Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Altösterreicherinnen. Vertriebene

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kindererziehungszeiten in Österreich während der Zeit vom 1.1.1939 bis 9.4.1945 sind bei sogenannten Altösterreicherinnen nach § 1251a Abs 1a RVO nicht anrechenbar, da Beitragszeiten in die österreichische Versicherungslast fallen würden (Anschluß an BSG vom 15.1.1981 - 4 RJ 131/79 = SozR 6685 Art 24 Nr 1 und BSG vom 13.11.1985 - 1 RA 61/84 = SozR 6678 Nr 19 Nr 6).

2. Kindererziehungszeiten von Vertriebenen, deren Herkunftsgebiet Österreich ist, sind wegen der Geltung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 22.12.1966 als Abkommen iS von § 2 Buchst b FRG nicht nach § 28b FRG anrechenbar.

 

Normenkette

RVO § 1251a Abs 1a; AVG § 28a Abs 1a; FRG § 2 Buchst b, § 28b Abs 1; SozSichAbk AUT; SVAbk AUT Art 24 Abs 2 S 1 Halbs 2; SozSichAbkSchlProt AUT Nr 19 Buchst b Nr 2

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.04.1989; Aktenzeichen L 3 J 272/87)

SG Dortmund (Entscheidung vom 26.10.1987; Aktenzeichen S 34 J 80/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Berechnung des Altersruhegeldes (ARG) der Klägerin Kindererziehungszeiten für die Zeit vom 1. Juli 1942 bis 30. Juni 1943 und 1. November 1945 bis 18. April 1946 zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist am 30. September 1921 in I      (Österreich) geboren. In Österreich hat sie zwischen dem 1. Februar 1937 und dem 29. Dezember 1941 insgesamt eine Versicherungszeit von 53 Monaten aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigungen zurückgelegt. Im Januar 1942 heiratete die Klägerin ihren Ehemann, einen Deutschen. In I         bzw I gebar die Klägerin am 27. Juni 1942 die Tochter E     H      und am 21. Oktober 1945 den Sohn P   -J    . Nach der Geburt dieses Kindes blieb die Klägerin noch bis zum 18. April 1946 in I      und übersiedelte dann nach Deutschland. Schon vorher war auf Anordnung der damaligen Militärregierung Österreichs am 18. September 1945 der Rücktransport ihres Ehemannes in das ehemalige Reichsgebiet für (voraussichtlich) den 22. September 1945 angeordnet worden. Die Klägerin hatte ihren Ehemann wegen der damaligen zweiten Schwangerschaft und bevorstehenden Niederkunft zunächst nicht begleiten müssen.

Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland war die Klägerin in den Jahren 1960 bis 1964 insgesamt neun Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin ist Inhaberin des Ausweises B für Vertriebene und Flüchtlinge.

Einen Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 des (österreichischen) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lehnte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien im Januar 1985 ab. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 9. April 1985 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) ab 1. Juni 1984.

Mit Bescheid vom 19. September 1986 wandelte die Beklagte diese Rente ab 1. Oktober 1986 in ARG nach § 1248 Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) um. Bei der Berechnung des ARG berücksichtigte sie für das am 31. Oktober 1947 in W     geborene dritte Kind der Klägerin die Zeit vom 1. November 1947 bis 31. Oktober 1948 und für das Kind P   -J     die Zeit vom 19. April 1946 bis 31. Oktober 1946 als Kindererziehungszeiten. Die Anerkennung solcher Zeiten für das Kind E     H      für den Zeitraum vom 1. Juli 1942 bis 30. Juni 1943 und für das Kind P   -J     für den Zeitraum vom 1. November 1945 bis 18. April 1946 lehnte sie ab. Mit ihrem Widerspruch begehrte die Klägerin die Anerkennung der Kindererziehungszeiten für E     H      und P   -J     in vollem Umfang. Sie trug dazu vor, daß sie seit dem Anschluß Österreichs an Deutschland am 13. März 1938 als deutsche Staatsbürgerin geführt worden sei. Ihr Mann habe die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Auch die Kinder E und P    hätten nur die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1987 zurück. Sie berief sich darauf, daß die im Zeitraum vom 1. Januar 1939 bis 9. April 1945 in Österreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten wegen der hier eingreifenden Versicherungslastregelungen nicht anerkannt werden könnten. Auch sei eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die ab dem 10. April 1945 auf dem Gebiet der Republik Österreich erzogen worden seien, nicht möglich.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß es unerheblich sei, wo sie als deutsche Staatsangehörige ihre Kinder erzogen habe. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen des Art 24 Abs 2 des Ersten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 (BGBl II 1952 S 318 i.F.: Erstes Abkommen) iVm Art 2 des Ersten Zusatzabkommens vom 10. April 1969 (BGBl II S 1261) zum Abkommen vom 22. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit (BGBl II 1969 S 1235 i.F.: DÖSVA) nicht erfüllt seien. Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß für den in Art 24 Abs 2 des Ersten Abkommens erfaßten Personenkreis, zu dem auch die Klägerin gehöre, nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien weiterhin die alleinige Zuständigkeit des österreichischen Versicherungsträgers für eine Entschädigung von Versicherungszeiten vor dem 10. April 1945 gegeben sein solle. Diese Regelung über die Aufteilung der Versicherungslast müsse auch Geltung für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten beanspruchen. Auch für die Zeit nach dem 9. April 1945 sei die Entschädigung von Versicherungszeiten bzw gleichzustellenden Tatbeständen der ausschließlichen Zuständigkeit des österreichischen Versicherungsträgers zugeordnet. § 28b des Fremdrentengesetzes (FRG) könne daher bei Kindererziehungszeiten in Österreich nach dem 9. April 1945 nicht angewandt werden. Auch habe die Erziehung des Kindes P   -J     nicht im Vertreibungsgebiet stattgefunden.

Mit Urteil vom 26. Oktober 1987 hat das Sozialgericht Dortmund (SG) den Bescheid vom 19. September 1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung des der Klägerin gewährten ARG die Zeiträume vom 1. Juli 1942 bis zum 30. Juni 1943 und vom 1. November 1945 bis zum 18. April 1946 als Zeiten der Kindererziehung zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin beansprucht hat, daß die Zeit der Kindererziehung vom 1. Juli 1942 bis 30. Juni 1943 bei der Berechnung des ARG berücksichtigt werde. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das LSG hat den Standpunkt vertreten, daß die Zeit bis zum 10. April 1945 für die Klägerin als sogenannter Altösterreicherin grundsätzlich in die österreichische Versicherungslast fiele, was auch das Bundessozialgericht (BSG) schon bestätigt habe (SozR 6685 Art 24 Nr 1). Diese Versicherungslastregelung sei auch bei der möglichen Anrechnung von Kindererziehungszeiten maßgebend. Soweit die Versicherungslastregelung reiche, könnten die Zeiten auch nicht nach dem FRG angerechnet werden. Anders sei dies aber für die Zeit nach dem 10. April 1945 zu beurteilen. Die Zeit der Kindererziehung vom 1. November 1945 bis zum 18. April 1946 in Österreich müsse nach § 28b FRG iVm § 1251a RVO als Kindererziehungszeit angerechnet werden. Die Klägerin sei Vertriebene und habe das Kind im Herkunftsgebiet erzogen. § 2 FRG stehe der Anrechnung ebenfalls nicht entgegen. Kindererziehungszeiten seien keine Versicherungszeiten, die nach dem DÖSVA in der Rentenversicherung in Österreich anrechnungsfähig seien. Die Regelung in Österreich - Steigerung der Rente um 3 vH für jedes in Österreich geborene Kind - sei keine Anrechnung einer Versicherungszeit.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Klägerin die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügen Verletzungen des materiellen Rechts.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. April 1989 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. April 1989 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 19. September 1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 zu verurteilen, bei der Berechnung des der Klägerin gewährten Altersruhegeldes die Zeiträume vom 1. Juli 1942 bis 30. Juni 1943 als Zeiten der Kindererziehung zu berücksichtigen und die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind auf die Änderung von § 1251a Abs 1a RVO durch Art 6 Nr 18 des Rentenreformgesetzes 1992 (vom 18. Dezember 1989 BGBl I S 2261 -RRG 1992-) hingewiesen worden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, die der Klägerin unbegründet. Weder die Zeit vom 1. Juli 1942 bis 30. Juni 1943 noch die Zeit vom 1. November 1945 bis 18. April 1946 sind als Kindererziehungszeiten nach § 1251a RVO oder nach § 28b FRG iVm § 1251a RVO bei der Berechnung des ARG zu berücksichtigen.

In diesen Zeiten erzog die Klägerin ihre Kinder E     H      bzw P   -J     in Österreich. Zu Recht hat das LSG zunächst entschieden, daß diese Zeiten allein nach § 1251a RVO nicht angerechnet werden können. Für die Kindererziehungszeit ab 1. November 1945 gilt dies schon deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt in Österreich die Reichsversicherungsgesetze nicht mehr galten. Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit für die Zeit von Juli 1942 bis Juni 1943 ist jedenfalls nach § 1251a Abs 1a RVO idF durch Art 6 Nr 18 RRG 1992 ausgeschlossen. In Satz 1 dieser Vorschrift wird (wie auch schon nach der bisherigen Regelung in § 1251a Abs 1 RVO) der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes - dh der RVO - die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleichgestellt. In Satz 2 der Vorschrift wird nunmehr aber ausdrücklich angeordnet, daß dies nicht gilt, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraumes aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden. Diese Gesetzesfassung entspricht dem von der Beklagten und auch vom LSG schon zum bisherigen Gesetzesstand vertretenen Standpunkt. Die geltend gemachte Kindererziehungszeit von Juli 1942 bis Juni 1943 fällt nach Art 24 des Ersten Abkommens iVm Nr 19 des Schlußprotokolls zum DÖSVA in die österreichische Versicherungslast. Die Klägerin ist "Altösterreicherin" iS von Art 24 Abs 2 Satz 1 2. Halbsatz, denn sie hatte unmittelbar vor dem 13. März 1938 fünf Jahre lang ihren Wohnsitz in der Republik Österreich gehabt. Die Tatsache, daß die Klägerin auch durch die Heirat im Jahre 1942 die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb und diese auch nach dem 10. April 1945 nicht wieder verlor, steht der Anwendung von Art 24 des Ersten Abkommens nicht entgegen. Dies ist vom LSG zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (SozR 6685 Art 24 Nr 1) entschieden worden. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an (vgl dazu auch BSG SozR 6678 Nr 19 Nr 6). Der Senat kann offenlassen, ob die nach Art 85 Nr 2 RRG 1992 zum 1. Januar 1986 in Kraft getretene Änderung von § 1251a RVO lediglich eine Klarstellung des ohnehin bereits geltenden Rechts oder aber eine Änderung der Rechtslage gewesen ist. Auch wenn man von letzterem ausgeht, liegt jedenfalls eine zulässige Rückwirkung des Gesetzes vor. Der Gesetzgeber hat hier eine zumindest unklare Gesetzeslage klargestellt.

Die geltend gemachten Kindererziehungszeiten können auch nicht nach § 28b FRG angerechnet werden. Zu Unrecht meint allerdings die Beklagte, da die Kinder in Österreich erzogen worden seien und Österreich kein Vertreibungsgebiet gewesen sei, könnten diese Zeiten nicht angerechnet werden. In § 28b FRG wird nur gefordert, daß die Kinder im Herkunftsgebiet erzogen worden sind. Das Gebiet der Republik Österreich, in welchem die Klägerin ihre Kinder in der streitbefangenen Zeit erzogen hat, ist das Herkunftsgebiet der Klägerin. Aus diesem Gebiet stammt sie und nur auf eine Vertreibung aus diesem Gebiet kann sich die Anerkennung als Vertriebene gründen. Im übrigen ist ausreichend, daß die Klägerin Inhaberin eines Vertriebenenausweises und als solche als Vertriebene iS von § 1 Buchst a FRG anerkannt ist. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß vom BSG im Urteil vom 5. Februar 1976 (SozR 2200 § 1251 Nr 16) entschieden worden ist, die Vertreibung aus einem Vertreibungsgebiet sei in Österreich beendet. Dieses Urteil betraf eine Vertriebene, die aus dem Vertreibungsgebiet nach Österreich kam. Hier ist aber die Klägerin aus Österreich ausgewiesen worden. Im Ergebnis läuft die Argumentation der Beklagten darauf hinaus, ehemalige Österreicher könnten keine Vertriebenen iS des FRG sein. Damit stellt die Beklagte die Rechtmäßigkeit der Anerkennungsentscheidung nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in Frage. Das LSG hat in seiner Entscheidung aber zu Recht darauf hingewiesen, daß bei Anwendung der Vorschriften des FRG die Anerkennung als Vertriebener nach dem BVFG zu beachten ist. Nach § 1 Buchst a gilt das FRG für Vertriebene, die als solche anerkannt sind, setzt also einerseits die Anerkennung voraus, bindet aber andererseits den Versicherungsträger an die Anerkennung. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung kann nicht bei Anwendung des FRG durch die Beklagte in Frage gestellt werden. Dazu müßte zunächst die Anerkennungsentscheidung angefochten und aufgehoben werden.

Die Kindererziehungszeiten können aber wegen § 2 Buchst b FRG nicht nach § 28b FRG berücksichtigt werden. Nach § 2 Buchst b FRG gilt das FRG ua nicht für Versicherungszeiten und Beschäftigungszeiten, die nach einem für die Bundesrepublik Deutschland wirksamen zwischenstaatlichen Abkommen über Sozialversicherung in einer Rentenversicherung des anderen Staates anrechnungsfähig sind. Das DÖSVA gilt für Versicherungszeiten vor dem 1. Januar 1939 und nach dem 10. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich generell und für die Klägerin als Altösterreicherin für die in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1938 und dem 11. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten als Abkommen iS der Rechtsvorschriften über Fremdrenten (Nr 19 Buchst b Nr 2 Buchst c) aa) und bb) des Schlußprotokolls zum DÖSVA). Kindererziehungszeiten in Österreich sind auch Versicherungszeiten in einer Rentenversicherung des anderen Staates iS von § 2 Buchst b FRG. Der Senat kann offenlassen, ob nicht auch bei der Auslegung von § 2 Buchst b FRG in bezug auf Kindererziehungszeiten die jetzt in § 1251a Abs 1a Satz 2 RVO ausdrücklich getroffene Regelung zu beachten ist, wonach Kindererziehungszeiten in einem anderen Staat dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn Beitragszeiten für dieselbe Zeit vom anderen Staat anzurechnen wären. § 2 Buchst b FRG greift jedenfalls dann ein, wenn Kindererziehungszeiten nach dem ASVG berücksichtigt werden. Nach den für den Senat bindenden (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 71) Feststellungen des LSG zum österreichischen Recht werden nach dem ASVG Kindererziehungszeiten rentensteigernd berücksichtigt. Zwar werden diese Zeiten nicht einem bestimmten Zeitabschnitt als Versicherungszeit zugeordnet. Für jedes Kind wird aber ein Steigerungsbetrag in Höhe von 3 vH berücksichtigt. Die Regelung entspricht damit in etwa der in Art 2 § 62 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG), Art 2 § 61 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) und Art 2 § 35 des Knappschaftsrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) getroffenen. Zumindest in diesem Fall muß aber das in § 2 Buchst b FRG ausgedrückte Prinzip zum Tragen kommen, daß Zeiten nicht nach dem FRG angerechnet werden, wenn sie bei einem anderen Versicherungsträger bereits bei der Versicherung berücksichtigt werden.

Der Senat mißt indes der konkreten Ausgestaltung der Kindererziehungszeit bei der Rentenberechnung - einerseits Versicherungszeit, andererseits Steigerungsfaktor - keine entscheidende Bedeutung bei.

Anderenfalls könnten diese Zeiten doppelt entschädigt werden. Einmal wären sie vom österreichischen Versicherungsträger bei einer von ihm zu gewährenden Rente zu berücksichtigen, indem er diese Rente erhöht, und andererseits wären sie vom deutschen Versicherungsträger als Versicherungszeiten rentensteigernd zu berücksichtigen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß bei der Klägerin die Kindererziehungszeiten jedenfalls nicht doppelt berücksichtigt werden können, da sie aus Österreich keine Pension erhält. Das FRG gilt nach § 2 Buchst b schon dann nicht, wenn eine Versicherungszeit anrechnungsfähig wäre. Unerheblich ist, ob im Einzelfall überhaupt eine Rente gewährt wird und ob diese Versicherungszeit bei der Rentenberechnung zugrunde gelegt wird.

Die Einfügung von § 1251a Abs 1a RVO durch Art 6 Nr 18 RRG 1992 und die vergleichbare Regelung für Art 2 § 62 ArVNG durch Art 13 RRG 1992 zeigen auch, daß der Gesetzgeber eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten immer dann ausschließen will, wenn der Zeitraum der Kindererziehung dem anderen Staat versicherungsrechtlich zugerechnet wird. Nach diesem Prinzip wird aber auch die Geltung des FRG in § 2 Buchst b ausgeschlossen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß das FRG vom Eingliederungsprinzip ausgeht und deshalb die Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden müßten. § 1251a Abs 1a Satz 2 RVO betrifft Versicherungszeiten, die einen engeren Bezug zur deutschen Rentenversicherung haben als Zeiten nach dem FRG. Denn Versicherungslastregelungen im Sinne dieser Vorschrift sind nur dann notwendig, wenn die Versicherungszeiten an sich auch nach dem innerstaatlichen Recht anrechenbar sind. Durch § 1251a Abs 1a Satz 2 RVO wird entsprechend der Versicherungslastregelung eine Versicherte für die Kindererziehung nicht entschädigt, für die in dieser Zeit dem Grunde nach die Reichsversicherungsgesetze galten, dh die Versicherte, die eingegliedert war, wird gewissermaßen ausgegliedert. Dann kann aber diejenige, für die wegen eines Abkommens das FRG nach § 2 Buchst b grundsätzlich nicht gilt, nicht besser gestellt werden. Ob Kindererziehungszeiten trotz eines Abkommens iS von § 2 Buchst b FRG dann anzurechnen sind, wenn der andere Staat diese überhaupt nicht versicherungsrechtlich berücksichtigt, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649907

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