Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeiten. Alt-Österreicherin
Orientierungssatz
Zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die sogenannten Altösterreicherinnen (vgl BSG vom 23.4.1990 5 RJ 55/89 = SozR 3 - 5050 § 28b Nr 1).
Normenkette
RVO § 1251a Abs 1a; FRG § 2 Buchst b, § 28b Abs 1; SozSichAbk AUT; SozSichAbkSchlProt AUT Nr 19 Buchst b Nr 2; SVAbk AUT Art 24 Abs 2 S 1 Halbs 2
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.12.1988; Aktenzeichen S 1 J 83/87) |
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, welche Kindererziehungszeiten bei der Berechnung des Altersruhegeldes der Klägerin zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist als österreichische Staatsangehörige am 22. Mai 1921 in W geboren. Dort war sie auch ab 1935 versicherungspflichtig beschäftigt. Am 30. Januar 1942 gebar sie ihren Sohn P . Im September 1943 verzog sie von W nach P zu ihren Schwiegereltern. Der Sohn K wurde am 6. Mai 1954 geboren. Die Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter in W lehnte den Antrag der Klägerin, ihr Alterspension zuzuerkennen, am 12. Dezember 1986 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 13. November 1986 Altersruhegeld ab 1. Juni 1986. Dabei berücksichtigte sie die Kindererziehungszeit nur für den Sohn K . Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. November 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 1. Februar 1942 bis zum 31. Januar 1943 ebenfalls als Kindererziehungszeit anzurechnen (Urteil vom 19. Dezember 1988). Es hat ausgeführt, die Versicherungslastregelungen im Ersten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung (1. DÖSVA) vom 21. April 1951 stünden einer solchen Anrechnung nicht entgegen.
Die Beklagte hat - mit schriftlicher Zustimmung der Klägerin - dieses Urteil mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision angefochten. Sie macht geltend, die Formulierung in § 1251a der Reichsversicherungsordnung (RVO) "in dem jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze" könne nur unter Beachtung der sozialrechtlichen Gesamtsituation ausgelegt werden. Die Versicherungslastregelung in Art 24 Abs 1 Nr 2 Buchst b 1. DÖSVA müsse berücksichtigt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist begründet. Die Zeit vom 1. Februar 1942 bis zum 31. Januar 1943 kann als Kindererziehungszeit weder nach § 1251a RVO noch nach § 28b des Fremdrentengesetzes (FRG) iVm § 1251a RVO bei der Berechnung des Altersruhegeldes berücksichtigt werden.
Während des genannten Zeitraumes erzog die Klägerin ihren Sohn P in Österreich. Die Anrechnung dieser Zeit als Kindererziehungszeit ist nach § 1251a Abs 1a RVO idF durch Art 6 Nr 18 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) ausgeschlossen. Die Neuregelung ist rückwirkend ab 1. Januar 1986 in Kraft getreten (Art 85 Abs 2 RRG 1992). In Satz 1 des § 1251a Abs 1a RVO wird der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleichgestellt. Das gilt nach Satz 2 jedoch nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraumes aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden. Das aber trifft hier zu. Der erkennende Senat hat bereits in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 23. April 1990 - 5 RJ 55/89 - in einem gleichgelagerten Fall entschieden, daß derartige Kindererziehungszeiten nach Art 24 1. DÖSVA iVm Nr 19 des Schlußprotokolls zum DÖSVA in die österreichische Versicherungslast fallen. Hier wie dort ist die Klägerin sog "Altösterreicherin" iS von Art 24 Abs 2 Satz 1 2. Halbs 1. DÖSVA. Die Tatsache, daß die Klägerin durch die Heirat im Jahre 1942 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und diese nach Kriegsende nicht wieder verloren hat, steht der Anwendung des 1. DÖSVA und seines Art 24 nicht entgegen. Der Senat hat im erwähnten Urteil vom 23. April 1990 offen gelassen, ob es sich bei der Änderung in § 1251a Abs 1a RVO um eine Klarstellung des ohnehin geltenden Rechts oder um eine Änderung der Rechtslage handelt. Jedenfalls sei die Rückwirkung des Gesetzes nicht zu beanstanden.
Die streitige Kindererziehungszeit kann auch nicht nach § 28b FRG angerechnet werden. Das hat der erkennende Senat im Urteil vom 23. April 1990 aaO - gestützt auf § 2 Buchst b - ebenfalls entschieden. Nach dieser Vorschrift gilt das FRG ua nicht für Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die nach einem für die Bundesrepublik Deutschland wirksamen zwischenstaatlichen Abkommen über Sozialversicherung in einer Rentenversicherung des anderen Staates anrechenbar sind. Das DÖSVA gilt für Versicherungszeiten vor dem 1. Januar 1939 und nach dem 10. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich generell und für Altösterreicherinnen - wie die Klägerin - für die in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1938 und dem 11. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten als Abkommen im Sinne der Rechtsvorschriften über Fremdrenten (Nr 19 Buchst b Nr 2 Buchst c) aa) und bb) des Schlußprotokolls zum DÖSVA). Der Senat hat sodann entschieden, Kindererziehungszeiten in Österreich seien auch Versicherungszeiten in einer Rentenversicherung des anderen Staates iS von § 2 Buchst b FRG. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil vom 23. April 1990 aaO im einzelnen Bezug genommen.
Das angefochtene Urteil des SG mußte somit aufgehoben und die Klage mußte abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen