Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Befreiung. Versicherungspflicht. Ehefrau eines Landwirts. Beitragsschuld des Ehegatten. Ehegattenhaftung. Gesamtschuldnerschaft. Teilschuldnerschaft. Säumniszuschläge. Mahngebühren
Leitsatz (amtlich)
Eine von der Versicherungspflicht befreite Ehefrau eines Landwirts haftet für dessen Beitragsschulden zur Alterssicherung der Landwirte gemäß § 70 Abs 1 S 1 ALG nicht als Gesamt-, sondern nur als Teilschuldnerin.
Orientierungssatz
1. Die Ehefrau muss auch diejenigen Säumniszuschläge tragen, die sich aus der Nichtzahlung der sie treffenden Beitragsschuld ergeben.
2. Mahngebühren sind nicht zu erheben, wenn mit dem Beitragshaftungsbescheid erstmals eine Haftung für die Beitragsschulden des Ehemannes festgestellt wird.
Normenkette
ALG § 1 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, § 36 Abs. 5, § 39 Abs. 3, § 70 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 24 Abs. 1-2, § 25; BGB §§ 420, 425
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten für die Beiträge haftet, die für ihren versicherungspflichtigen Ehemann zu zahlen sind.
Die Klägerin ist seit 1970 mit einem Landwirt verheiratet, der landwirtschaftliche Flächen von 19,44 ha gepachtet hat. Darauf werden Pferde gehalten, die der Klägerin gehören. Diese ist als Angestellte einer Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt. Mit Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 1995 ist sie mit Wirkung vom 1. Januar 1995 gemäß § 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts befreit worden. Unter dem 10. Februar 1999 teilte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin mit, dass dessen Beitragsschuld von 1985 bis einschließlich Februar 1999 36.122,15 DM betrage.
Mit Bescheid vom 25. Februar 1999 nahm die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis Februar 1999 als Gesamtschuldnerin für die Beitragsschuld ihres Ehemannes nebst Mahngebühren und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 9.473 DM in Anspruch. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1999). Während des anschließenden Klageverfahrens erstreckte die Beklagte die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin mit Bescheid vom 14. Juni 1999 auf die Beitragsrückstände von März bis Mai 1999 (Beiträge und Säumniszuschläge von insgesamt 593 DM) sowie auf die Beitragsverbindlichkeiten ab Juni 1999 (118 DM/Monat). Das Sozialgericht Augsburg (SG) hat die angefochtenen Bescheide mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 1999 aufgehoben.
Im Laufe des Berufungsverfahrens erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 17. März und 27. Juli 2000 weitere Beitragshaftungsbescheide für die Zeit ab 1. Januar 2000 (205 DM/Monat) und ab 1. August 2000 (342 DM/Monat). Unter teilweiser Zurückweisung der Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) den Gerichtsbescheid des SG vom 19. Juli 1999 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 14. Juni 1999, 17. März 2000 und 27. Juli 2000 verurteilt, die Beitragsforderung gegen die Klägerin auf die Hälfte der ab 1. Januar 1995 bestehenden Beitragsschuld ihres Ehemannes zu beschränken. Im Übrigen hat es die Klage und die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin hafte nicht als Gesamtschuldnerin, wohl aber als Teilschuldnerin und damit für die Hälfte der Beitragsschulden ihres Ehemannes. Zwar sei sie gemäß § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG als Fiktivlandwirtin iS des § 1 Abs 3 ALG verpflichtet, die Beiträge für die nach dem ALG Versicherungspflichtigen zu tragen. Sie sei jedoch keine Versicherte iS des § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG, denn wegen der von Anfang an in Anspruch genommenen Befreiungsmöglichkeit sei sie niemals in ein spezielles Versicherungsverhältnis mit der Beklagten getreten. Dies sei entscheidend, denn § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG knüpfe die Erweiterung des Gläubigerschutzes nicht an den Landwirtbegriff, sondern an die Versicherteneigenschaft an. Als beitragstragungspflichtige Landwirtin hafte die Klägerin nach § 420 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne Rücksicht auf den Güterstand in Höhe der Hälfte der Beitragsschulden.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die Beklagte jeweils Revision eingelegt. Beide rügen eine Verletzung von § 70 Abs 1 ALG.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie hafte für die Beitragsschulden ihres Ehemannes weder als Gesamtschuldnerin noch als Teilschuldnerin iS von § 420 BGB. Verpflichtet sei ausschließlich ihr Ehegatte, weil dieser allein die Landwirtschaft betreibe und damit Landwirt sei. Sie sei unwiderruflich von der Versicherungspflicht mit der Folge befreit, dass sie weder Ansprüche auf Rente noch Rehabilitationsleistungen aus der Alterssicherung der Landwirte (AdL) erwerbe. Sie begründe als Schreibkraft in einer Steuerberatungsgesellschaft eigene Rentenanwartschaften in der allgemeinen Rentenversicherung. Für die Annahme einer Teilschuldnerschaft nach § 420 BGB fehle es bereits an einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Auch ein vertragliches bestehe nicht. Im Übrigen seien die Beitragsansprüche verjährt. Mahngebühren und Säumniszuschläge seien mit Bescheid vom 25. Februar 1999 zu Unrecht festgesetzt worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 18. Oktober 2000, soweit es der Berufung der Beklagten stattgegeben hat, sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. März 2000 und 27. Juli 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten sowie deren Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 18. Oktober 2000 insoweit aufzuheben, als sie unter Abänderung des Bescheides vom 25. Februar 1999 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999 und unter Abänderung der Bescheide vom 14. Juni 1999, 17. März 2000 und 27. Juli 2000 verurteilt worden ist, die Beitragsforderung gegen die Klägerin auf die Hälfte der ab 1. Januar 1995 bestehenden Beitragsschuld deren Ehemannes zu beschränken, den Gerichtsbescheid des SG vom 19. Juli 1999 auch im Übrigen aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält weiterhin eine gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin für begründet. Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG. Das Tatbestandsmerkmal "versichert" sei erfüllt, weil die Klägerin gemäß § 1 Abs 3 ALG zum Kreis der Versicherten gehöre. Dass § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG den dort verwendeten allgemeinen Versicherungsbegriff enthalte, erschließe sich vor allem aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 36 Abs 5, § 38 Abs 1 und § 39 Abs 3 ALG sowie mit den Befreiungsnormen des ALG. Die temporär wirkenden Befreiungsnormen des § 3 Abs 1 und § 17 Abs 1 Satz 2 ALG sprächen für einen Fortbestand des Versicherungsverhältnisses auch bei Befreiung von der Versicherungspflicht. Sei die Klägerin aber "versichert", so treffe sie auch die angeordnete gesamtschuldnerische Haftung. Die Zahlung des Beitrags für jeweils den anderen Ehegatten entspreche insbesondere auch dem gesetzgeberischen Ziel einer Bäuerinnen-Pflichtversicherung, indem diese auch durch eine gesamtschuldnerische Beitragshaftung des von der Versicherungspflicht befreiten Landwirts mitgetragen werde. Da der Ehegatte eines Landwirts als Landwirt gelte, schuldeten regelmäßig beide Ehegatten die Beiträge, auch wenn einer davon selbst befreit sei. Diese Verpflichtung sei im Übrigen ein Bestandteil der ehelichen Unterhaltspflicht nach §§ 1360, 1360a BGB.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen beider Beteiligten sind teilweise begründet.
Die Revision der Klägerin hat insoweit Erfolg, als sie nicht verpflichtet ist, die gegen ihren Ehemann bis Februar 1999 verhängten Säumniszuschläge sowie die ihr in Rechnung gestellten Mahngebühren zu tragen. Im Übrigen haftet sie - wie das LSG zutreffend entschieden hat - als Teilschuldnerin für die Hälfte der Beitragsschulden ihres Ehemannes nebst den sich daraus ab März 1999 ergebenden Säumniszuschlägen.
Die Revision der Beklagten ist nur insoweit erfolgreich, als der sie - formal - belastende Verpflichtungsausspruch des Berufungsurteils zu beseitigen ist. Da die Klägerin sich lediglich gegen die sie belastenden Beitragsbescheide der Beklagten wendet (vgl § 54 Abs 1 SGG), reicht es aus, die betreffenden Verwaltungsakte aufzuheben, soweit sie nicht dem Gesetz entsprechen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1999 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1999, gemäß § 96 SGG auch der Bescheid vom 14. Juni 1999 sowie gemäß § 153 iVm § 96 SGG die Bescheide vom 17. März 2000 und 27. Juli 2000. Danach fordert die Beklagte von der Klägerin ab 1. Januar 1995 die für ihren Ehemann zu zahlenden Beiträge sowie Säumniszuschläge und Mahngebühren, und zwar mit Bescheid vom 25. Februar 1999 Beiträge (7.659 DM) nebst Säumniszuschlägen (1.804 DM) sowie der Klägerin damit in Rechnung gestellte Mahngebühren (10 DM), insgesamt also 9.473 DM, mit Bescheid vom 14. Juni 1999 Beiträge (358 DM) nebst Säumniszuschlägen (235 DM) für die Monate März bis Mai 1999 sowie Beiträge ab Juni 1999 (118 DM/Monat), schließlich mit Bescheiden vom 17. März und 27. Juli 2000 Beiträge ab 1. Januar 2000 (205 DM/Monat) sowie ab 1. August 2000 (342 DM/Monat).
Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2000 gilt nach § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Dieses Gericht hat darüber nach Abschluss des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Rechtsgrundlage für die Beitragstragungspflicht der Klägerin ist § 70 Abs 1 Satz 1 ALG. Nach Halbsatz 1 dieser Bestimmung trägt der Landwirt die Beiträge für die Versicherungspflichtigen. Der Begriff "Landwirt" ist insoweit umfassend zu verstehen, er schließt nicht nur landwirtschaftliche Unternehmer iS von § 1 Abs 2 ALG, sondern grundsätzlich auch deren Ehegatten ein. § 1 Abs 3 ALG sieht dazu vor, dass der Ehegatte eines Landwirts nach Abs 2 als Landwirt gilt, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist. Ein derart weites Verständnis des Landwirtbegriffs in § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG entspricht nicht nur dem Sprachgebrauch des ALG (vgl zB §§ 2, 3, 10, 11 ALG), sondern auch den gesetzgeberischen Vorstellungen. So heißt es in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995), § 70 Abs 1 ALG bestimme, dass "der Landwirt, also auch der nach § 1 Abs 3 Versicherte, den Beitrag trägt" (vgl BR-Drucks 508/93, S 81; ebenso BT-Drucks 12/5700, S 81). Darüber hinaus ist der Entwurfsbegründung zu entnehmen, dass den Ehegatten auf Grund seiner fiktiven Unternehmerstellung auch die rechtlichen Folgen in der AdL genauso treffen sollen wie den Landwirt selbst (vgl BR-Drucks 508/93, S 64; BT-Drucks 12/5700, S 64). Schließlich unterstützt auch ein Vergleich mit der Vorgängervorschrift, also mit § 14 Gesetz über eine Alterssicherung der Landwirte (GAL), diese Auslegung. Danach war ausdrücklich der landwirtschaftliche Unternehmer zur Beitragstragung verpflichtet. Wenn der Gesetzgeber diese Regelung hätte beibehalten wollen, hätte es nahe gelegen, auch in § 70 Abs 1 ALG den Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers zu verwenden.
Nach den Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen einer "Gilt-Landwirtin" nach § 1 Abs 3 ALG. Ihr Ehemann, von dem sie nicht dauernd getrennt lebt, ist landwirtschaftlicher Unternehmer iS von § 1 Abs 2 ALG. Überdies ist sie nach Maßgabe des Rentenversicherungsrechts nicht voll erwerbsgemindert. Auf eine tatsächliche Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen kommt es bei der Fiktion des § 1 Abs 3 ALG nicht an (vgl BSGE 81, 294, 295 f = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 19; BSGE 83, 145 = SozR 3-5868 § 1 Nr 2).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der versicherungsrechtliche Status des Landwirts im Rahmen des § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG unerheblich. Das Gesetz stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht auf einen "versicherten" oder "versicherungspflichtigen" Landwirt ab (vgl dazu zB § 2 Nr 3, §§ 5, 8, 32, 36 Abs 5 ALG). Vielmehr müssen nur die Personen, für die der Landwirt Beiträge zu tragen hat, versicherungspflichtig sein. Dementsprechend ändert die bei der Klägerin gemäß § 3 ALG ab 1. Januar 1995 erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht (Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 1995) und die Feststellung des LSG, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt als Angestellte außerhalb des landwirtschaftlichen Unternehmens ihres Ehegatten verdient, an ihrer Eigenschaft als Landwirtin nichts. Denn der Status des Landwirts bleibt für denjenigen, der von der Versicherungspflicht befreit wird, für die Zeit der Befreiung bestehen. Nur die an die Versicherungspflicht geknüpften Rechtsfolgen sind für diese Zeit suspendiert, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Betroffen ist davon insbesondere die eigene Beitragspflicht zur AdL, nicht jedoch die Pflicht zur Beitragstragung für die im landwirtschaftlichen Unternehmen tätigen Versicherungspflichtigen. Wäre es anders, dann würde es an einem Beitragsschuldner für nach § 1 Abs 1 Nr 2, Abs 8 ALG versicherte mitarbeitende Familienangehörige fehlen, wenn sich der betreffende Landwirt und ggf auch sein Ehegatte ("Gilt-Landwirt") gemäß § 3 ALG haben befreien lassen.
Zwar hat demnach - neben ihrem Ehemann - auch die Klägerin die für diesen zu zahlenden Beiträge zu tragen. Es trifft sie jedoch - entgegen der Annahme der Beklagten - keine (verschärfte) gesamtschuldnerische Haftung. Eine solche folgt insbesondere nicht aus § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG. Darin ist bestimmt: Sind beide Ehegatten versichert, haften sie gesamtschuldnerisch. Da die gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten mithin davon abhängt, ob beide "versichert sind", ist vorrangig dieses Tatbestandsmerkmal zu klären.
Was den Wortlaut anbelangt, so ist von Bedeutung, dass § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG nicht allgemein auf eine Versicherteneigenschaft, sondern auf ein Versichertsein abstellt. Daraus ergibt sich, dass eine bloße Zugehörigkeit zu dem nach dem ALG versicherten Personenkreis (vgl die Überschrift vor § 1 ALG; allgemein dazu auch § 2 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ≪SGB IV≫) nicht unbedingt ausreicht. Wenn das ALG in einzelnen Vorschriften voraussetzt, dass bestimmte Personen versichert bzw versicherungspflichtig "sind" oder "waren", so meint es damit vielmehr regelmäßig ein tatsächliches, aktuelles Versichertsein (vgl zB § 2 Nr 3, § 4 Abs 1 Nr 1, § 5, § 36 Abs 5 ALG). Dies spricht dafür, dass auch im Rahmen des § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG das Bestehen eines "latenten Versicherungsverhältnisses" (vgl zB BSG SozR 3-5868 § 2 Nr 1 S 4 f), wie es im Falle der Klägerin auf Grund ihrer nach § 3 ALG erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegt, nicht ausreicht.
Hinzukommt, dass auch ein Vergleich des Textes der Halbsätze 1 und 2 des § 70 Abs 1 Satz 1 ALG eine solche Auslegung nahe legt. Da bereits mit dem Status eines Landwirts eine grundsätzliche Versicherungspflicht und damit auch im Falle einer Befreiung nach § 3 ALG ein latentes Versicherungsverhältnis verbunden ist, wäre es für den Gesetzgeber konsequent gewesen, zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung von Ehegatten an den in Halbsatz 1 verwendeten Landwirtbegriff anzuknüpfen, wenn er eine allgemeine Zugehörigkeit zum versicherten Personenkreis hätte ausreichen lassen wollen. Indem er in Halbsatz 2 hingegen ein Versichertsein verlangt, hat er damit offenbar ein weiter gehendes Erfordernis iS einer aktuell bestehenden Versicherung aufstellen wollen (vgl allgemein dazu auch Senatsurteil vom 7. Dezember 2000, SozR 3-5868 § 85 Nr 5 S 32).
Die von der Beklagten aus dem Sinn und Zweck des ALG hergeleiteten Argumente zu Gunsten eines weiten Verständnisses des in § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG geforderten Versichertseins reichen nicht aus, um eine gesamtschuldnerische Haftung von nach § 3 ALG befreiten Landwirten zu begründen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein derartiger Landwirt nach § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG ohnehin (mit) zur Beitragstragung verpflichtet ist. Eine weiter gehende Haftung dieses Personenkreises ist nicht so dringend geboten, dass es sich rechtfertigen ließe, von dem sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergebenden Auslegungsbefund aus Zweckmäßigkeitserwägungen abzuweichen. Wie der vorliegende Fall zeigt, wird die Haftungsfrage regelmäßig erst dann relevant, wenn der versicherungspflichtige Landwirt nicht in der Lage ist, die geschuldeten Beiträge zu zahlen und der mit ihm verheiratete befreite Landwirt nicht bereit ist, freiwillig in voller Höhe für diese Beiträge aufzukommen. Zwar steht damit für den versicherungspflichtigen Landwirt der Schutz durch die AdL auf dem Spiel, auch entspricht es sicher der Interessenlage der Beklagten, dann den Ehegatten voll in Anspruch nehmen zu können, gleichwohl hält es der Senat für angebracht, an dem von Wortlaut und Gesetzessystematik nahe gelegten engen Verständnis des Tatbestandsmerkmals "sind versichert" festzuhalten. Dafür spricht der nicht nur für Verwaltungsakte und autonome Satzungen bedeutsame Bestimmtheitsgrundsatz (vgl dazu BSG SozR 2200 § 324 Nr 2 S 2 f). Das Erfordernis einer hinreichenden Klarheit von Normen gilt auch für gesetzliche Vorschriften (vgl zB Senatsurteil vom 17. August 2000, BSGE 87, 66 = SozR 3-5868 § 92 Nr 1 S 1, 7, 9). Insbesondere muss der Gesetzgeber dann, wenn er Bürgern Pflichten auferlegt, seinen entsprechenden Willen im Wortlaut der Vorschrift deutlich erkennbar zum Ausdruck bringen. Ist das nicht der Fall und lassen sich auch aus Gesetzessystematik und Gesetzeszweck keine eindeutigen Regelungsabsichten des Gesetzgebers entnehmen, ist von der den Bürger weniger belastenden Auslegung auszugehen. Hier lässt die Regelung des § 70 Abs 1 Satz 1 ALG auch unter Berücksichtigung von Gesetzessystematik und Gesetzeszweck jedenfalls nicht klar erkennen, dass der Gesetzgeber für Fälle wie den vorliegenden eine gesamtschuldnerische Haftung bestimmen wollte. Hätte er dafür an den Landwirtstatus, insbesondere auch an den des Fiktiv-Landwirts, anknüpfen wollen, hätte er den Gesetzestext entsprechend formulieren müssen. Das ist aber gerade nicht geschehen. Bei dieser Sachlage verdient die die Klägerin weniger belastende Auslegung der Vorschrift den Vorzug. Das bedeutet, dass sie, die infolge ihrer Befreiung von der eigenen Beitragspflicht zur AdL nicht aktuell versichert ist, für die von ihrem Ehemann geschuldeten Beiträge nicht gemäß § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 ALG gesamtschuldnerisch haftet.
Da keine andere rechtliche Konstellation, wie zB eine gesellschaftsrechtliche, zu erkennen ist, aus der sich eine gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin ergeben könnte, kommt eine solche auch aus einem anderen Rechtsgrund nicht in Betracht.
Das LSG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin ohne Rücksicht auf ihren ehelichen Güterstand grundsätzlich die Hälfte der Beitragsschulden ihres Ehemannes zu tragen hat. Insoweit ist nämlich der in § 420 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke heranzuziehen. Darin heißt es ua: Schulden mehrere eine teilbare Leistung, so ist im Zweifel jeder Schuldner nur zu einem gleichen Anteile verpflichtet. Diese Bestimmung behandelt den Fall, dass mehrere Schuldner in Verbindung miteinander dasselbe teilbare, aber doch einheitliche Interesse eines Gläubigers nach Teilen befriedigen sollen (vgl Selb in Münchner Komm, BGB, 1994, § 420 RdNr 1). Für ein Schuldverhältnis ist entweder eine rechtsgeschäftliche oder eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Rechtsgrund für die Annahme eines Teilschuldverhältnisses ist hier die Haftungsregelung des § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Leistungsgegenstand teilen lässt. Geldschulden (hier Beiträge zur AdL) sind als Gattungsschulden grundsätzlich teilbar (so bereits BGHZ 52, 99, 103), denn sie lassen sich ohne Änderung ihres Wesens und Wertes in gleichartige Teile zerlegen. Da im vorliegenden Fall zwei Landwirte (die Klägerin und ihr Ehemann) beitragstragungspflichtig sind, folgt daraus, dass die Beklagte die Hälfte der geschuldeten Beiträge von der Klägerin einfordern kann. In diesem Umfang haben die angefochtenen Bescheide mithin Bestand. Soweit die Klägerin geltend macht, die hier streitigen, für die Zeit ab Januar 1995 geschuldeten Beiträge seien verjährt, übersieht sie zum einen, dass Beiträge gemäß § 25 Abs 1 SGB IV erst in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig werden, und zum anderen, dass durch den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1999 eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist (vgl § 25 Abs 2 SGB IV iVm § 52 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫).
Die Klägerin muss auch diejenigen Säumniszuschläge tragen, die sich aus der Nichtzahlung der sie treffenden Beitragsschuld ergeben. Die Beklagte hat gegenüber einem Beitragsschuldner, hier also gegenüber der Klägerin als Teilschuldnerin, neben den eigentlichen Beitragsforderungen auch Anspruch auf Säumniszuschläge. Dies folgt aus § 24 SGB IV. Nach Abs 1 dieser Vorschrift hat der Zahlungspflichtige für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 100 DM (nunmehr 50 ) abgerundeten Betrags zu leisten. Aus § 24 Abs 2 SGB IV ergibt sich hier allerdings, dass von der Klägerin für die Vergangenheit, dh die Zeit von Januar 1995 bis Februar 1999, keine Säumniszuschläge (ein Betrag von 1.804 DM) zu leisten sind; denn erst durch den Bescheid vom 25. Februar 1999 wurde ihr gegenüber eine Beitragsforderung festgestellt. Außerdem ist nach den Umständen des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht hatte. Die Beklagte war nämlich über lange Jahre wegen der Beitragsforderungen ausschließlich gegen den Ehemann der Klägerin vorgegangen. Im Übrigen war die Rechtslage - wie der Gerichtsbescheid des SG zeigt - weitgehend ungeklärt.
Die ihr mit Bescheid vom 25. Februar 1999 von der Beklagten in Rechnung gestellten Mahngebühren (10 DM) braucht die Klägerin ebenfalls nicht zu zahlen. Nach § 66 Abs 4 Satz 2 SGB X (und wohl auch nach ihrer Satzung) hat die Beklagte grundsätzlich das Recht, Mahngebühren zu erheben. Das gilt jedoch nur gegenüber in Verzug befindlichen Schuldnern. Dazu zählte die Klägerin im Zeitpunkt des Zuganges des Bescheides vom 25. Februar 1999 nicht. Dieser Verwaltungsakt hat nicht den Charakter einer Mahnung (vgl § 284 BGB, jetzt § 286 BGB). Er hat vielmehr erstmals eine Haftung der Klägerin für Beitragsschulden ihres Ehemannes gemäß § 70 Abs 1 Satz 1 ALG festgestellt.
Einer Beiladung des Ehemannes der Klägerin zum vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 75 Abs 2 SGG bedurfte es nicht. Voraussetzung für eine notwendige Beiladung ist, dass die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis in die Rechtssphäre eines Dritten derart eingreift, dass sie ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Notwendig ist eine Identität des Streitgegenstandes (vgl Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 7. Aufl 2002, § 75 RdNr 10, 10a mwN). Das ist hier nicht der Fall, denn die Klägerin haftet für die Schulden ihres Ehemannes gesondert von diesem lediglich als Teilschuldnerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen