habe, die Minderung einer Rentenanwartschaft ganz oder teilweise durch die Entrichtung von Beiträgen auszugleichen (vgl auch BT-Drucks 7/4361 S 56).
Das sog Rentnerprivileg bedeutet somit eine vorläufige Stornierung der Auswirkungen des Versorgungsausgleichs mit der Folge eines Besitzschutzes; der Ausgleichspflichtige soll dadurch vor unangemessenen Opfern bewahrt werden, weil er die Leistungsminderung nicht mehr ausgleichen kann und nur der Versicherungsträger von dieser einen finanziellen Vorteil hat (vgl BVerfG aaO; BSGE 58, 59 ff = BSG SozR 2600 § 96a Nr 1).
Maßgebendes Kriterium für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützte Rechtsposition ist somit eine Besitzschutzregelung zugunsten des Ausgleichspflichtigen für den Fall, daß nach rechtskräftiger Übertragung der Rentenanwartschaften durch das Familiengericht Beiträge zum Ausgleich des Verlusts nicht mehr entrichtet werden können. Eine derartige Beitragsentrichtung kommt nicht mehr in Betracht, wenn bereits ein Anspruch des Ausgleichsverpflichteten auf eine Rente zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts besteht, etwa, weil die Erwerbsunfähigkeit des Ausgleichsverpflichteten zuvor eingetreten war (vgl § 83a Abs 6 Halbs 2 iVm § 10 Abs 2 AVG). Dann nämlich können Beiträge nur noch zur Sicherung eines zukünftigen Versicherungsrisikos entrichtet werden (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1304a Nr 6).
Der og Sinn und Zweck der auf einen bestimmten Zahlbetrag gerichteten Besitzschutzregelung des § 83a Abs 4 Satz 2 AVG (vgl hierzu VDR-Komm § 1304 Anm 6.2) trifft nicht nur auf den Ausgleichsverpflichteten mit einem Anspruch auf Rente zu, sondern in gleicher Weise auch auf den Ausgleichsverpflichteten, der bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts nach § 18d Abs 4 AVG einen Anspruch auf Übg wenigstens in Höhe der Rente hat. Denn zum einen kann auch dieser Ausgleichspflichtige, bei dem der Rentenantrag – und damit auch der Versicherungsfall – wegen der Erfolglosigkeit der Rehabilitationsmaßnahme fingiert und auf den Zeitpunkt des Rehabilitationsantrags (vor-)verlegt wird (§ 18d Abs 4 Satz 1 AVG), dem jedoch Rente wegen des Bezugs von Übg erst ab einem späteren Zeitpunkt gewährt werden kann, gemäß § 83a Abs 6 Halbs 2 AVG zum Ausgleich der übertragenen Rentenanwartschaften keine Beiträge mehr entrichten, die bei der Berechnung der laufenden Rente zu berücksichtigen wären.
Zum anderen ergibt sich die gleichartige Interessenlage aus der Funktion des Übg in diesen Fällen in Verbindung mit der Ausgestaltung von Höhe und Dauer der Leistung, die letztlich eine laufende Rente vertritt und in diese einmündet.
Der durch Art II § 6 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (vom 18. August 1980) mit Wirkung vom 1. Januar 1981 eingefügte § 18d Abs 4 AVG (BGBl I S 1469) verwirklicht in besonderer Weise den Grundsatz “Rehabilitation vor Rente” (zweistufiges Sicherungssystem: vgl Meyer, GK-SGB VI § 116 RdNr 8 ff). Das Interesse des Versicherten an der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen soll gestärkt werden (vgl § 7 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation ≪RehaAnglG≫ vom 7. August 1974, BGBl I S 1881; BT-Drucks 7/1237 S 56). Dementsprechend tritt das Übg an die Stelle einer an sich zu zahlenden Rente, damit sich der Versicherte vor der Maßnahme nicht auf den Rentenbezug einstellt, wodurch ein Erfolg der Rehabilitation in Frage gestellt werden könnte (vgl hierzu BSGE 49, 71 ff = BSG SozR 2200 § 1241d Nr 8; BSG SozR 2200 § 1241d Nr 12 und 15). Der Versicherte, der im Fall der Erwerbsminderung der sozialrechtlichen Zielsetzung entsprechend mittels eines Antrags auf Rehabilitation zunächst die Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit erstrebt, soll keinen Nachteil erleiden (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1241d Nr 1). Dieser Gesetzesplan wird auch in der amtlichen Begründung zu § 1241d Abs 4 Reichsversicherungsordnung (RVO = § 18d Abs 4 AVG) deutlich. Darin heißt es: “§ 1241d Abs 4 erstreckt in Satz 1 die Rentenantragsfiktion des Abs 3 auf die Fälle der erfolglos durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen. Die Umdeutung hat zur Folge, daß nach erfolglosem Abschluß der Rehabilitationsmaßnahme ein Rentenantrag nicht mehr gestellt werden muß. Damit wird der nahtlose Übergang von Übg zum Rentenbezug gewährleistet. Die Verweisung in Satz 2 bewirkt, daß entsprechend dem Grundsatz ‘Rehabilitation vor Rente’ bis zum Abschluß der Maßnahme auch nach der Umdeutung des Antrags für die Zeit, für die Rente zu zahlen gewesen wäre, Anspruch auf Übg besteht. Satz 3 garantiert für den berufs- oder erwerbsunfähigen Versicherten eine Mindesthöhe des Übg. Damit wird sichergestellt, daß die Geldleistung während einer erfolglosen Rehabilitationsmaßnahme den Betrag nicht unterschreitet, der ohne eine solche Maßnahme als Rente zu zahlen gewesen wäre”.
Mithin soll durch die Regelung in § 18d Abs 4 AVG gewährleistet werden, daß der Versicherte eine Rehabilitationsmaßnahme durchführen kann, ohne befürchten zu müssen, er werde bei Erfolglosigkeit der Maßnahme Nachteile erleiden.
Obgleich Versicherte und Bezieher von Übg nach § 18d Abs 4 Satz 3 AVG für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme keinen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente haben (vgl hierzu § 18d Abs 2 Satz 1 AVG; BSG SozR 2200 § 1262 Nr 41; § 1241d 13 und 14), soll ihre Rechtsposition wegen dieser Maßnahme nicht schlechter sein als diejenige eines Versicherten, der von vornherein – ohne Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme zur Eingliederung in das Erwerbsleben – eine Rente begehrt. Diese Wertung kann jedoch nicht nur im Bereich Rehabilitation und Rente Bedeutung haben. Sie muß vielmehr zur Vermeidung von Nachteilen zugunsten des Versicherten, der sich – wie der Kläger – einer letztlich erfolglosen Rehabilitationsmaßnahme unterzieht, auch immer dann gelten, wenn – wie bei § 83a Abs 4 Satz 2 AVG – das Gesetz zur Erlangung eines rechtlichen Vorteils auf einen Anspruch auf Rente abstellt.
Zugunsten des Klägers greift somit im Rahmen des § 83a Abs 4 AVG die Besitzschutzregelung ein; Erwerbsunfähigkeitsrente ist ihm mithin unter Anrechnung der übertragenen Rentenanwartschaften bis zum nächsten Versicherungsfall oder bis zur Gewährung, einer Rente aus der Versicherung der Berechtigten zu zahlen.
Die Revision der Beklagten ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen