Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 1991 aufgehoben, soweit es den Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit und die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens betrifft.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision des Klägers als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1941 geborene Kläger hat den Beruf des Maurers erlernt (Gesellenbrief vom 23. April 1959) und ihn bis 1967 ausgeübt. Danach war er bis 1980 als Staplerfahrer, Lager- und Transportarbeiter sowie als Fräser von Brillenteilen aus Kunststoff tätig. Von Oktober 1980 bis September 1984 bezog er Sozialleistungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit. Vom 3. September 1984 bis 30. September 1988 war er bei der Firma Bauunternehmung H. G. …, B. …, beschäftigt. Nach Auskunft dieses Arbeitgebers vom 29. November 1988 war der Kläger dort teilweise als Kranfahrer, Klein-Lkw-Fahrer und Maurer eingesetzt.
Den im September 1988 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 ab, weil weder BU noch EU vorliege. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Karlsruhe vom 29. Mai 1990 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 4. Dezember 1991). Das LSG hatte zur Ermittlung der vom Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeiten den Zeugen H. G. … vernommen. Es stützte seine Entscheidung auf folgende Erwägungen:
Nach den vorliegenden Versicherungsunterlagen der Beklagten sei der Kläger bis zu seiner letzten Tätigkeit bei der Firma G. … (einschließlich der Lehrzeit) insgesamt 135 Monate als Maurer beschäftigt gewesen und dann 157 Monate außerhalb dieses Berufsbereichs. Da er bei der Firma G. … nicht überwiegend als Maurer beschäftigt gewesen sei, müsse aufgrund dieses Berufslebens davon ausgegangen werden, daß er nicht überwiegend in seinem erlernten Beruf als Maurer gearbeitet habe. Daher sei er der Gruppe der Ungelernten zuzuordnen und könne auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Daß der Kläger während seiner letzten Tätigkeit nicht überwiegend als Maurerfacharbeiter eingesetzt gewesen sei, ergebe sich aus der Zeugenaussage des letzten Arbeitgebers, des Zeugen H. G. …. Dieser habe für den Senat glaubhaft und überzeugend dargelegt, daß er den Kläger als Klein-Lkw-Fahrer und Kranführer eingestellt habe. Des weiteren habe der Zeuge bekundet, daß der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, den vollen Anforderungen zu genügen, die an einen Maurerfacharbeiter zu stellen seien, deshalb sei er nur kurzfristig mit Maurerarbeiten beschäftigt worden. Diese Aussagen seien für den Senat glaubhaft und schlüssig. Der Kläger habe nämlich vor seinem Arbeitsantritt bei der Firma G. … bereits 17 Jahre lang nicht mehr als Maurer gearbeitet gehabt und sei bereits – wie sich aus dem Rentenverfahren des Jahres 1981 ergebe – in seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen.
Die Einstufung durch den Arbeitgeber habe einen Indizcharakter bezüglich des qualitativen Wertes der Tätigkeit eines Versicherten. Die Richtigkeit dieser Einschätzung sei im vorliegenden Fall nicht widerlegt worden. Nach seinem eigenen Vortrag sei der Kläger bei einem namentlich genannten Bauvorhaben als Maurer eingesetzt worden. Selbst wenn dies zutreffe, reiche dieser Umstand im Hinblick auf die kurze Dauer von drei Wochen nicht aus und widerlege auch nicht die Aussage des Arbeitgebers, daß der Kläger nicht den an einen Maurerfacharbeiter zu stellenden Anforderungen in ihrer vollen Breite genügt habe. Unter diesen Umständen halte es der Senat auch nicht für erforderlich, praktisch die gesamte Belegschaft der Firma G. … als Zeugen zu der Frage der qualitativen Wertigkeit zu vernehmen. Nachdem der Kläger selbst nicht bestritten habe, entsprechend den Angaben des Zeugen G. … eingestellt worden zu sein und er konkret nur das Bauvorhaben A. … habe nennen können, würde die Vernehmung der genannten Zeugen einem Ausforschungsbeweis entsprechen.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend:
Ausweislich des Sitzungsprotokolles habe er hilfsweise beantragt, die im Schriftsatz vom 28. Oktober 1991 benannten Zeugen zu vernehmen zu dem dortigen Vortrag, daß er während seiner gesamten Beschäftigungszeit ab 1984 mit Maurerfacharbeiten betraut gewesen sei und diese ausgeführt habe. Im dortigen Schriftsatz seien konkrete Bauvorhaben benannt worden, auf welchen er Maurerfacharbeiten durchgeführt habe. Ferner sei in diesem Schriftsatz substantiiert dargelegt worden, daß er nur ab und zu Kran und seit der Jahreswende 1986/1987 überhaupt nicht mehr Lkw gefahren sei, es sei denn, ausnahmsweise als Krankheitsvertretung.
Indem das LSG diesem Beweisantrag nicht stattgegeben habe, habe es gegen die Vorschriften über die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhaltes verstoßen (vgl §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Das LSG hätte sich zu der Vernehmung im Rahmen des Beweisantrittes schon deshalb gedrängt fühlen müssen, weil der Zeuge G. … über seinen tatsächlichen Einsatz auf den Baustellen nichts habe sagen können. Entgegen den Ausführungen des LSG sei der Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen nicht auf einen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen, da er Tatsachen substantiiert unter Beweis gestellt habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 1988 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. September 1988 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Sie vertritt die Ansicht, die Revision des Klägers sei insoweit begründet, als der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden müsse. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichten für eine abschließende Entscheidung, ob der Kläger Berufsschutz genieße, nicht aus.
Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs 2 SGG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit er weiterhin Rente wegen EU begehrt. Hinsichtlich dieses selbständigen Streitgegenstandes fehlt es an einer hinreichenden Revisionsbegründung (vgl § 164 Abs 2 SGG). Der gerügte Verfahrensmangel (Verstoß gegen §§ 103, 106 SGG) bezieht sich allein auf die Verneinung des Berufsschutzes als Facharbeiter, der nur für den Anspruch von Versichertenrente wegen BU von Bedeutung sein kann.
Im übrigen ist die Revision dahingehend begründet, daß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Ob dem Kläger die begehrte BU-Rente zusteht, kann erst aufgrund weiterer Tatsachenfeststellungen beurteilt werden, die der erkennende Senat als Revisionsinstanz nicht selbst vornehmen kann (vgl § 163 SGG). Insbesondere ist der Sachverhalt zur Frage des Berufsschutzes des Klägers weiter aufzuklären.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU richtet sich noch nach § 1246 RVO, da der Rentenantrag bereits im Jahre 1988 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden ist und sich auch auf einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1992 bezieht (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫; dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-200 § 1246 Nr 29 S 102). Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist bei Prüfung der BU Ausgangspunkt der Beurteilung der „bisherige Beruf” des Versicherten (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 107). Dieser ist zuerst zu ermitteln und sodann zu prüfen, ob ihn der Versicherte ohne wesentliche Einschränkung weiterhin ausüben kann. Ist der Versicherte nämlich in seinem Beruf noch ausreichend erwerbsfähig iS des § 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO, so ist er nicht berufsunfähig, ohne daß es auf eine Erwerbsfähigkeit in weiteren sog Verweisungstätigkeiten ankommt (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 126).
Bisheriger Beruf iS des § 1246 Abs 2 RVO ist, wie das BSG in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen hat (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164), in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53,
66). Bei anderen Fallgestaltungen hat das BSG darauf abgehoben, daß als Hauptberuf nicht unbedingt die letzte, sondern diejenige Berufstätigkeit zugrunde zu legen ist, die der Versicherte bei im wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft eine nennenswerte Zeit ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 130 mwN). Zu den Schwierigkeiten, die sich für die Feststellung des bisherigen Berufs bei einem Wechsel von einer qualitativ höherwertigen zu einer geringerwertigen Tätigkeit ergeben, hat das BSG in mehreren Entscheidungen Stellung genommen (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158 mwN).
Aufgrund der berufungsgerichtlichen Feststellungen läßt sich nicht beurteilen, welches der bisherige Beruf des Klägers ist. Das LSG hat ihn nicht als gelernten Maurer angesehen, sondern – ohne nähere Bezeichnung des Berufes – der Gruppe der ungelernten Arbeiter zugeordnet. Soweit das Berufungsgericht dieses Ergebnis aus der Betrachtung des Berufslebens des Klägers bis zur Aufnahme seiner letzten Tätigkeit bei der Firma G. … herzuleiten versucht, kann dem nicht ohne weiters gefolgt werden. Das BSG hat es in seiner Entscheidung vom 27. April 1989 (SozR 2200 § 1246 Nr 165 S 532) letztlich offengelassen, ob bei gelernten Handwerkern, die im Laufe der Zeit häufig ihren Beruf gewechselt haben, für die Ermittlung des Hauptberufes auf das Verhältnis zwischen qualifizierten und unqualifizierten Tätigkeiten während des gesamten Arbeitslebens abgestellt werden kann. Diese Betrachtungsweise mag sich allenfalls dann anbieten, wenn während der letzten Beschäftigung nicht überwiegend Arbeiten verrichtet wurden, die dem erlernten Beruf zugerechnet werden können. Hat der Versicherte dagegen zuletzt seinen erlernten Beruf ausgeübt, ist dieser nach allgemeinen Grundsätzen in der Regel als Hauptberuf zugrunde zu legen, weil diese Tätigkeit dann sicher die qualitativ höchste gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 66). Ferner wäre bei einer Gesamtschau zu prüfen, ob sich der Versicherte jeweils freiwillig von dem erlernten Beruf abgewendet hat (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 165 S 533). Sollten dafür nämlich gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen sein, würde sein Berufsschutz erhalten bleiben (vgl BSGE 2, 182, 187; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO). Auch bei anderen zwingenden Gründen (zB Arbeitsmarktproblemen) kann dies – jedenfalls für eine gewisse Zeit – der Fall sein (vgl zB BSGE 15, 212, 214; 46, 121, 123; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158 S 512 f). Tätigkeiten, die danach den Berufsschutz eines Versicherten nicht zu beeinträchtigen vermochten, können ihm auch bei einer Betrachtung seines gesamten Arbeitslebens nicht zum Nachteil gereichen. Diese Gesichtspunkte hat das LSG – soweit ersichtlich – nicht hinreichend berücksichtigt, indem es ohne nähere Auseinandersetzung mit den erfolgten Berufswechseln dem bloßen zahlenmäßigen Verhältnis der Monate mit und ohne Maurertätigkeit Bedeutung beigemessen hat.
Als weitere Begründung dafür, daß der Kläger zur Gruppe der ungelernten Arbeiter gehöre, hat das LSG angeführt, er sei während seiner letzten Tätigkeit nicht überwiegend als Maurer eingesetzt gewesen. Diese Tatsachenfeststellung kann der Senat schon deshalb nicht zugrunde legen, weil sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist. Insofern greift die Rüge des Klägers durch, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG verletzt. Dabei war die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen zur letzten Tätigkeit des Klägers allein nach der materiellen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu beurteilen. Jedenfalls konnte das LSG den Beweisantrag des Klägers nicht mit der Begründung übergehen, er laufe auf einen Ausforschungsbeweis hinaus. Denn auch ein etwa nicht prozeßordnungsgerechter Beweisantrag bewirkt keine Beschränkung des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl §§ 103, 106 SGG; allgemein auch BSG, Urteil vom 20. August 1964 – 8 RV 373/63 –).
Das LSG hat sich bei der Beurteilung des Inhaltes der letzten Tätigkeit des Klägers ausschließlich auf die Zeugenaussage des ehemaligen Arbeitgebers gestützt. Dies reichte nicht aus. Vielmehr hätte sich das Berufungsgericht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Wie der Kläger zutreffend dargelegt hat, war die Aussage des Zeugen H. G. … in den entscheidenden Punkten lückenhaft. So hat er insbesondere eingeräumt, daß er nicht angeben könne, inwieweit der Kläger – abweichend von den bei der Einstellung zugrunde gelegten Bedingungen – in der Folgezeit tatsächlich Maurerarbeiten ausgeübt habe. Für den Einsatz des Klägers seien die sog Kapos zuständig gewesen. Auch seine Angabe, der Kläger sei bei ihm Lkw- und Kranfahrer gewesen und habe nur gemauert, wenn es einmal dringend erforderlich gewesen sei, hat der Zeuge mit der Einschränkung verbunden, an weiteres könne er sich nicht erinnern. Dem Umfang der Maurertätigkeit des Klägers im Verhältnis zu anderen Verrichtungen vermochte der Zeuge also nicht näher zu bestimmen. Unter diesen Umständen wäre das LSG gehalten gewesen, insbesondere dem mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1991 eingeführten Sachvortrag des Klägers zu seinem Einsatz als Maurer auf bestimmten Baustellen nachzugehen und gegebenenfalls die insoweit vom Kläger benannten Zeugen zu vernehmen (insbesondere diejenigen Arbeitnehmer der Firma G. …, die damals als Vorarbeiter ≪”Kapos”≫ für den Arbeitseinsatz des Klägers verantwortlich gewesen sind).
Bei seiner erneuten Behandlung des vorliegenden Falles wird das LSG die somit noch fehlenden Ermittlungen nachholen müssen. Zum weiteren Vorgehen gibt der erkennende Senat noch folgende Hinweise:
Nach konkreter Feststellung des bisherigen Berufes des Klägers, wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob der Kläger diesen angesichts seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann. Erst wenn diese Frage zu verneinen ist, müßte nach einer geeigneten Verweisungstätigkeit gesucht werden. Deren soziale Zumutbarkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs, da der Versicherte im Rahmen des § 1246 RVO nur einen gewissen beruflichen Abstieg hinzunehmen hat.
Zur Erleichterung der Bewertung des bisherigen Berufs hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zu Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde (vgl zB BSGE 55, 45, 46 f). Dementsprechend werden die Gruppen von oben nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert:
- Vorarbeiter mit Vorgesetzenfunktion/besonders hoch qualifizierter Facharbeiter,
- Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren),
- angelernter Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und - ungelernter Arbeiter.
Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Raster erfolgt nicht ausschließlich nach der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend sind vielmehr die Qualifikationsanforderungen der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt also auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale umschrieben wird.
Als gelernter Maurer ist der Kläger ohne weiteres in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen, wenn er zuletzt überwiegend Maurerarbeiten verrichtet hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er den an einen Maurerfacharbeiter zu stellenden Anforderungen noch in voller Breite genügte. Das damit angesprochene Merkmal der „Wettbewerbsfähigkeit” ist vom BSG entwickelt worden, um Versicherte ohne abgeschlossene Berufsausbildung dann den gelernten Facharbeitern gleichstellen zu können, wenn sie über diejenigen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügen, die von einem Facharbeiter gemeinhin erwartet werden (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 168 S 540 ff). Bei einem gelernten Facharbeiter ist es hingegen grundsätzlich unschädlich, wenn er zuletzt nur in einem Teilbereich seines Fachgebietes tätig gewesen ist. Allerdings muß die verrichtete Tätigkeit ihrer Art nach eine Facharbeitertätigkeit gewesen sein. Nur, wenn der Kläger wegen seiner langjährigen fachfremden Beschäftigung seine erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten als Maurer so sehr verloren hatte, daß er einen Großteil typischer Maurerarbeiten nicht mehr selbständig verrichten konnte und tatsächlich auch nicht verrichtet hat, wäre dies seinem Berufsschutz als Facharbeiter abträglich (vgl dazu allgem BSG SozR 2200 § 1246 Nr 100). Ob das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in fachlicher Hinsicht derart eingeschränkt war, wird das LSG nicht allein auf der Grundlage der entsprechenden Aussage des früheren Arbeitgebers entscheiden können, da dieser nach eigenen Angaben keinen vollen Überblick über den Arbeitseinsatz des Klägers in seiner Firma hatte.
Sollte der Kläger zuletzt nicht überwiegend Maurerarbeiten verrichtet haben, wäre weiter zu prüfen, wie die daneben geleisteten Arbeiten als Klein-Lkw-Fahrer und Kranführer zu bewerten sind. Auch wenn es sich dabei nicht um Ausbildungsberufe handelt, könnte ein Berufsschutz des Klägers als Facharbeiter in Betracht kommen, wenn sich aus dem einschlägigen Tarifvertrag eine Gleichstellung der verrichteten Tätigkeiten mit Facharbeiterberufen ablesen läßt (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13, 14). Dies könnte insbesondere bei dem Beruf des Kranführers der Fall sein (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 99). Dementsprechend müßte das LSG die Einstufung des bisherigen Berufes des Klägers nach dem damals geltenden Tarifvertrag untersuchen. Dabei kann auch die tarifliche Eingruppierung durch den letzten Arbeitgeber von Bedeutung sein. Diese ist nämlich nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich ein Indiz für den Qualitätsgrad der geleisteten Arbeit (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14 S 55 f). Da diese Annahme widerlegbar ist, haben jedenfalls eindeutig unzutreffende Eingruppierungen im Rahmen des § 1246 Abs 2 RVO unberücksichtigt zu bleiben. In solchen Fällen spricht viel dafür, die zutreffende Eingruppierung nach dem einschlägigen Tarifvertrag zugrunde zu legen (vgl Senatsurteil vom 17. Juni 1993 – 13 RJ 23/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wenn der Kläger aufgrund der noch durchzuführenden Sachaufklärung nicht als Facharbeiter anzusehen ist, kommt jedenfalls eine Einstufung als angelernter Arbeiter in Betracht. Für diese Beurteilung wäre wiederum der einschlägige Tarifvertrag heranzuziehen.
Je nach dem Ergebnis der Bewertung des bisherigen Berufes müßte das LSG dann eine geeignete Verweisungstätigkeit für den Kläger ermitteln. Einem Facharbeiter sind insofern nur Tätigkeiten sozial zuzumuten, die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17 S 65 f). Auch wenn der Kläger einem Angelernten im oberen Bereich gleichzuerachten wäre, hätte dies auf die Ermittlung und Benennung einer Verweisungstätigkeit Auswirkungen, denen das LSG Rechnung tragen müßte (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143 S 473). Darüber hinaus kommt es darauf an, ob der Kläger die betreffende Tätigkeit von seinen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten sowie von seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen her ausüben kann. Dies wäre gegebenenfalls mit Hilfe von berufskundlichen und medizinischen Sachverständigengutachten festzustellen (vgl dazu Senatsurteil vom 17. Juni 1993 – 13 RJ 33/92 –).
Das LSG wird auch über die gesamten Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben. Obwohl die Revision nur im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg hat, soweit es um den Anspruch des Klägers auf Rente wegen BU geht, war die Kostenentscheidung des LSG ganz aufzuheben. Wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens in welchem Umfang zu tragen hat, hängt nämlich vom Ausgang des gesamten Rechtsstreits ab (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201).
Fundstellen