Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegegeld nach § 57 SGB 5. Fälligkeit. Monatsanfang. Beachtung. Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 96 SGG. Ermessen. Krankenkasse. Anrechnung des Pflegegeldes
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit wird jeweils am Anfang eines Kalendermonats fällig.
Orientierungssatz
1. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 96 SGG im Revisionsverfahren ist grundsätzlich nur auf eine entsprechende Rüge hin zu beachten (Festhaltung an BSG vom 22.9.1981 - 1 RA 31/80 = SozR 1500 § 53 Nr 2). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das LSG die im Folgebescheid von der Beklagten getroffene Verfügung konkludent in seine Entscheidung einbezogen hat, indem es von einer fortlaufenden Leistungsgewährung iS einer stillschweigenden Leistungsbewilligung ausgegangen ist und lediglich den Folgebescheid nicht ausdrücklich erwähnt.
2. Mit der Formulierung "auf Antrag der schwerpflegebedürftigen Versicherten kann die Krankenkasse (KK) anstelle der häuslichen Pflegehilfe einen Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat zahlen" wird der KK lediglich insoweit Ermessen eingeräumt, als sie unter Beachtung der Interessenlage des Versicherten zwischen der häuslichen Pflege als Sachleistung (§ 55 SGB 5) und der als Surrogat gedachten Geldleistung wählen kann (vgl BSG vom 9.3.1994 - 3/1 RK 12/93 = SozR 3-2500 § 53 Nr 6). Ein Ermessen über den Zahlungsmodus des Pflegegeldes steht daher nicht im Ermessen der KK.
3. Die Vorschrift des § 57 Abs 3 SGB 5 stellt eine Rechtsgrundlage für Kürzungen der Geldleistung dar. Dies läßt aber nicht den Schluß zu, daß das Ausbleiben des Entfallens von Leistungsvoraussetzungen bis zum Ablauf eines Kalendermonats selbst wiederum Anspruchsvoraussetzung ist und der Anspruch auf das Pflegegeld demgemäß erst nach Ablauf eines Kalendermonats entsteht.
4. Auch der Umstand, daß in § 69 Abs 3 S 4 BSHG und in § 35 Abs 3 BVG eine (zumindest teilweise) Anrechnung des Pflegegeldes angeordnet wird, spricht dagegen, daß der Gesetzgeber von einer Fälligkeit des Pflegegeldes erst nach Ablauf des Kalendermonats ausgegangen ist.
Normenkette
SGB V § 57 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20, § 53 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20; SGB I § 41 Fassung: 1975-12-11, § 40 Abs. 1 Fassung: 1975-12-11; SGG § 96; BSHG § 69 Abs. 3 S. 4 Fassung: 1991-01-10; BVG § 35 Abs. 3 Fassung: 1990-03-23, § 66 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1982-01-22; SGB V § 57 Abs. 3 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Geldleistung nach § 57 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) - sog Pflegegeld - jeweils zu Beginn oder nach Ablauf eines Kalendermonats zu zahlen ist.
Die Klägerin erhält von der beklagten Krankenkasse (KK) seit Beginn des Jahres 1991 Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit. Bereits im Bewilligungsbescheid (vom 22./23. April 1991) hatte die Beklagte erklärt, die Geldleistung werde jeweils nach Ablauf des Kalendermonats auf das Konto der Klägerin überwiesen. Neben dem Pflegegeld nach § 57 SGB V erhält die Klägerin Pflegegeld nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), das vom Sozialamt monatlich im voraus gezahlt wird. Das Sozialamt rechnet 200,00 DM des von der Beklagten gezahlten Pflegegeldes auf die Leistungen nach dem BSHG an. Im Juli 1991 beanstandete die Klägerin bei der Beklagten die nachträgliche Zahlung der Leistung. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. Juli 1991 eine Zahlung des Pflegegeldes zu Beginn eines jeden Kalendermonats unter Hinweis auf eine entsprechende Empfehlung der Spitzenverbände der Krankenkassen ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1991). Das Sozialgericht (SG) Köln hat der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil vom 28. September 1992 stattgegeben. Seiner Auffassung nach wird das Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit gemäß § 41 iVm § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) jeweils am Anfang eines Kalendermonats fällig; § 57 Abs 3 SGB V enthalte keine hiervon abweichende Regelung der Fälligkeit. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 3. August 1993 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, anders als vom SG angenommen enthalte § 57 SGB V noch die zusätzliche Voraussetzung, daß im Verlaufe eines Monats tatsächlich Pflegeleistungen durch eine Pflegeperson erbracht worden seien. Hieraus folge, daß der Anspruch frühestens mit Ablauf eines jeden Pflegetages entstehen könne. Da das Pflegegeld als "Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat" zu zahlen sei, trete die Fälligkeit erst mit Ablauf des Kalendermonats ein.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 57 SGB V iVm §§ 40, 41 SGB I.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. August 1993 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 28. September 1992 zurückzuweisen und den Bescheid vom 14. Juni 1993 aufzuheben, soweit er die Entscheidung über die Zahlungsweise auf die nicht ihm bewilligte Fortzahlung der Leistung erstreckt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. August 1993 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Notwendigkeit eines vor Klageerhebung durchgeführten Vorverfahrens (§ 78 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die Beklagte hat schon im Bescheid vom 22./23. April 1991, mit dem sie der Klägerin einen Geldbetrag in Höhe von monatlich 400,00 DM wegen des Vorliegens von Schwerpflegebedürftigkeit iS von § 53 Abs 1 SGB V (sog Pflegegeld) gewährte, über den Zeitpunkt der Zahlung dieser Leistung entschieden ("jeweils nach Ablauf des Kalendermonats, für den die Leistung bestimmt ist"). Dieser Bescheid ist von der Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist nicht angegriffen worden. Die von der Klägerin im Juli 1991 erhobene Beanstandung des Zahlungszeitpunktes hat die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 22./23. April 1991 sachlich beschieden, ohne auf die Versäumung der Widerspruchsfrist einzugehen. Die in den §§ 78, 87 SGG enthaltenen Sachurteilsvoraussetzungen sind durch die rechtzeitige Klageerhebung erfüllt. Daß der Bescheid vom 22./23. April 1991 im Juli 1991 mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs nicht mehr anfechtbar war, ist für die Zulässigkeit der Klage dagegen nicht erheblich (vgl BSG SozR 1500 § 87 Nr 5; BSGE 49, 85, 87).
Die Beklagte hat das Pflegegeld mit dem Bescheid vom 22./23. April 1991 befristet bis zum 31. März 1992 gewährt. Der im angefochtenen Bescheid geregelte Leistungszeitraum war bereits vor Erlaß des zweitinstanzlichen Urteils abgelaufen. Den im Verlauf des Berufungsverfahrens erlassenen Bescheid vom 14. Juni 1993, mit dem die Beklagte die Leistung des Pflegegeldes verlängert hat und der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, hat das LSG in seinem Urteil nicht ausdrücklich erwähnt.
Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, daß ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 96 SGG im Revisionsverfahren grundsätzlich nur auf eine entsprechende Rüge hin zu beachten ist (vgl BSG SozR 1500 § 53 Nr 2), an der es hier fehlt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das LSG die im Folgebescheid von der Beklagten getroffene Verfügung konkludent in seine Entscheidung einbezogen hat, indem es - wie hier - von einer fortlaufenden Leistungsgewährung iS einer stillschweigenden Leistungsbewilligung ausgegangen ist und lediglich den Folgebescheid nicht ausdrücklich erwähnt.
Nach dem Ablauf der Geltungsdauer des Bescheides vom 22./23. April 1991 bestand für die Klägerin im Hinblick auf die zurückliegenden Zahlungen des Pflegegeldes kein Interesse mehr an einer Entscheidung über den Zeitpunkt der Zahlung. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin kann sich daher nur aus dem Folgebescheid vom 14. Juni 1993 ergeben, mit dem die Beklagte die Leistungsdauer bis zu einem Zeitpunkt nach dem Abschluß des Revisionsverfahrens verlängert hat. Das LSG hat im Ergebnis die im Folgebescheid von der Beklagten getroffene Verfügung der Fortzahlung des Pflegegeldes entnommen und konkludent in seine Entscheidung einbezogen. Der Folgebescheid vom 14. Juni 1993 war deshalb, zumindest was seinen Regelungsinhalt betrifft, bereits Gegenstand des Berufungsurteils. In einem derartigen Fall hat das Revisionsgericht von Amts wegen über das rechtliche Schicksal des Folgebescheides zu befinden, auch wenn das Berufungsgericht diesen im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt hat. Dieser Bescheid war daher in der Urteilsformel aufzuheben, soweit er rechtswidrig ist.
2. Das nach § 57 Abs 1 SGB V anstelle der häuslichen Pflegehilfe zu zahlende Pflegegeld ist jeweils zu Beginn eines Kalendermonats fällig.
Gemäß § 41 SGB I werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs keine Regelung enthalten. Die Vorschriften des SGB V über Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit enthalten zur Fälligkeit oder zum Zahlungsmodus des Pflegegeldes keine besondere Regelung. Das LSG hat deshalb zutreffend auf die allgemeine Regelung in § 41 SGB I iVm § 40 Abs 1 SGB I abgestellt. Danach hängt die Fälligkeit des Pflegegeldes davon ab, wann die in § 57 SGB V genannten Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die besondere Regelung der Fälligkeit von Ermessensleistungen (§ 41 iVm § 40 Abs 2 SGB I) greift dagegen nicht ein. Mit der Formulierung "auf Antrag der schwerpflegebedürftigen Versicherten kann die Krankenkasse anstelle der häuslichen Pflegehilfe einen Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat zahlen" wird der KK lediglich insoweit Ermessen eingeräumt, als sie unter Beachtung der Interessenlage des Versicherten zwischen der häuslichen Pflege als Sachleistung (§ 55 SGB V) und der als Surrogat gedachten Geldleistung wählen kann (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 9. März 1994, 3/1 RK 12/93). Die beklagte hat in den Bewilligungsbescheiden von ihrem Auswahlermessen für den jeweils geregelten Bezugszeitraum Gebrauch gemacht. Ihre Bescheide können nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß die Ermessensausübung jeweils am Monatsende für den abgelaufenen Monat erfolgen solle. Es war deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob die KK das Pflegegeld abschnittsweise jeweils für den vorangegangenen Monat hätte bewilligen dürfen. Denn eine monatliche Bescheiderteilung war nicht vorgesehen und ist tatsächlich auch nicht erfolgt. Hat die KK jedoch durch Bewilligung der Geldleistung für einen längeren Zeitraum von ihrem Auswahlermessen Gebrauch gemacht, so steht ihr hinsichtlich der weiteren Abwicklung der Leistungsbeziehung zum Versicherten kein Ermessen zu, solange sich die bei der Ausübung des Ermessens maßgebende Sachlage (vor allem die Pflegesituation des Versicherten) nicht ändert. Das Gesetz enthält keine Hinweise dafür, daß der Zahlungsmodus des Pflegegeldes im Ermessen der KK steht (aA: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 57 RdNr 20, ohne Begründung). Dies schließt auch die Annahme aus, der KK stehe es frei, den Zeitpunkt der Zahlung des Pflegegeldes im Leistungsbescheid als Nebenbestimmung zu regeln. Da das Pflegegeld, nachdem die KK sich für diese Leistungsart entschieden hat, eine Anspruchsleistung darstellt, verstößt eine Nebenbestimmung über den Zahlungszeitpunkt gegen § 32 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte durfte den Zahlungszeitpunkt durch eine Nebenbestimmung im Leistungsbescheid nicht abweichend vom Gesetz regeln.
Die nach § 41 iVm § 40 Abs 1 SGB I für die Fälligkeit des Pflegegeldes maßgebende Voraussetzung besteht nach § 57 SGB V allein darin, daß der Schwerpflegebedürftige die Pflege durch eine Pflegeperson in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang selbst sicherstellen kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist von der KK dann festzustellen, wenn der schwerpflegebedürftige Versicherte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Wird von vornherein nur die Geldleistung beantragt, so ist zeitgleich mit der Feststellung der Schwerpflegebedürftigkeit auch über die Sicherstellung der Pflege durch selbstbeschaffte Pflegepersonen iS einer Prognose zu entscheiden (so auch die Begründung des RegE zu § 33 Sozialgesetzbuch Elftes Buch ≪SGB XI≫, - Soziale Pflegeversicherung -, BT-Drucks 12/5262 zu § 33).
Das LSG ist mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, SGB V, § 57 RdNr 2; Schellhorn in: von Maydell, Gemeinschaftskommentar SGB V, § 57 RdNr 5; Zipperer in: Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, § 57 RdNr 16, § 56 RdNr 26) zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Pflegegeld neben dem Vorliegen von Schwerpflegebedürftigkeit und der die Sicherstellung der Pflege betreffenden Prognose noch voraussetze, daß von der vom Versicherten selbst beschafften Pflegeperson tatsächlich eine Pflegeleistung erbracht wird. Diese Voraussetzung liege erst nach Ablauf eines Pflegetages vor. Nach § 41 SGB I werde deshalb das Pflegegeld nach Ablauf des Tages fällig, an dem die Pflegeleistung erbracht worden sei. Dem täglichen Entstehen des Pflegegeldanspruchs stehe jedoch entgegen, daß die Geldleistung nach § 57 SGB V als "Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat" zu zahlen sei. Hieraus folge, daß das Pflegegeld erst nach Ablauf eines Kalendermonats fällig werde.
Die tatsächliche Erbringung einer Pflegeleistung ist in § 57 SGB V jedoch nicht als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung enthalten (so auch: Kesselheim in: Hauck/Haines, SGB V, § 57 RdNr 6). Sie kann insbesondere nicht der Regelung in § 57 Abs 3 SGB V entnommen werden, wie dies im Schrifttum teilweise (vgl Krauskopf und Zipperer, aaO) anklingt. Nach § 57 Abs 3 SGB V ist der Geldbetrag entsprechend zu mindern, wenn der Anspruch nach Abs 1 nicht für den gesamten Kalendermonat besteht. Dies bedeutet nur, daß der Geldbetrag von 400,00 DM für solche Monate nicht in voller Höhe, sondern nur anteilig zu zahlen ist, in deren Verlauf die in Abs 1 genannten Voraussetzungen erst eingetreten oder wieder entfallen sind. Für den Fall des nachträglichen Wegfalls von Leistungsvoraussetzungen im Verlauf eines Kalendermonats, etwa wegen der zwischenzeitlichen Inanspruchnahme von häuslicher Pflege als Sachleistung (§ 55 SGB V) oder von Verhinderungspflege (§ 56 SGB V), stellt § 57 Abs 3 SGB V eine Rechtsgrundlage für Kürzungen der Geldleistung dar. Dies läßt aber nicht den Schluß zu, daß das Ausbleiben des Entfallens von Leistungsvoraussetzungen bis zum Ablauf eines Kalendermonats selbst wiederum Anspruchsvoraussetzung ist und der Anspruch auf das Pflegegeld demgemäß erst nach Ablauf eines Kalendermonats entsteht.
§ 57 Abs 3 SGB V regelt die Anspruchshöhe, nicht aber die Fälligkeit des Pflegegeldes. Das Sachleistungssurrogat Pflegegeld ist für den Fall, daß der Schwerpflegebedürftige seine Pflege durch selbstbeschaffte Pflegepersonen sicherstellen kann, als periodisch wiederkehrende Dauerleistung konzipiert. Die Regelung in § 57 Abs 3 SGB V stellt in diesem Zusammenhang lediglich klar, daß die Geldleistung dann nicht in voller Höhe beansprucht werden kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht während des gesamten Kalendermonats vorliegen; etwa wenn der Hilfebedarf des Versicherten geringer wird oder die Prognose hinsichtlich der Sicherstellung der Pflege sich als unzutreffend erweist. Sie legt dagegen nicht fest, ob der Geldbetrag erst nach Ablauf eines Monats entsprechend gekürzt auszuzahlen ist, ob eine Verrechnung mit nachfolgenden monatlichen Zahlungen erfolgen soll oder die KK ggf überzahlte Beträge zurückfordern kann. Nimmt der Berechtigte im Verlauf eines Kalendermonats häusliche Pflegehilfe oder Leistungen bei Krankheit (insbesondere häusliche oder stationäre Krankenpflege) in Anspruch, so könnte der das Pflegegeld bewilligende Bescheid ggf gem § 48 Abs 1 Nr 3 SGB X für den entsprechenden Zeitraum aufgehoben werden, falls die andere Leistung die gleichzeitige Gewährung von Pflegegeld ausschließt. Die Anwendung des § 48 SGB X führt auch dann zu sachgerechten Ergebnissen, wenn in den nachfolgenden Fallgestaltungen ein Wegfall des Anspruchs angenommen wird.
§ 57 Abs 1 SGB V ("... kann die KK 'anstelle' der häuslichen Pflegehilfe einen Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat zahlen") spricht dafür, daß häusliche Pflegehilfe als Sachleistung und Pflegegeld für denselben Zeitabschnitt nur alternativ beansprucht werden können. Dies kommt im SGB XI noch deutlicher zum Ausdruck. Nach § 38 SGB XI erhält der Pflegebedürftige ein anteiliges Pflegegeld, wenn er die häusliche Pflegehilfe als Sachleistung nur teilweise in Anspruch nimmt. Ob auch die Leistungen der häuslichen und stationären Krankenpflege die zeitgleiche Gewährung von Pflegegeld ausschließen (dagegen: Kesselheim, aaO), ist im SGB V nicht geregelt. Das SGB XI ordnet demgegenüber in § 34 Abs 2 das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen bei häuslicher Pflege für den Fall an, daß im Rahmen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V) auch Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht, sowie für die Dauer einer Krankenhausbehandlung oder einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Hierüber war vorliegend jedoch nicht zu entscheiden.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben für ihre Empfehlung, das Pflegegeld jeweils für abgelaufene Zeiträume zu zahlen, keine Begründung angegeben (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände vom 28. November 1990, DOK 1991, 53, 56). Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß der den Spitzenverbänden in § 53 Abs 3 SGB V erteilte Richtlinienauftrag die Festlegung von Zahlungsmodalitäten für das Pflegegeld nicht umfaßt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat außerdem entschieden, daß die aufgrund dieser Vorschrift erlassenen Richtlinien im Außenverhältnis keine bindende Wirkung haben (BSGE 73, 146, 149 f = SozR 3-2500 § 53 Nr 4).
Für die Fälligkeit des Pflegegeldes am Beginn eines Kalendermonats spricht zudem, daß monatlich bemessene laufende Geldleistungen im Sozialrecht durchweg am Monatsanfang fällig werden (Laufende Geldleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung: § 118 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - ≪SGB VI≫; Renten der gesetzlichen Unfallversicherung: § 619 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ die Regelung wird auf das Pflegegeld nach § 558 Abs 3 RVO analog angewandt; vgl KassKomm-Ricke, § 558 RVO RdNr 10Ü; Versorgungsbezüge aufgrund des sozialen Entschädigungsrechts - einschließlich des Pflegegeldes nach § 35 Bundesversorgungsgesetz ≪BVG≫: § 66 Abs 1 Satz 1 BVG). Auch im Zivilrecht gilt bei vergleichbaren Leistungen, wie etwa der Leibrente, der Grundsatz der Vorauszahlung (§ 760 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫).
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jeweils ausdrücklich geregelt: Arbeitslosengeld (§ 122 AFG: nach Ablauf des Zahlungszeitraums), Kindergeld (§ 20 BKGG: zweimonatlich im Verlauf der beiden Monate, für die es bestimmt ist), Verletztengeld- und Übergangsgeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 619 Abs 1 Satz 2 RVO); Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 118 Abs 1 SGB VI). Für das Krankengeld regelt das SGB V den Auszahlungszeitpunkt nicht ausdrücklich - im Gegensatz zur RVO (§ 210 RVO: "Die Barleistungen mit Ausnahme des Sterbegelds werden mit Ablauf der Woche ausgezahlt"). Fällig wird der Krankengeldanspruch gemäß § 46 Abs 1 SGB V mit Beginn der Krankenhausbehandlung bzw am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Aus dem Charakter des Krankengeldes als Ersatz für einen konkreten kurzfristigen Lohnausfall folgt jedoch, daß die Auszahlung wie auch bei dem ausfallenden Arbeitsentgelt abschnittsweise nachträglich erfolgt. Bei einem Vergleich mit dem Krankengeld ist zu beachten, daß es im Gegensatz zu den oben aufgeführten monatlich im voraus zu zahlenden Geldleistungen auf einen kurzfristigen Ausfall von Arbeitsentgelt reagiert und nicht für einen im vorhinein abschätzbaren längeren Zeitraum gedacht ist. Aus der nachträglichen Zahlungsweise des Krankengeldes lassen sich aus diesem Grund und wegen der anderen Zielrichtung des Pflegegeldes, auf die noch einzugehen sein wird, keine Rückschlüsse auf die Zahlungsweise des Pflegegeldes ziehen.
Die genannten Vorschriften über die Fälligkeit laufender Geldleistungen in anderen Bereichen des Sozialrechts machen deutlich, daß im Grundsatz von einer Fälligkeit zum Monatsbeginn auszugehen ist. Dies rechtfertigt den Schluß, daß der Gesetzeswortlaut eine eindeutige Regelung enthielte, wenn beim Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit eine Abweichung von diesem Grundsatz beabsichtigt gewesen wäre.
Sinn und Zweck des Pflegegeldes sprechen nicht gegen seine Fälligkeit am Anfang eines Kalendermonats. Dies kann allerdings nicht, wie die Revisionsklägerin annimmt, damit begründet werden, daß das Pflegegeld einer Unterhaltszahlung gleichstehe und wie diese im voraus zu zahlen sei.
Im Gegensatz zu den Renten aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung oder den sozialhilferechtlichen Leistungen zum Lebensunterhalt dient das Pflegegeld nicht der Deckung des laufenden Lebensunterhalts (vgl Krauskopf, aaO, RdNr 4; Zipperer, aaO, RdNr 9). Seine Höhe ist zudem bewußt ("um unerwünschte Mitnahmeeffekte zu vermeiden", BT-Drucks 11/2237, S 185) so bemessen worden, daß es im Regelfall nicht sämtliche für die Pflege anfallenden Kosten abdeckt. Selbst wenn der Pflegebedürftige aus dem Pflegegeld die Entlohnung fremder, nicht zur Familie gehörender Pflegekräfte finanziert, spricht dies nicht ohne weiteres dafür, daß das Pflegegeld bereits am Monatsanfang zur Verfügung stehen muß, denn die Vergütung der Pflegekräfte wird grundsätzlich gem § 614 BGB erst nach Ablauf eines Zeitabschnitts fällig.
Das Pflegegeld ist jedoch in erster Linie nicht für den "Einkauf" fremder professioneller Pflegehilfe gedacht. Diesem Zweck dient vorrangig die Verpflichtung der KKn zur Gestellung von Pflegekräften nach § 55 bzw § 56 SGB V. Das Pflegegeld ist keine pauschalierte Erstattungsleistung für die Kosten einer selbst beschafften Pflegekraft (BVerwGE 92, 220, 227). Mit der Gewährung von Pflegegeld will der Gesetzgeber indirekt vor allem die Motivation von Familienangehörigen und Freunden oder Bekannten des Pflegebedürftigen stärken, um eine sonst drohende vermehrte Inanspruchnahme von stationärer Pflege, die wesentlich kostenintensiver wäre, zu vermeiden. In Anbetracht des ganz erheblichen Pflegeaufwands, den das Gesetz (§ 53 SGB V) als Voraussetzung für die Gewährung von Pflegeleistungen fordert, stellt das Pflegegeld wegen seiner relativ geringen Höhe für diesen Personenkreis allenfalls eine Anerkennung oder einen Anreiz dar, nicht aber eine echte Gegenleistung für Pflegedienste (so auch: BT-Drucks 11/2237, S 185). Von daher ist der Zeitpunkt, zu dem ein Entgelt für Pflegepersonen fällig wird, für die Fälligkeit des Pflegegeldes von untergeordneter Bedeutung.
Unmittelbar begünstigt wird von der Pflegegeldzahlung der Schwerpflegebedürftige selbst. Denn leistungsberechtigt ist nur er, nicht aber der pflegende Angehörige oder Bekannte. Über die Verwendung des Pflegegeldes trifft das Gesetz keine Bestimmung. Der Pflegebedürftige kann die Geldleistung ua zur sozialen Absicherung der Pflegeperson etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung verwenden (§ 177 SGB VI). Der Pflegebedürftige braucht aber über die Verwendung des Pflegegeldes keinen Nachweis zu führen. Er kann den Geldbetrag vielmehr nach seinem Gutdünken zur Erleichterung der Pflege einsetzen. Das Pflegegeld soll in pauschalierter Form den Bedarf abdecken, der dem Pflegebedürftigen dadurch entsteht, daß er die benötigte häusliche Pflege selbst sicherstellt (BVerwGE 92, 220, 226 zu dem insoweit vergleichbaren Pflegegeld nach § 69 BSHG). Ihm wird damit die Entscheidung überlassen, welche der mit der Pflege zusammenhängenden Ausgaben er unter Einsatz des Pflegegeldes finanzieren will und kann. Dies setzt voraus, daß ihm der Geldbetrag schon während des jeweiligen Pflegezeitraums und nicht erst nach dessen Ablauf zur Verfügung steht.
Auch der Umstand, daß in § 69 Abs 3 Satz 4 BSHG und in § 35 Abs 3 BVG eine (zumindest teilweise) Anrechnung des Pflegegeldes angeordnet wird, spricht dagegen, daß der Gesetzgeber von einer Fälligkeit des Pflegegeldes erst nach Ablauf des Kalendermonats ausgegangen ist. Die Pflegezulage nach § 35 BVG wird gem § 66 Abs 1 Satz 1 BVG am Monatsanfang fällig; das Pflegegeld nach § 69 BSHG wird tatsächlich am Monatsanfang gezahlt. Wäre der Gesetzgeber bei der Regelung der Anrechnung davon ausgegangen, daß das Pflegegeld der Krankenversicherung erst zum Monatsende ausgezahlt wird, so wären die unterschiedlichen Zahlungszeitpunkte im Gesetzgebungsverfahren angesprochen worden. Der die Anrechnung regelnde § 35 BVG ist mit der Schaffung des Pflegegeldes der Krankenversicherung durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) in dessen Art 37 Nr 18 an diese Leistung angepaßt worden. Die Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (BT-Drucks 11/2237 zu Art 36 Nr 18 auf S 264) befaßt sich indes nicht mit der Zahlungsweise. Auch die Anrechnungsvorschrift des § 69 BSHG wurde durch Art 42 Nr 4 GRG neu gefaßt. Die Anrechnung nach dem unverändert anwendbaren § 69 Abs 3 Satz 3 BSHG wurde als unproblematisch angesehen (BT-Drucks 11/2237 zu Art 40, zu Nr 4 auf S 267). Auch die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 69 BSHG durch Gesetz vom 7. Juli 1992 (BGBl I 1225) ergeben keinen Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber von unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten ausging. Sie befassen sich mit der Zweckidentität, nicht mit unterschiedlichen Zahlungsterminen (BT-Drucks 12/2219, S 4). Es ist deshalb nicht anzunehmen, daß in beiden Fällen eine Geldleistung angerechnet werden sollte, die von der KK erst einen Monat später zu erbringen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 517735 |
Breith. 1995, 568 |